HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2025
26. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

1006. BGH 5 StR 622/24 – Urteil vom 4. Juni 2025 (LG Berlin I)

BGHSt; Ermessensentscheidung bei der selbständigen Einziehung (Verhältnismäßigkeit; Gutgläubigkeit des Dritterwerbers); Schutz des Vormerkungsberechtigten auch gegen Wirkungen der strafprozessualen Beschlagnahme.

§ 76a Abs. 4 StGB; § 111a StPO; § 883 BGB

1. Gebot einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Ermessensentscheidung nach § 76a Abs. 4 StGB. (BGHSt)

2. Der Gesetzgeber hat § 76a Abs. 4 StGB als gebundene Ermessensvorschrift normiert und hierdurch deutlich gemacht, dass die Einziehung bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen im Regelfall anzuordnen ist. Die Ausgestaltung als „Soll“-Vorschrift dient lediglich dazu, im Einzelfall unverhältnismäßige Einziehungsanordnungen zu vermeiden. Die Gutgläubigkeit eines Dritterwerbers begründet für sich nicht ohne Weiteres eine solche Unverhältnismäßigkeit. (Bearbeiter)

3. Für die Ermessensausübung nach § 76a Abs. 4 StGB gilt, dass von einer Einziehung nicht allein deshalb abgesehen werden kann, weil sich das Gericht nicht von der Bösgläubigkeit eines Dritterwerbers zu überzeugen vermag. Maßgeblich ist vielmehr die Verhältnismäßigkeit der Einziehung insgesamt. Bei ihrer Bewertung ist die Schutzwürdigkeit des (zivilrechtlichen) Eigentümers umfassend in den Blick zu nehmen. Dabei sind sein Verhalten und das Ausmaß seiner Bösgläubigkeit zu berücksichtigen. (Bearbeiter)

4. Eine Auflassungsvormerkung schützt den Erwerber grundsätzlich auch dann, wenn nach deren Eintragung aufgrund einer strafprozessualen Beschlagnahme der Immobilie ein relatives Veräußerungsverbot zugunsten des Staates in Kraft tritt (§ 111d Abs. 1 Satz 1 StPO iVm §§ 135, 136 BGB). Nachträglich gegen den Schuldner verhängte Verfügungsbeschränkungen werden Verfügungen über das Grundstück gleichgestellt werden und sind deshalb, soweit sie der Verwirklichung des gesicherten Anspruchs entgegenstehen, im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten in entsprechender Anwendung von § 883 Abs. 2 BGB unwirksam. (Bearbeiter)

5. Eine hiervon abweichende Wirkung der Beschlagnahme folgt auch nicht aus dem Wesen der Einziehungsentscheidung, die durch die Beschlagnahme gesichert werden soll. Denn die Vermögensabschöpfung ist keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) eigener Art mit kondiktionsähnlichem und präventivordnendem Charakter, deren Ausgestaltung sich an den Normen des zivilen Bereicherungsrechts orientiert. Gemessen an dieser allein vermögensordnenden Funktion ist kein Bedürfnis dafür erkennbar, der Beschlagnahme gemäß § 111b StPO in ihrer sachenrechtlichen Wirkung einen Vorrang innerhalb des zivilrechtlichen Regelungsgefüges zuzuerkennen. (Bearbeiter)


Entscheidung

946. BGH 4 ARs 3/25 – Beschluss vom 19. Mai 2025

Antwort auf einen Anfragebeschluss des 5. Senats; erweiterte Einziehung von durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangten Gegenständen (gegenständliches Vorhandensein des Einziehungsgegenstandes im Vermögen des Betroffenen bei Begehung der Anknüpfungstat).

§ 73a Abs. 1 StGB; § 73c StGB; § 73d StGB a.F.; § 76a Abs. 4 StGB; § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG

1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a, § 73c StGB erfordert, dass das Erlangte, dessen gegenständliche Einziehung im Sinne des § 73c StGB unmöglich ist, bei Begehung der Anlasstat gegenständlich oder wenigstens in Form eines Surrogats im Vermögen des Angeklagten vorhanden gewesen ist. Das zuvor Verbrauchte wie auch das erst später (deliktisch) Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

2. Die Vorschrift des § 73a Abs. 1 StGB ist im Gegensatz zu dem erweiterten Verfall nach § 73d StGB aF und der selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB nicht auf bestimmte Deliktsarten beschränkt, setzt anders als Letztere stattdessen aber voraus, dass eine hinreichend konkrete rechtswidrige Tat des Einziehungsbetroffenen (Anknüpfungstat) festgestellt werden kann. Mit Blick darauf, dass die erweiterte Einziehung namentlich durch den Verzicht auf die sonst bestehenden, aus dem Anklagegrundsatz folgenden Konkretisierungsanforderungen bezüglich der Herkunftstaten die Rechtsstellung, d.h. Verteidigungsmöglichkeiten, des Betroffenen wesentlich verschlechtert, kann dies nicht als eine bloß kontingente Bedingung verstanden werden, dergestalt, dass bereits die Eigenschaft des Betroffenen als Straftäter für sich genommen den erleichterten Zugriff auf sein Vermögen rechtfertigen könnte. Vielmehr muss in dem Erfordernis einer – konkret festgestellten – Anknüpfungstat ein rechtsstaatlich sachhaltiger Grund für die Erleichterung der Einziehung von Vermögen aus nicht näher aufklärbarer anderweitiger deliktischer Herkunft gesehen werden.

3. Die Indizwirkung der Begehung der Anknüpfungstat für die bemakelte Herkunft der nicht aus ihr stammenden Abschöpfungsgegenstände stellt den Sachgrund für die erweiterte Einziehung dar und grenzt sie von der erweiterten Einziehung im selbständigen Verfahren (§ 76a Abs. 4 StGB) ab. Diese Indizwirkung setzt ihrerseits allerdings eine gewisse Beziehung zwischen der Anknüpfungs- und der Herkunftstat voraus, wie sie prototypisch etwa zwischen den Einzeltaten einer Tatserie besteht. Dazu, diese Beziehung sicherzustellen und eine grenzenlose Abschöpfung von Vermögen aus zur Anknüpfungstat in keiner solchen stehenden Herkunftstaten zu verhindern, dient die Beschränkung des § 73a StGB auf Gegenstände, die bei Begehung der Anknüpfungstat im Tätervermögen vorhanden waren.

4. Ob neben dieser zeitlichen Verbindung in besonderen Fällen weitere, sachliche Einschränkungen zu einer verfassungskonformen Auslegung der § 73a, § 73c StGB geboten sein können, braucht zur Beantwortung des vorliegenden Anfragebeschlusses nicht entschieden zu werden. Dasselbe gilt für die Frage, ob und inwieweit die im Anfragebeschluss bei engem Verständnis der durch § 73a StGB eröffneten gegenständlichen Einziehung angenommene „Lücke“ im System der Abschöpfungsmöglichkeiten ihre Bedeutung durch die Neuregelung der Einziehung von Tatobjekten der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 und 10 StGB) jedenfalls verloren haben könnte.


Entscheidung

879. BGH 2 StR 38/25 – Beschluss vom 21. Mai 2025 (LG Darmstadt)

Meistbegünstigungsgrundsatz (unterlassener Günstigkeitsvergleich: minder schwerer Fall und Absehen von der Anwendung eines Regelbeispiels); Abgabe von Cannabis; Überlassen von Cannabis zum unmittelbaren Verbrauch; Strafzumessung (sexueller Missbrauch von Jugendlichen: berufliche Stellung des Angeklagten, Sexualdelikte eines Lehrers).

§ 2 Abs. 3 StGB; § 46 StGB; § 182 StGB; § 34 KCanG

Unter dem Gesichtspunkt des Maßes der Pflichtwidrigkeit (§ 46 Abs. 2 StGB) kann die berufliche Stellung eines Angeklagten nur dann strafschärfend herangezogen werden, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben, deren Verletzung gerade im Hinblick auf die abzuurteilende Tat Bedeutung hat. Bei Sexualdelikten eines Lehrers ist deshalb zu unterscheiden, ob diese ihre Wurzel im beruflichen Verhältnis des Täters zum Opfer haben oder ob die Taten unabhängig davon „privat“ begangen wurden.


Entscheidung

889. BGH 2 StR 180/25 – Beschluss vom 20. Mai 2025 (LG Kassel)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Gefährlichkeitsprognose: Berücksichtigung einer bereits länger andauernden Unterbringung, Anlasstaten in Kliniken, fehlende Krankheitseinsicht, Sachverständigengutachten); Körperverletzung (Erfolg: körperliche Misshandlung, Vollendung); Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme: konkludenter Widerruf der freiwilligen Einweisung in ein Krankenhaus).

§ 63 StGB; § 113 Abs. 1 StGB; § 223 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 6 StPO

1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat(en) aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss – zum Urteilszeitpunkt – eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens (namentlich Art, Häufigkeit und Rückfallfrequenz früherer Taten) sowie der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Täter infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sind die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren einzustellen, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können. Das Tatgericht ist nicht nur zu einer sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen verpflichtet, sondern auch dazu, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.

2. Jedenfalls eine im Zeitpunkt der Urteilsfällung bereits knapp ein Jahr andauernden einstweilige Unterbringung, insbesondere mit etwaigem fremdaggressivem Handeln dort, ist grundsätzlich prognoserelevant und damit erörterungsbedürftig. Näherer Erörterung bedarf die Prognose auch, wenn ein Teil der Anlasstaten in Kliniken stattfand.


Entscheidung

1045. BGH 6 StR 458/24 – Beschluss vom 18. Februar 2025 (LG Saarbrücken)

Einziehung des Wertes von Taterträgen (erlangtes Etwas; prozessualer Tatbegriff: wesentliches Ergebnis der Ermittlungen); Erweiterte Einziehung von Taterträgen (Subsidiarität).

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 73c Satz 1 StGB; § 264 Abs. 1 StPO

Zwar dürfen bei der Prüfung, ob eine Tat Gegenstand der Anklage im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO ist, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben.


Entscheidung

956. BGH 3 StR 148/25 – Beschluss vom 27. Mai 2025 (LG Oldenburg)

Einziehung des Wertes von Taterträgen (durch die Tat erlangter Vermögenswert; transitorischer Besitz; Buchgeld; Konto; faktische Verfügungsgewalt).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 73c StGB

Steht einem Angeklagten an betrugsbedingten Buchgeldpositionen gegenüber einem kontoführenden Institut die alleinige faktische Verfügungsgewalt zu, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieser entsprechende Vermögenswerte i.S. der §§ 73 Abs. 1, 73c StGB erlangt hat. Eine aus „Treuhandvereinbarung“ mit Dritten ggf. folgende weitgehende Weisungsabhängigkeit und -gebundenheit eines Angeklagten ist als wertender Gesichtspunkt nicht zu berücksichtigen und ändert hieran im Zuge der hier erforderlichen tatsächlichen („gegenständlichen“) Betrachtung nichts.


Entscheidung

983. BGH 5 StR 105/25 – Beschluss vom 5. Juni 2025 (LG Hamburg)

Einziehungsentscheidung bei Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (tatsächliche Verfügungsgewalt über die Verkaufserlöse).

§ 73 StGB; § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG

Die mittäterschaftliche Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln begründet für sich genommen noch keine tatsächliche Verfügungsgewalt über die Verkaufserlöse und damit kein Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Einem Tatbeteiligten kann ein Teil oder die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass ihm Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er eine solche auch tatsächlich hatte, wobei eine zumindest faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand ausreicht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte.


Entscheidung

916. BGH 2 StR 565/24 – Beschluss vom 21. Mai 2025 (LG Frankfurt am Main)

Klarstellung von Schuldsprüchen (KCanG: keine Kennzeichnung als unerlaubter Umgang mit Cannabis, keine Kennzeichnung der Überschreitung des wirkstoffbezogenen Grenzwertes, keine Kennzeichnung der nicht geringen Menge bei bandenmäßigem Anbau); Aufhebung einer Einziehungsentscheidung (ungenaue Bezeichnung der Einziehungsgegenstände: „Anbau-Equipment“, Konkretisierungsgebot).

§ 74 Abs. 1 StGB; § 34 KCanG

Einziehungsgegenstände müssen in der Urteilsformel so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsorgane aus dem Tenor selbst zweifelsfrei erkennbar ist, welche Objekte der Einziehung unterworfen sind. Die Anordnung der Einziehung muss stets aus sich heraus und insbesondere ohne Heranziehung nicht zum Urteil gehörender Dokumente verständlich sein. Daher genügen auch (implizite) Bezugnahmen auf bei den Akten befindliche Asservatenverzeichnisse oder Sicherstellungsprotokolle den rechtlichen Anforderungen nicht.


Entscheidung

945. BGH 4 StR 577/24 – Beschluss vom 5. Juni 2025 (LG Paderborn)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung (Zäsurwirkung einer Verurteilung: Darstellungsmangel); Einziehung des Wertes von Taterträgen (Verfügungsgewalt).

§ 55 StGB; § 73 StGB

1. Wurden die neu abgeurteilten Taten zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung steht in diesem Fall die von der ersten Vorverurteilung ausgehende Zäsurwirkung entgegen. Diese entfiele nur dann, wenn die der ersten Vorverurteilung zugrundeliegende Strafe erledigt war, bevor die letzte Vorverurteilung erging.

2. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73, 73c StGB setzt voraus, dass der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat etwas erlangt hat und die Einziehung des Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht mehr möglich ist. Erlangt aus einer rechtswidrigen Tat ist ein Vermögenswert dabei dann, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Die Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die Darlegung der Erlangung einer solchen (Mit-)Verfügungsgewalt nicht zu ersetzen.


Entscheidung

883. BGH 2 StR 63/25 – Beschluss vom 21. Mai 2025 (LG Rostock)

Gesamtstrafenbildung (Härteausgleich bei Nichteinbeziehung einer Strafe: Grenzen des tatrichterlichen Ermessens); Klarstellung des Urteilstenors; Adhäsionsentscheidung (Berichtigung des Zinsausspruchs; Feststellungsausspruch: Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes).

§ 54 StGB; § 55 StGB; § 404 Abs. 2 StPO; § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO; § 187 Abs. 1 BGB; § 291 Satz 1 BGB

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bleibt dem Tatrichter überlassen, wie er den Härteausgleich vornimmt. In seinem Ermessen liegt, ob er eine fiktive Gesamtstrafe bildet und diese dann um die

vollstreckte Strafe mindert oder den Nachteil unmittelbar bei der Feststellung der neuen Strafe berücksichtigt. Erforderlich ist jedoch, dass ein angemessener Härteausgleich vorgenommen wird und dies den Urteilsgründen hinreichend deutlich zu entnehmen ist.


Entscheidung

910. BGH 2 StR 353/24 – Beschluss vom 3. Juni 2025 (LG Frankfurt am Main)

Korrektur eines Schuldspruchs (sexuelle Nötigung); Überlassen von Cannabis zum unmittelbaren Verbrauch; Adhäsionsentscheidung (Feststellungsinteresse: Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts, Feststellung des Beruhens des Anspruchs auf unerlaubter Handlung).

§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB; § 34 KCanG; § 406 StPO; § 256 Abs. 1 ZPO; § 850f Abs. 2 ZPO; § 302 Nr. 1 InsO

Die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten hinsichtlich zukünftiger materieller und immaterieller Schäden des Adhäsionsklägers erfordert ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies setzt die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts voraus, wobei eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht genügt; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist. Der knappe Hinweis, es sei nach dem Vortrag des Adhäsionsklägers „denkbar“ und der Kammer aus vergleichbaren Fällen „bekannt“, dass Opfer sexueller Übergriffe zu späteren Zeitpunkten psychotherapeutischer Unterstützung bedürften, lässt als generalisierende Ausführung eine auf den Einzelfall bezogene Begründung vermissen.