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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1119

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 253/21, Beschluss v. 11.08.2021, HRRS 2021 Nr. 1119


BGH 1 StR 253/21 - Beschluss vom 11. August 2021 (LG München II)

Einziehung (fehlende Kausalität der Tat für das Erlangten des Tatertrags, wenn dieser erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen eintritt: kein Erlangen einer Hinterbliebenenrente durch Tötung des Ehepartners).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 212 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 18. Dezember 2020 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; die Einziehung entfällt.

Die im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten, welche die Einziehung betreffen, sowie die im Revisionsverfahren insoweit angefallenen Gerichtsgebühren hat die Staatskasse zu tragen.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Im Übrigen hat die Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens sowie die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes in Tatmehrheit mit Störung der Totenruhe zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Daneben hat das Landgericht die Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 27.186 Euro als Wertersatz angeordnet. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen.

Die Revision der Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Schuldspruch, der Strafausspruch sowie die Adhäsionsentscheidung sind frei von Rechtsfehlern. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat aber keinen Bestand, weil die Voraussetzungen für eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nach den §§ 73 ff. StGB nicht vorliegen.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte ihren Ehemann in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2018 aus Heimtücke und aus niedrigen Beweggründen ermordet. Auf die Mitteilung der Angeklagten über den Tod ihres Ehemanns hat die Bezirksärztekammer K. ihr für den Zeitraum vom 30. August 2018 bis 30. März 2020 eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von insgesamt 27.186 Euro ausbezahlt.

Das Landgericht geht davon aus (UA S. 124), dass es sich bei der Zahlung dieser Hinterbliebenenrente um einen durch den Mord erlangten Vermögenswert handele, da es einer unmittelbaren Kausalbeziehung zwischen Tat und Vorteil nach der am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Reform der Vermögensabschöpfung nicht mehr bedürfe und ein nach bereicherungsrechtlichen Wertungen erlangter wirtschaftlicher Vorteil ausreiche.

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB liegen nicht vor.

a) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 2 StR 476/19 Rn. 13; Urteile vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, wistra 2019, 96, 97 und vom 7. März 2019 - 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272). Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden ?Etwas? muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen (BT-Drucks. 18/11640, S. 78). Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht (Köhler, NStZ 2017, 497, 503). Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte (vgl. SSW-StGB/Heine, 5. Aufl., § 73 Rn. 45; Rübenstahl in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl., § 73 Rn. 23 ff.) oder als Ersatzgegenstände im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB zufließen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 5 StR 229/19 Rn. 3).

b) Ein derartiger Kausalzusammenhang zwischen der Tat und dem Erlangen besteht hier nicht. Der Vermögenszufluss auf Seiten der Angeklagten beruht nicht auf der Verwirklichung des Tatbestands, sondern weiteren - dem Tötungsgeschehen nachfolgenden - Handlungen der Angeklagten. Diese musste nach den Feststellungen des Landgerichts erst nach der Tat gegenüber dem Versicherungsträger eine Erklärung abgeben, um eine Auszahlung der Hinterbliebenenrente zu erreichen. Damit erlangte die Angeklagte die Auszahlung der Hinterbliebenenrente erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen, nämlich durch ihre - möglicherweise sogar unrichtigen - Angaben gegenüber dem Versicherungsträger.

c) Die Einziehungsanordnung ist daher aufzuheben; sie entfällt entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Infolgedessen hat die Staatskasse die im Verfahren vor dem Landgericht entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten, die die Einziehung betreffen, zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 StR 423/20 Rn. 6 ff.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO sowie § 472a Abs. 1 StPO. Mit Blick auf die bereits aus Rechtsgründen ergangene Aufhebung der Einziehungsentscheidung sind auch die im Revisionsverfahren entstandenen und die Einziehung betreffenden notwendigen Auslagen der Angeklagten gesondert der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. BGH aaO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1119

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 373

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede