hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 126

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 461/24, Beschluss v. 10.12.2024, HRRS 2025 Nr. 126


BGH 1 StR 461/24 - Beschluss vom 10. Dezember 2024 (LG Stuttgart)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Form der Revisionseinlegung (ausnahmsweise zulässige Ersatzeinreichung bei vorübergehender Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung: unverzügliche Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit).

§ 44 Satz 1 StPO; § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 32d Satz 2 StPO; § 341 Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2024 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen (§ 46 StPO).

2. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 24. September 2024, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil als unzulässig verworfen worden ist, wird als unbegründet verworfen (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer anderen Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt; daneben hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 700 € angeordnet. Das Landgericht hat die Revision des Angeklagten nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO eingelegt worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag und der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts dringen nicht durch.

1. Dem „Eingang aus dem elektronischen Rechtsverkehr“ vom 13. Juni 2024 war keine Datei angehängt (Blatt 74, 71 f. der Hauptakte). Der Verteidiger sandte am 14. Juni 2024 ein Telefax (datierend vom 13. Juni 2024), das die Revisionseinlegung enthielt. Die Geschäftsstelle der 14. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart teilte dem Verteidiger dies alles am 17. Juni 2024 telefonisch mit. Der Verteidiger erwiderte, er werde die Revision per beA einreichen, was er indes nicht tat.

2. Die Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO ist tatsächlich versäumt. Das Telefax vom 14. Juni 2024 genügt nicht nach § 32d Satz 3 StPO ausnahmsweise zur Fristwahrung, selbst wenn der Verteidiger, wie von ihm vorgetragen, infolge eines ‚technischen Problems‘ an der elektronischen Übermittlung gehindert gewesen sein sollte. Denn der Verteidiger hätte spätestens am 17. Juni 2024 diese „vorübergehende Verhinderung“ unverzüglich glaubhaft machen müssen (§ 32d Satz 4 erster Halbsatz StPO; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2024 - 6 StR 609/23 Rn. 4; vom 1. März 2023 - 5 StR 440/22 Rn. 8 f.; vom 7. Dezember 2022 - 2 StR 140/22, BGHR StPO § 32d Satz 3 Technische Übermittlung 1 Rn. 6; vom 27. September 2022 - 5 StR 328/22 Rn. 2 und vom 30. August 2022 - 4 StR 104/22 Rn. 3; inzident BGH, Beschluss vom 27. August 2024 - 4 StR 239/24 Rn. 8). Dem Telefonvermerk der Geschäftsstelle vom 17. Juni 2024 ist der Verteidiger nicht entgegengetreten, obwohl das Landgericht seine am 2. Oktober 2024 zugestellte Verwerfungsentscheidung auch darauf gestützt hat. Zudem hat der Generalbundesanwalt in seinem Antrag vom 12. November 2024 den Vermerk präzise wiedergegeben. Selbst mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom 7. Oktober 2024 bleiben die rudimentären Ausführungen zu den technischen Problemen zu unbestimmt und erweisen sich damit trotz anwaltlicher Versicherung als untauglich.

3. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 7. Oktober 2024 ist unzulässig, weil der Angeklagte nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihn selbst an der Versäumung der Wochenfrist kein Verschulden trifft (§ 44 Satz 1, § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich ist, gehört zum formgerechten Anbringen des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15 Rn. 2 f. und vom 26. Februar 1991 - 1 StR 737/90 Rn. 5, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 mwN). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 20. November 2019 - 4 StR 522/19 Rn. 3 f. und vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15 Rn. 2 f.).

b) Der Wiedereinsetzungsantrag hätte sich dazu verhalten müssen, ob und gegebenenfalls wann der Verteidiger den Angeklagten über das Telefonat vom 17. Juni 2024 benachrichtigte. So bleibt offen, ob der Angeklagte nicht schon vor Kenntnis des Beschlusses vom 24. September 2024 von der Versäumung der Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO erfahren hatte.

c) Ob der Verteidiger tatsächlich bereits am 14. Juni 2024 im Anschluss an das „vorsorgliche“ Absenden des Telefaxes mit der Geschäftsstelle telefoniert und ihm diese bestätigt hat, dass „die Frist gewahrt sei“, kann nach alledem offenbleiben. Denn eine etwaige Auskunft vom 14. Juni 2024 wäre jedenfalls durch das Telefonat vom 17. Juni 2024 überholt. Nach seinem eigenen Vorbringen war der Verteidiger ab dem 16. Juni 2024 wieder in der Lage, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen.

4. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass das Landgericht die Revision des Angeklagten aus zutreffenden Gründen als unzulässig verworfen hat (§§ 346, 341 Abs. 1, § 32d Satz 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 126

Bearbeiter: Christoph Henckel