HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 223
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 67/16, Beschluss v. 11.01.2017, HRRS 2017 Nr. 223
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Kammergericht übertragen.
Der Angeklagte wurde am 17. Juni 2016 festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juni 2016 (348 Gs 1954/16) in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe durch zwei selbständige Handlungen - am 31. Oktober 2014 und in den Tagen unmittelbar davor eine schwere staatsgefährdende Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 StGB oder des § 212 StGB vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu gefährden, indem er über einen Mittelsmann 400 € an den gesondert Verfolgten A. überwiesen habe, der sich „in Syrien im Bereich des IS aufhielt“ und das Geld zur Anschaffung eines Nachtsichtgerätes und eines Zielfernrohrs verwendete. Damit habe der Angeklagte für die Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht unerhebliche Vermögenswerte gesammelt und zur Verfügung gestellt (strafbar gemäß § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 4 StGB aF, § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF, im Folgenden: Tat 1); - am 1. Januar 2016 einem anderen eine bewegliche Sache in der Absicht weggenommen, die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, indem er einem Touristen die Brieftasche entriss, in der sich 400 €, dessen Personalausweis und dessen EC-Karte befanden (strafbar gemäß § 242 StGB, im Folgenden: Tat 2).
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung sowie wegen Diebstahls unter dem 1. Dezember 2016 Anklage gegen den Angeklagten erhoben; das Kammergericht hat diese mit Beschluss vom 2. Januar 2017 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit der Hauptverhandlung soll am 18. Januar 2017 begonnen werden.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Tiergarten vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Der „Islamische Staat“ ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ im Juni 2014 aus „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ in „Islamischer Staat“ umbenannte - wodurch sie von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein „Großsyrien“ Abstand nahm -, hat der „Emir“ Abu Bakr al Baghdadi inne, der von seinem Sprecher zum „Kalifen“ erklärt wurde, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehören außerdem beratende „Shura Räte“. Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung „Al Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al I'tisam“ verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem „Prophetensiegel“, einem weißen Oval mit der Inschrift: „Allah - Rasul - Muhammad“, auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen Geheimdienstapparat eingerichtet; diese Maßnahmen zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich und Belgien, die Verantwortung übernommen.
bb) Der Angeklagte, der den islamistischen Jihad befürwortet und mit dem IS oder ähnlichen Gruppierungen sympathisiert, stand zur Tatzeit schon seit längerem mit dem gesondert Verfolgten A. per Chat über den Instant-Messaging-Dienst „Skype“ in Kontakt. In den Chats hatte er erfahren, dass A. sich in Syrien im Gebiet des IS aufhielt, für diesen Anschläge begehen wollte, sich aufgrund seiner Vorkenntnisse - er hatte eine Zeitlang Medizin studiert - aber „in der Medizin spezialisieren“ sollte. Spätestens ab dem 23. Oktober 2014 unterhielt sich der Angeklagte mit A. per Chat über Geld, das A. benötigte, um damit „Kriegsmaterial“, namentlich ein russisches Nachtsichtgerät und ein Zielfernrohr, erwerben zu können. Diese Gegenstände benötige er, weil er in der folgenden Woche in das Gebiet um Kobane zöge. In den folgenden Tagen besprachen der Angeklagte und A., dass und wie der Angeklagte das Geld über einen Mittelsmann zur Verfügung stellen sollte. Am 31. Oktober 2014 zahlte der Angeklagte über den Finanzdienstleister Western Union 400 € an den ihm genannten Mittelsmann, dem das Geld am 3. November 2014 ausgezahlt wurde. A. bestätigte gegenüber dem Angeklagten schon am 5. November 2014 per Chat den Geldeingang bei sich. Wieder einige Tage später schilderte er, dass er an einem Feldzug teilgenommen habe.
cc) In den frühen Morgenstunden des 1. Januar 2016 entriss der Angeklagte - gemeinschaftlich handelnd mit dem gesondert Verfolgten A., der kurz zuvor aus dem Ausland kommend in Berlin eingetroffen war und die Tat absicherte - im U-Bahnhof Hallesches Tor an einem Fahrkartenautomaten einem Touristen die Brieftasche, in der sich 400 €, dessen Personalausweis und dessen EC-Karte befanden.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der terroristischen Vereinigung IS aus Auswertungen des Bundeskriminalamtes und insbesondere aus Gutachten des Sachverständigen Dr. S. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 1. Dezember 2016 und auf die dort genannten Beweismittel verwiesen.
Die Chat-Kommunikation des Angeklagten mit dem gesondert Verfolgten A. ist auf dem von ihm genutzten und bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im Februar 2016 sichergestellten Laptop-Computer aufgefunden und ausgewertet worden; sie belegt die wiedergegebene Kommunikation. Die Überweisung an den Mittelsmann wird durch eine Auskunft des Finanzdienstleisters Western Union bestätigt.
Der Diebstahl am 1. Januar 2016 ist von mehreren Überwachungskameras aufgezeichnet worden, der Angeklagte hat ihn zudem grundsätzlich eingeräumt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisgrundlage, die den dringenden Tatverdacht belegt, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf den Haftbefehl und die Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift vom 1. Dezember 2016.
2. In rechtlicher Hinsicht gilt danach Folgendes:
a) aa) Im Fall 1 ist der Angeklagte dringend verdächtig, sich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, nach § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB strafbar gemacht zu haben. Ihm war bekannt, dass A. in die Organisation des IS eingebunden war und dass er durch Übermittlung von Geld, das A. wiederum zum Erwerb von Ausrüstungsgegenständen und Zubehör für Waffen verwenden wollte, die terroristischen Ziele des IS förderte.
(1) Diese rechtliche Beurteilung ist hier zugrunde zu legen:
Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens ist allerdings der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juni 2016, in dem das Verhalten des Angeklagten zur Tat 1 in rechtlicher Hinsicht lediglich als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gewürdigt worden ist. Er enthält aber bereits die Darstellung, dass der gesondert Verfolgte A., dem der Angeklagte Geld zur Verfügung stellte, sich „in Syrien im Bereich des IS aufhielt“.
Dieser Umstand ist im vorliegenden Haftprüfungsverfahren unabhängig von seiner Beurteilung im Haftbefehl rechtlich zu würdigen. Zwar ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl Gegenstand der Haftprüfung (vgl. KK/Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24) und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt, aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat ergibt (vgl. KK/Schultheis aaO, § 121 Rn. 10 mwN), nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung. Wie dargelegt enthielt bereits der Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juni 2016 eine Schilderung der Anbindung des gesondert Verfolgten A. an den IS. Dieser Haftbefehl wurde dem Angeklagten mündlich eröffnet; die Anhörungsvorschriften der §§ 114a, 115 StPO wurden beachtet.
Der weitere Verdacht, der Angeklagte habe sich zu Gunsten des IS ab September 2015 an einer versuchten Schleusung eines potentiellen Kämpfers in das Einflussgebiet des IS beteiligt, der im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift vom 1. Dezember 2016 ausgeführt wird, ist - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin in ihrer Zuschrift vom 6. Dezember 2016 - im vorliegenden Haftprüfungsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil er nicht Gegenstand des Haftbefehls ist.
(2) Mit Blick auf die Unterstützungshandlung ist deutsches Strafrecht anwendbar: Dies folgt unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB, weil die Tat durch eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit begangen wurde und der Angeklagte sich in Deutschland befindet (vgl. zum Strafanwendungsrecht nach § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB nunmehr auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 34 ff.).
(3) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ sowie als „Islamischer Staat“ bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.
bb) Ob die gleiche Handlung zudem den dringenden Verdacht begründet, der Angeklagte habe in dem Wissen, dass sie von einer anderen Person zur Begehung eines Mordes (§ 211 StGB) oder eines Totschlags (§ 212 StGB) verwendet werden sollten und diese Tat jedenfalls dazu bestimmt war, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beeinträchtigen, Vermögenswerte zur Verfügung gestellt (strafbar gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB nF), kann offen bleiben, weil bereits der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland die Haftfortdauer trägt.
Gegen die tateinheitliche Verwirklichung des Tatbestands der Terrorismusfinanzierung könnte sprechen, dass nach § 2 Abs. 3 StGB altes Recht anzuwenden sein könnte, der Angeklagte also eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 StGB, die nach den Umständen bestimmt und geeignet war, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, mithin eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben müsste, indem er A. nicht unerhebliche Vermögenswerte zur Verfügung stellte (strafbar gemäß § 89a Abs. 1, 2 Nr. 4 StGB aF). Für die Anwendbarkeit alten Rechts könnte im konkreten Fall sprechen, dass danach erforderlich war, dass die Straftat zu einer Beeinträchtigung staatlicher Strukturen „bestimmt und geeignet“ war, die Tat im Sinne von § 89c Abs. 1 Satz 1 StGB nF nach Satz 2 der Vorschrift hingegen nur noch dazu „bestimmt“ sein muss. Zudem mussten nach altem Recht „nicht unerhebliche“ Vermögenswerte gesammelt oder zur Verfügung gestellt werden; diese Einschränkung ist in § 89c Abs. 1 StGB nF entfallen. Insoweit ist insbesondere ungeklärt, was zur Annahme der Erheblichkeit der Vermögenswerte ausreicht: Das Merkmal soll nach dem Willen des Gesetzgebers zwar nicht ausschließlich quantitativ zu bestimmen sein, vielmehr sollen auch solche Vermögenswerte erheblich sein können, die isoliert betrachtet nicht bedeutend erscheinen, jedoch im Rahmen einer wertenden Gesamtschau einen nicht unerheblichen Beitrag zur Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat leisten (BT-Drucks. 16/12428, S. 15). Ob insoweit aber auf eine quantitative Untergrenze verzichtet werden kann und gegebenenfalls wie diese zu ermitteln sein soll, ist bislang nicht obergerichtlich entschieden und in der Literatur umstritten (vgl. dazu etwa MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 89a Rn. 55; SKStGB/Zöller, 132. EL, § 89a Rn. 28; S/S/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 89a Rn. 16; AnwKStGB/Gazeas, 2. Aufl., § 89a Rn. 53 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 89a Rn. 35; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 89a Rn. 4; jeweils mwN; siehe auch Radtke/Steinsiek, ZIS 2008, 383, 388; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593, 599). Mit Blick darauf, dass dieses Merkmal in der Neuregelung des § 89c Abs. 1 StGB ohnehin entfallen ist, sieht der Senat jedenfalls im vorliegenden Haftprüfungsverfahren davon ab, zu dieser Rechtsfrage Stellung zu beziehen.
b) Zudem ist der Angeklagte dringend verdächtig, sich am 1. Januar 2016 wegen Diebstahls strafbar gemacht zu haben (Fall 2).
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO: Der Angeklagte hat im Fall seiner Verurteilung wegen Unterstützung des IS mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei dem IS handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausam vorgehende terroristische Vereinigung. Die Unterstützungshandlung des Angeklagten war auch schwerwiegend, weil er durch seine Zahlung den gesondert Verfolgten A. in die Lage versetzte, andere Menschen in der Dunkelheit und aus größerer Entfernung mit einer Schusswaffe anzugreifen.
Mit Blick darauf steht nicht zu erwarten, dass der Angeklagte dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz widerstehen und sich den deutschen Strafverfolgungsbehörden freiwillig zur Verfügung stellen wird. Dies gilt auch eingedenk des Umstandes, dass er nach islamischem Recht mit einer Deutschen verheiratet und Vater eines gemeinsamen Kindes ist. Über weitere nennenswerte soziale Kontakte in Deutschland verfügt er nicht. Seine Familie (Eltern und ein Bruder) leben in Algerien. Da nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu den Themen, mit denen sich der Angeklagte befasste, auch das Beschaffen falscher Pässe, konspiratives Verhalten am Telefon und bei der internetbasierten Kommunikation sowie das Schleusen anderer Personen aus Deutschland bzw. nach Syrien gehörte, steht zu erwarten, dass er auf Gleichgesinnte zurückgreifen kann, die ihn im Fluchtfall beim Untertauchen unterstützen werden. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO erreicht werden.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben; der Umfang der Ermittlungen und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Nach der Festnahme des Angeklagten waren die außerordentlich umfangreichen Beweismittel auszuwerten, die zuvor ganz überwiegend erst aus der arabischen Sprache ins Deutsche übersetzt werden mussten. Insoweit war besondere Sorgfalt geboten, weil der Angeklagte geltend gemacht hatte, sein Interesse am IS, dessen Gegner er sei, habe ausschließlich einen schriftstellerischen Hintergrund - was ihm aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu widerlegen sein wird. Diese Auswertung war kurz vor der Anklageerhebung am 1. Dezember 2016 beendet. Nach Eingang der Anklageschrift hat der Vorsitzende des Hilfsstrafsenats 2A des Kammergerichts unmittelbar deren Zustellung veranlasst und eine Erklärungsfrist von drei Wochen gesetzt. Mit Beschluss vom 2. Januar 2017 hat dieser Senat die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit der Hauptverhandlung soll am 18. Januar 2017 begonnen werden.
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledem (noch) nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 223
Bearbeiter: Christian Becker