HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 173
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 103/21, Beschluss v. 25.11.2021, HRRS 2022 Nr. 173
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur ergänzenden Begründung einer Verfahrensrüge wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. Oktober 2020 wird - soweit es den Angeklagten betrifft - mit der Maßgabe verworfen, dass
a) die von dem Angeklagten in dieser Sache in Frankreich erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird und
b) gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des Teilbetrags von 177.787,13 Euro als Gesamtschuldner angeordnet wird.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in neun Fällen, wovon es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das auf die Ergänzung einer Verfahrensrüge gerichtete Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.
Gemäß § 44 Satz 1 StPO kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn eine Frist versäumt worden ist. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht dazu, formale Mängel in der Revisionsbegründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) zu heilen. Infolgedessen kommt es bei bloßen Begründungsmängeln einer Verfahrensrüge nicht darauf an, ob den Angeklagten an dem Begründungsmangel kein Verschulden trifft (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 14. Januar 2021 - 1 StR 242/20, NStZ-RR 2021, 111; Beschluss vom 10. Juli 2012 - 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316 mwN). Hiervon ausgehend ist das Wiedereinsetzungsgesuch erfolglos. Der Verteidiger des Angeklagten hatte bereits vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis von dem Inhalt des vom Landgericht in seinem Ablehnungsbeschluss, gegen den sich die Verfahrensrüge richtet, in Bezug genommenen Beschlusses vom 2. Juni 2020. Er hat in seiner fristgerecht eingegangenen Revisionsbegründung mitgeteilt, auch diesen im Wortlaut wiederzugeben, dies dann aber unterlassen. Ein Ausnahmefall zur Nachholung oder Ergänzung von Verfahrensrügen liegt ersichtlich nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2021 - 1 StR 242/20, NStZ-RR 2021, 111; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 4 StR 152/97).
2. Die Beweisantragsrügen genügen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604, 605 mwN). Hiernach müssen für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sowie die darin in Bezug genommenen Unterlagen vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 2 StR 34/13; Beschluss vom 22. März 1983 - 1 StR 846/82, NStZ 1983, 325, 326; Gericke in KK-StPO, 8. Aufl., § 344 Rn. 39), bei Beweisantragsrügen also in der Regel der Inhalt des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) nebst Begründung und darin in Bezug genommener Aktenbestandteile sowie des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses einschließlich der darin in Bezug genommenen Aktenteile (vgl. LR-Becker, 27. Aufl., § 244 StPO Rn. 372 mwN).
Daran fehlt es hier: Das Landgericht hat in den Beschlüssen, gegen die sich die Verfahrensbeanstandungen richten, jeweils auf den Beschluss der Strafkammer vom 2. Juni 2020 Bezug genommen, den die Revision innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO weder vorgelegt noch seinem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt hat. Bei diesem Beschluss handelt es sich nicht um ein Schriftstück, das offensichtlich für die Beurteilung der geltend gemachten Verfahrensmängel ohne Bedeutung gewesen wäre und daher nicht gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgelegt werden musste. Darauf, ob der Senat dem Beschluss in Kenntnis seines Inhalts letztlich entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hätte, kommt es für die Zulässigkeit der Rügen nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2021 - 1 StR 120/20, juris Rn. 4).
3. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils hat - auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Verteidigers vom 19. November 2021, der dem Senat bei seiner Beratung vorgelegen hat - weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
Allerdings hat es das Landgericht versäumt, gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB in der Urteilsformel eine Bestimmung über den Maßstab zu treffen, nach dem die in Frankreich erlittene Freiheitsentziehung auf die hier erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dies holt der Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts nach (vgl. zum Anrechnungsverhältnis BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01).
4. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen bedarf, soweit sie den Beschwerdeführer betrifft, der aus der Beschlussformel ersichtlichen Ergänzung, die der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO vornehmen kann.
Nach den Feststellungen erlangte der Angeklagte in allen der Einziehungsentscheidung zugrundeliegenden Fällen deliktisch den Besitz an hochwertigen Kraftfahrzeugen von Mietwagenunternehmen, um sie anschließend gewinnbringend zu veräußern. In den acht vom Landgericht als vollendeter Betrug gewerteten Fällen veranlasste er Dritte, die Fahrzeuge unter Angabe falscher Personalien und Vorspiegelung der tatsächlich nicht bestehenden Rückgabebereitschaft anzumieten.
Hinsichtlich dieser Fälle hat das Landgericht jeweils die Einziehung des dem Fahrzeugwert entsprechenden Geldbetrages gegen den Angeklagten angeordnet. Hierbei hat es übersehen, dass nach den Feststellungen neben dem Angeklagten jedenfalls auch seine Mittäter, nämlich die jeweils von ihm beauftragten Anmieter der Fahrzeuge, Mitverfügungsgewalt über diese erlangten, als die Fahrzeuge ihnen durch die Mietwagenunternehmen - irrtumsbedingt - übergeben wurden. Infolgedessen haftet der Angeklagte für den Wert der auf diese Taten entfallenden Taterträge als Gesamtschuldner neben dem jeweiligen Mittäter. Dies bedarf der Kennzeichnung im Tenor, wobei die Angabe des Namens des weiteren Gesamtschuldners nicht erforderlich ist (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 17. Juli 2019 - 4 StR 195/19, NStZ-RR 2019, 313, 314).
5. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 173
Externe Fundstellen: NStZ 2022, 219; NStZ 2022, 250; NStZ-RR 2022, 51
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß