HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 7
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 296/20, Beschluss v. 10.11.2020, HRRS 2021 Nr. 7
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 17. März 2020, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit schwerem Bandendiebstahl in acht Fällen und des versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit schwerem Bandendiebstahl schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in den Fällen 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 17 und 18 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Privatwohnungseinbruchsdiebstählen in Tateinheit mit schwerem Bandendiebstahl in 17 Fällen sowie wegen versuchten Privatwohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Wohnungseinbruchsdiebstahl und schwerem Bandendiebstahl“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„a) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls im Fall 5 hat zu entfallen. Die Verwirklichung dieses Tatbestands wird - wie in den anderen zur Aburteilung gelangten Fällen - durch den (vollendeten) Qualifikationstatbestand des § 244a Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage, § 244 [richtig: § 244a] Rn. 11). Anderes rechtfertigt auch der tateinheitlich (nur) versuchte schwere Wohnungseinbruchsdiebstahl nicht.
b) Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Fälle 2, 3, 5, 6, 7 bis 9, 10 bis 12, 14 bis 16 sowie 17 und 18 als jeweils in Tatmehrheit zueinanderstehend hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
Nach den Feststellungen kam dem Angeklagten bei der arbeitsteiligen Vorgehensweise mit den Mitangeklagten die Aufgabe zu, im Vorfeld der Taten die für Einbruchsdiebstähle geeignet erscheinenden Wohngebiete auszusuchen und die Mitangeklagten in die Wohngebiete zu fahren, dort während der konkreten Tatausführung in Bereitschaft zu warten und sie anschließend mit der Diebesbeute wieder zurückzufahren. Davon ausgehend sind keine Feststellungen getroffen, wonach der Angeklagte mehrere an einem Tag im zeitlichen Zusammenhang in einem Wohngebiet von den Mitangeklagten verübte Taten jeweils individuell förderte. Vielmehr wurden in diesen Konstellationen von ihm die Einzeltaten der Mitangeklagten jeweils gleichzeitig gefördert. Dies hat für den Angeklagten zur Folge, dass die lediglich gleichzeitig von ihm geförderten (Einzel-)Taten der Mittäter bei ihm in Tateinheit zueinanderstehen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - 6 StR 36/20, juris Rn. 8). Dies betrifft die Fälle 2 und 3 (23. November 2018 in B.), 5 und 6 (28. November 2018 in S.), 7, 8 und 9 (29. November 2018 in Ba.), 10, 11 und 12 (30. November 2018 in V.), 14, 15 und 16 (13. Dezember 2018 in R.) sowie 17 und 18 (20. Dezember 2018 in M.).
c) Der Senat kann den Schuldspruch in den vorgenannten Fällen entsprechend ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des § 244 Abs. 4 StGB ist zudem nicht - wie vom Landgericht praktiziert - als ‚Privatwohnungseinbruchsdiebstahl‘, sondern als ‚schwerer Wohnungseinbruchsdiebstahl‘ zu bezeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 3 StR 509/19, juris Rn. 2; Urteil vom 24. Juni 2020 - 5 StR 671/19, juris Rn. 37). Der Schuldspruch ist daher auch insoweit in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu ändern.“
Dem tritt der Senat bei. Er sieht allerdings aus Gründen der Übersichtlichkeit davon ab, die jeweils mehrfache tateinheitliche Verwirklichung des § 244 Abs. 4 und des § 244a Abs. 1 StGB in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 54/16 Rn. 6).
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen 2, 3, 5 bis 12 sowie 14 bis 18 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 7
Bearbeiter: Christoph Henckel