HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 764
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 486/19, Beschluss v. 21.04.2020, HRRS 2020 Nr. 764
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2019, soweit es diesen Angeklagten betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen und die Einziehungsentscheidung aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten A., an eine andere Wirtschaftskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. und die Revisionen der Angeklagten L. und N. werden als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten L. mit der Maßgabe, dass im Fall 35 der Urteilsgründe (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt für den Monat November 2012) eine Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten festgesetzt wird.
3. Die Angeklagten L. und N. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten L. wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 13 Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten N. hat es wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in sechs Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat das Landgericht von den verhängten Freiheitsstrafen jeweils vier Monate als bereits vollstreckt erkannt. Schließlich hat es gegen die drei Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, und zwar in Höhe des Entgelts für ihre Beteiligung an den Taten.
Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten A., mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel ebenso wie das der Angeklagten L. und N. unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der nichtrevidierende Mitangeklagte B. die W. GmbH, die hauptsächlich Hochbauarbeiten ausführte. Um Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern zu sparen, entschied sich B., den Arbeitnehmern der GmbH einen erheblichen Teil der Löhne „schwarz“ auszuzahlen. Um diese Zahlungsabflüsse in der Buchhaltung zu verschleiern, ließ er sich von angeblichen Subunternehmern Abdeckrechnungen ausstellen. Den Angeklagten L. setzte er als „Schein-Geschäftsführer“ im Zeitraum von März 2012 bis einschließlich März 2013 ein, den Angeklagten N. von April 2013 bis einschließlich September 2013. Der Angeklagte A. war auf Weisung des gesondert verfolgten G. für das Erstellen der Scheinrechnungen verantwortlich (UA S. 32), und zwar ab April 2013 für das Serviceunternehmen V. GmbH (UA S. 28) und später für vier weitere Scheinfirmen (UA S. 30). Um zu wissen, wie hoch die Rechnungsbeträge sein sollten, erhielt der Angeklagte A. von der W. GmbH Ablichtungen ihrer Ausgangsrechnungen. Anhand dieser Rechnungsabschriften ließen der Angeklagte A. und der anderweitige Verfolgte G. oder andere Personen dem B. Scheinrechnungen zukommen; zudem organisierten sie den Geldfluss (UA S. 29). Spätestens ab Dezember 2013 setzte der Angeklagte A. die von ihm gegründete K. GmbH gemeinsam mit G. als weiteres Serviceunternehmen ein (UA S. 31). Insbesondere durch das Überlassen der Scheinrechnungen unterstützte der Angeklagte A. den B. als faktischen Geschäftsführer der W. GmbH, zugunsten dieser Gesellschaft jeden Monat Sozialversicherungsbeiträge zu sparen und durch Abgabe unvollständiger Lohnsteueranmeldungen Lohnsteuern zu verkürzen. G. entlohnte den Angeklagten A. für seine Tätigkeiten in den Serviceunternehmen im Tatzeitraum von April 2013 bis April 2014 mit monatlich 3.000 €.
2. Das Landgericht hat bezüglich des Zeitraums von April 2013 bis Dezember 2013 eine einheitliche Beihilfehandlung des Angeklagten A. angenommen und hierfür die Einsatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Für den Zeitraum von Januar bis April 2014 ist es hingegen von einer monatlichen Begehungsweise ausgegangen und mithin zu vier Beihilfetaten gelangt, ohne den Grund für diese unterschiedliche Beurteilung aufzuzeigen (insbesondere UA S. 76).
II. Revisionen 1. Die Revision des Angeklagten A. ist teilweise begründet.
a) Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ? u.a. auf das Geständnis des Angeklagten (UA S. 55) gestützt ? vor allem mit dem Überlassen der Scheinrechnungen Gehilfenbeiträge (§ 27 StGB) zu den Haupttaten als verwirklicht angesehen. Indes hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine (einheitliche) Beihilfe im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGH, Beschlüsse vom 4. März 2008 ? 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2 Rn. 3 und vom 28. Juni 2017 ? 1 StR 677/16 Rn. 8; Urteil vom 22. Juli 2015 ? 1 StR 447/14 Rn. 20).
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt zum einen in Betracht, dass dem Angeklagten A. bereits für den Tatzeitraum April bis Dezember 2013 neun zueinander in Tatmehrheit stehende Beihilfehandlungen (§ 53 Abs. 1 StGB) zur Last zu legen sind. Zum anderen ist bezüglich des Tatzeitraums Januar 2014 bis April 2014 nicht festgestellt, dass der Angeklagte A. in jedem Monat dem B. Scheinrechnungen überließ.
cc) Die Konkurrenzen bedürfen daher insgesamt der neuen tatrichterlichen Aufklärung und Bewertung. Die Aufhebung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung sämtlicher Strafen. Die Feststellungen sind indes von diesem Rechtsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO) und um solche zu konkreten Einzeltatbeiträgen zu ergänzen; neue Feststellungen dürfen den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.
b) Rechtsfehlerfrei ist hingegen die Annahme, dass die monatliche Beihilfehandlung zur Lohnsteuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO, § 41a EStG) auf der einen sowie zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, 2 StGB) auf der anderen Seite in der Person des Angeklagten A. als tateinheitlich begangen zusammenfallen. Denn insoweit leistete er keine Beiträge, die entweder nur der Lohnsteuerhinterziehung oder nur den Taten des § 266a StGB zuzuordnen wären (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Juli 2019 ? 1 StR 230/19 Rn. 5 f. mwN).
c) Die Einziehungsanordnung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) hat Bestand. Die aufrechterhaltenen Feststellungen tragen die Einziehungsentscheidung. Denn es steht fest, dass G. den Angeklagten für seine Tatbeiträge mit insgesamt 39.000 € entlohnte. Das Vereinnahmen dieses Tatlohns bleibt von den Konkurrenzen unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 1 StR 570/19 Rn. 12 mwN).
2. Die Revisionen der Angeklagten L. und N. sind unbegründet. Allein ist bezüglich der Verurteilung des Angeklagten L. die unterbliebene Festsetzung einer Einzelstrafe nachzuholen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Das Landgericht hat es unterlassen, im Fall 35 der Urteilsgründe (UA S. 37) eine Einzelstrafe festzusetzen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich jedoch, dass die Strafkammer in den vergleichbaren Fällen 30 und 32 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte jeweils ähnliche Gesamtschäden verursacht hat, jeweils auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten erkannt hat. Spezielle Strafzumessungstatsachen, die eine unterschiedliche Beurteilung im Übrigen rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt. Es ist somit auszuschließen, dass das Landgericht im Fall 35 der Urteilsgründe eine abweichende Einzelstrafe verhängt hätte. Der Senat wird deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Einzelstrafe in diesem Fall selbst auf zehn Monate festsetzen können. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2010 ? 4 StR 433/10 m.w.N.).“
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 764
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede