HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 398
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 ARs 6/09, Beschluss v. 26.03.2009, HRRS 2009 Nr. 398
Auf die Beschwerde des Antragsgegners zu 1. wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2009 abgeändert, soweit dieser entschieden hat, der Antragsgegner zu 1. habe nochmals über den vom Abgeordneten Prof. Dr. Paech am 8. Oktober 2008 schriftlich gestellten Beweisantrag (ADrs. 586) abzustimmen und ihm - sollte er weiterhin von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - (zumindest) mehrheitlich zuzustimmen.
Die Anträge der Antragstellerin werden insgesamt zurückgewiesen.
Die Antragstellerin erstrebt die Umsetzung eines im 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gestellten Antrags, der auf die Beiziehung von dem Ausschuss bereits vorliegenden Schriftstücken in lesbarer Fassung zielt.
Der genannte Untersuchungsausschuss hat u. a. den Auftrag zu klären, ob und inwieweit vor Beginn und während des Irak-Krieges vom Bundesnachrichtendienst (im Folgenden: BND) Informationen an US-Dienststellen gelangten, die für die US-Kriegsführung relevant waren. Aufgrund vom Untersuchungsausschuss im Mai 2006 gefasster Beweisbeschlüsse übermittelte die Bundesregierung im Juni 2008 mehrere Stehordner mit Unterlagen und erklärte unter Zusicherung der Vollständigkeit, es handele sich dabei um das Schriftgut des BND zu den genannten Beweisbeschlüssen. Bei den übersandten Dokumenten befinden sich u. a. 33 Anfragen ("Requests for Information") von US-Dienststellen, die über einen Verbindungsoffizier des BND zwischen Februar und Ende April 2003 an dessen Zentrale übermittelt wurden. Der Inhalt dieser Anfragen war durch Weißungen weitestgehend unkenntlich gemacht worden.
In der Ausschusssitzung am 8. Oktober 2008 beantragte der Abgeordnete Prof. Dr. Paech zunächst mündlich und sodann schriftlich, der Ausschuss solle die Bundesregierung auffordern, die "Requests for Information" des Verbindungsoffiziers des BND bei US-Centcom/Forward dem Ausschuss in vollständiger Fassung vorzulegen. Nach der Erläuterung der Antragstellerin ist der Begriff "vollständig" so zu verstehen, dass eine Fassung der "Requests for Information" in ungeweißter und somit vollständig lesbarer Form vorgelegt werden sollte. Der anwesende Vertreter der Bundesregierung erklärte, das Unleserlichmachen sei aus Gründen des Staatswohls erfolgt, da es sich um Informationen von US-Nachrichtendiensten handele, über welche die Bundesregierung nicht disponieren könne. Prof. Dr. Paech bezeichnete seinen Antrag als "Beweiskonkretisierungsantrag" und kündigte an, bei weiterer Weigerung der Bundesregierung wegen der Eilbedürftigkeit den Antrag zu stellen, dass der Ausschuss eine einstweilige Anordnung beantragt. Daraufhin verlas der Ausschussvorsitzende den schriftlichen Antrag. Für diesen stimmten neben Prof. Dr. Paech die Abgeordneten Dr. Stadler und Ströbele und damit ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses; die übrigen Ausschussmitglieder votierten gegen ihn. Daraufhin stellte der Ausschussvorsitzende fest, der Antrag sei mit dem notwendigen Minderheitsquorum beschlossen worden. Dem widersprach ein Ausschussmitglied mit der Begründung, es handele sich entsprechend der ursprünglichen Bezeichnung durch Prof. Dr. Paech nicht um einen Beweisantrag im Sinne des § 17 PUAG. Dieser Meinung schloss sich der Ausschussvorsitzende nach dem Ende der Sitzung an und vertrat in der Folgezeit die Auffassung, der Antrag sei durch die Ausschussmehrheit wirksam abgelehnt worden. Die Bundesregierung fragte mittlerweile mehrfach bei den US-amerikanischen Behörden an, ob der Inhalt der "Requests for Information" freigegeben werden könne. Die Anfragen wurden bisher nicht beantwortet.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, durch die Weißung der Unterlagen sei es dem Ausschuss nicht möglich, seinem Auftrag nachzukommen. Der Ausschuss habe einen wirksamen Beweisbeschluss gefasst, der ausgeführt werden müsse. Ein nachträgliches Prüfungsrecht stehe dem Ausschussvorsitzenden nicht zu.
Die Antragstellerin hat beantragt festzustellen,
1. der Antrag zu ADrs. 586 sei am 8.10.2008 in der 98. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages wirksam beschlossen worden;
2. der Vorsitzende des genannten Ausschusses sei verpflichtet, den Beweisbeschluss zu ADrs. 586 der Bundesregierung unverzüglich zuzuleiten;
hilfsweise
den Antragsgegner zu 1. zu verpflichten, den Beweisantrag auf ADrs. 586 unverzüglich zu beschließen.
Die Antragsgegner haben beantragt, die Anträge als unzulässig zu verwerfen; hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, das Begehren der Antragstellerin sei Teil der vor dem Bundesverfassungsgericht auszutragenden Auseinandersetzung über die Aktenfreigabe durch die Bundesregierung. Es habe sich inhaltlich nicht um einen Beweisantrag im Sinne des § 17 PUAG gehandelt. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sei deshalb nicht zuständig; für die Anträge bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Beweiserhebung sei jedenfalls unzulässig und das Beweismittel unerreichbar.
Mit Beschluss vom 20. Februar 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs entschieden, der Antragsgegner zu 1. habe nochmals über den vom Abgeordneten Prof. Dr. Paech am 8. Oktober 2008 schriftlich gestellten Beweisantrag (ADrs. 586) abzustimmen und ihm - sollte er weiterhin von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - (zumindest) mehrheitlich zuzustimmen. Die weiteren und weitergehenden Anträge der Antragstellerin hat er als unbegründet verworfen.
Zur Begründung hat der Ermittlungsrichter ausgeführt, die Anträge seien zulässig. Die Hauptanträge seien jedoch unbegründet, weil die Mehrheit der Ausschussmitglieder gegen den von Prof. Dr. Paech gestellten Antrag gestimmt und diesen somit abgelehnt habe (§ 9 Abs. 4 PUAG). Der entsprechend der Entscheidungsformel auszulegende Hilfsantrag habe indes in der Sache Erfolg. Bei dem in der Sitzung am 8. Oktober 2008 eingebrachten Antrag handele es sich um einen Beweisantrag im Sinne des § 17 Abs. 2, 4 PUAG. Dieser sei nicht auf die bloße Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme gerichtet, denn die Antragstellerin wolle die Übermittlung der ungeweißten Schriftstücke erreichen, nicht aber die erneute Übersendung der im selben Umfang unleserlich gemachten Unterlagen. Auf die Frage, wie der Vorsitzende den Antrag qualifiziert habe, komme es nicht entscheidend an. Der Antrag habe von der Ausschussmehrheit nicht abgelehnt werden dürfen, da ein Ausschlussgrund nach § 17 Abs. 2 PUAG nicht vorgelegen habe; die Beweisaufnahme sei weder unzulässig noch sei das Beweismittel unerreichbar. Vorsorglich sei allerdings darauf hinzuweisen, dass die von der Antragstellerin erstrittene Entscheidung allein den Erlass eines Beweisbeschlusses durch den Untersuchungsausschuss zum Gegenstand habe, nicht aber dessen Vollzug. Keinesfalls sei die Bundesregierung dazu verpflichtet, aufgrund des Beschlusses dem Ausschuss die Akten in uneingeschränkt lesbarer Form zur Verfügung zu stellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ausführlichen Darlegungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner zu 1. Beschwerde eingelegt. Zur Begründung vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere erneut geltend, bei dem in der Sitzung am 8. Oktober 2008 gestellten Antrag handele es sich nicht um einen Beweisantrag nach § 17 PUAG. Wolle man dies abweichend beurteilen, sei der Antrag jedenfalls unzulässig, weil die entsprechende Beweiserhebung bereits vorgenommen worden sei. Das Beweismittel sei daneben aus Rechtsgründen unerreichbar. Darüber hinaus sei der Anspruch der Antragsgegner auf rechtliches Gehör verletzt worden; schließlich begegne der Tenor des angefochtenen Beschlusses vor allem mit Blick auf Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, da er entgegen der Garantie des freien Mandats die Abgeordneten zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten verpflichte.
Der Antragsgegner zu 1. beantragt, den Beschluss es Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2009 aufzuheben und die Anträge der qualifizierten Minderheit im 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Anträge als unbegründet zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zu 1. gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2009 zurückzuweisen; hilfsweise festzustellen, dass der Beweisantrag auf ADrs. 586 zulässig ist und der 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages verpflichtet ist, unverzüglich erneut über ihn zu beschließen.
Sie hält ihr bisheriges Vorbringen aufrecht und führt ergänzend aus, das anhängige Verfahren ziele weder formal noch in der Sache auf eine Vorwegnahme der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem dort bereits anhängigen Organstreitverfahren. Zu dem auf ADrs. 586 beantragten Beweismittel sei noch keine Beweisaufnahme durchgeführt worden; die Bundesregierung habe mit der bisherigen Aktenherausgabe das beantragte Beweismittel, die "Requests for Information" in lesbarer Fassung, nicht geliefert. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Mitglieder der Regierungsfraktionen sich weigerten, einen Antrag zu beschließen, der darauf ziele, den ausdrücklichen Untersuchungsauftrag des Ausschusses umzusetzen. In Bezug auf das benannte Beweismittel könne es keine wirksame Sperrerklärung wegen fehlender Dispositionsbefugnis geben. Die Garantie des freien Mandats stehe jedenfalls dem hilfsweise gestellten Antrag nicht entgegen.
Den an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gerichteten Antrag des Antragsgegners zu 1. festzustellen, dass die Beschwerde gegen dessen Beschluss vom 20. Februar 2009 aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise, die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung anzuordnen, hat der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom 4. März 2009 zurückgewiesen. Auch gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner zu 1. mit Schriftsatz vom 5. März 2009 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18. März 2009 begründet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird ergänzend auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Beschwerdebegründung vom 11. März 2009 und die Erwiderung vom 25. März 2009, verwiesen.
1. Die gemäß § 36 Abs. 3 PUAG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners zu 1. hat in der Sache Erfolg; denn die dem erstinstanzlich geltend gemachten Hilfsantrag stattgebende Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs steht mit den maßgeblichen Regelungen des PUAG über das Beweisverfahren eines Untersuchungsausschusses nicht im Einklang.
Das von der Antragstellerin verfolgte Begehren nach § 17 Abs. 4 PUAG dringt - auch in der in der Beschwerdeerwiderung hilfsweise ausgeführten Form - in der Sache nicht durch. Bei dem in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 8. Oktober 2008 gestellten Antrag handelt es sich nicht um einen in den Regelungsbereich des § 17 PUAG fallenden Beweisantrag. Die Antragstellerin hat deshalb keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner zu 1. einen ihrem Begehren entsprechenden Beschluss nach § 17 Abs. 1 PUAG fasst. Auf die weiteren Einwendungen gegen die Entscheidung des Ermittlungsrichters kommt es deshalb nicht an. Im Einzelnen:
Die Beweiserhebung in dem Verfahren vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ist in § 17 PUAG geregelt. Nach § 17 Abs. 1 PUAG erhebt der Ausschuss die gebotenen Beweise - ausschließlich - aufgrund von Beweisbeschlüssen. Deshalb statuiert § 17 Abs. 2 PUAG besondere Rechte der qualifizierten Ausschussminderheit, wenn diese die Erhebung eines Beweises beantragt (vgl. zum Mitbestimmungsrecht der Minderheit über die Beweiserhebung BVerfGE 105, 197; Klein in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 44 Rdn. 197 ff.). In einem solchen Fall muss die Mehrheit des Untersuchungsausschusses dem Beweisantrag grundsätzlich zustimmen und ihn somit beschließen, es sei denn, das Beweismittel ist unerreichbar oder die Beweiserhebung ist unzulässig (vgl. BTDrucks. 14/5790 S. 17). § 17 Abs. 4 PUAG regelt ergänzend das Recht der Ausschussminderheit von mindestens einem Viertel der Mitglieder, im Falle der Ablehnung eines Beweisantrags oder der Ablehnung eines bestimmten Zwangsmittels durch den Untersuchungsausschuss den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Ausschussbeschlusses anzurufen (vgl. hierzu Risch DVBl 2003, 2004 f.; Schneider NJW 2001, 2604, 2606; Wiefelspütz ZParl 2005, 551, 565 ff.).
Die Regelungen über die Vorlage von Beweismitteln sind demgegenüber nicht in § 17 PUAG, sondern in § 18 PUAG enthalten (zur Aktenvorlagepflicht vgl. grundlegend BVerfGE 67, 100, 127 ff.; s. auch Klein aaO Rdn. 216; Achterberg/Schulte in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44 Rdn. 148 ff.). § 18 Abs. 1 PUAG bestimmt, dass die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet sind, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere die Akten, vorzulegen, die den Untersuchungsgegenstand betreffen. § 18 Abs. 2 PUAG trifft Bestimmungen zur Zuständigkeit für die Entscheidung über ein entsprechendes Ersuchen und regelt eine Pflicht zur Unterrichtung des Ausschusses für den Fall, dass das Ersuchen abgelehnt wird oder die Beweismittel als Verschlusssache eingestuft werden. Die Ablehnung des Ersuchens bedarf danach einer schriftlichen Begründung; sie kann nach § 18 Abs. 3 PUAG auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder vom Bundesverfassungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden (vgl. Schneider aaO; Gärditz ZParl 2005, 854, 858 f.).
Aus dem Inhalt sowie dem systematischen Zusammenhang dieser Regelungen ergibt sich, dass der von dem Abgeordneten Prof. Dr. Paech in der Ausschusssitzung am 8. Oktober 2008 gestellte Antrag, dem sich die Abgeordneten Dr. Stadler und Ströbele angeschlossen haben, nicht in den Regelungsbereich des § 17 PUAG fällt; vielmehr handelt es sich um einen sonstigen Antrag, der insbesondere nicht den Schutz der Minderheitenrechte nach § 17 Abs. 2 PUAG genießt. Denn es ging der Antragstellerin nicht darum, einen Beschluss dahin herbeizuführen, dass die entsprechenden Dokumente, insbesondere die 33 "Requests for Information", dem Untersuchungsausschuss überhaupt zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Beweismittel lagen dem Ausschuss aufgrund zuvor gefasster Beweisbeschlüsse - wenn auch in einer weitgehend unleserlichen Fassung - bereits vor. Der Untersuchungsausschuss hatte somit die Beweiserhebung als solche nicht abgelehnt; vielmehr hatte die Bundesregierung der Sache nach die zuvor an sie gestellten Beweisersuchen des Untersuchungsausschusses - teilweise - gemäß § 18 Abs. 2 PUAG zurückgewiesen. Das Begehren der Antragstellerin war in dieser Verfahrenssituation nach ihrem eigenen ausdrücklichen Bekunden darauf gerichtet, die Bundesregierung zu veranlassen, die betreffenden Aktenteile "vollständig", d. h. in lesbarer Form herauszugeben. Damit wandte sie sich in der Sache nicht gegen die Ablehnung eines Beweisbegehrens auf Beiziehung bestimmter Dokumente durch den Untersuchungsausschuss, sondern gegen die teilweise Verweigerung der Aktenvorlage durch die Bundesregierung. Ihre diesbezüglichen Rechte kann die Antragstellerin jedoch nicht gemäß § 17 Abs. 1, 2 und 4 PUAG in der Weise verfolgen, dass sie gegen den Willen der Ausschussmehrheit einen ihrer Rechtsauffassung entsprechenden Beschluss des gesamten Untersuchungsausschusses herbeiführt, mit dem dieser die Bundesregierung auffordert, die Aktenteile in vollständig lesbarer Form herauszugeben. Der Antragstellerin steht als qualifizierter Minderheit zur Verfolgung ihres Begehrens vielmehr die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 18 Abs. 3 PUAG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG offen, dem nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines auf die Vorlage sächlicher Beweismittel gerichteten Ersuchens vorbehalten ist. Diesen Rechtsweg kann sie gegebenenfalls auch gegen den Willen der Ausschussmehrheit beschreiten. Damit sind ihre Minderheitenrechte (vgl. Klein aaO Rdn. 197 ff.) in ausreichendem Maße gewahrt; einer entsprechenden - notfalls im Verfahren vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nach § 17 Abs. 4 PUAG herbeizuführenden - Beschlussfassung gemäß § 17 Abs. 1 PUAG bedarf es nach der Konzeption des gesetzlichen Regelungsgefüges (vgl. Achterberg/Schulte aaO Rdn. 167 ff.) gerade nicht.
Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass dem eigentlichen Begehren der Antragstellerin durch die im vorliegenden Verfahren erstrittene erstinstanzliche Entscheidung nach § 17 Abs. 4 PUAG nicht Genüge getan ist; denn durch diese kann, wie der Ermittlungsrichter zutreffend dargelegt hat, lediglich der Erlass eines Beweisbeschlusses durch den Untersuchungsausschuss herbeigeführt, nicht aber die Bundesregierung dazu verpflicht werden, dem Ausschuss die Akten in uneingeschränkt lesbarer Form zur Verfügung zu stellen.
Hieran ändert es nichts, dass der Vorsitzende des Ausschusses den gestellten Antrag in der Ausschusssitzung als Beweisbegehren behandelt und den darauf ergangenen Beschluss zunächst als Beweisbeschluss nach § 17 Abs. 1 PUAG qualifiziert hat. Der Senat stimmt auch insoweit den Ausführungen des Ermittlungsrichters in der angefochtenen Entscheidung zu; für die rechtliche Einordnung des Antrags ist dessen gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu ermittelnder Inhalt, nicht aber die - nach dem Vorbringen der Antragsgegner "beschleunigte bis übereilte" - Verfahrensweise des Vorsitzenden in der Sitzung des Untersuchungsausschusses maßgeblich.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang im Übrigen abschließend darauf hin, dass die durch das Protokoll nebst Anlagen belegten und zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitigen näheren Umständen des Geschehens in der Ausschusssitzung vom 8. Oktober 2008 zumindest nahe legen, dass die Antragstellerin - jedenfalls zunächst vor der irrtümlichen Qualifizierung des Antrags und des darauf ergangenen Beschlusses durch den Ausschussvorsitzenden - selbst nicht davon ausgegangen ist, dass es sich bei ihrem Begehren um einen Beweisantrag im Sinne des § 17 PUAG handelte. Dafür spricht auch, dass der Abgeordnete Ströbele in der Sitzung desselben Untersuchungsausschusses vom 25. September 2008 u. a. beantragte, die Bundesregierung aufzufordern, unleserlich gemachte Stellen in dem Ausschuss übermittelten Akten offen zu legen; dieser Antrag wurde nicht als Beweis-, sondern als Sachantrag behandelt und von der Ausschussmehrheit abgelehnt, ohne dass diese Verfahrensweise im Streit war.
2. Mit dieser Entscheidung in der Hauptsache ist auch das Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters vom 4. März 2009 erledigt. Der Senat ist deshalb nicht gehalten, sich mit den insoweit stellenden komplexen, indessen nicht entscheidungserheblichen Rechtsfragen näher zu befassen. Ein im Sinne eines besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresses ausreichender Anlass, die Rechtslage in abstrakter Form festzustellen (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08), besteht auch mit Blick auf die von dem Antragsgegner zu 1. vorgebrachte Wiederholungsgefahr und das geltend gemachte "Rehabilitationsinteresse" nicht; diesen Gesichtspunkten kommt hier allenfalls ein geringes Gewicht zu. Den berechtigten Interessen der Antragsgegner ist vielmehr durch die Entscheidung in der Hauptsache Genüge getan.
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist aus den vom Ermittlungsrichter in seinem Beschluss zutreffend ausgeführten Gründen auch im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst. Einer entsprechenden Anwendung der VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 18. Juli 2006 - 3 ARs 27/06 und Beschl. vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08) steht im vorliegenden Fall entgegen, dass sich der Untersuchungsausschuss und eine Minderheit seiner Mitglieder als Beteiligte gegenüberstehen. Die Übertragung der Regelungen der §§ 154 ff. VwGO erscheint in dieser einem Organstreit ähnlichen Konstellation grundsätzlich nicht sach- und interessengerecht (vgl. auch § 34a Abs. 3 BVerfGG).
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 398
Bearbeiter: Ulf Buermeyer