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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 761

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 403/19, Beschluss v. 31.03.2020, HRRS 2020 Nr. 761


BGH 1 StR 403/19 - Beschluss vom 31. März 2020 (LG Hamburg)

Einziehung (erlangtes Etwas bei Verkürzung von Verbrauchssteuern); gewerbsmäßiger Schmuggel.

§ 73 Abs. 1 StGB; § 373 Abs. 1 AO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Annahme eines Vermögenszuwachses im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB setzt bei der Verkürzung von Verbrauchssteuern voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn er die Verfügungsmöglichkeit zwar zunächst erlangt, diese jedoch durch die Sicherstellung wieder verliert. Denn aufgrund der Sicherstellung ist ein (weiteres) Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der - der Steuer unterliegenden - Waren, auf das für die Verbrauch- bzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. März 2019 aufgehoben

a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall 4 der Urteilsgründe (gewerbsmäßiger Schmuggel von 7.782 kg Wasserpfeifentabak) verurteilt worden ist; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten;

b) im Ausspruch über die im Fall 4 der Urteilsgründe angeordnete Einziehung von 7.782 kg Wasserpfeifentabak;

c) im gesamten Strafausspruch;

d) unter Erstreckung (§ 357 Satz 1 StPO) auf den Mitangeklagten M. im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 319.756,62 €; insoweit entfällt die Einziehung.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Schmuggels sowie wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten M. die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 319.756,62 € als Gesamtschuldner sowie des im Zusammenhang mit diesen Taten sichergestellten Wasserpfeifentabaks angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, § 349 Abs. 4 StPO; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen nicht durch.

2. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe und hat teilweise auch zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.

a) Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts kauften der Speditionsunternehmer M., der „A.“ in H. ein zollrechtlich zugelassenes Verwahrungslager (Art. 148 UZK) betrieb, und der Angeklagte von unbekannten Personen 7.782 kg aus D. stammenden unversteuerten Wasserpfeifentabak, der im Steueraussetzungsverfahren „T1“ über Zolllager in B. und L. am 22. Januar 2018 in H. eintraf und für den M. mittels einer gefälschten Erklärung, die nicht ihn als den tatsächlichen Verwahrer auswies, die vorübergehende Verwahrung gegenüber der Zollbehörde erklärte, wobei er als Verwahrort zutreffend das Lager der G. GmbH angab. M. veranlasste am 6. Februar 2018, dass der Wasserpfeifentabak in einem den Zollbehörden unbekannten Container von dort zu dem von ihm betriebenen Verwahrort „A.“ verbracht wurde.

bb) Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Tatbestand des gewerbsmäßigen Schmuggels durch den Angeklagten am 6. Februar 2018 dadurch verwirklicht wurde, dass der Wasserpfeifentabak auf Betreiben des M. an den von ihm betriebenen Verwahrort „A.“ verbracht wurde, also aufgrund eines Verwahrortwechsels, fehlen Feststellungen dazu, ob nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt der Tabak bereits der zollrechtlichen Überwachung entzogen sein sollte, mithin die Zollschuld entstanden war (vgl. BGH, Urteile vom 8. September 2011 - 1 StR 38/11 Rn. 21 und vom 24. Januar 2018 - 1 StR 331/17 Rn. 14). Der Vorsatz bedurfte insbesondere angesichts der Einlassung des Angeklagten genauer Prüfung, dass zwischen ihm und M. keinesfalls abgesprochen gewesen sei, „die Ware aus dem T1-Verfahren zu entnehmen“ (UA S. 22), sondern vielmehr verabredet gewesen sei, die Ware „noch in dem T1-Verfahren zu belassen“ (UA S. 25).

Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe entzieht der verhängten Einsatzstrafe von drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe die Grundlage und führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Sie hat auch - (allein) hinsichtlich des Angeklagten - die Aufhebung der insoweit angeordneten Einziehung des sichergestellten Wasserpfeifentabaks von 7.782 kg zur Folge. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelfreiheitsstrafen auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.

Die Feststellungen zum Fall 4 der Urteilsgründe sind ebenfalls aufzuheben, weil sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ausgenommen sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die rechtsfehlerfrei sind und daher bestehen bleiben können. Der neue Tatrichter kann insoweit gegebenenfalls ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

b) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 319.756,62 € nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB entfällt (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

Nach den Berechnungen des Landgerichts wurden aufgrund des Schmuggels von 7.782 kg Wasserpfeifentabak (Fall 4 der Urteilsgründe) Tabaksteuer in Höhe von 183.070,54 €, Zoll in Höhe von 70.585,77 € und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 66.100,30 € verkürzt, mithin Einfuhrabgaben von insgesamt 319.756,62 €. Der Wasserpfeifentabak wurde am 10. April 2018 sichergestellt. Das Landgericht hat der Einziehungsentscheidung die aufgrund des Schmuggels geschuldeten Abgaben in voller Höhe zugrunde gelegt. Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen haben diese hier jedoch außer Betracht zu bleiben.

aa) Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - 1 StR 479/18 Rn. 10; vom 8. August 2019 - 1 StR 679/18 Rn. 9 und vom 22. Oktober 2019 - 1 StR 199/19 Rn. 9 mwN sowie 1 StR 271/19 Rn. 14 mwN; Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18, BGHSt 64, 146 Rn. 20). Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und ver- oder gebraucht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - 1 StR 199/19 Rn. 9 mwN).

Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn er - wie vorliegend - die Verfügungsmöglichkeit zwar zunächst erlangt, diese jedoch durch die Sicherstellung wieder verliert. Denn aufgrund der Sicherstellung ist ein (weiteres) Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der - der Steuer unterliegenden - Waren, auf das für die Verbrauch- bzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - 1 StR 199/19 Rn. 10 ff.).

bb) Soweit Tabaksteuer - wie vorliegend - auf der Grundlage der Einfuhr aus einem Drittland in das deutsche Steuergebiet angefallen ist (§§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 1 TabStG), kann für die insoweit außerdem angefallenen und hinterzogenen Einfuhrabgaben, mithin die Zollschuld (hier Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK) sowie die Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 1 UStG), nichts anderes gelten, denn Bezug und Einfuhr der Tabakwaren bilden in diesem Fall tatsächlich und wirtschaftlich einen einheitlichen Vorgang, so dass die Frage des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB für die Hinterziehung der Einfuhrabgaben insgesamt (Art. 5 Nr. 20 UZK) in gleicher Weise zu bestimmen ist.

Für diese parallele Wertung spricht insbesondere die Vorschrift des Art. 124 Abs. 1 lit. e UZK, wonach die Zollschuld erlischt, wenn einfuhr- oder ausfuhrabgabenpflichtige Waren beschlagnahmt und gleichzeitig oder nachfolgend eingezogen werden. Denn die Anordnung des Erlöschens der (entstandenen) Zollschuld für Waren, die aufgrund der Einziehung zu keinem Zeitpunkt in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind, verdeutlicht - unbeschadet der in Art. 124 Abs. 2 UZK vorgesehenen Fiktion des Fortbestehens der Zollschuld für Zwecke der Ahndung von Zuwiderhandlungen - in besonderer Weise die bei den Zöllen - wie bei den Verbrauchsteuern - bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der hierfür bestehenden pflichtigen Abgabe (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Deimel, AO/FGO, Stand Februar 2017, Art. 124 UZK Rn. 43; Rüsken/Gellert, Zollrecht, Stand März 2020, Art. 124 UZK Rn. 10, 15; vgl. für die Einfuhrumsatzsteuer EuGH, Urteil vom 29. April 2010 - C-230/08 - Dansk Transport og Logistik, Slg. 2010 I-3799 Rz. 84, 91 zu Art. 233 lit. d VO (EWG) Nr. 2913/92 - ZK).

3. Die Aufhebung und das Entfallen der Einziehungsanordnung war insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten M. zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - 1 StR 474/14 Rn. 7 mwN). Da es sich nach den Feststellungen um den Wert von Taterträgen für die Nichtzahlung der aufgrund des von beiden Angeklagten begangenen Schmuggels (Fall 4 der Urteilsgründe) handelt, betrifft der Rechtsfehler auch den wegen derselben Tat verurteilten Mitangeklagten.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 761

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 315

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede