HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 816
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 555/14, Beschluss v. 20.05.2015, HRRS 2015 Nr. 816
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 14. Juli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Am Abend des 9. Dezember 2008 befand sich die Nebenklägerin zu Fuß auf dem Heimweg zur Wohnung ihres Freundes in F. Im Bereich von zwei die Straße überquerenden Brücken trat der mit einer abgeschnittenen Nylonstrumpfhose maskierte Angeklagte von hinten an sie heran, umklammerte mit dem rechten Arm ihren Hals und setzte ihr mit der linken Hand ein Messer an die rechte Halsseite. Sodann schob er die Nebenklägerin in den Zuweg zu einem Bahnbetriebsgelände und forderte sie auf, sich hinzusetzen. Als der Angeklagte seinen Griff lockerte, um sich vor die Nebenklägerin zu stellen, versuchte diese zu fliehen. Dabei kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Angeklagte der Nebenklägerin mit bedingtem Tötungsvorsatz zahlreiche Verletzungen mit dem Messer zufügte. Danach ließ er jedoch von ihr ab, sodass die Nebenklägerin fliehen und die Polizei informieren konnte.
2. Am 10. Januar 2012 traf der Angeklagte in F. zufällig auf den ihm aus der Betäubungsmittelszene bekannten Geschädigten, der eine frühere Betäubungsmittellieferung des Angeklagten bis dahin nicht bezahlt hatte. Der Angeklagte griff dem Geschädigten mit einer Hand an den Hals, setzte ihm das in der anderen Hand geführte Messer an den Hals und drohte, ihn umzubringen, wenn er seine Geldforderung nicht erfülle. Der Geschädigte zog sich bei dem Versuch, die Messerklinge von seinem Hals zu entfernen, eine heftig blutende Schnittwunde am kleinen Finger der linken Hand zu. Als er zusagte, das Geld zu beschaffen, ließ der Angeklagte von ihm ab. Der Geschädigte entfernte sich daraufhin und verständigte durch einen Notruf die Polizei, die den Angeklagten am Tatort antraf und ihn vorläufig festnahm.
3. Der Angeklagte hat sich zum Tatgeschehen nicht eingelassen. Ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei der Tat am 9. Dezember 2008 hat die Strafkammer maßgeblich darauf gestützt, dass bei der Untersuchung von Spurenmaterial an einer am Tatort sichergestellten Nylonstrumpfhose ein DNA-Identifizierungsmuster festgestellt werden konnte, das mit dem in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Muster des Angeklagten übereinstimmt. Bei einer am Höschenteil der Strumpfhose gesicherten Hautschuppe sei das festgestellte Merkmalsmuster mit acht bestätigten Merkmalssystemen unter Zugrundelegung von populationsgenetischen Daten für die deutsche Bevölkerung mit einer Häufigkeit von 1 : 280 Milliarden zu erwarten. Hinsichtlich einer weiteren im Höschenbund festgestellten Mischspur habe eine auf der Grundlage europäisch-kaukasischer Bevölkerungsstichproben vorgenommene biostatistische Berechnung ergeben, dass die Mischspur rund 38 Trillionen Mal besser durch die Annahme erklärt werden könne, dass sie vom Angeklagten und einer unbekannten Person verursacht wurde, als durch die Annahme einer Verursachung durch zwei unbekannte Personen.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Die Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte geltend macht, das in der DNA-Analyse-Datei gespeicherte DNA-Identifikationsmuster des Angeklagten, das aus der Untersuchung einer nach der Festnahme am 10. Januar 2012 freiwillig abgegebenen Speichelprobe gewonnen wurde, unterliege einem Beweisverwertungsverbot, ist unbegründet.
a) Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Untersuchung des Spurenmaterials an der nach der Tat am 9. Dezember 2008 am Tatort aufgefundenen Nylonstrumpfhose ergab das DNA-Muster einer unbekannten männlichen Person, das in der beim Bundeskriminalamt geführten DNA-Analyse-Datei gespeichert wurde. Der Abgleich mit den zum damaligen Zeitpunkt dort vorhandenen Daten ergab keine Übereinstimmung.
Am 10. Januar 2012, dem Tag der Begehung der zweiten durch das Urteil festgestellten Tat, wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen und gab an diesem Tag freiwillig eine Speichelprobe ab. Dabei wurde dem Angeklagten eine formularmäßige Einwilligungserklärung zur Entnahme und molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen zu Vergleichszwecken vorgelegt, die sich auf die molekulargenetische Untersuchung im laufenden Strafverfahren (§ 81e StPO) bezog, nicht jedoch, wie es seitens des ermittelnden Polizeibeamten beabsichtigt war, auf die molekulargenetische Untersuchung zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§ 81g StPO). Durch Unterschrift unter dieses Formular erklärte der Angeklagte sein Einverständnis mit der molekulargenetischen Untersuchung der von ihm freiwillig abgegebenen Speichelprobe. Nachdem die Verwendung des falschen Formulars bemerkt worden war und der Angeklagte telefonisch nicht hatte erreicht werden können, suchte KHK G. den Angeklagten am 28. März 2012 auf und fragte ihn, ob er auch eine Freiwilligkeitserklärung im Hinblick auf die Untersuchung der abgegebenen Speichelprobe für künftige Strafverfahren abgeben wolle. Der Angeklagte erklärte daraufhin, er werde sich dies bis zu der am 30. März 2012 vorgesehenen Beschuldigtenvernehmung überlegen. Zu dieser Vernehmung erschien der Angeklagte nicht.
In seinem Abschlussbericht vom 19. April 2012 hielt KHK G. fest, dass eine „Speicherung der DNA-Formel“ auf der Grundlage der vorliegenden Freiwilligkeitserklärung „rechtlich nicht möglich“ sei. Er regte daher bei der Staatsanwaltschaft die Stellung eines Antrags auf Erlass eines richterlichen Beschlusses gemäß § 81g StPO an. In dem Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10. Januar 2012 wurde ein DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten nicht benötigt, weshalb auch keine Untersuchung der Speichelprobe erfolgte. Diese wurde vielmehr bei der Polizei aufbewahrt. Am 13. November 2012 stellte die Staatsanwaltschaft zugleich mit der Übersendung der Anklage wegen der Tat am 10. Januar 2012 einen Antrag beim Amtsgericht F. auf Erlass eines Beschlusses gemäß § 81g StPO. Dieser Beschluss des Amtsgerichts erging am 29. November 2012. Daraufhin wurde die bei der Polizei aufbewahrte Speichelprobe molekulargenetisch untersucht und das gewonnene DNA-Identifizierungsmuster in die DNA-Analyse-Datei eingestellt. Der Vergleich des DNA-Identifizierungsmusters mit den dort gespeicherten Daten ergab eine Übereinstimmungsmitteilung im Hinblick auf das DNA-Identifizierungsmuster, das aus dem im Zusammenhang mit der Tat am 9. Dezember 2008 sichergestellten Spurenmaterial gewonnen worden war.
b) Die Verwertung des in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten DNA-Identifizierungsmusters des Angeklagten zum Nachweis von dessen Täterschaft hinsichtlich der Tat am 9. Dezember 2008 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar durfte die nach der Festnahme am 10. Januar 2012 vom Angeklagten freiwillig abgegebene Speichelprobe für die molekulargenetische Untersuchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach § 81g StPO nicht verwendet werden (aa). Aus diesem Verfahrensverstoß ergibt sich jedoch für das durch die Untersuchung erlangte DNA-Identifizierungsmuster kein Beweisverwertungsverbot (bb).
aa) Die Untersuchung der vom Angeklagten abgegebenen Speichelprobe zu Zwecken der Identitätsfeststellung nach § 81g StPO war allerdings weder durch die vom Angeklagten am 10. Januar 2012 abgegebene Freiwilligkeitserklärung noch durch die mit Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. November 2012 getroffene richterliche Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO gedeckt.
(1) Die schriftliche Einwilligungserklärung des Angeklagten vom 10. Januar 2012 bezog sich ausschließlich auf die Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters aus der abgegebenen Speichelprobe zur Verwendung im Ermittlungsverfahren wegen der Tat vom selben Tag. Ein Einverständnis mit der Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters für andere Zwecke - namentlich zur Verwendung der Ergebnisse zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren - war damit nicht verbunden. Diese Differenzierung hinsichtlich der Reichweite der Einwilligungserklärung entspricht dem gesetzgeberischen Konzept, das der Regelung in § 81f StPO und § 81g StPO zugrunde liegt. So verlangen § 81f Abs. 1 Satz 2 StPO und § 81g Abs. 3 Satz 3 StPO jeweils, dass die einwilligende Person darüber zu belehren ist, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden. Mit dieser gesetzlichen Regelung wäre es nicht vereinbar, dem Einverständnis mit der Gewinnung des DNA-Identifizierungsmusters zur Verwendung im laufenden Ermittlungsverfahren auch das Einverständnis mit der Verwendung zu Zwecken des § 81g StPO zu entnehmen.
(2) Die Untersuchung der Speichelprobe war auch nicht in Vollzug der durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. November 2012 getroffenen Anordnung nach § 81g StPO zulässig. Die Bestimmung des § 81g Abs. 1 Satz 1 StPO gestattet unter näher geregelten Voraussetzungen zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung. Fehlt eine schriftliche Einwilligungserklärung des Betroffenen für die Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren, ist nach § 81g Abs. 3 Satz 1 StPO die Entnahme der hierfür erforderlichen Körperzellen in der Regel richterlich anzuordnen. Ein Rückgriff auf bereits vorher zu anderen Zwecken erhobene Körperzellen ist in § 81g StPO nicht vorgesehen und kann dementsprechend durch die Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 StPO nicht legitimiert werden. Einem solchen Rückgriff steht vielmehr die Regelung des § 81a Abs. 3 StPO entgegen.
Nach dieser durch das Strafverfahrensänderungsgesetz - DNA-Analyse („Genetischer Fingerabdruck“) - vom 17. März 1997 (BGBl. I S. 534) in die Strafprozessordnung eingefügten Vorschrift, durch die nach den Intentionen des Gesetzgebers insbesondere verhindert werden soll, dass entnommenes Zellmaterial und hieraus gewonnene Zwischenprodukte zu einem späteren Zeitpunkt in missbräuchlicher Weise molekulargenetisch untersucht werden können (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/667 S. 6), dürfen dem Beschuldigten entnommene Körperzellen nur für Zwecke des der Entnahme zugrunde liegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden. Sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. Die Untersuchung entnommener Körperzellen zum Zwecke der Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ist durch die Verwendungsregelung des § 81a Abs. 3 StPO nicht gedeckt und damit unzulässig (vgl. Krause in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 81a Rn. 80; Senge in KK-StPO, 7. Aufl., § 81a Rn. 9a). Die vom Angeklagten abgegebene Speichelprobe hätte daher zur Umsetzung der Maßnahme nach § 81g StPO nicht herangezogen werden dürfen. Sie wäre vielmehr, da sie als Beweismittel für das Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10. Januar 2012 ersichtlich nicht benötigt wurde (vgl. Rogall in SK-StPO, 4. Aufl., § 81a Rn. 148; BT-Drucks. 13/667 aaO) und ein Zusammenhang mit dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9. Dezember 2008 (vgl. Senge aaO; Rogall aaO § 81a Rn. 124) nicht erkennbar war, unverzüglich zu vernichten gewesen.
bb) Die demnach verfahrensfehlerhafte Verwendung der vom Angeklagten abgegebenen Speichelprobe zur Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters des Angeklagten gemäß § 81g StPO führt indes nicht zur Unverwertbarkeit des in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Identifizierungsmusters. Nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. BVerfG, NJW 2012, 907, 910 f.; BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 BvR 616/13) - ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der dadurch erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (sog. Abwägungslehre). Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art und der Schutzzweck des etwaigen Beweiserhebungsverbots sowie das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts - den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Letzteres ist insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen werden, in Betracht zu ziehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 117/12, BGHSt 58, 84 Rn. 31 ff. mwN; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 70 Rn. 47 mwN; vom 11. November 1998 - 3 StR 181/98, BGHSt 44, 243, 248 f. mwN).
Nach diesen Grundsätzen resultiert aus der unzulässigen Verwendung der Speichelprobe des Angeklagten kein Beweisverwertungsverbot für das in der DNA-Analyse-Datei gespeicherte DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten. Zwar liegt in der Verletzung einer gesetzlich geregelten Verwendungsbeschränkung ein Verfahrensverstoß von nicht unerheblichem Gewicht. Die überwiegenden Gesichtspunkte sprechen jedoch gegen die Annahme eines Verwertungsverbots. Das verwertete DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten hätte ohne Weiteres durch nochmalige Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO erlangt werden können, die im vorliegenden Fall durch den Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. November 2012 auch tatsächlich erging. Der Beweiswert des molekulargenetischen Untersuchungsergebnisses wurde durch den Verfahrensverstoß nicht berührt. Der Verstoß beruht zudem nicht auf Vorsatz der Ermittlungsbehörden. Diese hatten vielmehr im Hinblick auf das sich ausschließlich auf Maßnahmen im laufenden Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10. Januar 2012 beziehende Einverständnis des Angeklagten zunächst ausdrücklich von einer Untersuchung abgesehen und eine richterliche Anordnung nach § 81g StPO eingeholt. Mit der Verwendung der vorhandenen Speichelprobe anstelle einer nochmaligen Entnahme von Körperzellen des Angeklagten hatte das Vorgehen der Ermittlungsbehörden ferner eine Zielrichtung, die auf Schonung der Rechtssphäre des Angeklagten ausgerichtet war und sich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls im Ansatz als nicht völlig unvertretbar darstellte. Schließlich ist den Regelungen in § 81a Abs. 3 StPO und § 81g Abs. 5 StPO zu entnehmen, dass die Verwendung gewonnener Körperzellen und eines molekulargenetischen Untersuchungsergebnisses nach der gesetzgeberischen Wertung gerade nicht ausnahmslos auf das Ausgangsstrafverfahren beschränkt ist. Nach § 81a Abs. 3 StPO hätte die Speichelprobe des Angeklagten als solche grundsätzlich in dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9. Dezember 2008 Verwendung finden können und die Vorschrift des § 81g Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StPO gestattet es, ein nach § 81e Abs. 1 StPO für Beweiszwecke im laufenden Ermittlungsverfahren erhobenes DNA-Identifizierungsmuster bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO zu Zwecken der Identitätsfeststellung in künftigen Verfahren in der DNA-Analyse-Datei zu speichern (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 81g Rn. 12b; Senge aaO § 81g Rn. 24).
2. Die von der Revision unter Verweis auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Steuerungsfunktion der als nichtcodierend bezeichneten Bereiche der menschlichen DNA vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erhebung von DNA-Identifizierungsmustern werden vom Senat nicht geteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit durch eine molekulargenetische Untersuchung nicht betroffen, solange sich die Eingriffsermächtigung auf den nichtcodierenden Anteil der DNA bezieht, ausschließlich die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters vorgenommen und das Genmaterial nach der Feststellung des Identifizierungsmusters vernichtet wird. Entscheidend ist, dass durch die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters anhand des anschließend zu vernichtenden Probenmaterials keine Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen ermöglicht werden (vgl. BVerfG, NJW 2001, 879, 880; NStZ 1996, 45, 46; vgl. zur Einschätzung des Gesetzgebers BT-Drucks. 13/667 S. 6, BT-Drucks. 12/7266 S. 11). Dass dies nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in Frage steht, wird von der Revision nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich.
3. Soweit die Revision in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet, dass das Landgericht bei seiner biostatistischen Bewertung der Auftretenswahrscheinlichkeit der an den Tatortspuren festgestellten DNA-Identifizierungsmuster auf die Daten der deutschen bzw. europäisch-kaukasischen Bevölkerung abgestellt hat, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts auf. Stützt das Tatgericht seine nach § 261 StPO gewonnene Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf das Ergebnis einer im Zusammenhang mit der Übereinstimmung von DNA-Identifizierungsmustern vorgenommenen Wahrscheinlichkeitsberechnung, wird - sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört - in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen darlegt, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 39/15; Urteile vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2455; vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116). Diesen Anforderungen ist die Strafkammer nachgekommen, indem sie sich - sachverständig beraten - eingehend mit der Frage der Auswahl der heranzuziehenden Vergleichspopulation auseinandergesetzt hat. Dass sie zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeiten einer Spurenverursachung durch eine unbekannte Person auf die am Tatort lebende deutsche bzw. europäische Wohnbevölkerung als Vergleichspopulation abgestellt hat, wobei die für diese Vergleichspopulation erhobenen Daten nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die in Deutschland bzw. Europa lebenden Ausländer umfassen, begegnet angesichts des Fehlens jeglicher konkreter Anhaltspunkte für einen aus derselben Herkunftsethnie wie der Angeklagte stammenden Alternativtäter keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Schneider/Anslinger u.a., NStZ 2013, 693, 695 ff.).
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 816
Externe Fundstellen: NJW 2015, 2594 ; NStZ 2016, 111 ; StV 2017, 498
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel