HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 184
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 219/15, Urteil v. 04.10.2017, HRRS 2018 Nr. 184
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 21. Januar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit er in den Fällen II.2. und II.5. der Urteilsgründe verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.3. der Urteilsgründe,
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte lebte zur Tatzeit mit Sch., der Großmutter der Nebenklägerin, zusammen. In der Zeit vom Sommer 1995 bis Anfang 2010 kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf deren Enkelin, die am 17. Januar 1993 geborene Nebenklägerin Z., sowie auf die am 21. August 1988 geborene Zeugin M. Weitere sexuelle Übergriffe waren nicht konkretisierbar; insoweit hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Festgestellt wurden folgende Vorkommnisse:
a) Zu einem unbekannt gebliebenen Zeitpunkt zwischen dem 21. August 1995 und dem 1. Dezember 1996 missbrauchte der Angeklagte M., indem er das Kind auf den Esstisch setzte, dessen Beine auseinanderdrückte und seinen Penis für kurze Zeit an ihrem Genitalbereich rieb, um sich sexuell zu erregen (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) An einem Morgen im Zeitraum zwischen dem 17. Januar 1997 und Sommer 1999 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin, die im Bett auf dem Bauch lag, indem er sie an Brust und Scheide anfasste. Letzteres verursachte der Nebenklägerin Schmerzen (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Im Zeitraum zwischen Sommer 2003 und Sommer 2005 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin im Gästezimmer der Wohnung ihrer Großmutter, indem er ihr die Hosen auszog, sie an Brust und Scheide anfasste und an ihrer Scheide leckte (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Bei einem Besuch der Familie der Nebenklägerin im Zeitraum vom 28. September 2000 bis zum 28. Mai 2009 legte sich der Angeklagte hinter die Nebenklägerin ins Bett und fasste sie entweder an der Scheide an oder rieb seinen Penis daran (Fall II.4. der Urteilsgründe).
e) An einem Tag im Zeitraum zwischen dem 17. Januar 2007 und dem 16. Januar 2010 wollte der Angeklagte erneut sexuelle Handlungen an der Nebenklägerin vornehmen. Diese wehrte sich jedoch durch Schläge und Tritte. „Um sein Vorhaben umzusetzen, drohte er der Nebenklägerin nunmehr, sie zu vergewaltigen, wenn sie ihm nicht freiwillig zu Willen sei. Er hatte jedoch nicht vor, tatsächlich Gewalt anzuwenden. Als seine Drohung keine Wirkung zeigte und der Angeklagte erkannte, dadurch nicht zu seinem Ziel zu gelangen, verließ er das Zimmer“ (Fall II.5. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat sich in den Fällen II.2., II.3. und II.4. nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte, wie dies die Anklage angenommen hat, auch in die Scheide der Nebenklägerin eingedrungen ist. Im Fall II.4. ist es nicht zu einer Verurteilung gelangt, weil es nicht feststellen konnte, dass die sexuelle Handlung vor Überschreiten der Schutzaltersgrenze der Nebenklägerin im Sinne von § 176 Abs. 1 StGB begangen wurde. In den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe ist es jeweils von sexuellem Missbrauch eines Kindes ausgegangen; im Fall II.5. der Urteilsgründe hat es den Versuch einer sexuellen Nötigung angenommen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 6. April 2016 die Revisionshauptverhandlung im Hinblick auf das Anfrage- und Vorlageverfahren des 3. Strafsenats in der Sache 3 StR 342/15 unterbrochen. Er setzt die Hauptverhandlung fort, nachdem der Große Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen durch Beschluss vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17 (NJW 2017, 3537 ff., für BGHSt bestimmt) über die Vorlage entschieden hat.
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
1. Soweit es um die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin geht, gilt Folgendes:
a) Der Schuldspruch hinsichtlich der Tat im Fall II.3. ist rechtsfehlerfrei; jedoch begegnet die Begründung der Zumessung der Einzelstrafe hierfür durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Feststellungen zur Tatbegehung im Fall II.3. der Urteilsgründe sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit liegt keine Konstellation vor, in der nur „Aussage gegen Aussage“ stünde. Der Angeklagte, der zuvor alle Vorwürfe bestritten hatte, hat die Tat im Fall II.3. in der Hauptverhandlung eingeräumt. Sein Geständnis wird durch die Zeugenaussage der Nebenklägerin bestätigt.
Da das Landgericht den insoweit übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin gefolgt ist, liegt kein Rechtsfehler der Beweiswürdigung vor.
bb) Das Landgericht hat im Fall II.3. der Urteilsgründe einen minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB a.F. verneint und bei der Strafzumessung im engeren Sinne auf die diesbezügliche Begründung Bezug genommen. Dabei hat es darauf verwiesen, dass die Tat bereits lange Zeit zurückliege; diesen Strafmilderungsgrund hat es jedoch mit der Bemerkung relativiert: „Allerdings kommt dem langen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil bei Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht die gleich hohe Bedeutung zu wie in anderen Fällen (vgl. BGH NStZ 2006, 393).“ Die Überlegung trifft in dieser Allgemeinheit nicht mehr zu. Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2017 - GSSt 2/17 - in Abänderung der vom Landgericht zitierten Entscheidung des 1. Strafsenats beschlossen: „Dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil kommt im Rahmen der Strafzumessung bei Taten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, die gleiche Bedeutung zu wie bei anderen Straftaten.“ Danach kann entgegen der früheren Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht mehr generell davon ausgegangen werden, dass der Zeitablauf zwischen Tat und Urteil in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern eine andere Bedeutung für die Strafzumessung habe, als sie bei anderen Delikten anzunehmen ist.
Daran ändert nach Ansicht des Großen Senats für Strafsachen die Regelung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nichts, wonach die Verjährung der Strafverfolgung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 180 Abs. 3, §§ 182, 225, 226a und 237 StGB ruht. Mit dieser verjährungsrechtlichen Regelung soll der besonderen Bedeutung des Anzeige- und Aussageverhaltens von Opfern des sexuellen Missbrauchs im Kindes- oder Jugendalter Rechnung getragen werden, die sich bei der Tatbegehung im sozialen Nahbereich in einer Abhängigkeit vom Täter befinden und dadurch in ihrer Bereitschaft zur Strafanzeige und zur Aussage gegen den Beschuldigten gehemmt sein können. Jedoch wirkt sich die verjährungsrechtliche Regelung nicht ohne weiteres auf die Bewertung des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung aus. Die Umstände, die das gesetzgeberische Motiv für die besondere Regelung des Ruhens der Verjährung der Strafverfolgung bilden, können zwar auch den Strafzumessungsaspekt des langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil beeinflussen. Dies bedarf aber einer Prüfung des Tatgerichts im Einzelfall. Es rechtfertigt nicht die generelle Annahme, dem Zeitablauf komme bei der Strafzumessung in Fällen des sexuellen Missbrauchs nicht die gleiche Bedeutung zu, wie bei anderen Delikten. Danach ist der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung nicht mehr deliktsgruppenspezifisch, sondern einzelfallbezogen zu würdigen.
Das Landgericht hat sich mit den Umständen des Einzelfalls hinsichtlich der Beziehung zwischen Täter und Opfer im Lauf der Zeit zwischen Tat und Urteil nicht auseinandergesetzt, sondern allgemein und deliktsspezifisch die Bedeutung des langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil relativiert. Der Senat kann die aufgrund des veränderten Maßstabs erforderliche Würdigung nicht selbst vornehmen und daher nicht ausschließen, dass die Verneinung eines minder schweren Falls und die Strafzumessung im engeren Sinne auf der rechtlich fehlerhaften Erwägung beruht.
b) Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2. und II.5. der Urteilsgründe hat insgesamt keinen Bestand. Insoweit ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht tragfähig.
aa) Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des Tatgerichts. Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, besondere Anforderungen an die Darlegung einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung und ihrer Grundlagen formuliert. Die Urteilsgründe müssen dann für das Revisionsgericht genau erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 408/15). Gerade bei Sexualdelikten sind die Entstehung und die Entwicklung der belastenden Aussage von besonderer Bedeutung (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 StR 465/16, NStZ-RR 2017, 319 f.). Hat die Geschädigte zum Teil Angaben gemacht, der das Tatgericht nicht folgt, ist besondere Vorsicht bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der übrigen Aussageteile geboten (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juli 2016 - 2 StR 59/16).
bb) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht, weshalb die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2. und II.5. keinen Bestand haben kann.
(1) Das Landgericht hat es als Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin gewertet, dass ihre erste Offenbarung gegenüber den Eltern „in einer Drucksituation eher zufällig“ erfolgt sei. Dabei habe sie auf mehrmaliges Nachfragen eine Missbrauchsbehauptung aufgestellt, aber nur wenig preisgegeben. Im Urteil wird nicht erörtert, ob diese Behauptung möglicherweise allein der Drucksituation geschuldet war.
Hatte zudem nach den Urteilsfeststellungen bei der anschließenden polizeilichen Vernehmung eine „suggestive Befragung“ stattgefunden, wäre in Betracht zu ziehen gewesen, dass weitere Details erst in diesem Zusammenhang entwickelt worden sein können, ohne dass dies auf einen Erlebnisbezug der Behauptungen schließen lässt. Der Hinweis des Landgerichts, dass die suggestiven Elemente in der polizeilichen Vernehmung nicht die Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176 StGB) im Umfang der Feststellungen betroffen hätten, sondern Qualifikationen durch Penetration (§ 176a Abs. 2 StGB), die das Landgericht nicht festgestellt hat, genügt insoweit nicht. Das Landgericht hat in der Behauptung einer Penetration eine möglicherweise unzutreffende Mehrbelastung des Angeklagten durch die Nebenklägerin gesehen. Dies weckt weiter gehende Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der übrigen belastenden Angaben, die das Landgericht nicht ausgeräumt hat.
(2) Das Landgericht hat hervorgehoben, die in der Hauptverhandlung gemachten Angaben der Nebenklägerin entsprächen im Handlungskern dem Geschehen, das sie bei der Polizei und gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen geschildert habe. Zugleich hat es aber die Detailarmut bei der Schilderung einzelner Übergriffe festgehalten und dies damit erklärt, dass die Erinnerung der Nebenklägerin an das Geschehen wegen einer Vielzahl gleichartiger Handlungen erschwert sei. Durch Detailarmut wird aber die Bedeutung des Beurteilungskriteriums der Aussagekonstanz vermindert (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 - 4 StR 370/99, StV 2000, 123, 124; Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 2 StR 403/10). Zudem hat die Nebenklägerin eingeräumt, vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung die Vernehmungsprotokolle aus dem Vorverfahren gelesen zu haben. Auch dies kann die Konstanz der detailarmen Mitteilungen erklären. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass das Landgericht dies bei seiner Gesamtwürdigung aller Umstände im erforderlichen Maß bedacht hat.
(3) Das Landgericht hat nicht feststellen können, ob die bei der Nebenklägerin durch die psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung, die zusätzlich vorhandene Borderline-Störung und die außerdem diagnostizierte depressive Erkrankung auf die Taten zurückzuführen sind. Deshalb hat es diese Beeinträchtigungen auch nicht strafschärfend bewertet. Andererseits hat es von der Nebenklägerin beschriebene Flashbacks und Dissoziationen als Realkennzeichen gewertet. Das Landgericht hat diesen Widerspruch nicht aufgelöst. Es hat zwar eine kinderpsychiatrische Sachverständige vernommen; deren Ausführungen hat es im Urteil aber nicht erläutert.
(4) Das Landgericht hat ferner angenommen, das äußere Erscheinungsbild der Nebenklägerin bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung deute „im Endeffekt ebenfalls die Richtigkeit“ ihrer Angaben an. Dies ist angesichts der Unklarheit der Ursachen der psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin und der Schwierigkeit der Deutung ihrer Wirkungen nicht nachzuvollziehen.
(5) Unklar bleibt die Annahme des Landgerichts, es gebe keinen durchgreifenden Hinweis darauf, dass ein Internetchat, den die Nebenklägerin über ihre Missbrauchsbehauptungen geführt hatte, ohne suggestive Wirkung auf ihre Erinnerungen geblieben sei. Es hat betont, die Nebenklägerin sei nach der Trennung von etwaigen Suggestoren bei ihren Angaben geblieben. Die psychiatrische Sachverständige habe dazu erklärt, eine suggestiv beeinflusste Person distanziere sich „regelmäßig“ von der suggestiven Erinnerung, wenn sie vom Suggestor getrennt sei. Dieser Hinweis in den Urteilsgründen lässt besorgen, dass das Landgericht von einem Erfahrungssatz ausgegangen ist, der so nicht besteht.
cc) Insgesamt hätte das Landgericht die Aspekte der erstmaligen Offenbarung des Missbrauchsvorwurfs in einer Drucksituation, die anschließende suggestive Form der Befragung bei der polizeilichen Vernehmung, die Detailarmut der Angaben mit der Folge der Relativierung des Glaubhaftigkeitskriteriums der Aussagekonstanz, die Unklarheit der Ursachen der psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin, die Fragwürdigkeit des persönlichen Erscheinungsbild bei der Vernehmung in der Haupthandlung und mögliche suggestive Einflüsse bei der Internetkommunikation über die Missbrauchsproblematik nicht nur einzeln betrachten, sondern auch hinsichtlich einer möglichen Wechselwirkung der Beweisbedeutung dieser Umstände im Rahmen einer Gesamtschau würdigen müssen, um zu prüfen, ob insoweit eine unzutreffende Mehrbelastung des Angeklagten durch die Nebenklägerin vorliegt.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen einer Tat zum Nachteil der Zeugin M. ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Insoweit greift die Verfahrensrüge nicht durch, das Landgericht habe einen wiederholten Antrag der Verteidigung auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zu Unrecht zurückgewiesen.
aa) Die Verteidigung hatte die Einholung eines solchen Gutachtens zunächst mit der Begründung beantragt, dass die angeklagte Tat bereits 19 bis 20 Jahre zurückliege und die Zeugin M. damals erst 4 bis 5 Jahre alt gewesen sei. Das Landgericht hatte diesen Antrag im Hinblick auf ausreichende eigene Sachkunde und den Hinweis der psychiatrischen Sachverständigen, die zur Begutachtung der Nebenklägerin hinzugezogen worden war, zurückgewiesen, es lägen „keine psychologischen oder psychiatrischen Anhaltspunkte“ vor, „die eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch einen Sachverständigen erforderlich erscheinen lassen“. Später hat die Verteidigung den Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens wiederholt und damit ergänzt, dass die Zeugin M. zum Teil unterschiedliche Angaben gemacht habe. Den Beweisantrag hat die Strafkammer erneut abgelehnt, weil „weiterhin keine besonderen Umstände“ vorlägen, welche die Hinzuziehung eines Sachverständigen gebieten könnten. „Die von der Verteidigung im erneuten Antrag vorgebrachten Argumente betreffen die vom Gericht zu leistende und ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen leistbare Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der Zeugin“.
bb) Diese Begründung ist rechtsfehlerfrei. Die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen gehört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut. Die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens ist nur dann geboten, wenn der Sachverhalt oder die Person des Zeugen solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel daran aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts auch zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242 f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht allein deshalb vor, weil zwischen Tat und Urteil lange Zeit vergangen ist, die Zeugin zur Tatzeit noch ein Kind war und ihre Angaben in bestimmten Punkten keine Konstanz aufweisen. Dies sind Umstände, die ein Strafrichter aus eigener Sachkunde beurteilen kann. Nach der Auskunft der psychiatrischen Sachverständigen konnte das Landgericht zudem ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass kein psychopathologischer Befund bei der Zeugin vorliegt, der ausnahmsweise die Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen nahegelegt hätte.
b) Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei.
Die Tatsache, dass die Zeugin bei der ersten polizeilichen Vernehmung von mehreren sexuellen Übergriffen gesprochen hatte, aber in der Hauptverhandlung auch auf Vorhalt nur von einer Begebenheit ausging, hat die Strafkammer damit erklärt, dass bei langem Zeitablauf die Erinnerungen „verschwimmen“. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung ist möglich.
Der Hinweis der Revision darauf, dass die Mutter der Geschädigten ausgesagt hatte, diese habe ihr gegenüber geschildert, der Angeklagte habe bei einem Übergriff einen nackten Oberkörper gehabt, was sich in den Zeugenaussagen der Geschädigten nicht wieder finde, deckt ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat diesen Aspekt als unerheblich bezeichnet, weil die Mutter der Geschädigten sich nach seiner Überzeugung „diesbezüglich nicht richtig erinnert oder Angaben von M. nicht richtig wahrgenommen“ habe. Auch dabei handelt es sich um mögliche Schlussfolgerungen aus den festgestellten Tatsachen, die auch keinen Widerspruch der Urteilsgründe ergeben.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 184
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 71; StV 2018, 226
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede