HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 429
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 ARs 10/18, Beschluss v. 06.02.2019, HRRS 2019 Nr. 429
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. August 2018 wie folgt geändert: Es wird festgestellt, dass der 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages aufgrund der Beweisanträge der Antragstellerin vom 1. März 2018 (Ausschuss-Drucks. 19 [25] 110 und 19 [25] 111) verpflichtet ist, Beweis zu erheben durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt oder zur Verfügung gestellt worden sind, bei dem Bundesministerium des Inneren und dem Bundeskanzleramt.
Die weitergehenden Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
Die Antragstellerin erstrebt als Ausschussminderheit eine Beweiserhebung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages („Berliner Breitscheidplatz“) durch Beiziehung von Akten und anderen Beweismitteln bei dem Bundesministerium des Inneren und dem Bundeskanzleramt. Die Ausschussmehrheit lehnte die beantragte Beweiserhebung ab. Daraufhin hat die Ausschussminderheit auf eine Entscheidung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof über die Erhebung der Beweise angetragen. Dieser hat mit Beschluss vom 30. August 2018 (1 BGs 408/18 - 1 ARs 1/18) entschieden, der Untersuchungsausschuss müsse nochmals über die beantragte Beweiserhebung abstimmen und dieser mehrheitlich zustimmen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Untersuchungsausschuss als Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Der 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages wurde am 1. März 2018 zur Aufklärung der Hintergründe des Terroranschlages vom 19. Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz eingesetzt (BT-Drucks. 19/943, Plenarprotokoll 19/17, S. 1405 f.). Untersuchungsgegenstand ist unter anderem die Schaffung eines Gesamtbildes „zu dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin, zum Attentäter, seiner Person und seinen Aliasidentitäten, zu seinem Umfeld und zu seinen Kontaktpersonen und zu möglichen Mittätern, Hintermännern und Unterstützern“. Insbesondere unterliegt der Klärung des Untersuchungsausschusses auch der Informationsfluss zwischen den Behörden. So soll auch untersucht werden, „ob Informationen zwischen den einzelnen Behörden zeit- und sachgerecht ausgetauscht wurden und ob mit Nachrichtendiensten und Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden im europäischen und außereuropäischen Ausland sachgerecht zusammengearbeitet bzw. Informationen ausgetauscht wurden“ (BT-Drucks. 19/943 S. 3, B.I.). Überdies ist im Einsetzungsbeschluss unter B.II.9. ausdrücklich aufgeführt, der Untersuchungsausschuss solle „insbesondere“ klären, „welche Erkenntnisse dem Bundesministerium des Inneren, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz oder dem Bundeskanzleramt sowie der Bundesregierung insgesamt zum Attentäter wann vorlagen, ob die gebotene Information des Deutschen Bundestages (Chronologie u.a.) zeitgerecht, umfassend und zutreffend erfolgte und ob die Öffentlichkeit angemessen und zutreffend informiert wurde“ (BT-Drucks. 19/943 S. 5, B.II.9.).
In der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 1. März 2018 legte die Antragstellerin zwei Beweisanträge vor, wonach zum gesamten Untersuchungsauftrag mit Ausnahme der Ziffer B.II.7. Beweis erhoben werden solle durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt worden seien, bei dem Bundesministerium des Inneren und dem Bundeskanzleramt, § 18 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG). In der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 15. März 2018 wurden die Beweisanträge der Antragstellerin mehrheitlich abgelehnt, da die Mehrheit der Ausschussmitglieder diese für unzulässig hielt.
2. Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Ablehnung der Beweisanträge durch den Antragsgegner verstoße gegen § 17 Abs. 2 PUAG, da die begehrte Beweiserhebung zulässig sei. Sie sei vom Untersuchungsauftrag gedeckt und verletze auch nicht das Beratungsgeheimnis aus § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz - PKGrG), denn dieses werde durch die beantragte Beweiserhebung nicht berührt. Die Beweisanträge bezögen sich nicht auf die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Thematisiert werde einzig der Umstand, dass dieses durch den Beschluss vom 16. Januar 2017 selbst Akten des Bundes zum Untersuchungsgegenstand angefordert habe. Falls es Gründe gebe, die es rechtfertigten, die Informationen, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden seien, dem Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung zu stellen, so habe darüber allein die Bundesregierung als Adressat der begehrten Beweisanordnungen gemäß § 18 Abs. 2 PUAG zu entscheiden.
Die Antragstellerin hat daher beantragt, Folgendes anzuordnen:
1) Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drucks. 19/943), jedoch mit Ausnahme der Ziffer B.II.7., durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Inneren.
2) Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drucks. 19/943), jedoch mit Ausnahme der Ziffer B.II.7., durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundeskanzleramt.
Hilfsweise hat sie beantragt, den 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu verpflichten, nochmals über die Beweisanträge der Antragstellerin vom 15. März 2018 (Ausschuss-Drucks. 19 [25] 110 und 19 [25] 111) abzustimmen und ihnen - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.
3. Der Antragsgegner, der keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist der Ansicht gewesen, Haupt- und Hilfsanträge seien unzulässig. § 17 Abs. 4 PUAG eröffne dem Gericht nicht die Möglichkeit, den begehrten Beweisbeschluss selbst zu erlassen; es könne allenfalls die Rechtswidrigkeit der Ablehnung feststellen. Auch der Hilfsantrag sei unzulässig, denn einer Verpflichtung, der begehrten Beweiserhebung mehrheitlich zuzustimmen, bedürfe es nicht, weil ein entsprechender Beschluss auch bei Stimmenthaltung der Ausschussmehrheit durch die Stimmen der Minderheit gefasst werden könne.
Der Antrag sei zudem unbegründet, da die Ablehnung der Beweisanträge rechtmäßig sei. Sie bezögen sich auf dem Gremium aufgrund anderer Beweisbeschlüsse ohnehin schon vorliegende oder noch vorzulegende Dokumente. Auch bleibe unklar, ob eine vollständige Vorlage der im Antrag genannten Dokumente oder lediglich eine Übersicht über die dem Kontrollgremium vorgelegten Akten begehrt werde.
Die beantragte Beweiserhebung verstoße jedenfalls gegen § 17 Abs. 2 PUAG i.V.m. § 10 Abs. 1 PKGrG. Das Beratungsgeheimnis des § 10 Abs. 1 PKGrG gelte auch gegenüber Untersuchungsausschüssen. § 10 Abs. 1 PKGrG umfasse nicht allein den Vorgang der Beratung, sondern auch die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorliegenden Informationen und schütze diese vor der Weitergabe an andere Organe und Gremien des Deutschen Bundestages einschließlich der Untersuchungsausschüsse. Durch die begehrte Aktenvorlage werde das strikte Beratungsgeheimnis des § 10 Abs. 1 PKGrG insbesondere deshalb verletzt, weil die vorgelegten Akten Rückschlüsse auf die Art und den Inhalt der Beratungen im Kontrollgremium ermöglichten, die der Anforderung vorausgegangen seien. Schließlich habe das Kontrollgremium selbst die effektive Möglichkeit zu überprüfen, ob es durch die Bundesregierung hinreichend und korrekt unterrichtet worden sei.
4. Mit Beschluss vom 30. August 2018 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs dem Hilfsantrag der Antragstellerin stattgegeben, deren Hauptantrag jedoch zurückgewiesen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, der Hauptantrag sei zwar unzulässig, denn er könne die Entscheidung des Untersuchungsausschusses nicht ersetzen. Der Hilfsantrag sei jedoch zulässig und auch hinreichend bestimmt, denn aus seinem Wortlaut ergebe sich zweifelsfrei, dass die körperliche Beiziehung der genannten Akten und sonstigen Beweismittel begehrt werde. Auch stehe die bislang gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst angeordnete Beweiserhebung dem Rechtsschutzbedürfnis des Antrags nicht entgegen, denn aus dieser Beweiserhebung ergebe sich naturgemäß nicht, ob die dem Untersuchungsausschuss vorgelegten Beweismittel auch dem parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegen hätten.
Der Antrag sei auch begründet. Die beantragte Beweiserhebung sei vom Untersuchungsgegenstand gedeckt, der sich darauf erstrecke, ob die Bundesregierung den Deutschen Bundestag zeitgerecht, umfassend und zutreffend informiert habe. Hiervon sei auch die beantragte Beweiserhebung erfasst, weil das Parlamentarische Kontrollgremium ein Hilfsorgan des Deutschen Bundestages sei. Es begegne auch keinen Bedenken, einen Untersuchungsausschuss mit der Frage der hinreichenden Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums durch die Bundesregierung bzw. mit einem Abgleich des Informationsflusses an dieses mit der Unterrichtung anderer Gremien des Deutschen Bundestages zu betrauen, denn Parlamentarisches Kontrollgremium und Untersuchungsausschuss bestünden nebeneinander. Ihre jeweiligen Informationsansprüche gegenüber der Bundesregierung seien voneinander unabhängig und schränkten sich gegenseitig nicht ein. Ein Verstoß gegen das Geheimhaltungsgebot des § 10 Abs. 1 PKGrG sei nicht zu besorgen. Zwar erfasse das Geheimhaltungsgebot nicht lediglich die Beratungen und die durch das Gremium selbst erstellten Unterlagen, sondern auch die durch dieses beigezogenen Beweismittel. Vorliegend begehre die Antragstellerin aber gerade nicht den ihr nach § 10 Abs. 1 PKGrG verwehrten Zugang, sondern die Aushändigung der Beweismittel durch die Bundesregierung. Das stelle auch keine Umgehung von § 10 Abs. 1 PKGrG dar, zumal der Bundesregierung die Entscheidungsbefugnis zukomme, geheimhaltungsbedürftige Unterlagen zurückzuhalten. Auch lasse die Mitteilung der dem Kontrollgremium übergebenen Unterlagen und Beweismittel keine Rückschlüsse auf die Beratungen des Gremiums zu. Zum einen habe das Gremium selbst unter dem 31. Mai 2017 (BT-Drucks. 18/12585) eine öffentliche Bewertung nach § 10 Abs. 2 PKGrG abgegeben. Zum anderen richte sich der Antrag nicht auf die Vorlage des Anforderungsbeschlusses vom 16. Januar 2017, sondern nur auf Vorlage der Akten, die im Hinblick auf den Beschluss tatsächlich übersandt worden seien. Schließlich seien die Beweisanträge auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht rechtsmissbräuchlich.
5. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und bringt vor, dass den Anträgen bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da im Hinblick auf Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auch § 244 Abs. 3 StPO neben § 17 Abs. 2 PUAG anwendbar sei und die Beweisanträge wegen Bedeutungslosigkeit und Erwiesenheit der Beweistatsache unzulässig seien, weil die angeforderten Unterlagen dem Untersuchungsausschuss aufgrund anderer Beweisbeschlüsse schon vorlägen oder ihm noch vorgelegt werden müssten. Zur Frage der Tenorierung ergänzt er, dass die Feststellung der Verpflichtung zur Beweisaufnahme ausreichend sei, da der Antragsgegner wegen seiner rechtsstaatlichen Bindung an Gerichtsentscheidungen eine festgestellte Verpflichtung umsetzen würde. In der Sache hält er an seiner Auffassung fest und sieht einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 PKGrG als gegeben an, da durch die Beweiserhebung die Vertraulichkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums ausgehöhlt werde. Eine Verschlechterung der Informationsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages sei nicht zu besorgen, denn dem Untersuchungsausschuss solle allein verwehrt bleiben, sich in eine Position zu bringen, die derjenigen des Kontrollgremiums, das im Hinblick auf die beantragte Beweiserhebung die Kontrollrechte des Parlaments allein wahrnehme, entspreche, ohne dass aber die dazu nötige und die Tätigkeit des Gremiums bestimmende Vertraulichkeit gegeben sei.
Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. August 2018 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
6. Die Antragstellerin, die keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist der Auffassung, der Beschwerde bleibe der Erfolg versagt. Sie hält ihr bisheriges Vorbringen aufrecht und führt ergänzend aus, die Erwägung des Antragsgegners, die Beweisanträge seien aufgrund der Tatsache, dass die angeforderten Unterlagen aufgrund anderer Beweisbeschlüsse schon vorlägen bzw. vorgelegt werden müssten, wegen Bedeutungslosigkeit und Erwiesenheit der Beweistatsache unzulässig, sei schon deshalb unzutreffend, weil es nicht darum gehe, was in den Akten stehe, sondern die Frage geklärt werden solle, welche Akten mit welchem Inhalt gerade dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden seien. Aus diesem Grunde genüge auch eine Auflistung der Dokumente nicht.
7. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird ergänzend auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Beschwerdebegründung vom 11. Oktober 2018, die Erwiderung vom 26. Oktober 2018 und die Ergänzung der Beschwerdebegründung vom 16. November 2018 Bezug genommen.
Die gemäß § 36 Abs. 3 PUAG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache überwiegend erfolglos. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Anträgen der qualifizierten Minderheit im Untersuchungsausschuss im Wesentlichen stattgegeben. Die Ablehnung der Beweisanträge der Antragstellerin vom 1. März 2018 (Ausschuss-Drucks. 19 [25] 110 und 19 [25] 111) war rechtswidrig, weil die Beweiserhebung zulässig ist (1.). Die Beschlussformel war jedoch in eine - hier ausreichende - Feststellung zu ändern (2.).
1. Die Ablehnung der Beweisanträge der Antragstellerin war rechtswidrig, weil sie von dem erforderlichen Mindestquorum eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die ein Viertel der Bundestagsmitglieder repräsentieren (sogenannte qualifizierte Minderheit, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - 3 ARs 20/16, BGHSt 62, 60, 65 ff.), getragen werden und die beantragte Beweiserhebung zulässig ist.
a) Eine von der qualifizierten Minderheit beantragte Beweiserhebung kann nach § 17 Abs. 2 PUAG abgelehnt werden, wenn sie unzulässig oder das Beweismittel unerreichbar ist. Unzulässig ist eine Beweiserhebung, wenn sie von dem Untersuchungsgegenstand nicht gedeckt ist (vgl. hierzu Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 13) oder gegen verfassungsrechtliche, gesetzliche oder geschäftsordnungsmäßige Vorschriften verstößt (BT-Drucks. 14/5790 S. 17). Darüber hinaus kann ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn das Antragsrecht missbräuchlich ausgeübt wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225; Brocker, in: Glauben/ Brocker, Hdb. UA, 3. Aufl., § 17 PUAG, Rn. 16, 18).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere steht der beantragten Beweisaufnahme § 10 Abs. 1 PKGrG nicht entgegen. Die Anforderung von Akten, Dokumenten und Daten des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes bei dem Bundesministerium des Inneren und dem Bundeskanzleramt verstößt weder gegen das Beratungsgeheimnis des § 10 Abs. 1 Satz 1 PKGrG noch gegen die Verschwiegenheitspflicht des § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 PKGrG. Hierzu gilt:
aa) § 10 Abs. 1 Satz 1 PKGrG bestimmt, dass die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums geheim sind. Darüber hinaus trifft nach § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 PKGrG die Mitglieder des Gremiums und weitere an dessen Sitzungen teilnehmende Personen eine über den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Gremium hinausreichende Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Gremium bekannt geworden sind. Diese hohe Vertraulichkeitsgewähr ist Voraussetzung für die Verpflichtung der Bundesregierung zur umfassenden Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bereich der Nachrichtendienste gemäß §§ 4, 5 und 6 PKGrG. Das Recht zur Zurückhaltung solcher Informationen ist auf wenige Fälle beschränkt und unterliegt einer eigenen Begründungspflicht (§ 6 Abs. 2 PKGrG). Damit stellt das Parlamentarische Kontrollgremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle der Regierung im Bereich der Nachrichtendienste dar, weil die üblichen Kontrollmechanismen wegen der für diesen Bereich maßgeblichen Geheimhaltungsbedürftigkeit beschränkt sind (vgl. Christopheit/Wolff, ZG 2010, 77, 80 f.).
bb) Demgegenüber gilt jedenfalls für die Beweisaufnahme in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen - anders als für Beratungen und Beschlussfassungen (§ 12 PUAG) - der Grundsatz der Öffentlichkeit, § 13 Abs. 1 Satz 2 PUAG. Dieser beansprucht indes keine uneingeschränkte Geltung, denn auch das Untersuchungsausschussgesetz sieht Regelungen zum Schutz staatlicher Geheimnisse vor. So schließt der Untersuchungsausschuss nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 PUAG die Öffentlichkeit von der Beweisaufnahme aus, wenn besondere Gründe des Wohls des Bundes oder eines Landes entgegenstehen, insbesondere wenn Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Beziehungen zu anderen Staaten zu besorgen sind. Gemäß § 15 Abs. 1 PUAG kann der Untersuchungsausschuss Beweismittel, Beweiserhebungen und Beratungen mit einem Geheimhaltungsgrad versehen. Die Entscheidung über die Einstufung richtet sich nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (§ 15 Abs. 2 Satz 1 PUAG). Den Zugang zu Verschlusssachen regelt § 16 PUAG. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck des Umstands, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung sein Recht auf parlamentarische Kontrolle nicht wirksam auszuüben vermag (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 Rn. 139). Angesichts dieser Bestimmungen kommt der Bundesregierung gegenüber einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss jedenfalls aus Gründen der Gefährdung des Staatswohls regelmäßig kein Recht zur Verweigerung der Vorlage von Akten zu (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 123 ff. mwN).
cc) Für das Verhältnis von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu dem Parlamentarischen Kontrollgremium gilt Folgendes: Beide sind Teile des Bundestages; das Parlamentarische Kontrollgremium wird auch als dessen „Hilfsorgan“ bezeichnet (BT-Drucks. 16/12412 S. 5; Maunz/Dürig/Klein, GG, 84. EL, Art. 45d Rn. 24). Gemäß § 1 Abs. 2 PKGrG bleiben die Rechte des Deutschen Bundestages und seiner Ausschüsse von der Einrichtung des Gremiums und der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion unberührt. Daraus folgt, dass die Existenz des Parlamentarischen Kontrollgremiums die im Übrigen bestehenden parlamentarischen Informationsansprüche nicht verdrängt. Vielmehr tritt die Kontrollaufgabe des Gremiums zu den Kontrollrechten des Parlaments hinzu, ohne diese zu schmälern. Dem Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen bleibt es danach unbenommen, von der Bundesregierung Aufklärung über nachrichtendienstliche Vorgänge zu verlangen. Auch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sollte durch die Bildung des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht eingeschränkt werden (BT-Drucks. 8/1599 S. 6). Vor diesem Hintergrund kann sich die Bundesregierung ihrer Antwortpflicht gegenüber dem Informationsanspruch des Bundestages, seiner Ausschüsse oder einzelner Abgeordneter nicht mit der Begründung entziehen, dass sie sich zur Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes nur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundestages äußere (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 189 ff.).
Allerdings sind die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 PKGrG an der Weitergabe der ihnen durch die Bundesregierung zugänglich gemachten Informationen gehindert. Davon sind auch die dem Gremium zugänglich gemachten Akten und Daten umfasst. Das Kontrollgremium kann nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PKGrG mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder lediglich öffentliche Bewertungen aktueller Vorgänge vornehmen, wobei es jedoch die Belange des Geheimschutzes zu beachten hat (§ 10 Abs. 4 PKGrG). Mithin dürfen in einer Bewertung keine geheimhaltungswürdigen Vorgänge veröffentlicht werden; sie darf nur ein Urteil über das Verhalten der Nachrichtendienste enthalten. Hierdurch erhält das Gremium die Möglichkeit, auf ein unkorrektes Verhalten der Nachrichtendienste öffentlich aufmerksam zu machen und gezielt weitergehende Kontrollen, etwa durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses anzustoßen (BVerfG, 24 Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 191). Daneben kann das Kontrollgremium seit Einführung des § 10 Abs. 5 PKGrG mit Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2746) Berichte eines von ihm beauftragten Sachverständigen - wiederum unter Wahrung des Geheimschutzes - unter anderem an parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages übermitteln. Sofern darin als Verschlusssachen eingestufte Informationen enthalten sind, ist hierfür die Zustimmung der die Information bereitstellenden Stelle erforderlich. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber einen nachvollziehbaren Bedarf an einer derartigen Weitergabe insbesondere für die Fälle anerkannt, in denen sich das Kontrollgremium bereits vor Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit demselben Sachverhalt befasst hat (BT-Drucks. 18/9040 S. 14).
dd) Eingedenk dessen verletzt die beantragte Beweiserhebung nicht § 10 Abs. 1 Satz 1 PKGrG, weil sie den materiellen Bereich des Beratungsgeheimnisses nicht berührt. Sie bezieht sich weder auf Inhalte der Beratungen des Kontrollgremiums noch auf eine - soweit existent - detailliertere Informationsanforderung des Gremiums als diejenige, die aus der Anlage zur erläuternden Sachverhaltsdarstellung zu dessen öffentlicher Bewertung vom 31. Mai 2017 (BT-Drucks. 18/12585 S. 26) ersichtlich ist. Die dem Kontrollgremium überlassenen Akten stellen lediglich die Grundlage der Beratung dar und haben selbst nicht Teil an dem von jedermann zu beachtenden Beratungsgeheimnis.
Ebenso wenig wird durch die Beweiserhebung die Verschwiegenheitspflicht verletzt. Angesichts der vorstehend beschriebenen Regelungssysteme folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die dem Kontrollgremium zugänglich gemachten Informationen geheim bleiben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 190 f.; vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15, BVerfGE 146, 1 Rn. 99), nicht, dass die in § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 PKGrG normierte Verschwiegenheitspflicht über die dort genannten Adressaten hinaus auch die Bundesregierung trifft oder sich diese im Hinblick auf von ihr dem Kontrollgremium zur Verfügung gestellte Informationen auf eine Verschwiegenheitspflicht berufen kann. Dass einzelne Abgeordnete, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages nicht auf Informationen zugreifen können, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat, und dass dies selbst dann gilt, wenn Vorgänge nicht oder nicht mehr geheimhaltungsbedürftig oder zwar geheimhaltungsbedürftig sind, aber mit der Maßgabe der Beachtung der Geheimschutzordnung mitgeteilt werden könnten (so BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 191), betrifft demnach allein die Weitergabe von Informationen durch das Kontrollgremium selbst, durch eines seiner Mitglieder oder die anderen in § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 PKGrG genannten Personen. Dies findet seine Stütze auch in den dahingehenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, dass sich der Deutsche Bundestag andernfalls mit der Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums wesentlicher Informationsmöglichkeiten begeben und die Kontrolle gegenüber der Bundesregierung in Bezug auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes nicht etwa verbessert, sondern verschlechtert hätte (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 191).
ee) Die Möglichkeit einer Anforderung von Akten, Dokumenten und Daten des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Verfügung gestellt wurden, bei dem Bundesministerium des Inneren und dem Bundeskanzleramt durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellt ferner keine unzulässige Umgehung der durch § 10 Abs. 1 PKGrG gesicherten Vertraulichkeitsgewähr dar. Dies ergibt sich nach dem zu II. 1. b) cc) Ausgeführten schon aus dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Nebeneinander von Untersuchungsausschüssen (Art. 44 GG) und Parlamentarischem Kontrollgremium (Art. 45d GG) und daraus, dass das Parlamentarische Kontrollgremium ein zusätzliches Kontrollorgan darstellt, das das unverändert fortbestehende Informationsrecht des Bundestages und seiner Ausschüsse nicht verdrängt oder beeinträchtigt. Die vom Bundesverfassungsgericht angeführte Möglichkeit des Kontrollgremiums, durch öffentliche Bewertungen weitere Kontrollen etwa durch Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gezielt anzustoßen (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - BvE 5/06, BVerfGE 124, 161, 191), bliebe weitgehend wirkungslos, wenn der Untersuchungsausschuss solche Akten von der Bundesregierung nicht mehr anfordern könnte, die bereits dem Kontrollgremium vorgelegen haben. Vielmehr bestünde die Gefahr eines dem Untersuchungsrecht des Art. 44 GG entzogenen, kontrollfreien Raums im Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes. Die Bundesregierung hätte damit die nicht hinnehmbare Möglichkeit, weitergehende parlamentarische Kontrolle allein dadurch zu verhindern, dass sie dem Kontrollgremium möglichst viele Informationen zukommen lässt.
ff) Zudem enthält das Untersuchungsausschussgesetz ein eigenes Regelungsregime zur Wahrung der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Informationen der Exekutive. Im Einzelnen:
Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments, das die Möglichkeit zu der Sachverhaltsaufklärung schafft, die das Parlament zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt. Dabei gilt das Gebot der Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle, die unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes effektiver Opposition auch die im Grundgesetz vorgesehenen Minderheitenrechte einschließt (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 Rn. 97, 107 f.; zum Grundsatz effektiver Opposition vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Mai 2016 - 2 BvE 4/14, BVerfGE 142, 25 Rn. 85 ff.; für den Bereich der Untersuchungsausschüsse: BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 223 ff.). Das Recht auf Aktenvorlage gehört dabei zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Anspruch auf Vorlage von Akten im Verantwortungsbereich der Regierung folgt nicht lediglich aus dem Recht auf Amtshilfe gemäß Art. 44 Abs. 3 GG; er ist Bestandteil des Kontrollrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und des Rechts der Beweiserhebung nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr soll er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101 Rn. 110 mwN).
Dem Recht des Untersuchungsausschusses auf Aktenvorlage entspricht die Pflicht der Bundesregierung, einem solchen Ersuchen vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen nachzukommen. Dies hat in § 18 Abs. 1 PUAG seine einfachrechtliche Ausprägung gefunden. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 PUAG obliegt die Entscheidung über ein Ersuchen des Untersuchungsausschusses dem zuständigen Bundesminister oder der Bundesregierung. Diese haben mithin zu prüfen, ob der Herausgabe verfassungsrechtliche Grenzen entgegenstehen, die sich aus Gründen des Staatswohls, dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder den Grundrechten Drittbetroffener ergeben können (vgl. im Einzelnen Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 18 Rn. 28 ff.; Glauben in: Glauben/Brocker, Hdb. UA, 3. Aufl., § 18 PUAG, Rn. 10 ff.). Im Fall der (teilweisen) Ablehnung des Ersuchens oder der Einstufung von Beweismitteln als Verschlusssache ist der Untersuchungsausschuss schriftlich über die Gründe hierfür zu unterrichten. Dies verdeutlicht, dass die Entscheidungshoheit über die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Informationen - ebenso wie bei der Weitergabe von Berichten des Parlamentarischen Kontrollgremiums an einen Untersuchungsausschuss nach § 10 Abs. 5 Satz 2 PKGrG - letztlich bei der Bundesregierung verbleibt. Dies erhellt, dass ein Untersuchungsausschuss im Rahmen seines Untersuchungsauftrags seine Kontrollaufgabe auch dadurch wahrnehmen kann, dass er die Bundesregierung um Vorlage derjenigen Informationen ersucht, die diese zuvor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Verfügung gestellt hat. Ob ihm diese Informationen im gleichen Umfang wie dem Kontrollgremium vorgelegt werden können, betrifft die von der Anordnung der Beweiserhebung zu unterscheidende Erfüllung des Beweiserhebungsanspruchs, über die zunächst die Bundesregierung - und nicht die Mehrheit des Untersuchungsausschusses (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 11. November 2016 - 1 BGs 125/16, NVwZ 2017, 173 Rn. 53 f.) - zu entscheiden hat.
c) Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ausübung des Beweisantragsrechts durch die Antragstellerin sind nicht ersichtlich. Dabei kann offen bleiben, ob die Ablehnungsgründe der Bedeutungslosigkeit oder der Erwiesenheit der Beweistatsache nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO angesichts der strukturellen Unterschiede zwischen dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren und dem Strafprozess (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11/83 und 15/83, BVerfGE 67, 100, 127 ff., 133 ff.; Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 115 f.) entsprechend anwendbar sind. Denn sie wären hier nicht einschlägig. Das Ziel der Beweiserhebung besteht in der vom Untersuchungsauftrag unter Ziffer B.II.9. umfassten Überprüfung, ob das Parlamentarische Kontrollgremium als Teil des Deutschen Bundestages zeitgerecht, umfassend und zutreffend informiert wurde. Dies ergäbe sich aus der vom Untersuchungsausschuss bislang angeordneten Beweiserhebung auch dann nicht, wenn ihm in Vollzug der weiteren gefassten Beweisbeschlüsse diejenigen Akten und Daten vollständig vorgelegt worden sind oder noch vorgelegt werden müssen, die auch dem Kontrollgremium zur Verfügung gestellt wurden. Denn das Beweisziel der Anträge ist nicht allein auf die Kenntnisnahme von dem Inhalt der Akten gerichtet; es besteht vielmehr in der Klärung der Frage, welche Akten mit welchem Inhalt gerade dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden sind.
Die Beweisanträge der Antragstellerin begegnen auch im Übrigen keinen Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der begehrten Beweiserhebung. Ihnen mangelt es insbesondere nicht an hinreichender Bestimmtheit oder einem Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses unter II. 2. b) und c) Bezug genommen.
2. Die Beschlussformel der angefochtenen Entscheidung war in eine - hier ausreichende - Feststellung zu ändern.
Zwar entscheidet nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 PUAG der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Erhebung der Beweise, woraus vereinzelt gefolgert wird, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen den Beweisbeschluss selbst zu erlassen hat (Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 33).
Dieser Ansicht ist jedoch - jedenfalls im Grundsatz - nicht zu folgen. Denn gegen die gerichtliche Anordnung der Beweisaufnahme spricht bereits, dass es sich bei dem Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG der Sache nach um ein einfachgesetzliches Organstreitverfahren vor dem Bundesgerichtshof handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, juris Rn. 13, 30 [insoweit in BGHSt 55, 257 nicht abgedr.]) und im vergleichbaren bundesverfassungsgerichtlichen Organstreitverfahren regelmäßig allein Feststellungsentscheidungen getroffen werden können, was aus dem Wortlaut des § 67 Satz 1 BVerfGG abgeleitet wird (vgl. BeckOK BVerfGG/Walter, § 67 Rn. 1 f. mwN). Zwar sieht das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages eine dem § 67 BVerfGG vergleichbare, ausdrückliche Regelung nicht vor. Das steht einer Übertragung des Rechtsgedankens der Vorschrift auf das in § 17 Abs. 4 PUAG normierte einfachgesetzliche Organstreitverfahren aber nicht entgegen. Denn insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein Verfahrensbeteiligter, von dem - wie hier - angesichts seiner verfassungsmäßig verankerten Bindung an Recht und Gesetz die Respektierung von Gerichtsentscheidungen auch ohne Vollstreckungsdruck erwartet werden darf, einer solchen Verpflichtung bereits im Falle ihrer bloßen Feststellung nachkommt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 1970 - VI C 8.69, BVerwGE 36, 179, 181; vom 22. Februar 2001 - 5 C 34/00, BVerwGE 114, 61, 63) und eine Verpflichtungs- oder gar Gestaltungsentscheidung daher nicht erforderlich ist. Ob es Konstellationen geben kann, in denen ausnahmsweise anderes gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn dafür, dass der Antragsgegner der festgestellten Verpflichtung nicht nachkommen wird, bestehen keine Anhaltspunkte.
Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nach § 36 Abs. 3 PUAG nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 3 ARs 23/10, juris Rn. 30; vom 26. März 2009 - 3 ARs 6/09, juris Rn. 24).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 429
Bearbeiter: Christian Becker