HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 756
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 ARs 23/10, Beschluss v. 17.08.2010, HRRS 2010 Nr. 756
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung will die Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages eine Gegenüberstellung des Bundesministers der Verteidigung Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan erzwingen, die von der Ausschussmehrheit als unzulässig abgelehnt worden ist. Die Anträge bleiben ohne Erfolg.
In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 veranlasste der militärische Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz (Afghanistan) einen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, die entführt worden waren und auf einer Sandbank im Fluss Kunduz feststeckten. Dieser Luftschlag führte zu einer Vielzahl von Todesopfern.
Auf der Grundlage der Ausschussdrucksache 17(12)120 konstituierte sich zur Aufklärung des Luftangriffs selbst und zum jeweiligen Informationsstand über den Luftangriff innerhalb der Bundesregierung und der Bundeswehr in der 7. Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 16. Dezember 2009 gemäß Art. 45a Abs. 2 GG der 1. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Dieser hat den Auftrag, den Luftangriff selbst, die diesbezügliche Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung sowie die Vereinbarkeit der beim Luftangriff gewählten Vorgehensweise mit nationalen und internationalen politischen, rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in Afghanistan umfassend zu untersuchen und dabei u. a. zu klären, welche Informationen über den Luftangriff zu welchem Zeitpunkt an die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung weitergegeben wurden (Frage 2 des Untersuchungsauftrags), auf welcher Informationsgrundlage der frühere Bundesminister der Verteidigung Dr. Jung und sein Nachfolger Dr. Freiherr zu Guttenberg ihre öffentlichen Bewertungen des Angriffs vornahmen (Frage 3 des Untersuchungsauftrags) und ob durch die Bundesregierung falsch oder unvollständig über die Militäraktion informiert wurde (Frage 5 des Untersuchungsauftrags).
In der Folgezeit vernahm der Untersuchungsausschuss eine Vielzahl von Zeugen vorwiegend in öffentlicher Sitzung. Die öffentlichen Vernehmungen der zentralen Zeugen wurden in der Reihenfolge General a. D. Schneiderhan - Staatssekretär a. D. Dr. Wichert - Bundesminister Dr. Freiherr zu Guttenberg am 18. März 2010 und 22. April 1010 durchgeführt.
Die Vertreter der Minderheit im Untersuchungsausschuss beantragten - nach zwischenzeitlicher Zurücknahme eines gleichlautenden Antrags vom 17. Mai 2010 - am 14. Juni 2010 eine Vernehmungsgegenüberstellung der Zeugen General a. D. Schneiderhan und Staatssekretär a. D. Dr. Wichert mit Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg zur Klärung von Widersprüchen in den Aussagen dieser Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss, die in der Beratungsunterlage 17-220 vom 14. Juni 2010 unter III. im Einzelnen dargestellt wurden. Der Antrag wurde in der 23. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 17. Juni 2010 mit den Stimmen von 18 Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen von 15 Abgeordneten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt, weil die Gegenüberstellung unzulässig sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, eine Vernehmungsgegenüberstellung, die nur ausnahmsweise in Betracht komme, sei zur Sachaufklärung des Untersuchungsgegenstandes nicht geboten, sie solle vielmehr aus rein parteipolitischen Motiven durchgeführt werden, um ein "Spektakel Guttenberg" zu inszenieren.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Klärung der in den Vernehmungen der drei zentralen Zeugen aufgetretenen Widersprüche betreffe den Kern des Untersuchungsauftrages, verlässliche Informationen als Grundlage für die Benennung politischer Verantwortlichkeit zu erlangen. Die Gegenüberstellung stelle im Vergleich zum bloßen Vorhalt die einzig geeignete und wirksame Methode dar, um die sich widersprechenden Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und damit dem Untersuchungszweck gerecht zu werden. Der Untersuchungsausschuss habe durch die Ablehnung der zulässigen und gebotenen Vernehmungsgegenüberstellung neben dem Verfassungsgebot der Effektivität parlamentarischer Untersuchungsverfahren das verfassungsrechtliche Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise nachhaltig verletzt. Die Ausschussminderheit habe einen gesetzlichen Anspruch auf Durchführung der Vernehmungsgegenüberstellung. Über das positiv formulierte Recht der qualifizierten Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinaus sei dieser auch hinsichtlich des Beweisverfahrens die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen.
Die Antragstellerin beantragt festzustellen,
1. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mit seinem Beschluss vom 17. Juni 2010, den Antrag der Minderheit auf Durchführung einer Vernehmungsgegenüberstellung (Beratungsunterlage 17-220) als unzulässig abzulehnen, gegen § 24 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) verstoßen hat,
2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG verpflichtet ist, die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen so festzulegen, dass am 30. September 2010 die von der Minderheit mit Beratungsunterlage 17-220 begehrte Vernehmungsgegenüberstellung durchgeführt wird,
hilfsweise festzustellen,
1. dass die mit Beratungsunterlage 17-220 beantragte Vernehmungsgegenüberstellung zulässig ist im Sinne von § 24 Abs. 2 PUAG und
2. dass der Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gemäß § 45a Abs. 2 GG der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages verpflichtet ist, die zulässige Vernehmungsgegenüberstellung in einer durch den Ausschuss festzulegenden Sitzung zur Beweisaufnahme durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner bezweifelt die Zulässigkeit der beim Bundesgerichtshof gestellten Anträge, weil es sich im Kern um eine verfassungsgerichtliche Streitigkeit handele, für die das Bundesverfassungsgericht zuständig sei. Er meint, die Vernehmungsgegenüberstellung sei zur Beseitigung der in den Zeugenaussagen aufgetretenen Ungereimtheiten nicht geeignet und deshalb für den Untersuchungszweck nicht geboten, sodass er diese zu Recht mit der Mehrheit der Stimmen zurückgewiesen habe. Die von der Antragstellerin behaupteten Widersprüche in den Zeugenaussagen seien nicht relevant; diese wolle vermeintliche Minderheitenrechte für parteipolitische Zwecke missbrauchen. Bei der Vernehmungsgegenüberstellung handele es sich um die Modalität der Zeugenvernehmung und damit eine Verfahrensfrage, für die das PUAG keinen Minderheitenschutz vorsehe. Auch ein unmittelbar aus Art. 44 GG hergeleiteter Minderheitenschutz komme nicht in Betracht, weil die Mehrheitsfraktionen den Antrag der Minderheit auf Gegenüberstellung mit einleuchtenden Sachargumenten zurückgewiesen hätten.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze verwiesen.
Die Anträge der Minderheit des Untersuchungsausschusses sind zulässig, aber unbegründet.
1. Zulässigkeit der Anträge
a) Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 36 Abs. 1 PUAG für die Entscheidung des Streits über die Vernehmungsgegenüberstellung zwischen der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss und dem Untersuchungsausschuss selbst zuständig, weil eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vorliegt und eine vorrangige Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für das Begehren der Antragstellerin nicht besteht.
b) Die Antragstellerin ist im vorliegenden Organstreitverfahren als antragsberechtigt anzusehen (vgl. Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 2005, § 28 Rn. 32). Sie ist in mehreren Vorschriften des PUAG (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG) mit eigenen Rechten ausgestattet und macht geltend, sie sei durch die Ablehnung der von ihr beantragten Vernehmungsgegenüberstellung durch die Ausschussmehrheit in ihren Rechten als qualifizierte Ausschussminderheit von einem Viertel des Untersuchungsausschusses verletzt. Ob sie durch die Ablehnung in ihren Rechten verletzt und deswegen tatsächlich befugt ist, den Bundesgerichtshof anzurufen, ist eine Frage der Begründetheit.
2. Begründetheit der Anträge
Die Anträge sind unbegründet. Die Vernehmungsgegenüberstellung eines Zeugen mit anderen Zeugen betrifft die Art und Weise der Beweisaufnahme. Über die Frage, ob sie gemäß § 24 Abs. 2 PUAG für den Untersuchungszweck geboten und zur Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig ist, entscheidet der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 9 Abs. 4 PUAG). Seine qualifizierte Minderheit von einem Viertel der Mitglieder ist nicht befugt, die von der Ausschussmehrheit getroffene Entscheidung vom Bundesgerichtshof rechtlich überprüfen zu lassen. Eine Antragsberechtigung der Antragstellerin sieht das Untersuchungsausschussgesetz nach seinem Wortlaut insoweit nicht vor. Sie ist ihm auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
a) Durch das Recht zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses erhält das Parlament die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig solche Sachverhalte aufzuklären, die es in Erfüllung seines Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig hält. Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten. Das Schwergewicht seiner Untersuchungen liegt dabei in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung und ihrer Mitglieder fallender Vorgänge, die Missstände vermuten lassen. Da in der parlamentarischen Demokratie die Regierung regelmäßig von der Parlamentsmehrheit getragen wird, sind Untersuchungsausschüsse in erster Linie ein politisches Instrument der Opposition, als Minderheit die Regierungsarbeit zu kontrollieren (BVerfG, Beschluss vom 2. August 1978 - 2 BvK 1/77, BVerfGE 49, 70, 85 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; vgl. auch Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, 1. Aufl., S. 28 f.).
Im parlamentarischen Regierungssystem ist das Untersuchungsverfahren als Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse angelegt (BVerfG, Urteil vom 2. August 1978 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225 f.). Es geht um die Feststellung eines objektiven Sachverhalts mit parlamentarischen Mitteln auf der Grundlage der jeweiligen politischen Interessenlagen zum Zwecke der politischen Bewertung und der Zuweisung politischer Verantwortlichkeit (vgl. BTDrucks. 7/5924, S. 50 ff., 52 f.). In einem Untersuchungsverfahren besteht daher ein Spannungsverhältnis zwischen der Sachverhaltsaufklärung einerseits und der politischen Auseinandersetzung andererseits (vgl. Wiefelspütz, aaO, S. 29 f. mwN). Seine politische Bedeutung ergibt sich aus dem Vorgang der Sachaufklärung selbst, der Information der Öffentlichkeit über politische Missstände und vor allem der darüber öffentlich ausgetragenen politischen Auseinandersetzung. Da im Untersuchungsverfahren die politische Bewertung im Vordergrund steht und häufig Tatsachen mit Bewertungen eng verknüpft sind, kann es eine vollständige und in jeder Hinsicht objektive Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts nicht gewährleisten (vgl. Rixen, JZ 2002, 435, 438 mwN; Weisgerber, Das Beweiserhebungsverfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, 2003, S. 164 f.).
b) Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den ihm erteilten Untersuchungsauftrag möglichst effektiv zu erfüllen und alle mit ihm zusammenhängenden Umstände aufzuklären, die für die politische Bewertung von Bedeutung sind (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, 124; BayVerfGH, Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Scholz, AöR (1980) 105, 564, 603; Glauben/Brocker, aaO, § 15 Rn. 1). Bei seiner Tätigkeit entscheidet er im Allgemeinen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen; bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt (§ 9 Abs. 4 PUAG). Damit gilt das in der parlamentarischen Demokratie konstitutive Mehrheitsprinzip grundsätzlich auch in dem vom Parlament eingesetzten Untersuchungsausschuss. Anders verhält es sich nur, wenn das Untersuchungsausschussgesetz aus Gründen des Minderheitenschutzes eine abweichende Regelung trifft. Dies ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage, ob Zeugen einander gegenüberzustellen sind, indessen nicht der Fall.
aa) Allerdings regelt das Untersuchungsausschussgesetz in mehrfacher Hinsicht die Rechte der Ausschussminderheit. Damit insbesondere die im Bundestag in Opposition zur Regierung stehenden Fraktionen ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen und auch Vorgänge aufklären lassen können, deren Aufdeckung der Parlamentsmehrheit und der von dieser getragenen Regierung unangenehm sind, werden schon für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der regelmäßig aus Abgeordneten der Oppositionsparteien bestehenden qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages durch Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG und § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 PUAG besondere Befugnisse übertragen. Entsprechend räumt das Untersuchungsausschussgesetz im Interesse einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle der von der Bundestagsund Ausschussmehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane der qualifizierten Minderheit von einem Viertel (teilweise auch von mehr als einem Drittel; vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2, § 25 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz PUAG) der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses im Rahmen der Arbeit dieses Gremiums vielfältige Rechte ein, die sie unabhängig von der Ausschussmehrheit wahrnehmen und - gegebenenfalls gerichtlich - durchsetzen kann (vgl. § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4, § 18 Abs. 3 und 4 Satz 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 PUAG).
Vor allem steht der qualifizierten Minderheit von einem Viertel ein Beweisantrags- und Beweiserzwingungsrecht zu. Vom Untersuchungsausschuss sind Beweise zu erheben, wenn sie von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der im Untersuchungsausschussgesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar (§ 17 Abs. 2 PUAG). Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gegen die von der Mehrheit beschlossene Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen gelten die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 28 GOBT) zur Reihenfolge der Reden entsprechend (§ 17 Abs. 3 PUAG), sodass bei der Festlegung der Reihenfolge der Beweiserhebung auch die Vorstellungen der Opposition Berücksichtigung finden (vgl. Beschlussempfehlung Untersuchungsausschussgesetz, BTDrucks. 14/5790, S. 17). Verweigert ein Zeuge das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund oder verweigert eine Person die Herausgabe eines Gegenstandes, die für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur Erzwingung des Zeugnisses oder der Herausgabe die Haft anordnen (§ 27 Abs. 2, § 29 Abs. 2 Satz 2 PUAG). Werden als Beweismittel in Betracht kommende Gegenstände nicht freiwillig vorgelegt, so entscheidet nach § 29 Abs. 3 Satz 1 PUAG auf Antrag derselben qualifizierten Minderheit der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Beschlagnahme und die Herausgabe an den Untersuchungsausschuss. Widerspricht eine Person, die über ein Beweismittel verfügungsberechtigt ist, der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM durch den Untersuchungsausschuss, so hat die Aufhebung zu unterbleiben, wenn nicht der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Ausschussmitglieder sie für zulässig erklärt. Ergänzt wird dies durch die Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz PUAG, wonach die Zurückweisung der Frage an einen Zeugen einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Ausschusses bedarf. Durch diese Rechte wird die Minderheit im Untersuchungsausschuss in die Lage versetzt, eine möglichst umfassende Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts durchzusetzen (vgl. BayVerfGH Entscheidung vom 10. Oktober 2006 - Vf. 19-IVa-06, BayVBl 2007, 171; Klein in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 44 Rn. 197 - Stand August 2005).
bb) Entsprechende Befugnisse einer qualifizierten Ausschussminderheit zur Erzwingung der Gegenüberstellung von Zeugen sieht das Untersuchungsausschussgesetz hingegen nicht vor.
Gemäß § 24 Abs. 2 PUAG ist die Gegenüberstellung zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist. Dies ist der Fall, wenn ihre Durchführung wegen widersprüchlicher Aussagen von Zeugen zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts beitragen kann. Zweck einer Vernehmungsgegenüberstellung im Untersuchungsverfahren ist es, Widersprüche zwischen den Aussagen von Zeugen durch Rede und Gegenrede, Fragen und Vorhalte zu klären. Der Untersuchungsausschuss ist aber nicht verpflichtet, eine für den Untersuchungszweck gebotene Gegenüberstellung anzuordnen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 PUAG, der eine solche Gegenüberstellung lediglich für zulässig erklärt, ohne ihre Durchführung zum Zwecke der Aufklärung allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen zur Pflicht zu machen. Entgegen der Meinung der Antragstellerin kann eine Pflicht des Untersuchungsausschusses zur Gegenüberstellung nicht daraus abgeleitet werden, dass diese für den Untersuchungszweck geboten und die einzig geeignete Methode zur Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts ist. Wenn der Gesetzgeber den Untersuchungsausschuss in diesem Fall zu einer solchen Gegenüberstellung hätte verpflichten wollen, hätte er § 24 Abs. 2 PUAG etwa wie folgt formuliert: "Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen ist durchzuführen, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist."
Ob eine Gegenüberstellung durchzuführen ist, entscheidet gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG die Ausschussmehrheit. Deren Entscheidung ist abschließend. Das Untersuchungsausschussgesetz enthält keine Bestimmung, die der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses die Befugnis einräumt, gegen den Willen der Ausschussmehrheit die Gegenüberstellung durchzusetzen oder die Entscheidung der Mehrheit gerichtlich überprüfen zu lassen.
Dem § 24 Abs. 2 PUAG lässt sich derartiges nicht entnehmen; es kann auch nicht aus sonstigen Vorschriften, insbesondere aus § 17 Abs. 2 und Abs. 4 PUAG, hergeleitet werden. Diese Vorschriften bestimmen, dass Beweise zu erheben sind, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, und diese qualifizierte Minderheit auf gerichtliche Entscheidung antragen kann, wenn die Mehrheit eine Beweiserhebung dennoch ablehnt. Der auf die Durchführung einer Gegenüberstellung gerichtete verfahrensgegenständliche Antrag ist kein Beweisantrag im Sinne dieser Vorschrift, weil er nicht die Vernehmung der Zeugen Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg, Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan, die bereits vernommen worden sind, zu einer bestimmten Beweisbehauptung zum Gegenstand hat. Vielmehr zielt er als Verfahrensantrag auf die nochmalige Durchführung der Vernehmung in der bestimmten Art und Weise der Vernehmungsgegenüberstellung als besonderer Form der Zeugenvernehmung ab (Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174; vgl. für den Strafprozess auch KK-Senge, StPO, 6. Aufl. § 58 Rn. 7; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 58 Rn. 8, 10).
Die eindeutige gesetzliche Regelung im Untersuchungsausschussgesetz, die bei den weniger wichtigen Verfahrensfragen die demokratische Mehrheitsregel vorschreibt, kann auch nicht durch die undifferenzierte Annahme einer "maßgeblichen Geltungsmacht" der Minderheit im Untersuchungsausschuss unterlaufen werden (vgl. Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174). Zwar ist der Mitgestaltungsanspruch der qualifizierten Minderheit grundsätzlich dem der Ausschussmehrheit vom Gewicht her gleich zu erachten (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 222; Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 5). Jedoch ist es grundsätzlich Sache des einfachrechtlichen Gesetzgebers, wie er diesen - verfassungsrechtlich in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten - Anspruch für das Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen im Einzelnen ausformt und mit dem an sich auch für die Arbeit dieser Ausschüsse zu respektierenden demokratischen Grundprinzip der Mehrheitsentscheidung zum Ausgleich bringt. Die hierzu erforderliche Grenzziehung hat der Gesetzgeber mit den dargestellten differenzierten Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Gestaltungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten qualifizierter Minderheiten im Beweiserhebungsverfahren eines Untersuchungsausschusses vorgenommen. Wenn es der qualifizierten Minderheit der Mitglieder des Ausschusses danach verwehrt ist, die Gegenüberstellung von Zeugen durch einen entsprechenden Antrag zu erzwingen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzen, so haben die an das Gesetz gebundenen Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) dies grundsätzlich zu respektieren.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Gesetzgeber dadurch, dass er in diesem Punkt der Ausschussmehrheit die gerichtlich nicht überprüfbare alleinige Entscheidungskompetenz zugesprochen hat, die Mitgestaltungsbefugnis der qualifizierten Minderheit in einer Weise beschränkt hätte, die mit den aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht mehr in Einklang stünde. Nur in diesem Fall wäre der Senat als Fachgericht berufen zu prüfen, ob nicht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Prinzipien doch eine Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes entgegen seinem Wortlaut in Betracht käme, die der qualifizierten Ausschussminderheit insoweit eigene Gestaltungsrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten einräumt; wäre eine derartige verfassungskonforme Auslegung nicht möglich, so wäre die Sache dagegen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, damit dieses über die Vereinbarkeit von § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 PUAG entscheidet (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Senat hält indes § 24 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG für vereinbar. Hierzu gilt:
Die Bestimmungen des Untersuchungsausschussgesetzes zu den Rechten der Ausschussminderheit bleiben in ihrer Gesamtheit nicht hinter dem verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Minderheitenschutz zurück (vgl. Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 22 f.). Sie enthalten einen angemessenen Ausgleich zwischen dem notwendigen Minderheitenschutz einerseits und dem in der Demokratie grundsätzlich geltenden Mehrheitsprinzip andererseits (vgl. dazu Achterberg/Schulte in: Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44 Rn. 157 ff.). Sie gewährleisten, dass sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit des Untersuchungsausschusses ihre Vorstellungen von einer sachgemäßen Aufklärung des zu untersuchenden Sachverhalts in angemessener Weise durchsetzen kann. Ein weitergehender Schutz der qualifizierten Ausschussminderheit dadurch, dass ihr über die ausdrücklich im Untersuchungsausschussgesetz geregelten Gestaltungsbefugnisse und Antragsrechte auf gerichtliche Entscheidung hinaus weitere zugestanden werden, ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Minderheit im Untersuchungsverfahren - wie die Antragstellerin meint - umfassend die "maßgebliche Geltungsmacht" zuzuerkennen wäre, existiert nicht. Vielmehr bestehen Minderheitenrechte als Ausnahmen von der in der parlamentarischen Demokratie geltenden Regel der Mehrheitsentscheidung auch im Untersuchungsverfahren nur insoweit, als sie sich zwingend aus der Verfassung - oder den diese konkretisierenden einfach gesetzlichen Regelungen - ergeben (Glauben/Brocker, aaO, § 27 Rn. 2 mwN; Brocker, BayVBl. 2007, 173, 174).
Die fehlende Berechtigung der qualifizierten Minderheit, bei der Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung den Bundesgerichtshof anrufen zu können, steht vor diesem Hintergrund in Einklang mit dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens. In diesem geht es um die Aufklärung eines Sachverhalts unter politischen Gesichtspunkten, die möglichst zeitnah und zügig geschehen soll. Bei der Beurteilung, ob wegen Widersprüchen in den Aussagen von Zeugen eine Gegenüberstellung zulässig und zweckmäßig ist, sind die politischen Bewertungen der Zeugenaussagen von ausschlaggebender Bedeutung. Diese ist Aufgabe der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und nicht der Gerichte, die nur über Rechtsfragen, nicht dagegen über politische Bewertungen zu entscheiden haben.
Durch die Ablehnung einer Vernehmungsgegenüberstellung wird das Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an der Sachaufklärung nicht in so gravierender Weise eingeschränkt, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend erforderlich wäre; denn der Ausschussminderheit bleiben ausreichende sonstige Möglichkeiten, auf sich widersprechende Zeugenaussagen zu reagieren. So kann sie einem Zeugen regelmäßig die gegenteilige Aussage eines anderen Zeugen vorhalten. Entsprechend wurde im vorliegenden Fall der Bundesverteidigungsminister Dr. Freiherr zu Guttenberg mit den Aussagen der Zeugen Staatssekretär a. D. Dr. Wichert und General a. D. Schneiderhan konfrontiert. Außerdem stehen die sich widersprechenden Zeugenaussagen für die politische Bewertung zur Verfügung, sodass die Ablehnung einer Gegenüberstellung im Vergleich zu einer abgelehnten Zeugenvernehmung die Interessen der Ausschussminderheit nur in geringem Umfang beeinträchtigt. Weiterhin hat die qualifizierte Ausschussminderheit des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit, durch Presseerklärungen auf Widersprüche in Zeugenaussagen hinzuweisen, um eine Berichterstattung in den Medien zu ereichen. Sie kann zudem die Begründung, mit der eine Gegenüberstellung abgelehnt worden ist, der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen, die sich selbst ein Bild von der Überzeugungskraft der Ablehnungsgründe verschaffen kann. Weiterhin kann sie ein Sondervotum (§ 33 Abs. 1 und 2 PUAG) zum Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses erstellen und sich in diesem zu den Widersprüchen in den Zeugenaussagen äußern. Weitergehende Befugnisse sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend geboten.
3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst. Hinsichtlich der Gerichtskosten ist ein Gebührentatbestand nicht ersichtlich, zudem wäre der Bund von der Bezahlung dieser Gebühren befreit. Auch für die Überbürdung der Kosten der an dem Verfahren Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. zudem § 35 Abs. 1 PUAG). Einer entsprechenden Anwendung der VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 3 ARs 27/06 und Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 ARs 24/08) steht im vorliegenden Fall entgegen, dass sich der Untersuchungsausschuss und eine Minderheit seiner Mitglieder als Beteiligte gegenüberstehen. Die Übertragung der Regelungen der §§ 154 ff. VwGO erscheint in dieser einem Organstreit ähnlichen Konstellation grundsätzlich nicht sach- und interessengerecht (vgl. auch § 34a Abs. 3 BVerfGG).
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 756
Externe Fundstellen: BGHSt 55, 257; NJW 2010, 3251
Bearbeiter: Ulf Buermeyer