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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1443

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 423/22, Beschluss v. 18.07.2023, HRRS 2023 Nr. 1443


BGH 2 StR 423/22 - Beschluss vom 18. Juli 2023 (LG Frankfurt am Main)

Zuhälterei (Ausbeutung: Entziehung eines erheblichen Teils der Einnahmen, gesamte Einnahmen, 50%, Zweifelsgrundsatz); Zwangsprostitution (Veranlassung zur Fortsetzung; Beweiswürdigung: summarische Würdigung der Bekundungen der Zeugin, geständige Einlassungen des Angeklagten; Gewerbsmäßigkeit); Versuch (Rücktritt: Rücktrittshorizont); Strafzumessung (zusammengefasste Darstellung der Strafzumessungerwägungen; Grundsätze der Strafzumessung: durch das begangene Delikt verwirklichtes Unrecht, Würdigung der Gesamtheit der Taten, Gesamtstrafenbildung).

§ 181a StGB; § 232a StGB; § 232 StGB; § 23 StGB; § 24 StGB; § 46 StGB; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies bei ihm zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, die Lösung aus der Prostitution zu erschweren. Hiervon ist ohne Weiteres auszugehen, wenn die Prostituierte ihre gesamten Einnahmen abgeben muss und nur gelegentlich geringe Summen zurückerhält. Abgaben in Höhe von 50 % der Einnahmen können die Annahme einer Ausbeutung nahelegen.

2. Ein Veranlassen zur Fortsetzung liegt vor, wenn die der Prostitution nachgehende Person, die den Willen hat, diese Tätigkeit zu beenden oder in einem geringeren Umfang auszuüben, zum Weitermachen in der bisherigen Form gebracht wird oder wenn die Person zwar grundsätzlich zur weiteren Ausübung der Prostitution bereit ist vom Täter aber entgegen ihrem Willen zu einer intensiveren Form der Prostitutionsausübung bewegt wird.

3. Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter sich Einnahmen aus einer wiederholten Tatbegehung verschaffen will. Das Qualifikationsmerkmal ist mithin nur erfüllt, wenn der Täter den Straftatbestand des § 232a Abs. 1 StGB mehrfach verwirklicht bzw. bei seiner Tathandlung den Vorsatz hat, zukünftig weitere Taten der Zwangsprostitution zwecks Generierung einer fortdauernden Einnahmequelle zu begehen. Die Absicht der fortdauernden Ausnutzung einer durch eine einmalige Einwirkung auf das Tatopfer veranlassten Prostitutionstätigkeit genügt dagegen zur Erfüllung des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit nicht.

4. Grundlagen der Strafzumessung sind in erster Linie die Schwere einer Tat und ihre Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung sowie der Grad der persönlichen Schuld des Täters. Beide Elemente sind miteinander verknüpft. Einerseits darf das Unrecht einer Tat nur in dem Umfang für die Strafzumessung Bedeutung erlangen, in dem es aus schuldhaftem Verhalten des Täters erwachsen ist, andererseits kann die strafrechtlich relevante Schuld allein in einem bestimmten tatbestandsmäßigen Geschehen und seinen Auswirkungen erfasst werden. Die Zumessung einer Strafe erfolgt danach bezogen auf das jeweilige durch das begangene Delikt verwirklichte Unrecht. Demgegenüber findet eine Würdigung der Gesamtheit der Taten erst auf der Ebene der Gesamtstrafenbildung statt, wobei hier im Grundsatz gilt, dass diejenigen einzelfallbezogenen Gesichtspunkte, die schon auf Ebene der Einzelstrafen verwertet wurden, nicht erneut berücksichtigt werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2022

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 10 der vorsätzlichen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln und in den Fällen II. 11 - 14 jeweils der Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige schuldig ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 9 der Urteilsgründe verurteilt ist,

bb) im gesamten Strafausspruch, cc) soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 98.000 € („Komplex H. “) und in Höhe von 70.000 € („Komplex G. “) angeordnet worden ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten mit Urteil vom 9. März 2022 der besonders schweren Zwangsprostitution in Tateinheit mit Zuhälterei in drei Fällen (II. 2, 15, 17), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung (II. 2, 17), davon wiederum in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung (II. 17), der Zuhälterei in weiteren vier Fällen (II. 1, 5, 9, 19), davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer Zwangsprostitution (II. 9), der versuchten besonders schweren Zwangsprostitution in Tateinheit mit Körperverletzung (II. 4), der Körperverletzung in fünf weiteren Fällen (II. 3, 16, 18, 20, 21), der Nötigung in zwei Fällen (II. 6, 8), wobei es in einem Fall davon beim Versuch blieb (II. 8), der versuchten Erpressung (II. 7), der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln (II. 10) und der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in vier Fällen (II. 11, 12, 13, 14) schuldig gesprochen. Wegen der „vor dem 04.11.2020 begangenen Taten“ hat es den Angeklagten unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten, wegen der „nach dem 04.11.2020 begangenen Taten“ zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 200.000 € angeordnet.

Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen - soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3, 6 und 15 bis 21 der Urteilsgründe verurteilt ist - ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Die landgerichtlichen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil der Zeugin H. in den Fällen II. 1 und 5, wegen besonders schwerer Zwangsprostitution im Fall II. 2 sowie wegen versuchter besonders schwerer Zwangsprostitution im Fall II. 4 der Urteilsgründe.

a) Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat das Landgericht hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

aa) Ende des Jahres 2019 lernte der Angeklagte die damals 33-jährige Zeugin H. über soziale Medien kennen und unterhielt im Folgenden mit ihr eine intime Beziehung. Ab Juni 2019 arbeitete diese für den Angeklagten in einem Bordellbetrieb in M. in der H. Straße . Dabei erzielte die Zeugin H. Einnahmen in Höhe von bis zu 10.000 € pro Woche, die sie bis auf einen monatlichen Betrag von 1.000 € an den Angeklagten abführte. Von dem ihr verbliebenen Teil ihrer Einnahmen musste die Zeugin Mietkosten in Höhe von 750 € zahlen und zudem ihre Mutter mit monatlich „ca. 200 €“ unterstützen. Im maßgeblichen Tatzeitraum baute der Angeklagte weiteren Druck auf die Zeugin H. auf, „indem er von ihr eine Mindestabgabe in Höhe von 3.000 € pro Woche verlangte“ (Fall II. 1).

bb) Im Juli 2019 fasste die Zeugin H. den Entschluss, den Angeklagten zu verlassen und sich nicht weiter für ihn zu prostituieren. Nachdem der Angeklagte davon erfahren hatte, schlug er der Zeugin am 20. Juli 2019 während einer Feier der Hells Angels mit der flachen Hand in das Gesicht, „weil sie es gewagt habe, ihn verlassen und damit demütigen zu wollen, was er von Dritten erfahren habe“. Am Folgetag drohte er der Zeugin H. für den Fall der Trennung mit „Konsequenzen“. Entsprechend der Absicht des Angeklagten gab die Zeugin H. daraufhin, „aus Angst vor weiteren körperlichen Übergriffen und wegen der „gefühlten Ausweglosigkeit ihrer Situation“, zunächst ihr Vorhaben auf und setzte die Tätigkeit als Prostituierte in der H. Straße „nach den Vorgaben des Angeklagten fort“ (Fall II. 2).

cc) Im Januar 2020 wollte der Angeklagte die private Beziehung zu der Zeugin H. beenden, weil diese sich von ihm zurückgezogen hatte, nachdem er auf ihre Forderung, mit ihr zusammen zu wohnen, nicht eingegangen war. Anlässlich eines in der Folge - unter anderem zur Übergabe weiterer Einnahmen und Schlüsseln - verabredeten Treffens am 6. Februar 2020 in der H. Straße übergab die Zeugin dem Angeklagten 6.000 € aus ihren Verdiensten und bot ihm an, ihm zukünftig 50% ihrer Einnahmen abzugeben, dafür „jedoch selbstbestimmt arbeiten zu dürfen“. Damit war der Angeklagte nicht einverstanden. Um die Zeugin dazu zu bewegen, „auch gegen ihren erkennbaren Willen weiterhin zu seinen Konditionen der Prostitution nachzugehen“, schlug der Angeklagte ihr erneut unvermittelt mit der flachen Hand ins Gesicht. In der Folgezeit leistete die Zeugin H. vorerst keine Zahlungen mehr an den Angeklagten und reagierte nicht auf dessen wiederholte Kontaktversuche (Fall II. 4).

dd) Da sie es „angesichts des sie bedrohenden und gewalttätigen Angeklagten mit den Hells Angels im Rücken für zu gefährlich hielt, mit der selbstbestimmten Prostitutionstätigkeit zu beginnen, ohne dies vorher mit dem Angeklagten abzusprechen“, nahm sie erneut Kontakt zu ihm auf. Der Angeklagte, „der mittlerweile bemerkt hatte, dass seine Gewaltanwendung die Zeugin nicht im ausreichenden Maße gefügig gemacht hatte“, ließ sich daraufhin doch auf ihr Angebot ein, ihm die Hälfte aller ihrer Einnahmen zu überlassen. Entsprechend dieser Vereinbarung übergab die Zeugin H. dem Angeklagten in der Folgezeit bei mindestens zwei Gelegenheiten im Februar 2020 insgesamt 6.000 € (Fall II. 5).

b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei in den Fällen II. 1 und 5 nicht, denn sie lassen nicht erkennen, ob der Angeklagte die Zeugin H. im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgebeutet hat.

aa) Eine Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies bei ihm zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453 ff.; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 - 3 StR 418/22, StV 2023, 398 ff. mwN; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 181a Rn. 21). Hiervon ist ohne Weiteres auszugehen, wenn die Prostituierte ihre gesamten Einnahmen abgeben muss und nur gelegentlich geringe Summen zurückerhält. Abgaben in Höhe von 50 % der Einnahmen können die Annahme einer Ausbeutung nahelegen (Senat, Urteile vom 3. März 1999 - 2 StR 608/98, BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 4; vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 - 3 StR 418/22).

bb) Daran gemessen ist eine Ausbeutung im Fall II. 1 der Urteilsgründe nicht belegt, weil die hierzu getroffenen Feststellungen widersprüchlich sind. Einerseits lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, die Zeugin H. habe „nahezu ihre gesamten - allein aus ihrer Prostitutionstätigkeit herrührenden - Einkünfte von mehreren Tausend € pro Woche bis auf 1.000 € im Monat“ an den Angeklagten abführen müssen, was ihre Ausbeutung belegen würde. Anderseits wird ausgeführt, der Angeklagte habe zudem weiteren Druck auf die Zeugin aufgebaut, „indem er von ihr eine Mindestabgabe in Höhe von 3.000 € pro Woche verlangte“, wobei die Zeugin sämtlichen Forderungen des Angeklagten nachgekommen sei. Legt man dies zugrunde, führte die Zeugin H. - dem Druck des Angeklagten nachgebend - den geforderten Betrag von 3.000 € und damit aber deutlich weniger als die Hälfte ihrer „wöchentlichen Einnahmen in Höhe von (mindestens) 7.000 bis 10.000 €“ an diesen ab, wobei nach dem Zweifelsgrundsatz die von dem Angeklagten vereinnahmten Gelder mit dem Mindest- und die der Zeugin verbleibenden Einnahmen aus der Prostitution mit dem in Betracht kommenden Höchstbetrag anzusetzen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 StR 66/02, NStZ-RR 2002, 232). Angesichts dieser widersprüchlichen Angaben ist für den Senat nicht nachvollziehbar, ob der Angeklagte mit seinen Forderungen die persönliche oder wirtschaftliche Lage der Zeugin H. gravierend einschränkte.

cc) Auch genügen für die Annahme einer fühlbaren Beeinträchtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit der Zeugin H. nicht die sich auf die Mitteilung der hälftigen Abgabe ihrer Einnahmen beschränkenden Feststellungen zu Fall II. 5 der Urteilsgründe. Abgaben in Höhe von 50 % der Einnahmen können die Annahme einer Ausbeutung zwar nahe legen; erforderlich ist gleichwohl eine auf den Einzelfall bezogene Würdigung der persönlichen und wirtschaftlichen Lage, aus der die für das Vorliegen einer Ausbeutung erforderlichen Einschränkungen hervorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - 4 StR 413/88, BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 1). Die bloße Feststellung, dass die Zeugin H. entsprechend der mit dem Angeklagten getroffenen Vereinbarung diesem bei mindestens zwei Gelegenheiten im Februar 2020 insgesamt 6.000 € - für einen nicht näher bekannten Zeitraum - übergab, belegt zwar die Abgabe eines Betrags in dieser Höhe, gibt aber - weil auch keine Feststellungen zu den Einnahmen getroffen sind - keinen Aufschluss darüber, welche Folgen sich daraus für die Zeugin in ihrer Entscheidungsfreiheit ergeben haben.

c) Der Schuldspruch wegen besonders schwerer Zwangsprostitution im Fall II. 2 sowie wegen versuchter besonders schwerer Zwangsprostitution im Fall II. 4 wird von den Urteilsgründen ebenfalls nicht getragen, denn danach bleibt zweifelhaft, ob der Angeklagte die Zeugin H. zur Fortsetzung der Prostitution veranlasst hat bzw. hierzu veranlassen wollte.

aa) Ein Veranlassen zur Fortsetzung liegt vor, wenn die der Prostitution nachgehende Person, die den Willen hat, diese Tätigkeit zu beenden oder in einem geringeren Umfang auszuüben, zum Weitermachen in der bisherigen Form gebracht wird oder wenn die Person zwar grundsätzlich zur weiteren Ausübung der Prostitution bereit ist vom Täter aber entgegen ihrem Willen zu einer intensiveren Form der Prostitutionsausübung bewegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. August 2020 - 3 StR 132/20, NJW 2021, 869, 870 und vom 15. März 2023 - 2 StR 348/22, juris mwN).

bb) Hiervon ausgehend belegen die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte die Zeugin H. zur Fortsetzung der Prostitution im Fall II. 2 der Urteilsgründe veranlasste. Diese hatte zwar den Entschluss gefasst, den Angeklagten zu verlassen und sich nicht weiter für diesen zu prostituieren. Ob sie damit aber die endgültige Aufgabe der Prostitution beabsichtigte oder sich nur unter Fortsetzung derselben vom Angeklagten lösen wollte, lässt sich den Urteilsgründen nicht abschließend entnehmen. Wäre - was mit Blick auf die weiteren Feststellungen näherliegend ist - mit ihrem Entschluss nur verbunden gewesen, sich vom Angeklagten zu trennen, im übrigen aber die Prostitution fortzusetzen, läge im Vorgehen des Angeklagten keine Veranlassung zur Fortsetzung der Prostitution.

cc) Im Fall II. 4 der Urteilsgründe ist festgestellt, dass die Zeugin H. dem Angeklagten anbot, weiter für ihn zu arbeiten und ihm 50 % ihrer Einnahmen abzugeben, wobei sie künftig selbstbestimmt arbeiten wollte. Sie beabsichtigte danach also, unabhängig von diesem weiter der Prostitution nachzugehen. Indem der Angeklagte mit einem Schlag ins Gesicht auf die Zeugin einwirkte, auch gegen ihren Willen zu seinen Konditionen der Prostitution nachzugehen, liegt darin allenfalls dann eine (versuchte) Veranlassung zur Fortsetzung der Prostitution, wenn er die weiter zur Prostitution entschlossene Zeugin zu einer intensiveren Ausübung zwingen wollte. Dies aber lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Ob die von der Zeugin angestrebte selbstbestimmte Arbeit zu einer geringeren Prostitutionstätigkeit als bisher geführt hätte, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob eine Ausübung der Tätigkeit nach den „Konditionen“ des Angeklagten demgegenüber einen größeren Umfang gehabt hätte. Auch fehlen Ausführungen dazu, welche Vorstellungen der Angeklagte hatte, dem es letztlich ja nur um die ihm zu überlassenden Einnahmen ging. Auch die zu Fall II. 8 getroffenen Feststellungen, wonach die Zeugin im August 2020 in einem wesentlich geringeren Umfang tätig gewesen sei, seitdem sie „selbstbestimmt“ der Prostitution nachgehe, erlauben keinen Rückschluss auf die subjektive Tatseite des Angeklagten, zudem zu einem wesentlich früher liegenden Zeitpunkt.

2. Auch die Verurteilungen in den Fällen II. 7 und 8 der Urteilsgründe wegen versuchter Erpressung (Fall II. 7) sowie wegen versuchter Nötigung (Fall II. 8) halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Hierzu hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

aa) Anfang März 2020 forderte der Angeklagte die Zeugin H. auf, die Arbeit in der H. Straße dauerhaft zu beenden. Als diese hierauf erklärte, sie würde die Prostitutionstätigkeit ganz aufgeben, falls sie dort nicht mehr arbeiten könne, entgegnete der Angeklagte, dass sie im Falle der Einstellung der Arbeit nie wieder für ihn dem Prostitutionsgewerbe nachgehen dürfe, wobei offenblieb, ob sich dies auf den M. Raum oder die Gewerbeausübung insgesamt bezog. Weiter erklärte der Angeklagte, „der einzige Ausweg“ sei die Zahlung eines „Abschlags“ in Höhe von 30.000 € an ihn. Die Zeugin H. bot dem Angeklagten - entsprechend der ihr zur Verfügung stehenden Mittel - im Gegenzug an, 10.000 € als „Ablöse“ zu zahlen, womit dieser jedoch nicht einverstanden war. Der Angeklagte war sich darüber im Klaren, dass die Zeugin aufgrund seines bisherigen gewaltsamen Verhaltens und seiner Drohungen mit körperlicher Gewalt rechnete, wenn sie seiner Forderung nicht nachkam. Im Folgenden leistete die Zeugin H. keine Zahlungen und arbeitete weiterhin in der H. Straße als Prostituierte, ohne dass der Angeklagte weitere Forderungen erhob (Fall II. 7).

bb) Im August 2020 erschien in dem Bordell in der H. Straße , in dem die Zeugin H. weiterhin tätig war, der von dem Angeklagten gesandte Zeuge S. Nachdem die Zeugin diesen als vermeintlichen Kunden in ihr Zimmer mitgenommen hatte, richtete ihr der Zeuge dort entweder ‚Schöne Grüße von E. ‘ oder „Schöne Grüße von Mi.“ aus, verbunden mit den Worten, ‚du packst deine Sachen und morgen bist du hier weg!‘. Wie von dem Angeklagten beabsichtigt, ging die Zeugin H. „aufgrund von vergangenen Taten und Aussagen des Angeklagten“ davon aus, dass sie im Falle des fehlenden Gehorsams mit körperlichen Repressalien seitens des Angeklagten selbst oder von diesem beauftragter Dritten rechnen müsse. „Der Aufforderung, die Prostitutionsausübung einzustellen, kam sie dennoch - aus Stolz und weil sie endlich nicht mehr der Macht des Angeklagten über sie ausgeliefert sein wollte - nicht nach“ (Fall II. 8).

b) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht in beiden Fällen die Frage nach einem Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) in den Blick nehmen müssen. Hierzu, insbesondere zum maßgeblichen Rücktrittshorizont des Angeklagten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; vom 13. März 2018 - 4 StR 531/17, NStZ 2018, 468), verhalten sich die Urteilsgründe indes nicht.

aa) Im Fall II. 7 beschränken sich die Urteilsgründe auf die Feststellung, die Zeugin H. habe nicht die geforderte „Abschlagszahlung“ in Höhe von 30.000 € an den Angeklagten gezahlt, weil diese ihre finanziellen Möglichkeiten überstiegen habe. Dies lässt nicht erkennen, ob der Angeklagte nach seiner Vorstellung davon ausging, dass eine Vollendung nicht mehr möglich war, der Versuch also fehlgeschlagen ist und ein strafbefreiender Rücktritt schon deshalb von vorneherein ausscheidet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 mwN), oder ob er womöglich freiwillig von weiteren Maßnahmen zur Erreichung seines Ziels Abstand genommen hat. Entgegen der Wertung der Strafkammer versteht sich der Ausschluss eines freiwilligen Rücktritts bereits vor dem Hintergrund des Angebots der Zeugin, eine Abschlagszahlung i.H.v. 10.000 € zu erbringen, auch nicht von selbst.

bb) Auch die von der Strafkammer im Fall II. 8 - nicht näher begründete - Wertung, der Angeklagte sei von dem Versuch der Nötigung „nicht strafbefreiend zurückgetreten“, wird nicht von Feststellungen getragen, die Aufschluss über das subjektive Vorstellungsbild des Angeklagten zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung geben. Von entsprechenden Ausführungen konnte im Übrigen nicht ausnahmsweise abgesehen werden, denn der festgestellte objektive Geschehensablauf gestattet keine sicheren Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten. In den Urteilsgründen wird insoweit lediglich mitgeteilt, dass die Zeugin H. der Aufforderung, die Prostitutionsausübung in den Räumlichkeiten in der H. Straße einzustellen, „aus Stolz und weil sie endlich nicht mehr der Macht des Angeklagten über sie ausgeliefert sein wollte“ nicht nachgekommen und sie vielmehr fortan selbstbestimmt der Prostitution dort nachgegangen sei. Bei dieser Sachlage hätte sich die Strafkammer veranlasst sehen müssen, Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach der letzten Ausführungshandlung zu treffen, um prüfen zu können, ob der Angeklagte von der versuchten Nötigung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten ist.

3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Zwangsprostitution zum Nachteil der Zeugin G. im Fall II. 9 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

a) Nach den dazu getroffenen Feststellungen weckte der Angeklagte während eines gemeinsamen Kurzaufenthalts in der Türkei Anfang August 2020 bei der Zeugin G. - die zu diesem Zeitpunkt bereits ein knappes Jahr für ein Mitglied der Hells Angels als Prostituierte tätig war und seit ihrem Schulabschluss begonnen hatte, sich hauptberuflich zu prostituieren - den Eindruck, dass sie eine Liebesbeziehung führten. Zugleich gab er vor, an einer langfristigen Beziehung mit ihr interessiert zu sein. Die Zeugin G., die sich zu dem Angeklagten hingezogen fühlte und aufgrund der von ihm in Aussicht gestellten gemeinsamen Zukunft bereit war, seinen Anweisungen Folge zu leisten, prostituierte sich spätestens ab dem 11. bis zum 24. August 2020, am 31. August 2020 und am 1. September 2020 sowie vom 5. bis zum 14. September 2020 für den Angeklagten. Dabei arbeitete sie in einem Umfang, „in dem sie für sich alleine nie gearbeitet hätte und es auch zuvor nie getan hatte“. Die erzielten Einnahmen aus der Prostitutionstätigkeit in Höhe von 10.000 € pro Woche - vereinzelt auch bis zu ca.12.000 € -, die die Zeugin nahezu vollständig an den Angeklagten abgeben musste, lagen dabei über den Vorgaben des Angeklagten, wonach sie zumindest 7.000 € bis 8.000 € pro Woche erwirtschaften und abgeben müsse, damit er mit ihrer Leistung zufrieden sei.

b) Danach kann zwar der Gesamtheit der Urteilsgründe entnommen werden, dass die Zeugin G. ab dem 11. August 2020 ihre bereits zuvor ausgeübte Tätigkeit als Prostituierte aufgrund des Verhaltens des Angeklagten in quantitativer Hinsicht intensivierte. Abgesehen davon, dass offenbleibt, ob die Erhöhung des Arbeitsumfangs in diesem frühen Stadium bereits gegen ihren Willen erfolgte, fehlt es insoweit indes an einer tragfähigen Beweisgrundlage. Die zugrundeliegende Beweiswürdigung erweist sich - auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsumfangs (vgl. Senat, Urteil vom 16. Februar 2022 - 2 StR 399/21, NStZ-RR 2022, 146, 147 mwN) - als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

aa) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft und nicht frei von Widersprüchen. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung davon, dass die Zeugin G. auf Betreiben des Angeklagten den Umfang der Prostitution intensiviert habe, maßgeblich auf deren Angaben gestützt. Diese habe „die vom Angeklagten weitgehend eingeräumten Sachverhalte überzeugend, widerspruchsfrei und sachlich in allen Einzelheiten wie unter II. 9 bis 18 festgestellt“ geschildert. Dabei hat die Strafkammer lediglich eine summarische Würdigung der Bekundungen der Zeugin zu sämtlichen die Zeugin betreffenden Taten vorgenommen, die über weite Strecken nicht nur eine zeitliche Einordnung der mitgeteilten Einzelheiten, sondern auch eine Zuordnung zu den einzelnen Taten vermissen lässt. Dies wäre jedoch auf Grundlage der getroffenen Feststellungen, jedenfalls soweit es den Fall II. 9 betrifft, unerlässlich gewesen.

Danach war die Zeugin G. bereits vor dem 11. August 2020 über einen Zeitraum von fast einem Jahr als Prostituierte für ein anderes Mitglied der Hells Angels, dem Zeugen D., tätig und ging „seit ihrem Schulabschluss“ der Prostitution „hauptberuflich“ nach. Vor diesem Hintergrund ist die Bekundung der Zeugin, „der Angeklagte habe die Beziehung konditionell an die Ausübung der Prostitution geknüpft“, nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Zum einen hatte sie ausweislich der Urteilsgründe in dem für den Fall II. 9 maßgeblichen Tatzeitraum, d.h. vom 11. August bis zum 14. September 2020, nicht die Absicht, ihre Tätigkeit als Prostituierte zu beenden. Zum anderen lässt der Hinweis auf die von dem Angeklagten geforderte Verknüpfung zwischen der Beziehung und der Tätigkeit als Prostituierte allein keinen Schluss auf eine Intensivierung dieser Tätigkeit zu. Soweit die Strafkammer als Beleg für die von dem Angeklagten veranlasste Intensivierung der Prostitutionstätigkeit darauf abstellt, sie habe diese „in einem solch enormen Umfang für ihn ausgeübt, um seine Gunst und Zuneigung zu erhalten, mit der er sie für hohe Einkünfte belohnt habe und die er ihr bei geringeren Verdiensten entzogen habe, bis sie infolge der extrem hohen Arbeitsbelastung, des vom Angeklagten auf sie ausgeübten Drucks - der ihr u.a. auch vorgehalten habe, dass ‚seine‘ anderen Frauen mehr erwirtschafteten - und des ‚On und Offs‘ ihrer Beziehung Erschöpfungszustände und behandlungsbedürftige psychische Probleme, etwa in Gestalt von Panikattacken und Depressionen erlitten habe“, erweisen sich diese Angaben der Zeugin G. als unergiebig. Sie sind nicht nur vage und allgemein gehalten, sondern beziehen sich auf die gesamte Zeit bis November 2020, in der sie für den Angeklagten als Prostituierte tätig war. Sie belegen damit nicht hinreichend eine Intensivierung der Tätigkeit gerade für den hier in Rede stehenden Tatzeitraum, in dem unmittelbar der Umfang der Prostitutionstätigkeit angepasst worden sein soll. Zum Nachweis dafür, dass die schon vor Tatbeginn im selben Bordell hauptberuflich tätige Zeugin G. ab dem 11. August 2020 dort in einem tatbestandsrelevanten Maße ihre Tätigkeit quantitativ erhöhte, hätte es zumindest einer Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitsumfang vor dem 11. August 2020 als „hauptberuflich tätige“ Prostituierte bedurft, die jedoch vollständig unterblieben ist.

bb) Auch die „überwiegend geständige Einlassung des Angeklagten“, auf die sich die Strafkammer des Weiteren stützt, ist nicht geeignet, einen hinreichenden Nachweis für die Intensivierung der Prostitutionstätigkeit der Zeugin zu erbringen. Vielmehr lassen die Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass ihr aus den Blick geraten ist, dass sich das Geständnis des Angeklagten, der im Wege einer Verteidigererklärung - ohne Fragen zu den Tatvorwürfen zu beantworten - erklärt hat, er räume das äußere, ihm mit der Anklage vorgeworfene Tatgeschehen ein, sich allenfalls auf seine eigenen Wahrnehmungen beziehen kann. Dass der Angeklagte indes über den Arbeitsumfang der Zeugin G. informiert war, bevor sie für ihn als Prostituierte arbeitete, ist weder festgestellt noch belegt.

cc) Auch die weiteren Beweismittel, die die Strafkammer zu ihrer Überzeugungsbildung herangezogen hat, sind - soweit es die Verurteilung im Fall II. 9 betrifft - nicht geeignet, die Annahme des Landgerichts von einer Intensivierung der Prostitutionsausübung zu tragen.

(1) Soweit die Strafkammer im Allgemeinen den Angaben der Zeugin Me., bei der es sich um die Mutter der Zeugin G. handelt, zum Beweis der Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin G. herangezogen hat, wirkt sich dies hinsichtlich Fall II. 9 der Urteilsgründe nicht aus, weil die Zeugin Me. keine Angaben zur Frage einer möglichen Intensivierung der Prostitutionstätigkeit nach Tätigwerden ihrer Tochter für den Angeklagten gemacht hat.

(2) Nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist schließlich die Wertung der Strafkammer, „die Angaben der Zeugin G. zu ihrer Prostitutionstätigkeit für den Angeklagten und deren Umfang“ würden durch Lichtbilder bestätigt, auf denen die im Internet geschalteten Anzeigen und Profile der Zeugin zu sehen sind. Zwar wird mitgeteilt, dass die der Zeugin G. zuzuordnenden Inserate unter anderem über die angebotenen Dienstleistungen und insbesondere darüber informierten, dass Termine von Montag bis Sonntag sowie an Feiertagen, „also ‚rund um die Uhr‘“, abgesprochen werden konnten. Allerdings hat der zu diesen Anzeigen vernommene Zeuge B., der als Polizeibeamter die diesbezüglichen Auswertungen vorgenommen hatte, auch ausgesagt, der von Anzeigen abgedeckte Zeitraum erstrecke sich auf einen Zeitraum von drei Monaten. Ausgehend von dem von dem Zeugen mitgeteilten Abfragezeitpunkt am 18. September 2020 hatte die Zeugin mithin bereits am 18. Juni 2020, also bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht für den Angeklagten tätig war, ihre Dienste in gleichem Umfang wie am 11. August 2020 angeboten. Aus dem Inhalt der Anzeigen lässt sich insoweit eine Steigerung zum Umfang der Prostitutionstätigkeit nicht ableiten.

4. Die Würdigung der Strafkammer des Tatgeschehens zu Fall II. 15 auch als versuchte besonders schwere Zwangsprostitution in Tateinheit mit besonders schwerer Zwangsprostitution, ist - auch wenn sie im Tenor keinen Niederschlag gefunden hat und daher den Angeklagten im Schuldspruch nicht beschwert - rechtsfehlerhaft.

Die von dem Angeklagten ausgehenden Nötigungshandlungen im Sinne des § 232a Abs. 3 StGB vom 14. und 15. September 2020 mündeten in den tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg, indem sich die bei Tatbeginn unter 18 Jahre alte Zeugin G., die „den ernsthaften Wunsch“ hatte, die Tätigkeit als Prostituierte zu beenden, ab dem 25. September 2020 „erneut im Auftrag und unter Anleitung des Angeklagten“ weiter für diesen prostituierte. Dies geschah gemäß § 232a Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB gewerbsmäßig, weshalb eine vollendete besonders schwere Zwangsprostitution gegeben ist. Dass der Angeklagte darüber hinaus auf die Zeugin G. eingewirkt hat, als sie noch keine 18 Jahre alt war, führt nicht zu einer weiteren Alternative der besonders schweren Zwangsprostitution (§ 232a Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB), da sie zu dem Zeitpunkt, als sie die Prostitutionstätigkeit für den Angeklagten wieder aufnahm, bereits volljährig geworden war. Die darin liegende versuchte besonders schwere Zwangsprostitution tritt entgegen der Ansicht des Landgerichts im Wege der Gesetzeskonkurrenz in Form der Konsumtion hinter dem vollendeten Delikt zurück.

5. Die Schuldsprüche in den Fällen II. 1, 2, 4, 5, 7, 8 und 9 sind daher aufzuheben, auch soweit in den Fällen II. 2, 4 und 9 tateinheitlich begangene Delikte rechtsfehlerfrei festgestellt sind.

6. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in den Fällen II. 10 bis 14 war der Schuldspruch insoweit zu ändern, als der Angeklagte wegen der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln (II. 10) und wegen der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in vier Fällen (II. 11 bis 14) verurteilt worden ist. Dass die zu den damaligen Tatzeitpunkten 17 Jahre alte Zeugin G. über das Kokain frei verfügen konnte und sie unmittelbaren Besitz daran erlangte, hat die Strafkammer nicht festgestellt. Vielmehr übergab ihr der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe das Kokain jeweils im Rahmen des gemeinsamen sofortigen Konsums. Dabei handelt es sich um eine Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 lit. b Alt. 2 BtMG (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 - 6 StR 403/22, juris; Patzak/Volkmer/Patricius-Patzak, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 1208).

Entsprechendes gilt für die Fälle 11 bis 14, bei denen der Angeklagte der Zeugin G. das Kokain - nunmehr - in Kenntnis ihrer Minderjährigkeit zum sofortigen Konsum zur Verfügung stellte. In dieser Konstellation liegt die Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. März 2022 - 6 StR 14/22, juris, und vom 23. März 2021 - 3 StR 19/21, NStZ 2022, 301).

Der Senat ändert den Schuldspruch daher in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab und lässt auch die überflüssige Bezeichnung der jeweiligen Tathandlungen als „unerlaubt“ entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2023 - 5 StR 71/23, juris Rn. 3). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

II.

Auch der gesamte Strafausspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, was zu seiner Aufhebung führt.

1. Die Strafkammer hat nach der - sich über acht Seiten erstreckenden - isolierten Bestimmung der Strafrahmen, die auch Strafrahmenverschiebungen und minder schwere Fälle in den Blick genommen hat, die bei der Prüfung des möglichen Vorliegens eines minder schweren Falls und der konkreten Strafzumessung von ihr berücksichtigten Strafzumessungsumstände für sämtliche Einzeltaten aufgeführt. Dabei hat sie neben anderen Zumessungserwägungen ausdrücklich „im Rahmen der Beurteilung der Frage eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung“ zu Lasten des Angeklagten „das perfide System, das er zur Begehung der hiesigen Taten entwickelt“ habe, gewertet.

Hierzu hat sie ausgeführt, der Angeklagte habe „sich bewusst besonders leichtgläubige Frauen als Opfer ausgesucht, die aus prekären Familienverhältnissen oder schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen“ gekommen seien; diese habe „er nach und nach sozial isoliert“. Er habe diese dazu angespornt, „die Prostitution in einem bis an die Grenzen zur völligen Erschöpfung gehenden Ausmaß zu betreiben, bei vollständiger Vernachlässigung der eigenen Person.“ Bei den ausgesprochenen Drohungen habe es sich „um schwerwiegende Drohungen“ gehandelt. Darüber hinaus habe der Angeklagte seine Opfer mit seinen körperlichen Übergriffen „gedemütigt“ und „ihnen ihre Würde, auch vor anderen Personen wie z.B. im Fall zu Ziff. 2. zum Nachteil der Zeugin H. “, genommen.

2. Die zusammengefasste Darstellung der Strafzumessungserwägungen lässt angesichts der dargestellten Besonderheiten in der Begründung der vom Landgericht festgesetzten Strafen besorgen, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung keine allein auf die jeweilige Tat bezogene Würdigung der jeweils einschlägigen Strafzumessungsumstände vorgenommen hat, sie vielmehr Erwägungen bei einzelnen Taten hat einfließen lassen, die dort ohne Bedeutung oder nicht belegt sind.

Grundlagen der Strafzumessung sind in erster Linie die Schwere einer Tat und ihre Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung sowie der Grad der persönlichen Schuld des Täters (Senat, Urteil vom 4. August 1965 - 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266). Beide Elemente sind miteinander verknüpft. Einerseits darf das Unrecht einer Tat nur in dem Umfang für die Strafzumessung Bedeutung erlangen, in dem es aus schuldhaftem Verhalten des Täters erwachsen ist, andererseits kann die strafrechtlich relevante Schuld allein in einem bestimmten tatbestandsmäßigen Geschehen und seinen Auswirkungen erfasst werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, NStZ 1987, 405 und vom 4. März 2020 - 2 StR 352/19, juris Rn. 27). Die Zumessung einer Strafe erfolgt danach bezogen auf das jeweilige durch das begangene Delikt verwirklichte Unrecht. Demgegenüber findet eine Würdigung der Gesamtheit der Taten erst auf der Ebene der Gesamtstrafenbildung statt, wobei hier im Grundsatz gilt, dass diejenigen einzelfallbezogenen Gesichtspunkte, die schon auf Ebene der Einzelstrafen verwertet wurden, nicht erneut berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 - 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269; Senat, Beschlüsse vom 12. April 2016 - 2 StR 483/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 23 und vom 4. März 2020 - 2 StR 352/19, juris Rn. 27).

Zwar ist die von der Strafkammer gewählte Art der Darstellung danach nicht ohne Weiteres rechtsfehlerhaft, soweit es sich um tatübergreifende Umstände handelt, die für alle oder mehrere Straftaten gleichermaßen gelten. Dies kann insbesondere bei täterbezogenen Gesichtspunkten, wie etwa den Beweggründen, den Zielen und der Gesinnung des Täters (§ 46 Abs. 2 StGB) der Fall sein, sofern diese bei der Verwirklichung sämtlicher ihm vorgeworfener Straftaten auch eine Rolle spielen. Im vorliegenden Fall legt aber schon die nach Mitteilung der zu berücksichtigenden Strafzumessungstatsachen den Erwägungen zu den Einzelstrafen vorangestellte Formulierung, wonach die Strafkammer „(u)nter Berücksichtigung der oben genannten Strafzumessungserwägungen“ (…) „nach einer umfassenden Abwägung folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen hielt“, nahe, dass ihr aus dem Blick geraten ist, dass allein die konkreten Umstände der einzelnen Tat für die Bemessung der jeweiligen Einzelstrafe maßgebend sind.

So dürfen etwa die zu Lasten des Angeklagten angestellten Erwägungen der Strafkammer in Bezug auf die Taten, die eine ausbeuterische Zuhälterei und/oder eine Zwangsprostitution oder eine damit im Zusammenhang stehende Körperverletzung zum Gegenstand haben, von vorherein nicht bei der Bemessung der Strafen der Betäubungsmitteldelikte (II. 10 bis 14), die damit in keiner Verbindung stehen, strafschärfend berücksichtigt werden. Auch hinsichtlich der auf eine ausbeuterische Zuhälterei und die Zwangsprostitution bezogenen Taten kann nicht auf eine differenzierte Betrachtung verzichtet werden, denn die insoweit herangezogenen Handlungsbeschreibungen betreffen teilweise nur einzelne Taten hinsichtlich eines bestimmten Tatopfers. So ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte „schwerwiegende Drohungen“ auch gegenüber der Zeugin Be. äußerte. Unabhängig davon, ob die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte habe ein „perfides System“ zur Begehung der in Rede stehenden Taten entwickelt, indem er sich „bewusst leichtgläubige Frauen“, aus „prekären Familienverhältnissen oder schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen“ ausgesucht habe, überhaupt von den Feststellungen getragen wird, steht diese Erwägung jedenfalls nicht in Zusammenhang mit den abgeurteilten Körperverletzungsdelikten in den Fällen II. 3, 16, 18, 20 und 21 und der Verurteilung wegen Nötigung im Fall II. 6 und durfte daher bei diesen Taten auch nicht strafschärfend gewertet werden. Es ist zudem auch nicht festgestellt, dass die Zeugin Be. der Prostitution „bis an die Grenze zur völligen Erschöpfung“ nachgegangen ist. Im Übrigen verbietet sich insoweit auf Grundlage der von der Strafkammer angenommenen Feststellungen auch eine unterschiedslose Bewertung der Taten zum Nachteil der Zeugin H. einerseits und derjenigen zum Nachteil der Zeugin G. andererseits.

3. Schließlich ist die von der Strafkammer für das angenommene systematische Vorgehen des Angeklagten herangezogene Erwägung, der Angeklagte habe die Zeuginnen und insbesondere auch die Zeugin G. „nach und nach isoliert“, nicht hinreichend belegt. Diese Wertung lässt sich nicht ohne Weiteres mit den Angaben der Zeugin Me. in Einklang bringen, wonach diese „im Tatzeitraum überwiegend mit ihrer Tochter zusammen in einer Wohnung“ gelebt und sie im Übrigen mit ihr „weiterhin über Videotelefonie“ in Kontakt gestanden habe. Gleiches gilt mit Blick auf die Bekundungen des Zeugen KHK L. Danach habe die Zeugin G. „engen telefonischen Kontakt mit ihrer Mutter und ein paar Freunden gehabt, denen sie von den Geldübergaben und der an ihr verübten Gewalt durch den Angeklagten erzählt habe“, wobei „sich diese Telefonate über Stunden hingezogen“ hätten.

4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen - soweit die Einzelstrafen nicht schon aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs in Wegfall geraten sind - zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und bedingen das Entfallen der Gesamtstrafenaussprüche.

III.

Die Einziehungsentscheidung in Höhe von insgesamt 168.000 € betreffend die Taten zum Nachteil der Zeuginnen H. und G. hat keinen Bestand.

1. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 1, 2, 4 und 5 hat den Wegfall der Einziehungsentscheidung in Höhe von 98.000 € zur Folge.

2. Die im Zusammenhang mit den Taten II. 9, 15 und 17 erfolgte Einziehung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Zwar hat die Strafkammer im Ausgangspunkt zutreffend die Anordnung der Wertersatzeinziehung in Höhe von 70.000 € auf §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB gestützt. Indes ist die - von dem Angeklagten in Abrede gestellte - Annahme der Strafkammer, die Zeugin G. habe mindestens 70.000 € an den Angeklagten weitergeleitet, nicht tragfähig belegt.

Die von der Strafkammer herangezogene (unvollständige) Liste ist schon in Ermangelung einer Beschreibung des nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommenen Lichtbildes (vgl. zu den Darstellungsanforderungen: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 267 Rn. 10) oder Mitteilung des verlesenen Inhalts nicht nachvollziehbar. Auch die diesbezüglichen Bekundungen der Zeugin G., die das Landgericht für glaubhaft erachtet hat, sind wegen des Fehlens einer entsprechenden Darstellung und Würdigung ihrer Angaben nicht überprüfbar. Zu einer ins Einzelne gehenden Einschätzung ihrer Angaben hätte vor allem schon deswegen Anlass bestanden, da die Zeugin nach den Urteilsgründen bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht unerhebliche Erinnerungslücken offenbarte und überdies bei vorangegangenen Vernehmungen, deren Einzelheiten nicht mitgeteilt werden, abweichende Angaben gemacht hatte. Danach habe die Zeugin „im Zuge ihrer ersten Vernehmung von ca. 60.000 € gesprochen“, während sie „im Rahmen ihrer richterlichen Vernehmung“ von ca. 120.000 € gesprochen habe. Soweit die Strafkammer ihre Überzeugung weiter auf die Zeugin Me. gestützt hat, ist auch hier zu besorgen, dass die Strafkammer aus dem Blick verloren hat, dass deren Angaben - wenn überhaupt - einen äußerst geringen Beweiswert haben. Dass die Zeugin Me., die bei keiner Geldübergabe anwesend war, von ihrer Tochter „immer wieder Fotos von ihren Verdiensten“ zugesandt bekommen habe, auf denen „Bargeld, niemals weniger als 7.000 €, zu sehen gewesen“ sei, belegt weder den von der Strafkammer angenommenen Betrag noch die Übergabe desselben an den Angeklagten.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

1. Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter sich Einnahmen aus einer wiederholten Tatbegehung verschaffen will. Das Qualifikationsmerkmal ist mithin nur erfüllt, wenn der Täter den Straftatbestand des § 232a Abs. 1 StGB mehrfach verwirklicht bzw. bei seiner Tathandlung den Vorsatz hat, zukünftig weitere Taten der Zwangsprostitution zwecks Generierung einer fortdauernden Einnahmequelle zu begehen. Die Absicht der fortdauernden Ausnutzung einer durch eine einmalige Einwirkung auf das Tatopfer veranlassten Prostitutionstätigkeit genügt dagegen zur Erfüllung des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2022 - 3 StR 145/22, NStZ 2023, 101).

2. Die Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls im Fall II. 4 gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass es rechtsfehlerhaft ist, wenn das Tatgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles allein unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsgründe ablehnt, ohne einen gegebenen vertypten Milderungsgrund - hier § 23 Abs. 2 StGB - in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2022 - 2 StR 236/22, NStZ 2023, 163).

3. Kommt eine Verurteilung wegen mehrerer Gesamtstrafen in Betracht, ist bei der Abfassung des Tenors darauf Bedacht zu nehmen, dass sich bereits aus diesem ergeben muss, für welche Taten der Angeklagte zu welcher Gesamtstrafe verurteilt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2022 - 4 StR 24/22, juris). Diesen Anforderungen wird ein Tenor, der lediglich danach differenziert, welche Taten vor dem die Zäsur bildenden Urteil lagen und welche danach, nicht gerecht.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1443

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede