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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1104

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 231/21, Urteil v. 17.08.2022, HRRS 2022 Nr. 1104


BGH 2 StR 231/21 - Urteil vom 17. August 2022 (LG Aachen)

Einschleusen von Ausländern (Strafbarkeit von Ausländern bei der Einreise und ihrem Aufenthalt bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit: Bemessung ausschließlich nach objektiven Kriterien; illegaler Aufenthalt; Strafzumessung: strafschärfende Bewertung wiederholten Handelns, kein Beleg einer Unterstützungshandlung bei einer vorhergehenden illegalen Einreise einer Ausländerin; Voraussetzungen: Haupttat der geschleusten Person, Beihilfehandlung des Schleuser, Vorteil für die Beteiligung an der illegalen Einreise, Vermögensvorteil, Erhalt oder Sich-versprechen-lassen, kausaler und finaler Zusammenhang zum Vorteil); Einziehung des Wertes von Taterträgen (durch die Tat erlangt: unmittelbares aus der Verwirklichung des Tatbestandes Fließen, faktische Verfügungsgewalt, Kausalzusammenhang zwischen Tat und dem Erlangen, Beruhen des Vermögenszuflusses auf der Verwirklichung des Tatbestandes, Vermögenswerte durch nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte, Zusammenhang zwischen den der Schleusung dienenden Tathandlungen und dem Erlangen des Vermögensvorteils, Abhängigkeit des Zuflusses von der Prostitutionstätigkeit; gesamtschuldnerische Haftung).

§ 96 AufenthG; § 73c StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Strafbarkeit einer Ausländerin bemisst sich bei der Einreise und ihrem Aufenthalt bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausschließlich nach objektiven Kriterien.

2. Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt. Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden Etwas muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen. Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht. Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte zufließen.

3. Der Tatbestand des § 96 Abs. 1 AufenthG erfordert neben der tauglichen Haupttat der geschleusten Person und der Beihilfehandlung des Schleusers, dass dieser für seine Beteiligung an der illegalen Einreise einen Vorteil (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AufenthG) oder in den übrigen Fällen der Unterstützung einen Vermögensvorteil (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) erhalten hat oder sich hat versprechen lassen. Zwischen der Förderung des illegalen Verhaltens und dem Erhalten oder Sich-versprechen-lassen des (Vermögens-)Vorteils muss ein kausaler und finaler Zusammenhang bestehen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. Oktober 2020 aufgehoben im Ausspruch über

a) die Einzelstrafen in den Fällen II.3 bis II.8, II.10 bis II.15 und II.18 bis II.23 der Urteilsgründe sowie

b) die Gesamtstrafe.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil a) dahingehend abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 20.436,20 €, davon in Höhe von 240 € als Gesamtschuldnerin, angeordnet wird, b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Einziehungsentscheidung in den Fällen II.7 sowie II.13 bis II.15 der Urteilsgründe unterblieben ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 18 Fällen sowie wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.111,20 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat teilweise Erfolg. Das zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und auf die unterbliebene Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen II.3 bis II.8 sowie II.10 bis II.15 und II.18 bis II.23 der Urteilsgründe beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet.

I.

Zwischen April 2018 und Juli 2019 warb die Angeklagte in 17 Fällen ukrainische Frauen (Fälle II.3 bis II.8, II.10 bis II.15, II.18 bis II.20 sowie II.22 und II.23 der Urteilsgründe) und in einem Fall eine russische Staatsangehörige (Fall II.21 der Urteilsgründe) an, damit diese sich in den von ihr betriebenen, nicht behördlich gemeldeten Bordellen prostituierten. Mit den Frauen war vereinbart, dass diese die Hälfte ihrer Einnahmen während des auf wenige Wochen beschränkten Aufenthalts an die Angeklagte abzugeben hatten. Im Gegenzug übernahm die Angeklagte neben den Kosten für den Bordellbetrieb unter anderem die Kosten für die Einund Ausreise der Frauen, die Werbung für deren Person und Tätigkeit im Internet sowie die telefonische Vermittlung von Terminen mit potentiellen Freiern. Die eingereisten Frauen konnten die Dauer des Aufenthalts, ihre täglichen Arbeitszeiten und die von ihnen angebotenen Dienstleistungen selbst bestimmen. Lediglich die Preise des von der Angeklagten betriebenen Bordells waren einheitlich vorgegeben.

Der vormalige Mitangeklagte M. buchte in Absprache mit der Angeklagten die Flug- und/oder Bustickets für die Reisen der Frauen, legte in einer Vielzahl von Fällen ihre Profile auf einem einschlägigen Internetportal an und bezahlte die dort geschaltete Werbung, wobei ihm die Angeklagte die entstandenen Kosten ersetzte. Der Angeklagten war ebenso wie den einreisenden Ukrainerinnen bekannt, dass diese lediglich zu touristischen Zwecken zu einer visumsfreien Einreise mit anschließendem Aufenthalt für insgesamt maximal 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen in Deutschland berechtigt waren und dass für eine bereits bei der Einreise beabsichtigte Arbeitsaufnahme ein Aufenthaltstitel erforderlich gewesen wäre, über den keine der Ukrainerinnen verfügte. Die russische Staatsangehörige verfügte bei ihrer Einreise, wie die Angeklagte wusste, über ein französisches Schengen-Visum für Touristen, das sie sich - entsprechend der Vorgabe durch die Angeklagte ? mittels der wahrheitswidrigen Angabe eines touristischen Aufenthaltszwecks und unter Verschleierung der beabsichtigten Erwerbstätigkeit erschlichen hatte.

2. Mindestens seit Frühjahr 2018 erzielte die Angeklagte aus dem Betrieb ihres Bordells in E. sowie dem Betrieb verschiedener Terminwohnungen in D. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von mindestens 1.250 € monatlich. Dennoch gab sie diese Einkünfte bei ihrem Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II „vom April 2018“ nicht an. Auch im Antrag vom 7. April 2019 verschwieg sie die Einkünfte aus der Prostitution. Unter Berücksichtigung dieser Einnahmen bestand keine Hilfsbedürftigkeit der Angeklagten und damit, wie ihr bekannt war, kein Anspruch auf die beantragten Sozialleistungen. Aufgrund ihres Verhaltens kam es in der Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum 30. April 2019 zu einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 10.035,20 € (Fall II.34 der Urteilsgründe) sowie im Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis zum 30. Juli 2019 zu einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 2.076 € (Fall II.35 der Urteilsgründe).

II. Zur Revision der Angeklagten 1. Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

2. Die Überprüfung des Schuldspruchs wegen Betrugs in den Fällen II.34 und II.35 der Urteilsgründe, der hierfür zugemessenen Einzelstrafen sowie der auf diese Verurteilung gründenden Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.111,20 € hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

3. Auch der Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 18 Fällen hält rechtlicher Prüfung stand; hingegen haben die hierfür ausgesprochenen Einzelstrafen keinen Bestand.

a) Das Landgericht ist zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Angeklagte der russischen Staatsangehörigen Hilfe bei deren unerlaubten Einreise und ihrem unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland leistete, nachdem diese unter Einsatz eines erschlichenen französischen Visums ? sie hatte der Wahrheit zuwider einen touristischen Aufenthaltszweck vorgetäuscht und die beabsichtigte Erwerbstätigkeit verschwiegen ? in das Bundesgebiet eingereist war (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), § 95 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6, § 14 Abs. 1 Nr. 2; § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 Alt. 3 AufenthG).

Die Angeklagte hatte diese vor deren Visumsantrag entsprechend beraten und sie anschließend bei der gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6, § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG illegalen Einreise, bei der sie das erschlichene Visum durch Vorzeigen gebrauchte (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 24. Mai 2012 - 5 StR 567/11, NStZ 2012, 644; vom 9. Januar 2018 - 3 StR 541/17, juris Rn. 10), sowie ihrem anschließenden unerlaubten Aufenthalt (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) unterstützt, indem sie die Buchung der Flüge unter Mithilfe des M. organisierte, die Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellte, die Tätigkeit der Frauen und deren Person im Internet bewerben ließ, sich um deren Terminvereinbarungen sowie ihre Versorgung mit Hygieneartikeln und Handtüchern kümmerte (vgl. zu möglichen Beihilfehandlungen: Mosbacher in Kluth/ Hornung/Koch, ZuwanderungsR-HdB, 3. Aufl., § 10 Rn. 35). Die Angeklagte handelte, um durch die Prostitutionsausübung der geschleusten Frau Einnahmen zu erzielen und somit entsprechend der mit dieser getroffenen Vereinbarung einen Vermögensvorteil zu erlangen (vgl. zum kausalen und finalen Vermögensvorteil: Senat, Beschluss vom 29. November 2006 - 2 StR 404/06, StraFo 2007, 118; Mosbacher, aaO, Rn. 36). Sie hat sich vor der Schleusung die Hälfte ihrer Einnahmen versprechen lassen und diese in Höhe von 775 € von der russischen Staatsangehörigen später auch entgegengenommen. Sämtliche Umstände waren ihr bekannt. Sie handelte, um sich durch den Bordellbetrieb und die dort tätigen Frauen eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen und damit gewerbsmäßig (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 3 StR 303/17, juris Rn. 7).

b) Die ukrainischen Frauen reisten nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.d.F. vom 12. Mai 2017, § 15 AufenthV i.d.F. vom 1. Januar 2005 i.V.m. VO (EG) Nr. 539/2001 vom 15. März 2001 (EUVisumVO 2001) jeweils als Positivstaatlerinnen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Sie waren nach Artikel 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der EUVisumVO 2001 bei den hier erfolgten Kurzaufenthalten von bis zu drei Monaten und dem Vorliegen eines biometrischen Reisepasses von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Ihre bereits bei der Einreise bestehende Absicht, in Deutschland der Prostitution nachzugehen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Strafbarkeit einer Ausländerin bemisst sich bei der Einreise und ihrem Aufenthalt bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausschließlich nach objektiven Kriterien (vgl. Senat, Urteil vom 27. April 2005 - 2 StR 457/04, BGHSt 50, 105, 119 f.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2021 - 1 StR 289/20, BGHSt 65, 257, 271 ff.; Beschluss vom 24. März 2021 - 3 StR 22/21; OLG Celle, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 1 Ws 216/14, Nds. Rpfl. 2014, 257; ebenso BeckOK AusländerR/Hohoff, 34. Ed., AufenthG, § 95 Rn. 16a; a.A. MüKo-StGB/Gericke, 4. Aufl., AufenthG, § 95 Rn. 40; Bitzigeio, Kriminalistik 2019, 305, 306). Jedoch entfiel nach § 17 Abs. 1 AufenthV i.d.F. vom 1. August 2017 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 der EUVisumVO 2001 mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit, regelmäßig am Tag nach der Einreise, die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2017 - 5 StR 333/16, juris Rn. 9; Beschluss vom 24. März 2021 - 3 StR 22/21, juris). Damit waren die ukrainischen Frauen ab diesem Moment vollziehbar ausreisepflichtig, ihr Aufenthalt wurde illegal (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 4 StR 142/12, NStZ 2013, 481; MüKo-StGB/Gericke, aaO, § 95 Rn. 41 mwN).

aa) Die Angeklagte hat die ukrainischen Frauen in gleicher Form wie die russische Staatsangehörige unterstützt und damit deren illegalen Aufenthalt gefördert, um absprachegemäß - gewerbsmäßig ? an deren Einnahmen zu partizipieren. Sie hat damit in ihrer Person neben der erforderlichen Schleuserhandlung auch das nach § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erforderliche Schleusermerkmal verwirklicht. Den Vermögensvorteil ließ sie sich regelmäßig vor der Einreise der Frauen als Gegenleistung für ihre Unterstützung versprechen; damit ist der objektive Schleusungstatbestand gegeben. Sie erhielt darüber hinaus, ausgenommen im Fall II.23 der Urteilsgründe, in der Folge die hälftigen Einnahmen der Frauen. Ihr war auch bekannt, dass die visumfrei eingereisten Ukrainerinnen mit der Arbeitsaufnahme ihre Aufenthaltsberechtigung verloren.

bb) Dies gilt auch im Fall II.14 der Urteilsgründe, bei dem sich die ukrainische Staatsangehörige „D.“ bereits „zum Arbeiten in Deutschland“ befand und für die Zeit vom 5. bis 12. Mai 2019 im Bordell der Angeklagten tätig war. Denn auch hier unterstützte die Angeklagte den illegalen Aufenthalt von „D. “, indem sie dieser eine Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeit bot, durch deren Arbeitsaufnahme ihren illegalen Aufenthalt (mit-)bewirkte und im Gegenzug an deren Einnahmen teilhatte (vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2006 - 2 StR 404/06, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09, BGHSt 54, 140, 142 ff.).

Dem erforderlichen kausalen und finalen Zusammenhang steht nicht entgegen, dass die Angeklagte „den (wenigen) legal in Deutschland aufhältigen Prostituierten … für ihre Gegenleistungen (Miete der Räumlichkeiten und Verbrauchsgüter wie Hygieneartikel) die Hälfte der erzielten Einnahmen abverlangt[e]“. Der Aufenthalt von „D.“ in der Zeit vom 5. bis 12. Mai 2019 (Tat II.14 der Urteilsgründe) war Ausfluss der vor ihrem ersten illegalen Aufenthalt vom 17. März 2019 bis zum 12. April 2019 (Fall II.13 der Urteilsgründe) getroffenen Absprache mit der Angeklagten. Diese sah ihre umfassende Versorgung und Betreuung vor und setzte sich später anlässlich ihrer weiteren Einreise für den Aufenthalt vom 13. bis zum 30. Juni 2019 (Fall II.15 der Urteilsgründe) unverändert fort.

c) Die Zumessung der Einzelstrafen wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern sowie die Gesamtstrafe haben keinen Bestand.

aa) Das Landgericht hat in allen Fällen strafschärfend gewertet, dass die Angeklagte „jeweils die Tatbestandsalternativen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und lit. b) AufenthaltG erfüllt [habe], da sie sich jeweils einen Vorteil in Form der hälftigen Einnahmen versprechen ließ und zumindest wiederholt handelte“.

(1) Dieser Wertung liegt - bezogen auf die ukrainischen Frauen - die fehlerhafte Annahme zugrunde, die Angeklagte habe diese auch bei deren illegalen Einreise unterstützt. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht bei der Zumessung der Einzelstrafen von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist.

(2) Bei der Zumessung der Einzelstrafe im Fall II.21 der Urteilsgründe ? betreffend die russische Staatsangehörige ? hat das Landgericht übersehen, dass wiederholtes Handeln, was das Landgericht zusätzlich nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) AufenthG strafschärfend gewertet hat, erfordert, dass der Täter bereits zu einer Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) AufenthaltG angestiftet oder Beihilfe geleistet haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 ? 3 StR 122/99, NStZ 1999, 466; BeckOK AuslR/Hohoff, 34. Ed., AufenthG § 96 Rn. 9). Eine Unterstützungshandlung der Angeklagten bei einer vorhergehenden illegalen Einreise einer Ausländerin wird durch die Urteilsgründe jedoch nicht belegt.

(3) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung in den Fällen II.3 bis II.8, II.10 bis II.15 und II.18 bis II.23 der Urteilsgründe zu milderen Einzelstrafen gekommen wäre.

bb) Der Wegfall der 18 Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

III. Zur Revision der Staatsanwaltschaft Das Landgericht hat die durch die Prostitution erzielten Mindesteinnahmen der betroffenen Frauen auf 50 € täglich ? exklusive des jeweiligen An- und Abreisetages ? geschätzt, soweit es nicht in Einzelfällen höhere Einnahmen feststellen konnte. Es hat von der Einziehung der aus dem Bordellbetrieb resultierenden Einnahmen der Angeklagten abgesehen, da sie diese nicht durch die Einschleusung der Frauen, sondern durch deren spätere Tätigkeit als Prostituierte erzielt habe. Die gegen die unterbliebene Einziehung des Wertes von Taterträgen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 f.). Dieser Teil der Entscheidung kann losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt überprüft werden.

2. Das Rechtsmittel führt zur Einziehung des Wertes weiterer Taterträge in Höhe von 8.325 € (II.3 bis II.6, II.8, II.10 bis II.12, II.18 bis II.23 der Urteilsgründe) sowie zur Aufhebung der unterbliebenen Einziehungsentscheidung in den Fällen II.7 sowie II.13 bis II.15 der Urteilsgründe.

a) Nach § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert (etwas), den der Täter oder Teilnehmer „durch“ oder „für“ die rechtswidrige Tat (Erwerbstat) erlangt hat, einzuziehen. Die Einziehung ist zwingend; das Tatgericht hat kein Ermessen. Ist die Einziehung des Gegenstandes nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c Satz 1 StGB).

(1) Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 2 StR 476/19, juris Rn. 13; BGH, Urteile vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, wistra 2019, 96; vom 7. März 2019 - 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272). Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden Etwas muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen (BT-Drucks. 18/11640, S. 78; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 5 StR 229/19, juris Rn. 3). Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht. Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte zufließen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 2 StR 476/19, aaO; BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 1 StR 253/21, juris Rn. 7; SSW-StGB/Heine, 5. Aufl., § 73 Rn. 45; Rübenstahl in: Leipold/Tsambikakis/ Zöller, Anwaltkommentar, StGB, 3. Aufl., § 73 Rn. 23 ff.; kritisch Bittmann, NZWiSt 2021, 133, 135 ff.; Grosse-Wilde/Thurm, wistra 2021, 337 ff.).

(2) Nach diesen Maßstäben hat die Angeklagte die ihr seitens der betroffenen Frauen zugewendeten Beträge durch ihre Schleusertätigkeit erlangt.

(a) Der Tatbestand des § 96 Abs. 1 AufenthG erfordert - soweit hier von Belang ? neben der tauglichen Haupttat der geschleusten Person und der Beihilfehandlung des Schleusers, dass dieser für seine Beteiligung an der illegalen Einreise einen Vorteil (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AufenthG) oder in den übrigen Fällen der Unterstützung einen Vermögensvorteil (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) erhalten hat oder sich hat versprechen lassen. Zwischen der Förderung des illegalen Verhaltens und dem Erhalten oder Sich-versprechen-lassen des (Vermögens-)Vorteils muss ein kausaler und finaler Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 631/88, NStZ 1989, 271; Mosbacher, aaO Rn. 36; MüKo-StGB/Gericke, 4. Aufl., § 96 AufenthG Rn. 18; von Pollern ZAR 1996, 175, 178).

(b) Nach den Feststellungen traf die Angeklagte mit den geschleusten Frauen die Absprache, dass diese zum Zweck der Prostitution in den von ihr betriebenen Bordellbetrieb für einen von Anfang an begrenzten Zeitraum in das Bundesgebiet einreisten und die Hälfte der von ihnen erzielten Einnahmen an sie abführten. Im Gegenzug übernahm sie die Kosten der Hin- und Rückreise. Sie stellte die Räumlichkeiten für die Frauen zur Verfügung, bewarb deren Person und Tätigkeit im Internet und versorgte sie mit den erforderlichen Hygieneartikeln, wodurch sie deren illegalen Aufenthalt maßgeblich unterstützte. Damit ist - wie dargestellt ? der notwendige Zusammenhang zwischen den der Schleusung dienenden Tathandlungen der Angeklagten und dem Erlangen des Vermögensvorteils gegeben (vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2006 - 2 StR 404/06, juris Rn. 8). Insbesondere ist auch die für die Einziehungsentscheidung erforderliche Kausalbeziehung zwischen der Tat der Angeklagten und ihrem erlangten Vorteil gegeben. Ihre Unterstützungshandlungen bei der Einreise der russischen Prostituierten sowie dem illegalen Aufenthalt aller betroffenen Frauen auf der einen und der bei ihr erfolgte Vermögenszufluss auf der anderen Seite bilden sowohl bei objektiver Betrachtung wie auch aus ihrer Sicht wirtschaftlich eine Einheit. Sie generierte den Vermögenszufluss als einheitlichen Vermögensvorteil durch ihre Schleuserhandlungen. Dass der Zufluss von der erfolgreichen Prostitutionstätigkeit der Frauen abhing, unterbricht diesen Kausalzusammenhang nicht.

(3) Der Senat kann den einzuziehenden Wert der Taterträge für die Fälle II.3 bis II.6, II.8, II.10 bis II.12 und II.18 bis II.23 analog § 354 Abs. 1 StPO selbst auf weitere 8.325 € festsetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juni 2021 - 2 StR 124/21, juris Rn. 3).

(a) Das Landgericht hat die seitens der Frauen an die Angeklagten gezahlten Beträge in den Fällen II.3 bis II.6, II.10 bis II.12 und II.18 bis II.23 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei mit 7.325 € berechnet.

(b) Im Fall 8 der Urteilsgründe hat das Landgericht einen Vermögenszufluss bei der Angeklagten in Höhe von 1.200 € errechnet. Dieser wird jedoch nur in Höhe von 1.000 € von den Feststellungen getragen. Danach reisten die beiden ukrainischen Frauen am 5. Februar 2019 in das Bundesgebiet ein, nahmen jedoch erst am 7. Februar 2019 die Prostitutionstätigkeit auf. Ihre Abreise folgte am 17. Februar 2019, so dass sie nur zehn Tage im Bordellbetrieb der Angeklagten tätig waren. Dies führt angesichts der von dem Landgericht in diesem Fall geschätzten täglichen Einnahmen der beiden Prostituierten in Höhe von zusammen 200 € rechnerisch zu Gesamteinnahmen beider Frauen in Höhe von 2.000 €, von denen die Angeklagte die Hälfte, mithin für den Tätigkeitszeitraum von zehn Tagen mindestens 1.000 € erhielt.

(c) In Höhe von 240 € war die gesamtschuldnerische Haftung auszusprechen. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte mit dem gesondert verfolgten M. bewusst und gewollt zusammengewirkt. Dieser nahm im Fall II.8 der Urteilsgründe von einer der beiden betroffenen Frauen 240 € entgegen und leitete diese an die Angeklagte weiter. Da mehrere Einziehungsadressaten bezüglich derselben Erwerbstat gesamtschuldnerisch haften (vgl. Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 668), ist dies im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18 mwN).

(4) In den Fällen II. 7 und II.13 bis II.15 der Urteilsgründe ist dem Senat eine Festsetzung des Wertes von Taterträgen verschlossen.

(a) Im Fall II.7 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Gesamteinnahmen der am 24. Dezember 2018 ein- und am 17. März 2019 ausgereisten Ukrainerin mit 3.600 € berechnet, wovon die Angeklagte 1.800 € erhalten habe. Warum sich diese Einnahmen bei einem Tätigkeitszeitraum von 82 Tagen und im Übrigen vom Landgericht geschätzten Mindesteinnahmen der ukrainischen Prostituierten von 50 € pro Tag auf diesen Betrag beschränken, erläutern die Urteilsgründe nicht. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht in diesem Fall auch unter Berücksichtigung des hälftigen Anteils der Angeklagten von einem zu niedrigen Vermögenszufluss bei ihr ausgegangen ist.

(b) In den Fällen II.13 bis II.15 der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar festgestellt, dass die Ukrainerin „D.“ während ihrer Aufenthalte vom 17. März 2019 bis 12. April 2019, vom 5. bis zum 12. Mai 2019 und vom 13. bis zum 30. Juni 2019 jeweils 450 € täglich erwirtschaftete und ihre Landsfrau „Ma. “, die in der Zeit vom 17. März 2019 bis zum 12. April 2019 und vom 13. bis zum 30. Juni 2019 gemeinsam mit ihr reiste und arbeitete, Einnahmen von täglich mindestens 50 € erzielte.

Diese allein auf die geständige Einlassung der Angeklagten gestützten Schätzungen der Einnahmen sind zwar für „Ma. “, nicht aber für „D.“ beweiswürdigend unterlegt. Denn nach der Einlassung der Angeklagten „sei D. das beste Mädchen gewesen, das sie je gehabt habe. Sie hätte 450 € am Tag verdient, wenn auch nicht jeden Tag.“ Damit wird ein (durchgängiger) täglicher Verdienst von „D.“ in Höhe von 450 € nicht belegt.

IV.

Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nur in den Fällen II.7 sowie II.13 bis II.15 der Urteilsgründe, hier nur zur Einziehungsentscheidung, betroffen und unterfallen daher in diesem Umfang der Aufhebung. Im Übrigen bleiben die Feststellungen von den aufgezeigten Wertungsfehlern unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1104

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede