HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1296
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 354/24, Beschluss v. 18.09.2024, HRRS 2024 Nr. 1296
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12. April 2024 gewährt.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 9. Juli 2024, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2.
a) Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil in den in den Fällen II. 1. und II. 6. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
b) Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
c) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere für Jugendschutzsachen zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind, davon wiederum in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Dem Angeklagten ist aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Da dem in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten der Beschluss des Landgerichts vom 9. Juli 2024, mit dem die Revision als unzulässig verworfen worden ist, unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten nicht vor dem 11. Juli 2024 zugegangen sein wird, ist die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gewahrt (Eingang des Wiedereinsetzungsantrags und der Revisionsbegründung am 18. Juli 2024; Empfangsbekenntnis des Verteidigers ebenfalls erst am 18. Juli 2024; vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 27. August 2024 - 4 StR 239/24 Rn. 7 und vom 12. Oktober 2022 - 4 StR 319/22 Rn. 2 mwN).
2.
a) Die in den Fällen II. 1. und II. 6. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr und drei Monaten unterliegen allein deshalb der Aufhebung, weil nach Verkündung des angefochtenen Urteils durch das am 28. Juni 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom 24. Juni 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 213) der Gesetzgeber die Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe reduziert hat. Diese für den Angeklagten günstigere Gesetzesfassung ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2024 - 1 StR 278/24 Rn. 3 und 1 StR 245/24 Rn. 9). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der reduzierten Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB jeweils zu einer geringeren als den verhängten Einzelstrafen gelangt wäre. Die Aufhebung der betroffenen beiden Strafen macht letztendlich die Aufhebung der Gesamtstrafe unumgänglich.
b) Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
aa) Die übrigen Einzelstrafen einschließlich der verhängten Einsatzfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten bleiben von dem Aufhebungsgrund unberührt. Das Landgericht hat im Vergewaltigungsfall (II. 5. der Urteilsgründe) die Strafe rechtsfehlerfrei aus dem Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB zugemessen. Auch die Einzelstrafen in den Missbrauchsfällen II. 2. bis II. 4. der Urteilsgründe (Freiheitsstrafen von zwei Jahren und acht Monaten, zwei Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und drei Monaten) sind aufrechtzuerhalten. Zwar hat das Landgericht in diesen drei Fällen eine Sperrwirkung des § 184b Abs. 3 StGB aF angenommen (UA S. 61) und ist damit von einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe statt von sechs Monaten (§ 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ausgegangen. Indes hat es sich ersichtlich - anders als in den Fällen II. 1. und II. 6. der Urteilsgründe - nicht an der Strafrahmenuntergrenze orientiert. Insbesondere angesichts der Tatbilder und der Vorstrafen des Angeklagten ist auszuschließen (§ 354 Abs. 1 StPO analog), dass das Landgericht geringere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es eine Strafrahmenuntergrenze von sechs Monaten Freiheitsstrafe zugrunde gelegt hätte.
bb) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat ebenfalls Bestand, da vier Einzelstrafen verbleiben, die den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) StGB genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 - 2 StR 315/19 Rn. 4). Der Senat schließt aus, dass die Beurteilung des Hangs und die Gefahrenprognose von der Höhe der in den Fällen II. 1. und II. 6. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen beeinflusst sind.
cc) Die Feststellungen sind ebenfalls nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1296
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede