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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 372

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 499/18, Urteil v. 06.02.2019, HRRS 2019 Nr. 372


BGH 1 StR 499/18 - Urteil vom 6. Februar 2019 (LG Tübingen)

Molekulargenetische Vergleichsuntersuchung (Darstellungsanforderungen im Urteil).

§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen mitteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH NJW 2015, 2594 Rn. 20 mwN).

2. Dies gilt nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen nicht für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, da es sich insoweit mittlerweile um ein standardisiertes Verfahren handelt (vgl. BGH NJW 2018, 3192, 3193).

3. Bei Mischspuren, d.h. von Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen, wird von den Tatgerichten weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist.

4. Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 118, 119). Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt sowie welche Bedeutung einer fremden Ethnie für die Vergleichspopulation zukommt. Solange allerdings nicht ausschließlich ein Alternativtäter aus der fremden Ethnie in Betracht kommt, ist die am Tatort lebende deutsche bzw. europäische Wohnbevölkerung als Vergleichspopulation nicht zu beanstanden (vgl. BGH NStZ 2016, 111 ff.).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 18. April 2018 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dem Tatvorwurf weiterer drei sexueller Übergriffe hat es ihn jeweils nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freigesprochen.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte griff am 24. Mai 2015 gegen 4.30 Uhr die Geschädigte K. in einer Grünanlage von hinten an, zerrte sie in ein Gebüsch und brachte sie dort mit Gewalt zu Boden. Um ihre Hilfeschreie zu unterdrücken, hielt er ihr den Mund mit äußerster Gewalt zu. Dann würgte er sie so heftig und lange, dass sie kurz vor Eintritt der Bewusstlosigkeit aus Angst um ihr Leben ihre Gegenwehr einstellte. Sodann vollzog er den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss (Fall II.1. der Urteilsgründe).

Am 11. Oktober 2015 befand sich die Geschädigte G. gegen 5.20 Uhr auf dem Heimweg. Als die Geschädigte während des Durchquerens des A. B. Ga. s in T. ein Telefonat führte, überfiel der Angeklagte sie von hinten, zog sie unter einen Baum und brachte sie gewaltsam zu Boden. Er würgte sie am Hals und hielt ihr den Mund zu. Der Angeklagte wollte dadurch ihre Schreie unterdrücken und ihren Widerstand brechen, um mit ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die Passantin D., die die Schreie gehört hatte, näherte sich, um der Geschädigten zu Hilfe zu kommen. Der Fahrradfahrer Di. stellte in derselben Absicht sein Fahrrad ab. Der Angeklagte wurde gewahr, dass sein Angriff nicht unbemerkt geblieben war, und war daher gezwungen, sein Vorhaben, den Geschlechtsverkehr durchzuführen, aufzugeben und zu fliehen (Fall II.2. der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht war aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe, die in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme, insbesondere mit den an der Geschädigten nach der Tat gesicherten biologischen Spuren, stand, davon überzeugt, dass der Angeklagte in diesem Fall der Täter war. Die an der Geschädigten gesicherten biologischen Spuren in der Unterhose, am Scheideneingang und im Scheidengewölbe waren Mischspuren, in denen neben der DNA der Geschädigten jeweils auch diejenige des Angeklagten „mit allen DNA-Merkmalen nachweisbar war“. Die DNA der in der Unterhose festgestellten Spermaspur stimmte mit der des Angeklagten überein, wobei „die statistische Häufigkeit der insoweit festgestellten übereinstimmenden Merkmalskombinationen bei 1 zu 3,5 Quadrillionen“ lag.

Den sexuellen Übergriff zulasten der Geschädigten im Fall II.2. der Urteilsgründe hat der Angeklagte bestritten. Weder die Geschädigte noch die beiden Zeugen konnten den Angeklagten als Täter identifizieren. Die Strafkammer ist jedoch aufgrund der am Kehlkopf und am Hals der Geschädigten sowie am Halsbereich ihres T-Shirts gefundenen biologischen Spuren in Verbindung mit weiteren Indizien davon überzeugt, dass der Angeklagte auch hier der Täter war.

Die bei der Geschädigten gesicherten Hautabriebspuren wurden biologisch untersucht. Nach den Ausführungen der Sachverständigen handelte es sich hierbei jeweils um Mischspuren von „zumindest drei Personen“, bei denen dem Angeklagten zuzuordnende DNA-Merkmale vollständig nachgewiesen werden konnten. Darüber hinaus seien neben der DNA des Angeklagten auch die DNA-Merkmale der Geschädigten sowie einer dritten (berechtigten) Person vollständig enthalten gewesen. Bei der Berechnung der Häufigkeit der Merkmalskombination bei Mischspuren würden „sämtliche möglichen Merkmalskombinationen aus den gefundenen DNA-Merkmalen“ berücksichtigt. In Bezug auf die Hautabrieb-Mischspur vom Kehlkopf der Geschädigten ergebe sich die Häufigkeit der Merkmalskombination in der Größenordnung von 1 zu 6.700.000.

Dies bedeute bei statistischer Betrachtung, dass unter etwa 6,7 Millionen zufällig ausgewählten, nicht verwandten Personen eine Person als möglicher Mitverursacher der Spur zu erwarten sei. Auch in einer Hautabrieb-Mischspur von der linken Halsseite der Geschädigten hätten die DNA-Merkmale des Angeklagten vollständig nachgewiesen werden können (Häufigkeit der Merkmalskombination 1 zu 242.100), in einer weiteren Mischspur von zumindest vier Personen vom Halsausschnitt des T-Shirts habe die Wahrscheinlichkeit der Merkmalskombination des Angeklagten bei 1 zu 5.900 gelegen.

Die Sachverständige habe verständlich und schlüssig die Bedeutung des vollständigen Nachweises der DNA-Merkmale sowie die Berechnung von deren statistischer Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der weiteren Spurenanteile in den drei dargestellten Mischspuren gerade in Abgrenzung zu zwei weiteren Mischspuren erläutert, in denen die DNA des Angeklagten nur unvollständig enthalten gewesen sei. So hätten in einer Mischspur von der rechten Wange der Geschädigten vier Allele gefehlt und in einer weiteren von der Außenseite des rechten vorderen Jackenkragens der Geschädigten ein Allel. Die Spuren des Angeklagten seien nicht an der Nachweisgrenze gelegen, sondern seien „eindeutig“ gewesen. Die errechneten Häufigkeitswerte würden auch durch nichteuropäische Personen als Vergleichsgruppe nicht verändert. Die nachgewiesenen Spuren mit den vollständigen DNA-Merkmalen des Angeklagten hätten nur durch einen heftigen und intensiven Kontakt, nicht aber durch einen Zufallskontakt entstehen können. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Spur am Kehlkopf. Eine indirekte Übertragung der drei vollständigen DNA-Spuren sei ebenfalls auszuschließen, da die DNA-Spuren des Angeklagten nicht an exponierten Körperstellen, sondern am Hals aufgefunden worden seien - und zwar gerade an den Stellen, an denen nach den Angaben der Geschädigten die Gewalteinwirkung des Täters stattgefunden habe.

Weitere Indizien hätten die Täterschaft des Angeklagten bestätigt:

Die Passantin habe eine dunkle Gestalt weglaufen sehen und eine dunkelhäutige Person verdächtigt. Die Geschädigte habe angegeben, sie habe nur „schwarz“ gesehen; der Angeklagte habe in der Tatnacht - bei einem zuvor in einer Diskothek begangenen Körperverletzungsdelikt - im Wesentlichen schwarze Kleidung getragen. Die Sexualdelikte im Fall II.1. und im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie die von dem rechtsmedizinischen Sachverständigen aufgezeigte Entstehung der Verletzungen bei den Geschädigten hätten große Parallelen aufgewiesen. Die Tatörtlichkeit passe zum Heimweg des Angeklagten. In zwei weiteren Mischspuren von der Wange rechts und der rechten Außenseite des Kragens der Jacke der Geschädigten seien die DNA-Merkmale des Angeklagten ebenfalls, wenn auch nicht vollständig, nachgewiesen worden, weil ein bzw. vier Allele gefehlt hätten; die Spuren hätten sich an Körperstellen befunden, auf die der Täter nach den Angaben der Geschädigten gewaltsam eingewirkt habe.

II.

Das Urteil hält rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten in Fall II.2. der Urteilsgründe und der Ausschluss eines Rücktritts vom Versuch als rechtsfehlerfrei. Die DNA-Spur am Kehlkopf der Geschädigten stellt ein äußerst gewichtiges Indiz dar, das zusammen mit den anderen festgestellten Beweisanzeichen die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt.

1. Die vom Landgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens im Fall II.2. der Urteilsgründe begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken.

a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192 Rn. 8 mwN [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).

Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 2 StR 572/16, Rn. 12). Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen mitteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, aaO Rn. 9 mwN und vom 27. Juni 2017 - 2 StR 572/16, Rn. 12 f.) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2015 - 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594 Rn. 20 mwN und vom 30. März 2016 - 4 StR 102/16, Rn. 12).

Dies gilt nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen nicht für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, da es sich insoweit mittlerweile um ein standardisiertes Verfahren handelt (zur Begründung vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).

Bei Mischspuren, d.h. von Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur Bewertung von DNA-Mischspuren, NStZ 2007, 447), wird von den Tatgerichten weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2018 - 5 StR 362/18, Rn. 9).

Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 - 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119). Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 2 StR 572/16, Rn. 13 mwN; Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 136; zur Klassifikation von Mischspuren Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447) sowie welche Bedeutung einer fremden Ethnie für die Vergleichspopulation zukommt. Solange allerdings nicht ausschließlich ein Alternativtäter aus der fremden Ethnie in Betracht kommt, ist die am Tatort lebende deutsche bzw. europäische Wohnbevölkerung als Vergleichspopulation nicht zu beanstanden (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 4 StR 555/14, NStZ 2016, 111 ff.; Urteil vom 24. März 2016 - 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490 Rn. 26 f.).

b) Die tatrichterlichen Ausführungen erfüllen diese Anforderungen.

Die Strafkammer teilt mit, wie viele Spurenverursacher mindestens in Betracht kommen; der Typ der Mischspur - Spur ohne klaren Hauptverursacher - ist erkennbar (vgl. dazu Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447); ausgeführt ist, welche Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen bestanden sowie die Wahrscheinlichkeit der Merkmalskombinationen. Die Sachverständige hat sich ausweislich der Urteilsgründe auch mit anderen möglichen Vergleichspopulationen auseinandergesetzt und dargelegt, dass die von ihr errechneten Häufigkeitswerte durch nichteuropäische Personen als Vergleichsgruppe nicht verändert würden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. Januar 2018 - 4 StR 498/17, NStZ 2018, 303).

Die Anzahl der untersuchten STR-Systeme wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich genannt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist aber zu entnehmen, dass die Sachverständige in beiden Fällen 16 STR-Systeme untersucht hat. So teilt die Strafkammer u.a. mit, dass in den erhobenen Mischspuren neben der DNA der Geschädigten auch jene des Angeklagten „mit allen DNA-Merkmalen“ bzw. „vollständig“ nachweisbar war. Hiermit nimmt die Strafkammer Bezug auf die heute routinemäßig mit 16 DNA-Markersystemen durchgeführte Untersuchung (vgl. Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 140, Ziffer 4.3; Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Schneider, Erläuterungen zu den wissenschaftlichen Grundlagen biostatistischer Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Rahmen von DNA-Spurengutachten, NStZ 2013, 693, 695 f.; ferner BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454 Rn. 19 und vom 24. März 2016 - 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490). Daran bestehen vorliegend keine Zweifel, weil die Sachverständige im Fall II.1. der Urteilsgründe eine biostatistische Wahrscheinlichkeit von mehreren Quadrillionen errechnet hat. Ein solcher Wert zeigt hier die Untersuchung von 16 STR-Systemen auf (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 - 2 StR 112/14, aaO Rn. 22, 39 und vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, aaO Rn. 19; Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/ Schneider aaO; s. auch Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe „Biostatistische DNA-Berechnungen“ und der Spurenkommission zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden, NStZ 2017, 135, 140, Ziffer 4.3.), ohne dass Anhaltspunkte für ein anderes Vorgehen der Sachverständigen im Fall II.2. der Urteilsgründe bestehen.

Soweit die Revision beanstandet, dass sich die Urteilsausführungen zur getrennten Vererblichkeit der untersuchten Merkmalsysteme nicht verhalten, ist zu bemerken, dass nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, keine Ausführungen zur genetischen Unabhängigkeit der untersuchten Merkmalsysteme im Urteil mehr erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, aaO).

Auch das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192 Rn. 9 mwN [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]).

2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kommt - anders als der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift meint - kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch in Betracht. Der unbeendete Versuch der Vergewaltigung war nach dem Ende der letzten Ausführungshandlung des Angeklagten fehlgeschlagen, weil dieser nach seinem von der Strafkammer festgestellten Vorstellungsbild infolge der Rufe der auf das Tatgeschehen aufmerksam gewordenen und sich nähernden Passantin den Vollzug des Geschlechtsverkehrs nicht mehr für möglich hielt. Es fehlt damit an einem freiwilligen Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 372

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 427; StV 2020, 834

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede