HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1246
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 109/23, Beschluss v. 05.09.2023, HRRS 2023 Nr. 1246
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2022, soweit es sie betrifft, aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer das Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Während die Verfahrensbeanstandungen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil aufzeigen, führt die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. In der Nacht zum 26. Januar 2020 brachen nach Anweisung des gesondert Verfolgten B. mehrere Personen in die Asservatenhalle des Hauptzollamtes Be. ein. Dort entwendeten sie unter anderem Wasserpfeifentabak verschiedener Sorten mit einem Gesamtgewicht von knapp 8.800 kg, der bis auf eine Teilmenge von rund 77 kg unversteuert war und kein deutsches Steuerzeichen trug. Tatplangemäß verbrachte die Gruppierung den Wasserpfeifentabak mit Lastwagen in zwei Überseecontainer auf ein Gewerbegelände in Be., um ihn gewinnbringend zu verkaufen.
Bereits wenige Tage nach dem Einbruchdiebstahl begann die Tätergruppierung um B., Abnehmer für das Diebesgut zu suchen. Nachdem es ihnen zunächst nicht gelungen war, einen Käufer für den Wasserpfeifentabak ausfindig zu machen, wandte sich der gesondert Verfolgte G. an den nichtrevidierenden Angeklagten C., den Lebensgefährten der Angeklagten. Dieser band ab Mitte Februar 2020 die Angeklagte in die Absatzbemühungen ein.
Ende März 2020 gelang es G. schließlich, Käufer für den Wasserpfeifentabak ausfindig zu machen. Dass es sich dabei um von den Ermittlungsbehörden eingesetzte nicht offen ermittelnde Polizeibeamte (NoeP) handelte, wussten weder er noch die Angeklagte oder ein anderes Mitglied der Tätergruppierung um B. Die Angeklagte, die als einzige über ausreichende Deutschkenntnisse verfügte, führte in der Folge mehrere Telefonate mit den NoeP, die der Organisation des (Schein-)Kaufgeschäftes dienten. Vereinbarungsgemäß trafen sich die Angeklagte, C. sowie die gesondert Verfolgten Gh. und Ci. am 1. April 2020 zur Abwicklung des Verkaufes in Be. Zuvor hatten Gh. und Ci. im Einverständnis mit B. die Schlösser der Überseecontainer, in denen der Wasserpfeifentabak lagerte, ausgetauscht. Allen Beteiligten war bewusst, dass die Tabakwaren durch andere zuvor mittels eines Diebstahls erlangt worden waren und Tabaksteuer in Höhe von rund 212.000 Euro hinterzogen worden war. Anschließend trafen sich die vier mit den beiden NoeP, wobei die Angeklagte vor allem als Dolmetscherin fungierte. Noch vor der Übergabe des Wasserpfeifentabaks an die NoeP wurden die Angeklagte und die weiteren Beteiligten festgenommen.
2. Das Landgericht hat die Angeklagte unter anderem wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 und 2 Satz 1 AO in der Tatvariante des Sichverschaffens verurteilt. Es ist der Auffassung, dass sich Gh. und Ci. sowie die Angeklagte und C. mit dem Austausch der Schlösser die tatsächliche Herrschaftsgewalt über den Wasserpfeifentabak verschafften. Indem die Angeklagte in Kenntnis aller Umstände bei dem Treffen mit den (Schein-)Käufern anwesend gewesen sei, einen von ihnen zu dem Wasserpfeifentabak gebracht und vereinbart habe, wann die Umladung stattfinden solle, habe sie Mitverfügungsbefugnis über den Tabak ausgeübt (UA S. 58).
1. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger (vollendeter) Steuerhehlerei hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Angeklagte hat sich den Wasserpfeifentabak nicht im Sinne des § 374 Abs. 1 AO verschafft. Unabhängig davon, ob Gh. und C. durch den Austausch der Schlösser Verfügungsgewalt über den Wasserpfeifentabak erlangt haben (vgl. BGH, Urteile vom 28. Juli 2022 - 1 StR 470/21 Rn. 8 und vom 7. November 2007 - 5 StR 371/07 Rn. 15; Beschlüsse vom 22. September 2022 - 1 StR 233/22 Rn. 8 und vom 21. September 2022 - 1 StR 479/21 Rn. 7), trifft dies auf die Angeklagte nicht zu. Nach den Feststellungen war sie - auch am 1. April 2020 - vor allem als Dolmetscherin tätig und weder beim Austausch der Schlösser überhaupt anwesend noch gar eine der Schlüsselträgerinnen; Feststellungen zu einer Kenntnis der Angeklagten von dem Austausch hat das Landgericht nicht getroffen. Allein aus dem Umstand, dass die Angeklagte bei der anschließenden Abwicklung des (Schein-)Geschäftes mitwirkte, folgt danach nicht, dass sie zu eigenen Zwecken (vgl. Bach in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 374 AO Rn. 22; Hadamitzky/Senge in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Juni 2023, § 374 AO Rn. 16) über den Wasserpfeifentabak verfügen konnte.
Ebenso wenig begründen die Feststellungen eine Mitverfügungsgewalt der Angeklagten. Zwar genügt es, wenn der Vortäter die Sache an eine Mehrheit von Personen übergibt, dass diese untereinander Mitverfügungsbefugnis erlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 423/87 Rn. 10, BGHSt 35, 172, 175; Beschluss vom 15. März 2005 - 4 StR 64/05 Rn. 4). Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte nach eigenem Gutdünken über den Wasserpfeifentabak verfügen konnte und dies auch wollte, finden sich hier jedoch nicht.
Eine vollendete Steuerhehlerei in der Tatvariante der Absatzhilfe kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil kein Absatzerfolg eingetreten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2016 - 1 StR 108/16 Rn. 17 ff. und vom 27. März 2014 - 4 StR 341/13 Rn.7 mwN).
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler, der lediglich in einer rechtsfehlerhaften Wertung der festgestellten Tatsachen besteht, nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können aber um solche ergänzt werden, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob sich die Angeklagte wegen versuchter Steuerhehlerei in der Tatvariante der Absatzhilfe oder insoweit wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei schuldig gemacht hat. Letzteres käme in Betracht, wenn die Angeklagte nicht den Vortäter oder Zwischenhehler bei dessen nicht erfolgreichen Absatzbemühungen unterstützte, sondern vielmehr ihrem Lebensgefährten als Absatzhelfer bei dessen erfolglosen Bemühungen behilflich war (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2019 - 1 StR 81/18 BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Täter 6 Rn. 7; Beschluss vom 1. August 2018 - 4 StR 54/18 Rn. 5, jeweils mwN).
b) Eine Verurteilung wegen Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass ein anderer die Sache gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat. Die Angeklagte, die sich teilgeständig eingelassen hat, bestreitet, vom Diebstahl gewusst zu haben. Allein der Hinweis darauf, dass es sich bei der Einlassung insoweit um eine Schutzbehauptung handelt (UA S. 17), widerlegt ihre Angaben ebenso wenig wie die schlichte Feststellung, sie habe vom Einbruchdiebstahl in die Asservatenhalle Kenntnis gehabt (UA S. 32, 35). Die rechtsfehlerfrei belegte Kenntnis der Angeklagten von einer Steuerhinterziehung oder -hehlerei bzgl. des Wasserpfeifentabaks kann einen entsprechenden Vorsatz ebenfalls nicht begründen, da beide Delikte sich nicht gegen fremdes Vermögen richten (vgl. BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: August 2023, § 259 Rn. 9.3).
c) Die Gewerbsmäßigkeit setzt die Absicht des Täters voraus, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. November 2021 - 2 StR 433/20 Rn. 22; Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 15/14 Rn. 5 jeweils mwN). Allein aus dem Umstand, dass die Angeklagte, die über keine legalen Einkünfte verfügte, sich dahingehend eingelassen hat, ihr Lebenspartner mache „Geschäfte“, und ihrer Tatbeteiligung kann nicht geschlossen werden, dass sie erkannt habe, „wie schnell sie ohne großen Arbeitseinsatz viel Geld verdienen“ könne (UA S. 48). Ebenso wenig belegt dies, dass die - in Deutschland nicht vorbestrafte - Angeklagte beabsichtigte, auch in Zukunft weitere entsprechende Taten zu begehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1246
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede