HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1114
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1275/16, Beschluss v. 13.10.2016, HRRS 2016 Nr. 1114
1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 - 1 Ws 56/16 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
3. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft durch eine Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.
Das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main leitete gegen den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 22. Februar 2013 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Tabaksteuerhinterziehung ein.
Der Beschwerdeführer wurde am 27. November 2014 wegen des Verdachts der bandenmäßigen Tabaksteuerhinterziehung aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. November 2014 festgenommen. Er befand sich, zuletzt auf Grundlage des Beschlusses der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 5. November 2015, bis zum 22. Juli 2016 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen.
Am 9. September 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Anklage gegen den Beschwerdeführer. Ihm wurde darin vorgeworfen, sich mit fünf weiteren Angeklagten zu einer Bande zusammengeschlossen zu haben, welche in 33 Fällen arbeitsteilig und in wechselnder Besetzung in Italien produzierte Zigaretten in ein Lager nach Nauen in Deutschland geschmuggelt und sie anschließend dem illegalen Wirtschaftskreislauf zugeführt habe. Dabei sei ein Steuerschaden in Höhe von 58.463.622,32 Euro entstanden.
Am 5. November 2015 eröffnete das Landgericht Potsdam - Wirtschaftsstrafkammer - das Hauptverfahren und bestimmte deren Beginn auf den 27. November 2015.
Ungeachtet einer von dem Vorsitzenden der zuständigen 5. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam am 6. Oktober 2015 erstatteten Überlastungsanzeige begann am 27. November 2015 die Hauptverhandlung. Diese musste nach dem sechsten Verhandlungstag, der am 8. Januar 2016 stattgefunden hatte, gemäß § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO am 26. Januar 2016 ausgesetzt werden, weil die Höchstdauer der zulässigen Unterbrechung von drei Wochen nicht eingehalten werden konnte. Dem lag zugrunde, dass die für den 14. und 15. Januar 2016 angesetzten Verhandlungstage wegen Erkrankung eines beisitzenden Richters der Strafkammer aufgehoben werden mussten und die darauffolgenden Verhandlungstage aufgrund eines Sportunfalls des Vorsitzenden der Strafkammer ebenfalls nicht stattfinden konnten.
Am 8. Februar 2016 terminierte der stellvertretende Kammervorsitzende unter erstmaliger Anordnung der Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters und eines Ergänzungsschöffen die Fortführung der Hauptverhandlung auf den 26. Februar 2016.
Mit Verfügung vom 24. Februar 2016 mussten die Verfahrensbeteiligten jedoch vor Beginn der Hauptverhandlung aufgrund Erkrankung des Berichterstatters wieder abgeladen werden.
Bis dahin stand auch kein Ergänzungsrichter für das Verfahren zur Verfügung. In einem Vermerk des stellvertretenden Kammervorsitzenden vom 25. Februar 2016 heißt es dazu: „Darüber hinaus gestaltete sich die Suche nach einem Vertreter für den erkrankten VRiLG […] und einem Ergänzungsrichter sehr schwierig, da sich sämtliche Strafrichter und die überwiegende Zahl der Zivilrichter für verhindert erklärt haben. Eine diesbezügliche Mitteilung des Präsidenten des LG, der über die Terminsaufhebung für den morgigen Freitag informiert ist, liegt mir auch jetzt nicht vor, so dass derzeit noch nicht einmal die Gerichtsbesetzung mitgeteilt werden kann.“
Die Hauptverhandlung begann am 10. März 2016 ein zweites Mal. Allerdings musste der stellvertretende Kammervorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung mitteilen, dass der zwischenzeitlich bestellte Ergänzungsrichter erkrankt sei. Das Verfahren wurde daraufhin zum zweiten Mal ausgesetzt.
Noch in der Hauptverhandlung vom 10. März 2016 waren die Verfahrensbeteiligten zu einem neuen Termin auf den 17. März 2016 geladen worden. In der Hauptverhandlung vom 17. März 2016 beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers eine Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 222a Abs. 2 StPO, um die Ordnungsmäßigkeit der Gerichtsbesetzung überprüfen zu können. Darüber hinaus stellte einer der Mitangeklagten, wie auch schon beim ersten Beginn der Hauptverhandlung, einen Befangenheitsantrag gegen den stellvertretenden Kammervorsitzenden, dem sich der Beschwerdeführer anschloss. Im Hinblick darauf wurde die Hauptverhandlung im Anschluss an die Verlesung der Anklageschrift unterbrochen und der auf den 18. März 2016 anberaumte Hauptverhandlungstermin aufgehoben.
Mit Beschluss vom 14. März 2016 ordnete das Brandenburgische Oberlandesgericht erneut Haftfortdauer an. Bereits zuvor hatte das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschlüssen vom 16. Juni 2015 und vom 1. Oktober 2015 Haftfortdauer angeordnet.
Die Hauptverhandlung wurde am 31. März 2016 fortgesetzt. Im Termin am 31. März 2016 rügte der Verteidiger des Beschwerdeführers die fehlerhafte Besetzung des Gerichts. Dem lag zugrunde, dass der stellvertretende Vorsitzende mit Verfügung vom 11. März 2016 einen Hauptschöffen an den Hauptverhandlungstagen vom 17. und 18. März 2016 von der Dienstleistung entbunden hatte, obwohl dieser lediglich angezeigt hatte, vom 4. bis 8. April sowie am 22. April 2016 an der Dienstleistung gehindert zu sein.
Im Hinblick darauf stellte das Gericht mit Beschluss vom 6. April 2016 fest, dass es aus den Gründen der erhobenen Rüge fehlerhaft besetzt sei.
Die Hauptverhandlung wurde daraufhin zum dritten Mal ausgesetzt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. April 2016 beantragte der Beschwerdeführer, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise, ihn gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Mit Beschluss vom 19. April 2016 half das Landgericht Potsdam der Haftbeschwerde nicht ab.
Die Hauptverhandlung begann am 29. April 2016 erneut.
Zu Beginn der Hauptverhandlung teilte der wieder in den Dienst zurückgekehrte Vorsitzende Richter der Strafkammer den Verfahrensbeteiligten mit, dass sich die mitgeteilte Gerichtsbesetzung wegen Erkrankung einer Hauptschöffin geändert habe.
Der Verteidiger des Beschwerdeführers beantragte daraufhin zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Besetzung die Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 222a Abs. 2 StPO.
Der Vorsitzende ordnete im Hinblick darauf nach Verlesung der Anklageschrift die Unterbrechung der Hauptverhandlung an, welche am 11. Mai 2016 fortgesetzt wurde.
Zu Beginn der Hauptverhandlung am 11. Mai 2016 erhob der Verteidiger des Beschwerdeführers abermals eine Besetzungsrüge. Für eine aus gesundheitlichen Gründen von der Hauptschöffenliste gestrichene Hauptschöffin hatte der Vorsitzende eine Hilfsschöffin aus der Hilfsschöffenliste herangezogen. Bei richtiger Rechtsanwendung hätte jedoch gemäß § 48 Abs. 2 GVG die bereits geladene Ergänzungsschöffin als Hauptschöffin in die Kammer einrücken müssen.
Zur Prüfung der Besetzungsrüge wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen. Bei ihrer Fortsetzung am 12. Mai 2016 verkündete der Vorsitzende zu Beginn den Beschluss der Strafkammer vom selben Tage, wonach das Gericht aus den in der Rüge genannten Gründen mit der Hauptschöffin nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Als Folge wurde die Hauptverhandlung zum vierten Male ausgesetzt.
Mit hier angefochtenem Beschluss vom 23. Mai 2016 verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht die Haftbeschwerde als unbegründet. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft stehe auch angesichts der langen Verfahrensdauer von fast einem Jahr und sechs Monaten zur Bedeutung der Sache, die auch in dem hohen Gesamtsteuerschaden von über 58 Millionen Euro zum Ausdruck komme, nicht außer Verhältnis. Dem in Haftsachen im besonderen Maße geltenden Beschleunigungsgebot sei Genüge getan. Hierbei sei zunächst der extrem große Aktenumfang zu berücksichtigen, in den sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidiger hätten einarbeiten müssen. Das Beschleunigungsgebot habe bereits im Ermittlungsverfahren hinreichend Beachtung gefunden. Auch seitens der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Potsdam sei das Verfahren nach Eingang der Anklageschrift ohne Verzögerung bearbeitet worden. Der Verteidigung sei zwar darin beizupflichten, dass mehrfache Terminsaufhebungen und Aussetzungsentscheidungen ihre Ursache in der Sphäre der Justiz hätten, jedoch führe nicht jede Terminsaufhebung oder Aussetzung zugleich zu einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. So stelle beispielsweise der unfall- und damit krankheitsbedingte längerfristige Ausfall des Kammervorsitzenden ein für alle Beteiligten unvorhersehbares Ereignis dar. Die durch die Aussetzung der Hauptverhandlung bedingte Verfahrensverzögerung habe die Wirtschaftsstrafkammer teilweise durch eine zügige Anberaumung des Neubeginns der Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters sowie eines Ergänzungsschöffen kompensiert. Der krankheitsbedingte Ausfall des berichterstattenden Richters stelle ebenfalls ein für alle Beteiligten unvorhersehbares Ereignis dar. Die Verlegung des Neubeginns der Hauptverhandlung auf den nächstmöglichen Termin, der wegen Verhinderung der Verteidigung eines Mitangeklagten erst auf den 10. März 2016 bestimmt werden konnte, sei als überaus zügig anzusehen. Dass der für diesen Termin vorgesehene Ergänzungsrichter wenige Tage zuvor erkrankt sei und sich kurzfristig kein weiterer Ergänzungsrichter habe finden lassen, stelle ebenfalls noch kein gerichtsorganisatorisches Versäumnis dar, das einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen könnte. Die Anberaumung des Beginns der Hauptverhandlung auf den 17. März 2016 dokumentiere vielmehr das Bemühen der Kammer, das Verfahren weiterhin zügig durchzuführen. Die Aussetzung der Hauptverhandlung durch die Beschlüsse der Wirtschaftsstrafkammer vom 6. April 2016 und vom 12. Mai 2016 infolge fehlerhafter Schöffenbesetzung habe zwar zu einer Verfahrensverzögerung von zweieinhalb Monaten geführt. Diese Verzögerung sei jedoch durch eine - angesichts der am Verfahren beteiligten neun Verteidiger, vier Richter und drei Schöffen - überaus zügige Neuterminierung minimiert worden. Noch am Tag des letzten Aussetzungsbeschlusses habe der Kammervorsitzende einen neuen Termin zur Hauptverhandlung für den 2. Juni 2016 anberaumt und die Fortsetzungstermine für den Zeitraum bis zum 22. August 2016 bestimmt. All dies zeige, dass die Strafkammer auf Krankheitsfälle und fehlerhafte Gerichtsbesetzung überaus schnell reagiert habe; sowohl durch die zügige Neuterminierung als auch durch die enge Verhandlungsdichte habe die Wirtschaftsstrafkammer die eingetretene Verzögerung zumindest teilweise kompensiert. Eine Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung sei ihr nicht vorzuwerfen. Die fehlerhafte Besetzung des Gerichts führe zu einem Rechtsfehler, der nicht identisch sei mit einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz. Die Wirtschaftsstrafkammer werde indes die eingetretene Verfahrensverzögerung im Falle eines Schuldspruchs gegebenenfalls bei der Strafzumessung berücksichtigen müssen. Im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung werde sie eine Kompensation nach der Vollstreckungslösung zu erwägen haben.
Die Hauptverhandlung begann am 2. Juni 2016 erneut. Seitdem ist am 2., 9., 10., 15., 16., 22., 23. und 30. Juni 2016, am 1., 7., 14., 21. und 22. Juli, am 22. und 23. August 2016 sowie am 15., 16., 20., 23., 27. und 30. September 2016 verhandelt worden. Für den 4., 7., 11. und 14. Oktober 2016 und den 14. November 2016 sind weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt worden.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. November 2014 in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 5. November 2015 gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro und Abgabe sämtlicher inländischen und ausländischen Identitätspapiere außer Vollzug gesetzt. Der Beschwerdeführer hat diese Bedingungen am 22. Juli 2016 erfüllt und wurde am selben Tag unter anderem mit der Auflage aus der Untersuchungshaft entlassen, das Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg nicht ohne vorherige Genehmigung des Landgerichts Potsdam zu verlassen und sich in denjenigen Wochen, in denen keine Hauptverhandlungstage anberaumt seien, zweimal wöchentlich bei der für seinen Wohnort zuständigen Dienststelle zu melden.
Die Hauptakte besteht aus 54 Bänden mit insgesamt über 11.000 Seiten, Sonderbänden mit insgesamt über 24.000 Seiten sowie zehn Ergänzungsbänden mit über 2.500 Seiten. Darüber hinaus sind Parallelverfahren relevant, die gegen 17 mutmaßliche Abnehmer und Vertreiber der geschmuggelten Zigaretten geführt werden und weitere 38 Bände Hauptakten mit insgesamt über 7.000 Seiten umfassen.
Mit seiner am 20. Juni 2016 gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Brandenburgische Oberlandesgericht habe seine Haftbeschwerde verworfen, obwohl der damit einhergehende weitere Vollzug der Untersuchungshaft aufgrund gravierender rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot verstoße.
Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen resultiere zunächst daraus, dass bei Terminierung der Hauptverhandlung auf den 27. November 2015 unterlassen worden sei, die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters anzuordnen. Der Beschwerdeführer habe aufgrund dessen Untersuchungshaft vom 27. November 2015 bis zum 17. März 2016 verbringen müssen, ohne dass eine für das Verfahren relevante Hauptverhandlung stattgefunden habe. Diese Verfahrensverzögerung sei rechtsstaatswidrig und vermeidbar. Aufgrund der bisherigen Untersuchungshaft, der Anzahl der Hauptverhandlungstage und des Aktenumfanges sei die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters gemäß § 192 Abs. 2 GVG offensichtlich erforderlich und geboten gewesen. Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg wäre verpflichtet gewesen, für die ausreichende personelle Ausstattung des Landgerichts Potsdam Sorge zu tragen. Die infolge der mangelhaften personellen Ausstattung eingetretene Verzögerung verletze das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot.
Auch die weiteren Verzögerungen seien durch die falsche Besetzung des Gerichts bei der Hauptverhandlung am 6. April 2016 als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu werten. Auch diese Ursache liege ausschließlich in der Sphäre der Justiz. Gleiches gelte für den Besetzungsfehler, der zur Aussetzung der am 12. Mai 2016 begangenen Hauptverhandlung geführt habe.
Die im Hauptverfahren eingetretenen Verfahrensverzögerungen seien bereits jeweils für sich betrachtet, jedenfalls aber in ihrer Gesamtheit, in gravierender Weise geeignet, gegen das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu verstoßen. Damit sei der weitere Vollzug der Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer unverhältnismäßig geworden. Dies habe das Oberlandesgericht verkannt.
Das Oberlandesgericht habe in den Gründen des angegriffen Beschlusses zudem selbst anerkannt, dass es zu relevanten Verfahrensverzögerung gekommen sei, deren Rechtsstaatswidrigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Allerdings gehe das Oberlandesgericht zugleich davon aus, dass die festgestellten Verzögerungen des Verfahrens keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot darstellten, sondern diesem hinreichend Rechnung getragen worden sei. Diese Ausführungen seien in sich widersprüchlich. Das Gericht könne dem Beschwerdeführer nicht eine Kompensation für mögliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen in Aussicht stellen, gleichzeitig aber konstatieren, dem Beschleunigungsgebot sei in jedem Fall Genüge getan.
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2016 hat der Beschwerdeführer im Anschluss an die Außervollzugsetzung des Haftbefehls den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Anträge aus der Verfassungsbeschwerde insoweit für erledigt erklärt, als beantragt worden ist, anzuordnen, ihn unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Verfassungsbeschwerde aufrechterhalten.
1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof werden die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung unter Berücksichtigung der hier geforderten Begründungstiefe den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vollständig gerecht. Die Entscheidung lasse besorgen, dass das Gericht bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Entscheidung weise nicht die für eine Haftfortdauerentscheidung erforderliche Begründungstiefe auf. Denn die Begründung lasse eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses nicht in dem von Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG geforderten Maße zu. Es lasse sich schon nicht sicher feststellen, ob der Entscheidung der zutreffende Maßstab zugrunde gelegt worden sei.
2. Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hat, soweit der Beschwerdeführer eine mangelnde personelle Ausstattung des Landgerichts Potsdam und eine Verletzung der Justizgewährungspflicht gerügt hat, darauf hingewiesen, dass die Personalausstattung unter Zugrundelegung des bundesweit einheitlich angewandten Berechnungssystems dem Personalbedarf Rechnung trage. Es sei nicht möglich und auch durch den Justizgewährleistungsanspruch nicht geboten, richterliche Arbeitskraft in solchem Umfang in Reserve zu halten, dass jeder unvorhergesehene krankheitsbedingte Ausfall sofort ausgeglichen werden könne. Im Übrigen hat das Ministerium von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens in elektronischer Form vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ist nicht dadurch entfallen, dass der Haftbefehl nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde außer Vollzug gesetzt und der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Januar 1995 - 2 BvR 2846/93 -, juris, Rn. 14). Trotz der Außervollzugsetzung ist der Fortbestand des Haftbefehls insbesondere unter Berücksichtigung der erteilten freiheitsbeschränkenden Auflagen nach wie vor mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Dezember 2000 - 2 BvR 1706/00 -, juris, Rn. 12).
Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil er den an eine Haftfortdauerentscheidung zu stellenden Anforderungen zur verfassungsrechtlich gebotenen Begründungstiefe nicht genügt.
Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen.
Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32).
Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 17, 517 <522>; 19, 428 <433>).
Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen, denn zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verzögerungen verursacht ist. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare Verfahrensverzögerungen stehen daher regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 15, 474, <480>; 17, 517, <523>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris, Rn. 42 und vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 -, juris, Rn. 41).
Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermag aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfGK 7, 140 <155>).
Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Vielmehr kann sie selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfGE 36, 264 <275>).
Im Rahmen der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 37). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36).
Da der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>), unterliegen Haftfortdauerentscheidungen insofern einer erhöhten Begründungstiefe (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>; BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 39).
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl. Sie sind darüber hinaus auch für einen außer Vollzug gesetzten Haftbefehl (§ 116 StPO) von Bedeutung (vgl. BVerfGE 53, 152 <159>; BVerfGK 6, 384 <391>). Beschränkungen, denen der Beschuldigte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen erforderlich ist (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 6. Juli 2004 - 2 Ws 301/04 -, StV 2005, S. 396 <397>). Denn auch dann, wenn Untersuchungshaft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz eines Haftbefehls für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung darstellen, weil sich mit ihm regelmäßig die Furcht vor einem (erneuten) Vollzug verbindet (vgl. BVerfGE 53, 152 <161>; BVerfGK 6, 384 <391>).
Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nicht. Sie enthält keine in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft.
1. Soweit das Oberlandesgericht allerdings angenommen hat, dass während des Ermittlungsverfahrens und des Zwischenverfahrens das Beschleunigungsgebot hinreichend Beachtung gefunden habe, ist die Entscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Durchgreifende Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot sind - wovon das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen ist - angesichts des erkennbaren Umfangs und der Komplexität des zu klärenden Sachverhalts nicht ersichtlich.
2. Ein Verfassungsverstoß ist auch nicht darin zu erkennen, dass die angegriffene Entscheidung die unterbliebene Bestellung eines Ergänzungsrichters vor Beginn der Hauptverhandlung im November 2015 als noch nicht zurechenbare Verzögerung des Verfahrens gewertet hat. Das Landgericht musste sich zu diesem Zeitpunkt zur Bestellung eines Ergänzungsrichters (noch) nicht gedrängt sehen. Der spätere Verlauf des Verfahrens, der die mehrfache Aussetzung der Hauptverhandlung erforderlich machte, war zu diesem Zeitpunkt für das Landgericht nicht absehbar.
3. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zum krankheitsbedingten Ausfall des Kammervorsitzenden und des berichterstattenden Richters lassen einen Verfassungsverstoß ebenfalls nicht erkennen. Krankheitsbedingte Ausfälle stellen unvorhersehbare Ereignisse dar, die nicht in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft fallen. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gebietet in solchen Fällen indes, dass das Tatgericht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreift, um einen zügigen Fortgang der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die Gründe der angegriffenen Entscheidung lassen erkennen, dass sich das Oberlandesgericht mit diesem Gesichtspunkt in der gebotenen Tiefe auseinandergesetzt hat. Indem es dargelegt hat, dass das Landgericht auf die mit den krankheitsbedingten Ausfällen einhergehenden unvermeidbaren Verzögerungen jeweils mit zügiger Neuterminierung reagiert hat, ist es zu einem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt.
4. Die Würdigung der jeweiligen Besetzungsfehler hält der verfassungsrechtlichen Kontrolle hingegen nicht stand. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts erreichen die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe insoweit nicht; sie machen bereits den Maßstab, welcher der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer zugrunde gelegt worden ist, nicht deutlich.
Zunächst geht das Oberlandesgericht davon aus, die durch die Besetzungsfehler eingetretene Verfahrensverzögerung von zweieinhalb Monaten sei durch die rasche Neuterminierung der Strafkammer „minimiert“ worden. An anderer Stelle wird ohne nähere Erläuterung ausgeführt, die Verzögerung sei auch durch die nachfolgende enge Verhandlungsdichte „zumindest teilweise kompensiert“ worden. Dies legt den Schluss nahe, dass das Oberlandesgericht von vermeidbaren und damit für das Beschleunigungsgebot in Haftsachen relevanten Verfahrensverzögerungen ausgegangen ist, die nachfolgend nicht, jedenfalls nicht vollständig ausgeglichen worden sind.
Demgegenüber stellt das Oberlandesgericht im Anschluss daran fest, eine Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung sei der Kammer nicht vorzuwerfen, denn die bei der Besetzung begangenen Rechtsfehler seien „nicht identisch mit einem Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz“.
Dieser Widerspruch wird dadurch verstärkt, dass das Oberlandesgericht zum Abschluss seiner rechtlichen Würdigung ausführt, die Wirtschaftsstrafkammer werde die eingetretene Verfahrensverzögerung im Falle eines Schuldspruchs „gegebenenfalls bei der Strafzumessung berücksichtigen“ und im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung „eine Kompensation nach der Vollstreckungslösung erwägen müssen“.
Angesichts dessen lassen die Gründe der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend erkennen, welchen Maßstab das Oberlandesgericht der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer zugrunde gelegt hat. Es bleibt unklar, ob das Oberlandesgericht bei seiner Wertung von einer verfassungsrechtlich relevanten, im Ergebnis nur teilweise kompensierten Verfahrensverzögerung, von einer nicht zurechenbaren Verfahrensverzögerung oder sogar von einer insgesamt rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgegangen ist.
Diese Abgrenzung durfte das Oberlandesgericht nicht offen lassen. Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits seit 18 Monaten in Untersuchungshaft befunden hat und der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder zu dem Erlass des Urteils nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36), unterlag die angegriffene Entscheidung einer erhöhten Begründungstiefe, die in sich schlüssige und widerspruchsfreie Ausführungen zum zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab gebietet. Diesen Anforderungen hat das Oberlandesgericht ersichtlich nicht genügt.
Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2016 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt. Der angegriffene Beschluss ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht wird - nachdem der Haftbefehl inzwischen außer Vollzug gesetzt worden ist - unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen. Andernfalls wird es den Haftbefehl aufzuheben haben.
Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Da die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen erfolgreich ist und sie auch, soweit sie der Beschwerdeführer für erledigt erklärt hat, offensichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, erscheint es angemessen, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen in vollem Umfang zu erstatten.
VII.
Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen und beträgt mindestens 5.000 Euro. Er liegt höher, wenn der Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer stattgegeben wird. Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache ist ein Gegenstandswert von 10.000 Euro angemessen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1114
Bearbeiter: Holger Mann