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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 196

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 199/19, Beschluss v. 22.10.2019, HRRS 2020 Nr. 196


BGH 1 StR 199/19 - Beschluss vom 22. Oktober 2019 (LG Bielefeld)

Einziehung bei der Hinterziehung von Verbrauch- und Warensteuern (ersparte Steuer als erlangtes Etwas: erforderlicher Vermögensvorteil des Täters wegen wirtschaftlicher Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit, Ausschluss der gleichzeitigen Einziehung ersparter Aufwendungen und von Veräußerungserlösen); Beihilfe zur Steuerhinterziehung (steuerrechtliche Erklärungspflicht als besonderes persönliches Merkmal).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 73c Satz 1; § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO; § 74c Abs. 1 StGB; § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; § 28 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die verkürzte Steuer ist nur dann als ersparte Aufwendung erlangtes Etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, wenn sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

2. Für die Hinterziehung von Verbrauch- und Warensteuern ist ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Waren einen Vermögenszuwachs erzielt. Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann.

3. Die (enge) Verknüpfung von Ware und darauf bezogener Verbrauchsteuer ist wertungsmäßig nicht nur bei der Bestimmung des erlangten Etwas bei der Steuerhinterziehung, sondern auch bei der Bestimmung des Umfangs der - vorliegend von vornherein allein möglichen - Einziehung des Wertersatzes für die ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen. Dabei ist für eine Begrenzung des Umfangs des Wertersatzes maßgeblich, dass der Täter die wirtschaftliche Verwertung aus - von ihm nicht zu vertretenden Umständen - nicht realisieren konnte.

4. In dem Fall, dass der Täter die Waren wirtschaftlich verwertet, etwa weiter veräußert, hat, ist aufgrund der bestehenden Korrelation zwischen Ware und Verbrauchsteuer eine gleichzeitige Anordnung von Wertersatzeinziehung für die ersparten Aufwendungen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB und des erzielten Veräußerungserlöses gemäß § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 74c Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. BGHSt 28, 369, 370).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19. Dezember 2018,

a) soweit es den Angeklagten B. betrifft, dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.422.754,53 €, davon in Höhe von 131.971,41 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten K., angeordnet wird;

b) soweit es den Angeklagten Z. betrifft, aufgehoben

aa) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1, 2, 3, 6, 9, 11, 21 und 33 der Urteilsgründe;

bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Einziehung; die Einziehung entfällt;

c) soweit es den Angeklagten K. betrifft, dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 131.971,41 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten B. angeordnet wird.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache betreffend den Angeklagten Z. zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten seines Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die Beschwerdeführer B. und K. haben jeweils die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten Z. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 29 Fällen zu einer solchen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Den Angeklagten K. hat das Landgericht der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in vier Fällen und der Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, bezüglich des Angeklagten B. in Höhe von 1.472.555,19 €, hinsichtlich des Angeklagten Z. in Höhe von 1.236.162,28 € sowie bezüglich des Angeklagten K. in Höhe von 147.127 €.

Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I. Revision des Angeklagten B.

1. Der Schuldspruch des Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung in 34 Fällen weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler auf. Allerdings ergibt sich die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen II. 1, 2, 3, 6, 8, 9, 10, 11, 13, 14, 21 und 33 der Urteilsgründe - anders als das Landgericht angenommen hat - aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BranntwMonG sowie - für die ab dem 1. Januar 2018 begangenen Taten - aus § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2 AlkStG.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ der Angeklagte B. in dem Zeitraum vom 30. Januar 2017 bis Ende Mai 2018 in 34 Fällen teils mit eigenen Fahrzeugen, teils durch Speditionen im Einzelnen näher bezeichnete Mengen unversteuerten Trinkbranntweins aus Bulgarien und Italien nach Deutschland verbringen, ohne dafür Branntwein- bzw. Alkoholsteuer zu entrichten. Für die Fälle II. 1, 2, 3, 6, 8, 9, 10, 11, 13, 14, 21 und 33 der Urteilsgründe hat das Landgericht Beförderungen der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse unter Steueraussetzung nicht festgestellt, so dass die Voraussetzungen des § 143 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 BranntwMonG bzw. der § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 5 AlkStG nicht erfüllt sind. Der Angeklagte hat in diesen Fällen allerdings die Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken im Sinne von § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AlkStG bezogen und ist daher gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 2 AlkStG Steuerschuldner.

2. Die Einziehungsentscheidung gegen den Angeklagten B. hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist lediglich in Höhe von 1.422.754,53 € nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gerechtfertigt.

Nach den Berechnungen des Landgerichts wurde im Rahmen der 34 Transporte Branntwein- bzw. Alkoholsteuer im Umfang von insgesamt 1.472.555,19 € verkürzt, dabei 57.462,30 € beim letzten Transport am 29. Mai 2018 (Fall II. 34 der Urteilsgründe). Von diesem Transport, der die Lieferung von 30 Paletten mit je 750 Flaschen „Limoncello“ umfasste, wurden 26 Paletten am 12. Juni 2018 sichergestellt. Das Landgericht hat der Einziehungsentscheidung für diesen Fall den gesamten Hinterziehungsbetrag von 57.462,30 € zugrunde gelegt. Gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB unterliegt jedoch bezogen auf Fall II. 34 der Urteilsgründe lediglich ein Betrag von 7.661,64 € der Einziehung. Die für die sichergestellten 26 Paletten „Limoncello“ anfallende Alkoholsteuer (von 49.800,66 €) hat bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen außer Betracht zu bleiben.

a) Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 19 und vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 36/17 Rn. 18 jeweils mwN). Dabei sind ersparte Aufwendungen nicht gegenständlich, sondern nur in Gestalt einer betragsmäßigen Vermögensmehrung erfassbar.

Dementsprechend unterliegen ersparte steuerliche Aufwendungen als erlangtes Etwas auch grundsätzlich von vornherein der Wertersatzeinziehung, da ersparte Aufwendungen Vermögensvorteile sind, die wegen ihrer Beschaffenheit einer gegenständlichen Einziehung nicht zugänglich sind, vgl. § 73c Satz 1 StGB.

Die verkürzte Steuer ist jedoch nur dann als ersparte Aufwendung erlangtes Etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, wenn sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 20). Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

b) Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Senat darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 20; Beschluss vom 21. August 2019 - 1 StR 225/19 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten für alle Verbrauch- und Warensteuern, mithin auch für die Branntweinsteuer und - ab dem 1. Januar 2018 - für die Alkoholsteuer (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG, § 1 Abs. 1 Satz 3 AlkStG). Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und ver- oder gebraucht werden (vgl. Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 49. Ed. 2019, Verbrauchsteuern Rn. 2).

c) Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Zwar hat der Angeklagte B. diese Verfügungsmöglichkeit auch hinsichtlich der 26 Paletten „Limoncello“ zunächst erlangt, diese jedoch - sogleich - durch die Sicherstellung wieder verloren. Aufgrund der Sicherstellung ist ein weiteres Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der - der Steuer unterliegenden - Waren, auf das für die Verbrauch- bzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen.

Die (enge) Verknüpfung von Ware und darauf bezogener Verbrauchsteuer ist wertungsmäßig nicht nur bei der Bestimmung des erlangten Etwas bei der Steuerhinterziehung, sondern auch bei der Bestimmung des Umfangs der - vorliegend von vornherein allein möglichen - Einziehung des Wertersatzes für die ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen. Dabei ist für eine Begrenzung des Umfangs des Wertersatzes maßgeblich, dass der Täter die wirtschaftliche Verwertung aus - von ihm nicht zu vertretenden Umständen - nicht realisieren konnte.

d) Für diese Wertung spricht die Vorschrift des § 74c Abs. 1 StGB, die die Einziehung von Wertersatz für den Fall regelt, dass der Beziehungsgegenstand nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Waren, auf die sich die Hinterziehung von Verbrauchsteuern bezieht, als solche nicht durch die Steuerhinterziehung erlangt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2016 - 1 StR 204/16 Rn. 9). Sie unterliegen deshalb nicht der Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB, können aber gemäß § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingezogen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2016 - 1 StR 118/16 Rn. 8 und vom 23. August 2016 - 1 StR 204/16 Rn. 9). Diese Norm ordnet als Nebenfolge einer Steuerhinterziehung von Verbrauchsteuern die Möglichkeit der Einziehung der verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse als Beziehungsgegenstände an. Dabei steht die Einziehung nach § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, die eine besondere Vorschrift im Sinne von § 74 Abs. 2 StGB ist, im Ermessen des Gerichts. Gemäß § 74c Abs. 1 StGB kann das Gericht die Einziehung eines Geldbetrags anordnen, der dem Wert des Gegenstandes entspricht, wenn die Einziehung eines bestimmten Gegenstandes nicht möglich ist, weil der Täter den (Beziehungs-)Gegenstand veräußert, verbraucht oder dessen Einziehung auf andere Weise vereitelt hat. Diese Möglichkeit der Einziehung des Wertersatzes besteht gemäß § 369 Abs. 2 AO auch im Steuerstrafrecht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - 1 StR 118/16 Rn. 10).

§ 74c Abs. 1 StGB verdeutlicht, dass der - den Beziehungsgegenständen - entsprechende Wert nur dann der Einziehung unterliegt, wenn die Gegenstände aus von dem Täter zu vertretenden Umständen nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Sicherstellung der Waren, auf die sich die Hinterziehung der Steuer bezieht, jedoch nicht vor.

Auch die steuerrechtlichen Sicherstellungsvorschriften gehen über diese Regelung nicht hinaus. So sind sichergestellte Sachen gemäß § 216 AO oder auf der Grundlage spezieller Regelungen wie § 51b Abs. 2 BranntwMonG bzw. § 34 Abs. 2 AlkStG in Verbindung mit § 216 AO in das Eigentum des Bundes zu überführen, sofern die Beziehungsgegenstände nicht nach § 375 Abs. 2 AO eingezogen werden. Sie ermöglichen allerdings - ohnehin - lediglich eine Sicherstellung und Überführung in das Eigentum des Bundes der Beziehungsgegenstände selbst; ein Wertersatz für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe ist nicht vorgesehen.

Das Zusammenspiel dieser differenzierten Regelungen hinsichtlich der Sicherstellung und Einziehung von Beziehungsgegenständen beinhaltet eine gesetzgeberische Grundentscheidung, die wertungsmäßig bei der Bestimmung des Umfangs des Wertes der Taterträge zu berücksichtigen ist.

e) Demgemäß führt die Korrelation von Waren und darauf bezogener Steuer für den Fall, dass die Waren aus vom Täter nicht zu vertretenden Umständen nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind, zu einer entsprechenden Begrenzung des Wertersatzes bei der Hinterziehung von Verbrauch- bzw. Warensteuern.

Da die Begrenzung an ein fehlendes Verschulden des Täters anknüpft, gilt diese nicht für die Konstellation, dass der Täter die Waren wirtschaftlich verwertet, etwa weiter veräußert, hat. Freilich ist für diesen Fall aufgrund der bestehenden Korrelation zwischen Ware und Verbrauchsteuer eine gleichzeitige Anordnung von Wertersatzeinziehung für die ersparten Aufwendungen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB und des erzielten Veräußerungserlöses gemäß § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 74c Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 1979 - 2 StR 700/78 Rn. 5, BGHSt 28, 369, 370 und vom 23. August 2016 - 1 StR 204/16 Rn. 13).

II. Revision des Angeklagten Z.

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen im Ergebnis den Schuldspruch des Angeklagten Z. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 29 Fällen. Allerdings ergibt sich dessen Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Haupttaten des Angeklagten B. - entsprechend den Ausführungen zu I. 1. - in den dem Angeklagten Z. zur Last gelegten Fällen II. 1, 2, 3, 6, 9, 11, 21 und 33 der Urteilsgründe aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Satz 2 AlkStG, § 27 StGB.

2. Demgegenüber hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat zwar eine Verschiebung des Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO in den Fällen II. 2, 3 und 11 der Urteilsgründe sowie des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in den Fällen II. 1, 6, 9, 21 und 33 der Urteilsgründe gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, den vertypten Strafmilderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB in den genannten Fällen aber mit unzutreffenden rechtlichen Erwägungen abgelehnt.

a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten steuerlichen Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 Rn. 18 ff., BGHSt 63, 282, 285 f.), der als vertypter Strafmilderungsgrund eine Strafrahmenverschiebung eröffnet.

b) Anders als das Landgericht meint, ist der Angeklagte in den Fällen II. 1, 2, 3, 6, 9, 11, 21 und 33 der Urteilsgründe jedoch nicht Steuerschuldner und damit auch nicht erklärungspflichtig. Die Feststellungen des Landgerichts, das für diese Fälle eine Beförderung unter Steueraussetzung nicht festgestellt hat, tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte Z. Bezieher der Alkoholerzeugnisse im Sinne von § 149 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 2 AlkStG und damit Steuerschuldner ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte Z. den Haupttäter B. bei dessen Geschäften und unterlag dabei vollumfänglich dessen (arbeitsrechtlichen) Weisungen. Er wurde nicht selbst Vertragspartner und verfügte über keinerlei Verbindungen zu den Lieferanten, führte keine Preisabsprachen und zog aus den Hinterziehungshandlungen keinen konkreten Gewinn, sondern erhielt lediglich sein Angestelltengehalt.

c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden besonderen persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16 Rn. 23 und vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14 jeweils mwN). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Das Landgericht hat die Unterstützungshandlungen des Angeklagten vielmehr ohne Anknüpfung an den Umstand, ob den Angeklagten Z. eine steuerliche Erklärungspflicht traf, als Gehilfenbeiträge qualifiziert.

d) Daher hätten auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geprüft werden müssen. Aufgrund der Nichtbeachtung des § 28 Abs. 1 StGB haben die Einzelstrafen in den Fällen II. 1, 2, 3, 6, 9, 11, 21 und 33 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe keinen Bestand. Das neue Tatgericht wird dabei hinsichtlich der Fälle II. 1, 6, 9, 21 und 33 der Urteilsgründe auch in den Blick zu nehmen haben, ob im Hinblick auf das zusätzliche Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 28 Abs. 1 StGB ein Absehen von der Regelwirkung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in Betracht kommt.

3. Auch die Einziehungsanordnung gegen den Angeklagten Z. hat keinen Bestand. Wie zuvor ausgeführt zog der Angeklagte Z. aus den Hinterziehungstaten selbst keinen konkreten Gewinn. Die Strafkammer konnte zudem nicht feststellen, dass in dem monatlichen Nettoeinkommen eine Gewinnbeteiligung aus den verfahrensgegenständlichen Geschäften enthalten war. Nach den unter I. 2. a) genannten Grundsätzen fehlt es damit aber an einem unmittelbaren und messbaren wirtschaftlichen Vorteil des Angeklagten Z. aus den Hinterziehungstaten und damit an einem „erlangten Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, da er aus den Alkoholerzeugnissen, auf die sich die Hinterziehung der Branntwein- bzw. Alkoholsteuer bezieht, keinen Vermögenszuwachs erzielte.

4. Einer Aufhebung von Feststellungen, die von dem Rechtsfehler, der zur teilweisen Aufhebung des Urteils im Strafausspruch führt, nicht betroffen sind, bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen - auch zu einer möglichen Beförderung der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse unter Steueraussetzung - treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

III. Revision des Angeklagten K.

1. Der Schuldspruch des Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler auf. Allerdings ergibt sich die Strafbarkeit des Angeklagten als Bezieher der Branntwein- bzw. Alkoholerzeugnisse in den Fällen II. 8, 10, 11 und 13 der Urteilsgründe aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BranntwMonG bzw. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AlkStG.

2. Da der Angeklagte K. nach den Feststellungen des Landgerichts die bisher gegen ihn geltend gemachten Steueransprüche anerkannt und darauf 30.000 € gezahlt hat, ist hinsichtlich dieses Betrages die Einziehung gemäß § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund, dass die Strafkammer den insgesamt einzuziehenden Betrag in den Urteilsgründen - rechtsfehlerfrei - mit 161.971,41 € beziffert hat, ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen unter Abzug von 30.000 € in Höhe von 131.971,41 € anzuordnen.

IV.

Angesichts des geringen Erfolges der Revisionen der Angeklagten B. und K. ist es nicht unbillig, diese Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 196

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede