HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 475
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 266/17, Beschluss v. 28.11.2017, HRRS 2018 Nr. 475
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 6. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Betrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht mehr an.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Teil einer von Bremen aus agierenden Gruppierung, deren Mitglieder auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans in arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrere Betrugstaten begingen, um sich auf diese Weise eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Sie trugen - ohne hierzu berechtigt zu sein - auf Überweisungsformularen die Kontodaten von Firmen oder Privatpersonen, die sie im Internet recherchiert hatten, als vermeintliche Auftraggeber ein und versahen die Unterschriftenfelder mit der Signatur des jeweiligen Entscheidungsträgers, die sie ebenfalls aus dem Internet kopiert oder gescannt hatten. Für die meist hohen Geldbeträge gaben sie Empfängerkonten an, die sie zuvor unter Verwendung verfälschter Personaldokumente bei der Z. Bank in Polen eröffnet hatten. In diesem Rahmen beging der Angeklagte die unter II.C.1. bis II.C.8. der Urteilsgründe aufgeführten Taten.
In den Fällen II.C.1. bis II.C.4. der Urteilsgründe fuhr er zusammen mit weiteren Mitgliedern der Gruppierung - unter anderem dem gesondert verurteilten O. - mit einem Pkw, den er zuvor gemietet hatte, nach Polen, wo O. und ein unbekannt gebliebener weiterer Täter unter Verwendung verfälschter niederländischer Reisepässe in unterschiedlichen Filialen der Z. Bank Zielkonten für spätere deliktische Überweisungen eröffneten, was der Angeklagte wusste und billigte. In zwei weiteren Fällen richtete der Angeklagte auf die gleiche Art und Weise selbst solche Konten ein (Fälle II.C.5. und II.C.6. der Urteilsgründe). In der Folgezeit hob er zwei Mal in Polen Bargeld von Zielkonten bei der Z. Bank ab, nachdem dort zuvor aufgrund missbräuchlicher Überweisungen Geldbeträge gutgeschrieben worden waren (Fälle II.C.7. und II.C.8. der Urteilsgründe); die Strafkammer hat sich in diesen Fällen jedoch nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte bereits am Ausfüllen der Überweisungsträger und deren Einreichen bei den zuständigen Banken mitwirkte.
Darüber hinaus beteiligte sich der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts außerhalb der Strukturen der Bremer Gruppierung an zwei weiteren gleichgelagerten Fällen des Betrugs, wobei die Überweisung in einem Fall (II.C.9. der Urteilsgründe) durchgeführt und im anderen Fall (II.C.10. der Urteilsgründe) noch vor der Gutschrift auf dem Zielkonto angehalten wurde. Auch hinsichtlich dieser Fälle hat sich die Strafkammer nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte bereits am Ausfüllen der Überweisungsträger und deren Einreichen bei der zuständigen Bank mitwirkte. Im Fall II.C.9. der Urteilsgründe bestand der Tatbeitrag des Angeklagten darin, dass er nach der Gutschrift des Überweisungsbetrags das Geld von dem Zielkonto abhob. Im Fall II.C.10 ist den Feststellungen keine konkrete Tathandlung des Angeklagten zu entnehmen.
Das Landgericht hat den Angeklagten hinsichtlich der Fälle II.C.1. bis II.C.6. jeweils wegen mittäterschaftlich begangener, gewerbsmäßiger Urkundenfälschung durch das Gebrauchen einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB verurteilt. Die Fälle II.C.7. bis II.C.10. hat es jeweils als mittäterschaftlich begangene, gewerbsmäßige Urkundenfälschung in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Betrug gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB gewertet, wobei es im Fall II.C.10. beim Versuch des Betruges blieb.
II. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.C.1. bis II.C.4. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden Bedenken, da die Feststellungen des 4 5 6 7 Landgerichts die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten nicht tragen.
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - 3 StR 129/16, NStZ-RR 2016, 335; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648). Ob in diesem Sinne Mittäterschaft vorliegt, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen (BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648). Dabei erfordert Mittäterschaft zwar weder zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst noch die Anwesenheit am Tatort; auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt, kann ausreichen (BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - 3 StR 129/16, NStZ-RR 2016, 335; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648). Jedoch muss sich die betreffende Mitwirkung nicht nur als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellten (BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648). Demgemäß setzt (Mit-)Täterschaft unter dem Blickwinkel der Tatherrschaft voraus, dass der Täter durch seinen Beitrag Einfluss auf die Tatausführung nehmen kann (BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich wiederum nach dem Verhältnis seines Beitrags zu der eigentlichen tatbestandsverwirklichenden Ausführungshandlung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297).
Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten in den Fällen II.C.1. bis II.C.4. der Urteilsgründe auch dann durchgreifenden Bedenken, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurteilungsspielraum zugesteht, der nur einer begrenzten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegen soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16, NStZ 2017, 296, 297; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648, 649); denn ein solcher Spielraum wäre hier überschritten.
Bezugspunkt für die Einordnung der Mitwirkung des Angeklagten in den betroffenen Fällen ist das Vorlegen der verfälschten niederländischen Reisepässe in den Filialen der Z. Bank durch den gesondert verurteilten O. und ein weiteres Mitglied der Gruppierung, da der Tatbestand der Urkundenfälschung in Form des Gebrauchens einer unechten Urkunde hierdurch erfüllt wurde. Etwaige Beiträge des Angeklagten, die gerade in Bezug auf diese Handlungen die Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Beteiligung nach den oben genannten Maßstäben erfüllen würden, sind den Feststellungen jedoch nicht zu entnehmen. Danach wirkte der Angeklagte an diesen Taten lediglich in der Weise mit, dass er Fahrzeuge mietete und zusammen mit weiteren Mitgliedern der Gruppierung nach Polen fuhr, wo diese die Tathandlungen vollzogen. Dieser Beitrag rechtfertigt eine Zurechnung der Taten im Wege der Mittäterschaft nicht. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Angeklagte durch diese im Vorfeld anzusiedelnden Handlungen Einfluss auf die späteren Tatausführungen nehmen konnte und mithin Tatherrschaft hatte. Allein der Umstand, dass er durch sein Zutun die Taten förderte, reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 439/15, StV 2016, 648 f.); dies entspricht vielmehr dem Charakter einer Beihilfehandlung (vgl. MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 25 Rn. 195). Weitere konkrete Handlungen des Angeklagten, mit denen er bestimmend darauf einwirken konnte, ob, wann, wo und wie die Taten durchgeführt wurden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. Juli 1991 - 1 StR 353/91, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 11), teilen die Urteilsgründe nicht mit.
Auch der Umstand, dass der Angeklagte in den Tatplan der Mitglieder der Gruppierung eingebunden war und in diesem Wissen handelte, führt nicht zur Annahme von Mittäterschaft, da die bloße Kenntnis und Billigung einer Tat die fehlende Tatherrschaft nicht kompensieren können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2017 - StB 14/17, NJW 2017, 2693, 2694; vom 14. Juli 2016 - 3 StR 129/16, NStZ-RR 2016, 335). Gleiches gilt hier für das eigene - auch finanzielle - Interesse des Angeklagten, welches die Strafkammer unter anderem daraus schließt, dass er an der Tatbeute beteiligt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1994 - 3 StR 726/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 33). Denn dieses erreicht hier nicht das nötige Gewicht, um die Annahme eines mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten bei der Urkundenfälschung in Form des Gebrauchmachens von den falschen Pässen begründen zu können.
2. Hinsichtlich der Fälle II.C.5. und II.C.6. der Urteilsgründe kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben, weil nicht auszuschließen ist, dass es für diese Fälle an der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts fehlt und insoweit ein Verfahrenshindernis besteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3).
Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist nichts ersichtlich. Den Feststellungen ist ebenfalls nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass für diese Taten ein inländischer Tatort begründet ist (§ 3 StGB). Dies gilt auch mit Blick auf den Handlungsort gemäß § 9 Abs. 1 StGB. Handlungsort im Sinne dieser Norm ist jeder Ort, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung vornimmt, sofern damit die Schwelle zum Versuchsstadium überschritten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 1986 - 4 StR 622/85, BGHSt 34, 101, 106). Dagegen reichen bloße Vorbereitungshandlungen im Inland nicht aus, um die deutsche Strafgewalt zu begründen, es sei denn, dass diese selbständig mit Strafe bedroht sind oder es sich um mittäterschaftliche Beiträge eines anderen Tatbeteiligten zu der im Ausland vollzogenen Tat handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 1 StR 705/08, NStZ-RR 2009, 197; Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, BGHSt 39, 88, 90 f.).
Soweit das Landgericht die Annahme eines inländischen Tatorts vor diesem Hintergrund darauf gestützt hat, dass sowohl der Angeklagte als auch seine „Mittäter“ Tatbeiträge im Bundesgebiet geleistet hätten, die der Vorbereitung und Herbeiführung der Tatbestandsverwirklichung dienten, greift dies jedenfalls hinsichtlich der Fälle II.C.5. und II.C.6. zu kurz, da die Urteilsgründe keine konkreten Feststellungen hierzu enthalten. Danach fuhr der Angeklagte mit dem gesondert verurteilten O. mit mehreren gefälschten Pässen nach Polen, wo zunächst O. und sodann am Tag darauf der Angeklagte jeweils unter Vorlage verfälschter niederländischer Reisepässe Konten auf Alias-Personalien eröffneten. Weitere Einzelheiten zur Vorbereitung der Taten des Angeklagten teilen die Urteilsgründe nicht mit. Insbesondere ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, wer sich welche Pässe wann, wo und wie verschaffte und besaß. Vor diesem Hintergrund kann nicht abschließend beurteilt werden, ob gerade in Bezug auf das allein den Tatbestand der Urkundenfälschung verwirklichende Vorlegen der falschen Pässe in den Fällen II.C.5. bis II.C.6. der Urteilsgründe entsprechende Beiträge durch etwaige Mittäter im Inland geleistet wurden.
3. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hinsichtlich der Fälle II.C.7. und II.C.8. der Urteilsgründe begegnet ebenfalls durchgreifenden Bedenken, da die Annahme mittäterschaftlichen Handelns nach den oben aufgezeigten Maßstäben von den Feststellungen nicht getragen wird. Es fehlt an Beiträgen des Angeklagten, mit denen er Einfluss auf die Taten hätte nehmen können. Nach den Feststellungen des Landgerichts hob der Angeklagte in diesen Fällen Bargeld von Konten bei der Z. Bank in Polen ab, nachdem aufgrund missbräuchlicher Überweisungen entsprechende Gutschriften zugunsten dieser Konten bewirkt worden waren; dagegen hat sich die Strafkammer nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte bereits am Ausfüllen der Überweisungsträger und deren Einreichen bei den zuständigen Banken mitwirkte.
Auf dieser Grundlage ist eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) in Ermangelung eines entsprechenden Beitrags des Angeklagten nicht dargetan; auch die Voraussetzungen für die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung am Betrug (§ 263 StGB) sind nicht erfüllt. Das Abheben von Bargeld von den Zielkonten nach Gutschrift der entsprechenden Beträge kommt hierfür nicht in Betracht, weil die Taten zu dieser Zeit bereits beendet waren und eine Beteiligung daran demgemäß nicht mehr möglich war (vgl. S/SEser/Bosch, StGB, 29. Aufl., Vorbem. §§ 22 ff. Rn. 10).
Beendigung tritt beim Betrug mit dem Abschluss der Tat im Ganzen ein, wozu gehört, dass der erstrebte Vermögensvorteil tatsächlich erlangt ist (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 273). Dies ist beim Überweisungsbetrug der Fall, wenn der Betrag auf dem Zielkonto des Täters gutgeschrieben ist und der Geschädigte keine Möglichkeit mehr hat, den Täter daran zu hindern, hierüber zu verfügen.
Geschädigter ist in der Konstellation des Überweisungsbetruges - neben dem Inhaber des belasteten Kontos (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - 3 StR 178/13, BGHR StGB § 263a Konkurrenzen 2) - das Kreditinstitut, bei dem das belastete Konto des vermeintlich Anweisenden geführt wird. Denn nach der gesetzlichen Bestimmung des § 675u BGB hat ein Zahlungsdienstleister im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen gegen den Zahler. Zudem ist er verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und das Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte. Somit hat das Kreditinstitut des vermeintlich Anweisenden das Risiko zu tragen, dass ein rechtsgrundlos überwiesener Betrag bei dem begünstigten Empfänger nicht mehr beigetrieben werden kann.
Vor diesem Hintergrund kommt es für den Eintritt der Tatbeendigung maßgeblich darauf an, ab wann der Täter über die deliktisch erlangte Gutschrift gesichert zu verfügen vermag, ohne dass der Zahlungsdienstleister des Belastungskontos als Geschädigter dies verhindern kann. Dies hängt davon ab, ob das belastete und das begünstigte Konto bei demselben oder bei verschiedenen Kreditinstituten geführt werden. Denn beiden Konstellationen liegen andere Zahlungswege und Rechtsverhältnisse der Beteiligten zugrunde, aus denen sich wiederum unterschiedliche Rechte der geschädigten Bank gegenüber dem begünstigten Empfänger ergeben.
Werden das belastete und das begünstigte Konto bei demselben Kreditinstitut unterhalten, steht dieses jeweils in einer vertraglichen Beziehung zu den betroffenen Kontoinhabern und vollzieht die Überweisung im Wege einer Umbuchung oder Verrechnung des Betrages (Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 46 Rn. 5 f.). Damit erfüllt die Bank gegenüber dem Inhaber des Ausgangskontos ihre aus dem Zahlungsdienstevertrag gemäß § 675f BGB folgende Pflicht zur Ausführung der Überweisung und gegenüber dem Inhaber des Zielkontos dessen Anspruch aus dem zwischen ihm und der Bank bestehenden Zahlungsdienstevertrag auf Gutschrift des Betrages (vgl. Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 47 Rn. 1, 9). Die Erteilung der Gutschrift stellt dann ein abstraktes Schuldversprechen des Zahlungsdienstleisters gegenüber dem begünstigten Kontoinhaber dar, das diesem gegenüber der Bank eine selbständige, vom Deckungsverhältnis zwischen der Bank und dem Inhaber des belasteten Kontos unabhängige Forderung vermittelt (Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 47 Rn. 11). Allerdings besteht für die Bank in dieser Konstellation gemäß Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken die Möglichkeit, fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten durch eine Belastungsbuchung rückgängig zu machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den durch die Gutschrift begünstigten Kunden zusteht (Stornobuchung). Auf diese Weise kann die Bank das in der Gutschrift liegende abstrakte Schuldversprechen einseitig widerrufen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1978 - II ZR 166/77, BGHZ 72, 9, 11). Übertragen auf die Fälle des Überweisungsbetrugs bedeutet dies, dass die geschädigte Bank über das Recht verfügt, die deliktische Gutschrift des Betrages gegenüber dem begünstigten Empfänger zu stornieren und damit den endgültigen Eintritt der Vermögensverschiebung einseitig zu verhindern. Denn die zugrunde liegende Überweisung unter missbräuchlicher Verwendung der Daten des Inhabers des Zahlungskontos ist als „fehlerhaft“ im Sinne von Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken anzusehen und wegen des Fehlens einer Leistung im Verhältnis zwischen dem vermeintlich Anweisenden und dem Zahlungsempfänger steht der Bank gegen den Empfänger auch ein Rückzahlungsanspruch im Wege der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 BGB zu (vgl. für die Fallgruppe des „Phishing“ Bunte, in: Bunte [Hrsg.], AGB-Banken, 4. Aufl., Rn. 152).
Anders verhält es sich hingegen, wenn das belastete und das begünstigte Konto bei unterschiedlichen Kreditinstituten geführt werden. In diesem Fall bestehen vertragliche Beziehungen zwischen dem vermeintlich Anweisenden und seiner Bank (Deckungsverhältnis), dem Begünstigten und dessen Bank (Inkassoverhältnis) und den beiden beteiligten Banken (Interbankenverhältnis), die jeweils unabhängig voneinander Rechte und Pflichten der Beteiligten auslösen (vgl. Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 46 Rn. 19). Da in dieser Konstellation die Bank des vermeintlich Anweisenden in keinem direkten Rechtsverhältnis zu dem Zahlungsempfänger steht, übernimmt dessen Bank im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit der Bank des vermeintlich Anweisenden auf deren Auftrag hin die Ausführung der Überweisung, wobei sie lediglich als deren Erfüllungsgehilfin agiert (vgl. Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 49 Rn. 133). In diesem Rahmen schreibt die Bank des Empfängers den Betrag, nachdem sie ihn gemäß der rechtlichen Ausgestaltung im Interbankenverhältnis erhalten hat, auf dem Zielkonto gut und erfüllt damit ihre gegenüber dem Empfänger aus dem Zahlungsdienstevertrag resultierende Pflicht (vgl. Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski [Hrsg.], Bankrechts-Handbuch, Band I, 5. Aufl., § 49 Rn. 163). Fehlt es an einem rechtmäßigen, autorisierten Auftrag des vermeintlich Anweisenden gegenüber dessen Bank und wird die Überweisung dennoch auf dem beschriebenen Weg bis zur Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Empfängers vollzogen, bleibt es dabei, dass der Zahlungsdienstleister des Inhabers des (rechtsgrundlos) belasteten Kontos aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 675u BGB keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen hat. Anders aber als in der Konstellation der „Hausüberweisung“ steht der Bank hier kein Stornorecht gegenüber dem begünstigten Empfänger zu, da sie zu ihm gerade nicht in einer vertraglichen Beziehung steht. Auch die Möglichkeit einer mittelbaren Stornierung des Betrages durch das Kreditinstitut des Empfängers ist nicht eröffnet, da ein originäres Stornorecht der Bank des vermeintlich Anweisenden gegenüber dem Empfänger gerade nicht besteht und sich ein solches auch nicht aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Empfänger und seinem Zahlungsdienstleister ergibt. Innerhalb dieses Verhältnisses erweist sich die Überweisung nicht als fehlerhaft, da die Bank des Empfängers als Erfüllungsgehilfin der Bank des vermeintlich Anweisenden ohne eigene Sachprüfungskompetenz die Überweisung auftragsgemäß ausgeführt hat und dem Empfänger aus dem Girovertrag mit seiner Bank ein Anspruch auf Gutschrift des Betrages zustand. Ungeachtet etwaiger verbleibender Ansprüche gegen den Empfänger besteht für die geschädigte Bank nach Gutschrift des Betrages auf dem Konto des begünstigten Empfängers somit keine Möglichkeit mehr, diesen an der Verfügung über den Geldbetrag zu hindern.
Dies zugrunde legend waren die Betrugstaten zur Zeit der Abhebung des Geldes durch den Angeklagten bereits beendet, da die vorausgegangenen Überweisungen im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr vollzogen wurden. Im Fall II.C.7. der Urteilsgründe wurde das belastete Konto bei der Volksbank C. e.G. geführt und im Fall II.C.8. bei der Sparkasse Zi. In beiden Fällen wurden die Beträge auf Zielkonten bei der Z. Bank in Polen gutgeschrieben. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine ausländische Bank handelt und damit - insbesondere im Interbankenverhältnis - gegebenenfalls auch internationale Rechtsnormen Anwendung finden, lässt dieses Ergebnis unberührt, da er auf die hier entscheidende Frage der Zugriffsmöglichkeiten der geschädigten Bank auf das Empfängerkonto im Grundsatz keine Auswirkungen hat.
4. Die Ausführungen zu den Fällen II.C.7. und II.C.8. der Urteilsgründe gelten für Fall II.C.9. der Urteilsgründe entsprechend, da das Landgericht auch hinsichtlich dieser Tat lediglich das Abheben von Bargeld vom Zielkonto als Tatbeitrag des Angeklagten sicher festgestellt hat. Da auch in diesem Fall die Überweisung im Interbankenverhältnis vollzogen wurde, indem das belastete Konto bei der Sparkasse B. und das begünstigte Zielkonto bei der P. AG geführt wurde, war eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten nach dem Vollzug der Überweisung nicht mehr möglich.
5. Schließlich begegnet auch die rechtliche Würdigung hinsichtlich der Tat zu II.C.10. der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten nicht. Den Urteilsgründen ist weder zu entnehmen, dass er einen bestimmten Beitrag zu der konkreten Tatausführung geleistet hätte, noch ist ersichtlich, dass er sonst Tatherrschaft gehabt hätte, etwa indem er im Rahmen der Planung und Organisation der Taten eine derart exponierte Stellung eingenommen hätte, dass er gegenüber den - von der Strafkammer vermuteten - weiteren Beteiligten eine übergeordnete Stellung eingenommen hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1984 - 2 StR 470/84, BGHSt 33, 50, 53).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 475
Externe Fundstellen: NStZ 2018, 650 ; NStZ-RR 2018, 211; StV 2019, 16
Bearbeiter: Christian Becker