HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 818
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 71/18, Beschluss v. 26.06.2018, HRRS 2018 Nr. 818
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 17. Juli 2017 wird
a) das Verfahren in den Fällen B.II.1. und 2. der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betruges in 34 Fällen verurteilt ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 36 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiervon hat es einen Monat für vollstreckt erklärt.
Die auf mehrere sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat stellt das die Fälle B.II.1. und 2. der Urteilsgründe (Taten zu Lasten des Geschädigten R.) betreffende Verfahren aus prozessökonomischen Gründen ein. Die für die beiden vorgenannten Taten verhängten Einzelstrafen fallen im Hinblick auf die übrigen Einzelstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht. Die Einstellung bedingt die vorgenommene Abänderung des Schuldspruchs.
2. Ein Verfahrenshindernis bezüglich der Taten B.II.3.-7. der Urteilsgründe liegt nicht vor; entgegen der von der Revision vertretenen Rechtsauffassung sind die genannten Taten nicht verjährt.
a) Ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ging im Fall B.II.3. der Urteilsgründe am 15. März 2010 ein von der geschädigten Anlegerin überwiesener Teilbetrag in Höhe von 4.500 Euro auf ein näher bezeichnetes, dem Angeklagten zuzuordnendes Konto ein. Erst damit war der erstrebte Vermögensvorteil tatsächlich vollständig erlangt und die Tat i.S.v. § 78a Satz 1 StGB beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 266/17, NStZ-RR 2018, 211, 212). Ohne verjährungsunterbrechende Handlungen wäre diese Tat gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB mit Ablauf des 14. März 2015 verjährt.
b) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, ist für diese Tat die Verjährungsfrist jedoch wirksam vor deren Ablauf spätestens durch die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Augsburg vom 10. März 2015 (Bl. 542 ff. Band III der Sachakten) gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB unterbrochen worden. Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung durch jede richterliche Beschlagnahme- oder Untersuchungsanordnung unterbrochen. Diese Wirkung entfällt nur dann, wenn - was hier nicht der Fall ist - die richterlichen Anordnungsentscheidungen Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs nicht genügen und deshalb ihrerseits unwirksam sind (siehe nur BGH, Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, 46 mwN).
Die Unterbrechungswirkung erfasst die hier fragliche Tat (B.II.3.) zum Nachteil der Geschädigten D. (vormals: B.), obwohl die Durchsuchungsbeschlüsse sich ausdrücklich lediglich auf Taten des Angeklagten zu Lasten der Geschädigten A. und K. beziehen. Wird, wie vorliegend, wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinne des § 264 StPO ermittelt, so bezieht sich die Unterbrechungswirkung grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, sofern nicht der Verfolgungswille der tätig werdenden Strafverfolgungsorgane erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 7. November 2001 - 1 StR 375/01, wistra 2002, 57 und vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205, 206; Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, 47 mwN; siehe auch Beschluss vom 10. August 2017 - 1 StR 218/17, wistra 2018, 78, 79). Entscheidendes Kriterium für die sachliche Reichweite der Unterbrechungswirkung ist daher bei mehreren verfahrensgegenständlichen Taten der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden. Für dessen Bestimmung ist der Zweck der jeweiligen Untersuchungshandlung maßgeblich, der anhand des Wortlauts der Maßnahme und des sich aus dem sonstigen Akteninhalt ergebenden Sach- und Verfahrenszusammenhangs zu ermitteln ist (ebenfalls st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 7. November 2001 - 1 StR 375/01, wistra 2002, 57 und vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205, 206; Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, 47 mwN).
Bei Anlegen dieses Maßstabs bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen lediglich auf die Taten zu Lasten der Geschädigten A. und K. beschränkten Verfolgungswillen bei Beantragung der am 10. März 2015 erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse. Ausweislich der bereits vom Generalbundesanwalt angesprochenen Ermittlungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 13. November 2014 (Bl. 429-430 Band III der Sachakten) wurde die zuständige Kriminalpolizei angehalten, eine Aufstellung sämtlicher Anleger zu erstellen und diese mittels Serienbrief zu befragen. In Umsetzung dieser Verfügung erstellte die Kriminalpolizeiinspektion Augsburg mit Aktenvermerk vom 11. Dezember 2014 eine Aufstellung geschädigter Anleger, die die Geschädigte der Tat 3, D., noch unter ihrem früheren Namen B. umfasst. Die genannten Durchsuchungsbeschlüsse sind auf der Grundlage dieses Ermittlungsstands beantragt worden und lassen daher gerade keine Beschränkung des Verfolgungswillens erkennen.
Vielmehr spricht auch der übrige Akteninhalt sowie der jeweils darauf bezogene Sach- und Verfahrenstand gegen einen solchen beschränkten Verfolgungswillen. So ergibt sich bereits aus einem Vermerk der Staatsanwaltschaft Landshut vom 5. Juli 2012 (Bl. 158 f. Band I der Sachakten), der Bestandteil eines an die Staatsanwaltschaft Augsburg gerichteten Übernahmeersuchens ist, dass von einem wesentlich größeren Kreis Geschädigter als bisher angenommen auszugehen sei. Diesem Übernahmeersuchen ist mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 31. August 2012 entsprochen worden. Darüber hinaus hat das Amtsgericht Augsburg bereits am 20. März 2013 gegen den Angeklagten als damaligen Beschuldigten Beschlüsse zur Durchsuchung u.a. seiner Wohn- und Geschäftsräume sowie seines Pkw erlassen (Bl. 255-257 und 261-263 Band II der Sachakten). Nach dem Inhalt der entsprechenden Beschlüsse bezweckten diese auch das Auffinden von - den Gegenstand der Betrugsvorwürfe bildenden - Kaufverträgen über Inhaberschuldverschreibungen. Da diese Verträge bezüglich der Taten zu Lasten der in den Beschlüssen ausdrücklich genannten Geschädigten A. und W. bereits Bestandteil der Sachakten waren, bezog sich die Durchsuchung notwendigerweise auf weitere Geschädigte. Demnach war der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden bei Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse nicht auf die Taten zu Lasten der Geschädigten A. und K. beschränkt. Die Verjährungsfrist ist daher auch bezüglich der übrigen verfahrensgegenständlichen Taten wirksam unterbrochen worden.
Das betrifft nicht allein die Tat B.II.3. der Urteilsgründe zu Lasten der Geschädigten D., sondern auch die weiteren verfahrensgegenständlichen Taten (insb. B.II.4.-7.), bei denen die Beendigung später als bei Tat B.II.3. der Urteilsgründe eingetreten ist.
c) Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verjährungsfrist(en) nicht ohnehin bereits durch die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Augsburg vom 20. März 2013 gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB oder die Gewährung von Akteneinsicht für den Verteidiger des Angeklagten vom 29. Juli 2014 gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB (zur grundsätzlichen Unterbrechungswirkung der Gewährung von Akteneinsicht BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 - 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205, 206 mwN) unterbrochen worden ist (sind).
3. Dem Angeklagten nachteilige sachlichrechtliche Mängel enthält das angefochtene Urteil nicht.
4. Der Wegfall der für die Taten B.II.1. und 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen stellt die Gesamtstrafe nicht in Frage. Angesichts der Strafzumessungserwägungen des Landgerichts und der Höhe der entfallenden Strafen kann der Senat ausschließen, dass ohne Berücksichtigung dieser Einzelstrafen eine niedrigere Gesamtstrafe durch den Tatrichter verhängt worden wäre.
5. Der nur sehr geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten, nicht durch die Einstellungsentscheidung erfassten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 818
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 307
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede