HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 943
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 230/19, Beschluss v. 25.07.2019, HRRS 2019 Nr. 943
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 8. Januar 2019 aufgehoben
a) im Schuldspruch in Bezug auf die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen (Ziffer C. II. der Urteilsgründe - „Tatkomplex K. “),
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Der Angeklagte beanstandet mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte im Tatkomplex „K.“ den rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu Gunsten der Ka. UG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren Verurteilten M. dabei, mit Abdeckrechnungen zu handeln. Der Angeklagte vermittelte die Kontakte zu den Abnehmern von Abdeckrechnungen, nahm Bargeldabhebungen vor und führte Kurierfahrten zu den Kunden durch. Dabei wusste der Angeklagte von Anfang an, dass M. mit Abdeckrechnungen handeln wollte, in denen unberechtigt Umsatzsteuer für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen ausgewiesen war, und er mit seinem Handeln dieses „Geschäftsmodell“ unterstützte. Obwohl - wie dem Angeklagten bekannt war - wegen der in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge gemäß § 14c UStG Umsatzsteuern entstanden und gegenüber den Finanzbehörden anzumelden waren (§ 18 Abs. 1 bis 3, 4a und 4b UStG), wurden von den hierzu gemäß §§ 34 und 35 AO verpflichteten Personen der Ka. UG keine Steueranmeldungen abgegeben. Durch die nicht abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum von Januar bis April 2016 wurde die Umsatzsteuer in diesem Tatzeitraum um insgesamt 1.672.682,52 Euro verkürzt. Für sein Tätigwerden erhielt der Angeklagte von M. im Tatzeitraum einen PKW Audi A5 zur alleinigen Nutzung, für den die Ka. UG monatliche Leasingraten von 1.500 Euro zahlte, sowie eine Entlohnung für Bargeldabhebungen und Kurierfahrten.
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen einen Schuldspruch des Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, nicht aber wegen fünf tatmehrheitlich zueinander stehender Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Schuldspruch konnte daher insoweit keinen Bestand haben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag eines jeden Beteiligten zu beurteilen. Fördert der Gehilfe durch ein und dasselbe Tun mehrere rechtlich selbständige Taten des Haupttäters, so ist nur eine Beihilfe im Rechtssinne gegeben (vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 234/17, wistra 2019, 190 Rn. 65; Urteil vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 59/04, BGHSt 49, 306, 316; Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 586/12, NJW 2013, 2211 Rn.6).
b) Die bisherigen Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte in jedem der fünf vom Landgericht abgeurteilten Tatzeiträume der Steuerhinterziehung einen individuellen tatfördernden Beitrag erbracht hat. Das fördernde Verhalten des Angeklagten stellt sich vielmehr nur als eine einheitliche Unterstützungshandlung zu den durch M. im Tatzeitraum für die Ka. UG nicht abgegebenen Steueranmeldungen dar.
c) Da der Senat nicht ausschließen kann, dass noch weitere Feststellungen zu den individuellen tatfördernden Beiträgen des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeiträumen getroffen werden können, war der Schuldspruch insoweit aufzuheben, ebenso wie der Ausspruch über die hierfür verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe.
3. Die bisherigen Feststellungen zum Tatkomplex „K.“ können bestehen bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter kann aber ergänzende Feststellungen zu den individuellen Tatbeiträgen des Angeklagten in den jeweiligen Tatzeiträumen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
4. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift bereits beantragt - der Strafausspruch in Bezug auf die Beihilfehandlungen des Angeklagten einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht standhält, weil das Landgericht neben einer Verschiebung des Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB keine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB vorgenommen hat.
a) Durch Urteil vom 23. Oktober 2018 im Verfahren 1 StR 454/17 hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 1 StR 491/94, BGHSt 41, 1 mwN) geändert und entschieden, dass es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten steuerlichen Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt, der eine Strafrahmenverschiebung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14; vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16 Rn. 23; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 10 und vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 309/11 Rn. 3).
b) Ein solcher Fall lag hier indes nicht vor. Zwar kann Täter - auch Mittäter - einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. dazu BGH, Urteile vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 Rn. 19 und vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218 Rn. 52; Beschlüsse vom 23. August 2017 - 1 StR 33/17 Rn. 14 und vom 14. April 2010 - 1 StR 105/10), was beim Angeklagten nicht der Fall war. Jedoch hat das Landgericht die Unterstützung des Angeklagten bereits ohne Anknüpfung an den Umstand, dass den Angeklagten keine steuerliche Erklärungspflicht traf, als Gehilfenbeitrag qualifiziert. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lagen daher vor und hätten bei der Strafzumessung beachtet werden müssen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 943
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 347; StV 2020, 737
Bearbeiter: Christoph Henckel