HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 641
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 581/23, Beschluss v. 14.03.2024, HRRS 2024 Nr. 641
1. Der Tatbestand der Einfuhr erfordert keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Als Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kommt ein Beteiligter auch in Betracht, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung ist ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt.
2. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen, bei welcher der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu von besonderer Bedeutung sind; im Ergebnis müssen die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst Entscheidungstenor Auf die Revisionen der Angeklagten B., S. und E. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Mai 2023 geändert
in dem Schuldspruch betreffend den Angeklagten B. dahin, dass er in den Fällen II.12 und II.14 des Besitzes zweier halbautomatischer Kurzwaffen in Tateinheit mit Besitz von Munition und mit Besitz eines verbotenen Gegenstands (Schlagring) schuldig ist,
in den Strafaussprüchen dahin, dass die im Fall II.4 jeweils verhängte Einzelstrafe herabgesetzt wird
für den Angeklagten B. auf sieben Jahre Freiheitsstrafe,
für den Angeklagten S. auf sechs Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe und
für den Angeklagten E. auf sechs Jahre Freiheitsstrafe,
in den Einziehungsanordnungen dahin, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten B. in Höhe von 5.920.000 Euro, davon in Höhe von 3.946.666,67 Euro als Gesamtschuldner, und gegen die Angeklagten S. und E. in Höhe von jeweils 1.973.333,33 Euro als Gesamtschuldner angeordnet wird; die weitergehenden Anordnungen entfallen.
Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass schuldig sind
die Angeklagten B., S. und E. im Fall II.7 jeweils der versuchten bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
der Angeklagte De. im Fall II.13 des Besitzes eines verbotenen Gegenstands (Schlagring) und
der Angeklagte E. im Fall II.15 des Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit Besitz von Munition.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten B., S. und E. jeweils wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, wegen „versuchter … Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, den Angeklagten B. darüber hinaus wegen „Verstoß[es] gegen das Waffengesetz“ in zwei Fällen und den Angeklagten E. auch wegen „Verstoß[es] gegen das Waffengesetz“ verurteilt. Es hat Gesamtfreiheitsstrafen von zwölf Jahren und neun Monaten gegen den Angeklagten B. von elf Jahren und neun Monaten gegen den Angeklagten S. und von elf Jahren und sechs Monaten gegen den Angeklagten E. verhängt. Es hat zudem gegen den Angeklagten B. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 6.240.000 Euro angeordnet und ausgesprochen, dass „hiervon“ der Angeklagte S. und der Angeklagte E. jeweils in Höhe von 2.080.000 Euro gesamtschuldnerisch haften.
Den Angeklagten D. hat die Strafkammer wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten De. hat sie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen „Verstoß[es] gegen das Waffengesetz“ eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verhängt.
Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagten B., S. und E. erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, das Rechtsmittel des Angeklagten De. führt lediglich zu einer Korrektur des Urteilstenors. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich die Angeklagten B., S. und E. zusammen, um arbeitsteilig in einer unbestimmten Anzahl von Fällen für einen in Südamerika ansässigen Betäubungsmittelhändler Kokain in der Größenordnung von mehreren hundert Kilogramm auf dem Seeweg versteckt in Metallpaletten nach Deutschland einzuführen. Für diesen „Import-Service“ zahlte ihr Auftraggeber einen erfolgsabhängigen Lohn. In Umsetzung ihres Tatplans importierten sie im August 2012 320 kg Kokain (Fall II.1), im Mai 2013 und im November 2015 jeweils 640 kg Kokain (Fälle II.2 und II.3), im November 2016 und im September 2017 jeweils 320 kg Kokain (Fälle II.4 und II.5) und im März 2018 nochmals 640 kg Kokain (Fall II.6). Das Rauschgift hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von 80 % Kokainhydrochlorid. Als Entlohnung erhielt die Gruppierung im Fall II.1 800.000 Euro, in den Fällen II.2, II.3 und II.6 jeweils 1.280.000 Euro und in den Fällen II.4 und II.5 jeweils 640.000 Euro. Den Lohn nahm der Angeklagte B. entgegen und reichte jeweils ein Drittel an die beiden anderen weiter. Der Import weiterer 690 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 90 % Kokainhydrochlorid im November 2018 (Fall II.7) scheiterte, weil die Ladung im Hafen von S. (Brasilien) entdeckt und sichergestellt wurde.
Der Angeklagte B. lagerte am 30. November 2021 in seinem Schlafzimmer einen Schlagring (Fall II.12) und versteckt in der Küche einer Verwandten zwei halbautomatische Pistolen nebst zugehöriger Munition (Fall II.14). Der Angeklagte De. bewahrte in seiner Wohnung einen Schlagring (Fall II.13), der Angeklagte E. in seiner Küche eine halbautomatische Pistole mit Munition (Fall II.15) auf.
1. Die Revisionen der Angeklagten B., S. und E. erzielen lediglich einen geringfügigen Erfolg.
a) Die dem Schuldspruch des Angeklagten B. wegen „Verstoß[es] gegen das Waffengesetz“ in zwei Fällen (Fälle II.12 und II.14) zugrundeliegende konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen hat zur Folge, dass die verschiedenartigen Verstöße gegen das Waffengesetz tateinheitlich zusammentreffen; das gilt auch, wenn sie nicht unter dieselben Strafbestimmungen fallen oder an verschiedenen Orten gelagert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - 5 StR 578/19, NStZ 2020, 359; Urteil vom 7. Juli 2020 - 1 StR 242/19, StV 2021, 427, 429 mwN). Dies führt hinsichtlich des Besitzes der halbautomatischen Schusswaffen, der Munition und des Schlagrings zur Annahme von Tateinheit.
bb) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und neu gefasst (vgl. zur Tenorierung etwa BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2023 - 1 StR 276/23 Rn. 22; vom 14. März 2000 - 4 StR 3/00). Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
cc) Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der für den Fall II.12 verhängten Einzelgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen. Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten wird hierdurch nicht berührt.
b) Die Zumessung der gegen die Angeklagten B., S. und E. im Fall II.4 jeweils verhängten Einzelstrafen ist rechtsfehlerhaft.
aa) Die Strafkammer hat ihrer Strafzumessung in den Fällen II.1 bis II.6 jeweils den Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Sie hat bei jedem der Angeklagten nach Darstellung der in allen Einfuhrfällen gleichermaßen berücksichtigten Strafzumessungskriterien - für den Angeklagten B. zudem in den Fällen II.1 und II.2 die Tatbegehung unter Bewährung - ausgeführt, dass für die Bemessung der Einzelstrafen „die Menge an Kokain und die mit jedem weiteren gelungenen Import sinkende Hemmschwelle leitend war“. Im Widerspruch dazu hat sie gegen jeden der Angeklagten für die Einfuhr von 320 kg Kokain im November 2016 (Fall II.4) eine um ein Jahr höhere Einzelfreiheitsstrafe als für die Einfuhr der gleichen Menge im August 2012 (Fall II.1) festgesetzt.
bb) Um jede Benachteiligung der Angeklagten auszuschließen, hat der Senat die im Fall II.4 verhängten Einzelstrafen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO jeweils auf das Maß herabgesetzt, das die Strafkammer im Fall II.5 zugemessen hat. Auch in diesem Fall haben die Angeklagten 320 kg Kokain eingeführt, wobei ihre Hemmschwelle - nach der Wertung der Strafkammer - wegen des zusätzlichen gelungenen Imports im Fall II.4 noch weiter abgesunken war. Angesichts der Einsatzstrafen von elf Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten B., von zehn Jahren für den Angeklagten S. und von neun Jahren für den Angeklagten E. und der Höhe der weiteren Einzelfreiheitsstrafen kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Bemessung der jeweiligen Einzelstrafe im Fall II.4 niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt hätte.
c) Der Einziehungsbetrag ist wegen eines Rechenfehlers herabzusetzen. Die Strafkammer hat die Summe der in den Fällen II.1 bis II.6 von den Angeklagten erlangten Beträge fehlerhaft ermittelt. Der Senat hat die Entscheidung zugleich auch sprachlich neu gefasst, um die von der Strafkammer intendierte Anordnung der Einziehung auch gegen die Angeklagten S. und E. in Höhe des von ihnen jeweils erhaltenen Tatlohns eindeutig zum Ausdruck zu bringen.
2. Darüber hinaus hat die umfassende Nachprüfung des Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht.
a) Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auch den Angeklagten E. wegen mittäterschaftlich begangener Einfuhr im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG (Fälle II.1 bis II.6) und des Versuchs hierzu (Fall II.7) schuldig gesprochen hat.
Der Tatbestand der Einfuhr erfordert keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Als Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kommt ein Beteiligter auch in Betracht, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung ist ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen, bei welcher der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu von besonderer Bedeutung sind; im Ergebnis müssen die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2023 - 5 StR 421/22 Rn. 10; vom 14. November 2023 - 3 StR 369/23 Rn. 7).
Gemessen daran sind die vom Angeklagten E. erst nach dem Passieren der Hoheitsgrenze beim Entladen der Fracht im Hafen entfalteten Aktivitäten nicht geeignet, eine tatherrschaftliche Beteiligung bezogen auf den Einfuhrvorgang selbst zu belegen. Aus den Feststellungen in ihrer Gesamtheit ergibt sich indes, dass der Angeklagte auch gleichberechtigt in der Entscheidungs- und Planungsphase am Einfuhrvorgang und mithin an der Organisation desselben beteiligt war. Angesichts seiner erfolgsabhängigen Gewinnbeteiligung hatte er zudem ein erhebliches Eigeninteresse am Gelingen der Einfuhr. Danach wird der Schuldspruch von den Feststellungen getragen.
b) Die Fassung der Schuldsprüche bedurfte der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen sprachlichen Korrekturen. Im Fall II.7 hat die Strafkammer die Angeklagten B., S. und E. rechtsfehlerfrei wegen des Versuchs einer Tat nach § 30a Abs. 1 BtMG verurteilt, dies im Urteilstenor jedoch nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht. In den Fällen II.13 und II.15 war wiederum die Tenorierung der waffenrechtlichen Verstöße zu korrigieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der geringfügige Erfolg der Revisionen der Angeklagten B., S. und E. lässt es nicht unbillig erscheinen, auch sie insgesamt mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 641
Bearbeiter: Christian Becker