Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2025
26. Jahrgang
PDF-Download
Von RA Dr. Markus Gierok, Köln[*]
Im September 2017 eröffneten die Rolling Stones ihre Tournee "No Filter" in Hamburg. Mehr als 80.000 Rockfans feierten die Stones im Stadtpark, darunter zahlreiche Angestellte und Repräsentanten der Freien und Hansestadt Hamburg. Ermöglicht hatte ihnen dies der damalige Leiter der Genehmigungsbehörde – allerdings nicht (nur) dadurch, dass er die Nutzung des Stadtparks genehmigte. Sein Engagement ging weiter, denn über eine gesonderte Vereinbarung mit dem Konzertveranstalter hatte er hunderte Freikarten bzw. Kaufoptionen gesichert. Rund viereinhalb Jahre nach dem Konzert verurteilte das Landgericht Hamburg ihn dafür wegen Vorteilsannahme gemäß § 331 Abs. 1 StGB und Vorteilsgewährung gemäß § 333 Abs. 1 StGB.[1] Ein Ende der juristischen Zugabe ist noch nicht in Sicht: Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts Hamburg einschließlich der Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.[2]
Das Landgericht Hamburg hatte zusammengefasst Folgendes festgestellt:
Der damalige Bezirksamtsleiter R hatte mit zwei Repräsentanten der Konzertveranstalterin – W und K – über einen Vertrag verhandelt, der die entgeltliche Nutzung des Stadtparks für das Konzert regeln sollte. Neben der Zahlung eines Nutzungsentgelts verpflichtete sich die Veranstalterin, 100 Freikarten und 300 Optionen zum Erwerb von Karten außerhalb des regulären Verkaufs (Kaufoptionen) zu gewähren. Anders als das vereinbarte Nutzungsentgelt wurde die Freikartenregelung jedoch nicht im Vertrag verschriftlicht.
Die Konzertveranstalterin überließ R daraufhin die vereinbarten Freikarten (Gesamtwert: knapp 15.000 EUR) und Kaufoptionen. Die Freikarten verteilte R im Bezirksamt, die Kaufoptionen an drei Staatsräte.
In Absprache mit R hatte einer seiner Mitarbeiter zwischenzeitlich ein rückdatiertes Schreiben an R verfasst, das den Anschein einer Genehmigungsanfrage erwecken sollte. In diesem Schreiben wurden die Freikarten und Kaufoptionen als "Spende" bezeichnet. Um die ab 10.000 EUR geltende Anzeigepflicht gegenüber der Bezirksversammlung zu umgehen, wurde ein Wert unterhalb dieser Grenze eingetragen. R erteilte die Genehmigung.
Auf Einladung der Konzertveranstalterin nahmen R und seine Frau zudem am Konzert und einem vorherigen Abendempfang teil.
Das Landgericht hat R wegen Vorteilsannahme (Annahme der Freikarten und Kaufoptionen) und Vorteilsgewährung (Verteilung der Freikarten und Kaufoptionen) zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes der Freikarten (Tatertrag) angeordnet. Hingegen hat es R nicht wegen Untreue oder Bestechlichkeit verurteilt: Das Gericht konnte sich weder davon überzeugen, dass die Höhe des Nutzungsentgelts unangemessen niedrig war, noch dass R durch die Gewährung der Freikarten beeinflusst wurde. Die Teilnahme an Empfang und Konzert durch R und seine Frau sei ebenfalls straflos, da R legitime Repräsentationsaufgaben wahrgenommen habe.
Der 5. Strafsenat hob das Urteil des Landgerichts Hamburg vollständig auf. An den vom Landgericht abgefassten
Urteilsgründen bemängelte der Senat gleich eine Vielzahl an Unzulänglichkeiten, die ihn an der revisionsrechtlichen Nachprüfung des Urteils hinderten. Es fehle an einer geschlossenen und nachvollziehbaren Darstellung, die erkennen lasse, welche Tatsachen das Gericht als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat. Zudem habe das Landgericht einige für die strafrechtliche Bewertung maßgeblichen Feststellungen nicht getroffen. Diese Dar- und Feststellungsmängel betrafen vor allem das Herzstück der im Vordergrund der Entscheidung stehenden Korruptionsdelikte, die sog. Unrechtsvereinbarung.
Die Dar- und Feststellungsmängel sind eng verwoben mit den praktischen Schwierigkeiten, mit denen der Tatrichter bei der Sachverhaltsaufklärung konfrontiert ist. In den allerwenigsten Fällen wird ihm eine präzise dokumentierte Absprache zwischen den Beteiligten vorliegen, die sämtliche strafrechtlich relevanten Fragen eindeutig beantwortet. Sofern ausnahmsweise eine Dokumentation vorhanden ist, muss der Tatrichter klären, ob diese vollständig ist und die tatsächlich getroffene Absprache wahrheitsgemäß wiedergibt – er darf sich nicht schlicht auf den Wortlaut des Vertrags verlassen. In den meisten Fällen muss sich der Tatrichter mit Indizien begnügen, die er sodann umfassend und in sich widerspruchsfrei zu würdigen hat.
Im Fokus der nachfolgenden Betrachtung steht die getroffene Absprache über die Gewährung von Freikarten und Kaufoptionen durch die Konzertveranstalterin.
Hinreichend klar, und dementsprechend vom 5. Strafsenat unbeanstandet, hat das Landgericht die Parteien der Unrechtsvereinbarung benannt: Auf Seiten der Genehmigungsbehörde war dies der R, auf Seiten der Veranstalterin waren es K und W. Ebenso klar bezeichnet das Landgericht den Vorteil, der in den von der Veranstalterin gewährten Freikarten und Kaufoptionen lag.
Hingegen konnte der Senat dem Urteil des Landgerichts nicht eindeutig entnehmen, für wen R die Freikarten und Kaufoptionen gefordert hatte. Als Vorteilsempfänger kamen das Bezirksamt, d.h. die Freie und Hansestadt Hamburg, oder R persönlich in Betracht. Nach dem Eindruck des Senats scheint das Landgericht davon ausgegangen zu sein, dass R die Forderung nach Freikarten und Kaufoptionen für die Stadt erhoben hatte. So war es jedenfalls im Entwurf einer Absichtserklärung festgehalten. Der Umstand, dass dieser Passus weder Eingang in die finale Version der Erklärung noch in das spätere Vertragswerk fand, ließ den 5. Strafsenat aber daran zweifeln, dass tatsächlich eine Begünstigung des Bezirksamts beabsichtigt war. Zudem ergaben sich aus den Feststellungen des Landgerichts weitere, hierzu in Widerspruch stehende Anhaltspunkte, mit denen sich das Landgericht nicht erschöpfend befasst hatte.
Der Frage, wen R, K und W zum Vorteilsempfänger bestimmt hatten, misst der Senat dabei maßgebliche Bedeutung zu: Bei einer persönlichen Begünstigung des R läge eine Unrechtsvereinbarung deutlich näher als bei einer Gewährung an die Stadt. Eine persönliche Begünstigung hätte dafürgesprochen, dass K und W damit das Klima zu R pflegen und sich dessen Wohlwollen sichern wollten, da regelmäßig wiederkehrende Vertragsbeziehungen zwischen der Veranstalterin zu dem von R vertretenen Bezirksamt bestanden. Bei Gewährung der Freikarten und Kaufoptionen an die Stadt wäre hingegen nicht zwingend von einer Unrechtsvereinbarung auszugehen gewesen, da die Abrede zur Gewährung der Freikarten und Kaufoptionen einen zulässigen Teil der von der Veranstalterin für die Nutzung des Stadtparks zu erbringenden Gegenleistung hätte darstellen können.
Hätte R die Freikarten und Kaufoptionen für die Stadt verlangt, wäre eine Unrechtsvereinbarung allerdings nicht per se ausgeschlossen. § 331 StGB erfasst nicht nur Vorteile an den Amtsträger, sondern ebenso an Dritte. Zu den Dritten zählt nach der überwiegend vertretenen,[3] aber nicht unbestrittenen[4] Auffassung auch die Anstellungskörperschaft. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu liegen bislang nicht vor. Dies ändert sich mit dem Urteil des 5. Strafsenats nicht, da dieser sich nicht eindeutig positioniert hat: Der Senat hält fest, dass eine Unrechtsvereinbarung nicht zu verneinen ist, sondern nur zu verneinen sein könnte, wenn R die Freikarten und Kaufoptionen ausschließlich in seiner Funktion als Bezirksamtsleiter, und damit für die Stadt, verlangt hätte. Dies lässt auch bei einer Forderung für die Stadt durchaus Raum für eine Unrechtsvereinbarung. Nach hiesigem Verständnis der sich anschließenden Ausführungen des Senats zur Umgehungsgefahr – dazu sogleich – wäre Bestandteil dieser Unrechtsvereinbarung aber kein Drittvorteil. Vielmehr dürfte der Senat die Konstellation im Blick haben, in der die Forderung zwar "auf dem Papier" für die Stadt, tatsächlich aber für den R selbst gefordert wurde.
Der 5. Strafsenat weist in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die Gefahr hin, dass die Korruptionsstraftatbestände umgangen werden könnten, indem die Unrechtsvereinbarung in das formelle Gewand eines gegenseitigen Vertrags gekleidet wird. Um der Umgehung dienende Verträge von solchen abzugrenzen, die zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben rechtmäßig geschlossen werden, bemüht der Senat das aus der höchstrichterlichen
Rechtsprechung bereits bekannte[5] Kriterium der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit: Es komme insbesondere darauf an, ob die Diensthandlung in rechtlich zulässiger Weise von einer Vergütung abhängig gemacht werden dürfe.
Den hierfür anzulegenden Maßstab entnimmt der Senat § 56 Abs. 1 S. 1 HmbVwVfG, aus dem er im Kern das allgemeine Kopplungsverbot ableitet. Hiernach darf ein öffentlich-rechtlicher Vertrag Leistung und Gegenleistung nur bei einem inneren Zusammenhang miteinander verknüpfen. Dieser Zusammenhang fehlt, wenn die vereinbarte Gegenleistung des Bürgers einem anderen öffentlichen Interesse dienen soll als die von der Behörde zu erbringende oder von ihr in Aussicht gestellte Leistung.[6]
Der 5. Strafsenat konnte den Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen, ob zwischen R, K und W eine Vereinbarung getroffen wurde, die den vorstehenden skizzierten Maßstäben in inhaltlicher Hinsicht entspricht. Der Senat geht aber ausdrücklich davon aus, dass die von R geforderte umfangreiche Gewährung von Freikarten und Kaufoptionen einen inneren Zusammenhang mit der vom Bezirksamt zu treffenden Entscheidung über die Genehmigung des Konzerts gehabt haben könnte. Dazu, welcher konkrete Zusammenhang dies gewesen sein könnte, verhält sich der Senat nicht. Dies ist zum einen bemerkenswert, da er der zur neuen Feststellung und Entscheidung berufenen Strafkammer im Übrigen stets umfangreiche Hinweise mit auf den Weg gibt. Zum anderen ist es bedauerlich, da sich ein innerer Zusammenhang nicht aufdrängt: Es ist nicht ersichtlich, wie die Gewährung von Freikarten und Kaufoptionen – noch dazu in dem hier gegenständlichen Ausmaß von mehreren Hundert – der Aufgabenerfüllung hätte dienen sollen.[7]
Stattdessen betont der Senat die Bedeutung der formalen Rechtmäßigkeitsanforderungen, zu denen er vornehmlich das Schriftformerfordernis aus § 57 HmbVwVfG zählt. Hierzu fallen seine Hinweise an die neue Kammer gewohnt üppig aus: Einerseits war nach den Feststellungen des Landgerichts die Freikarten- und Optionsregelung in den Absichtserklärungen und im ursprünglichen Vertragsentwurf vorgesehen, wobei sich R an den allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Hamburger Sporthalle orientiert hatte, die ebenfalls eine Freikartenregelung enthielt. Später wurde diese Regelung jedoch aus dem Vertrag entfernt, auf eine anderweitige schriftliche Fixierung verzichtet und das Genehmigungsschreiben über die Annahme der Freikarten als vorgebliche Spende der Veranstalterin rückdatiert. Bei alledem ist es schwer vorstellbar, dass dem 5. Strafsenat die ursprünglich einmal angedachte schriftliche Fixierung im Vertrag für die formale Rechtmäßigkeit genügen könnte. Zumal die getroffene Abrede weiter verschleiert wurde, indem der Zuwendungswert in dem Genehmigungsschreiben zu niedrig angesetzt wurde.
Selbst wenn die zur neuen Entscheidung berufene Kammer wider Erwarten die formale Rechtmäßigkeit feststellen sollte, wäre damit noch nichts über die materielle Rechtmäßigkeit gesagt: Die Wahrung der formalen Anforderungen ersetzt nicht den wegen des allgemeinen Kopplungsverbots notwendigen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Insgesamt kann man sich dem Eindruck daher nur schwer erwehren, dass der 5. Strafsenat der zur neuen Entscheidung berufenen Kammer einen Weg aufzeigen wollte, auf dem sie den inhaltlichen Zusammenhang ohne Bemühung materieller Kriterien ausschließen kann.
Des Weiteren moniert der 5. Strafsenat, dass sich das Landgericht nur unzureichend damit auseinandergesetzt habe, ob eine – und ggf. welche – konkrete Gegenleistung für die Freikarten und Kaufoptionen vereinbart gewesen sein könnte. Das Landgericht hatte lediglich eine "gelockerte" Unrechtsvereinbarung erkannt: R habe die Freikarten und Kaufoptionen für die Dienstausübung gefordert. Aufgrund der gleich in mehrfacher Hinsicht mangelhaften Feststellungen des Landgerichts konnte der 5. Strafsenat dies revisionsrechtlich nicht nachprüfen.
Zunächst hatte das Gericht nicht alle Handlungen des R, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Zuwendung der Freikarten und Kaufoptionen gestanden haben könnten, erschöpfend in Betracht gezogen. Abgestellt hatte die Kammer lediglich auf die Festsetzung des Nutzungsentgelts. Die zur neuen Entscheidung berufene Kammer wird darüber hinaus prüfen müssen, ob die Zuwendung stattdessen oder zumindest auch für die Ermessensausübung bei der Abwicklung des Nutzungsvertrags – der Senat nennt beispielhaft die Wiederherstellung des Stadtparkgrüns – gedacht gewesen sein könnte.
Ferner hatte die Kammer widersprüchliche Feststellungen dazu getroffen, ob überhaupt ein Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Entgeltfestsetzung besteht. So hatte die Kammer bei der Beweiswürdigung ausgeführt, dass die etwaige Erwartung von Freikarten und Kaufoptionen keine Bedeutung für die Entgeltbestimmung gehabt haben könne, da die Diskussion über deren Überlassung erst später aufgekommen sei. Zugleich war die Kammer bei der rechtlichen Würdigung aber davon ausgegangen, dass R die Freikarten und Kaufoptionen bei der Ausübung des ihm für die Festsetzung des Nutzungsentgelts eingeräumten Ermessens berücksichtigen sollte.
Träfe letzteres zu, wäre zudem die Verurteilung nur wegen Vorteilsannahme statt Bestechlichkeit rechtsfehlerhaft. Zwar beanstandete der 5. Strafsenat nicht, dass das Landgericht Gestaltung und Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts als angemessen und durch die Freikarten und Kaufoptionen unbeeinflusst bewertet hatte. Gemäß § 332
Abs. 3 Nr. 2 StGB genügt es bei im Ermessen stehenden Handlungen für die Anwendung des § 332 Abs. 1 StGB aber, dass sich der Amtsträger bereit gezeigt hat, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen – unabhängig davon, ob er sich tatsächlich beeinflussen lässt oder ob er hierzu auch nur bereit war.[8]
Ferner hob der 5. Strafsenat den Freispruch vom Vorwurf der Bestechlichkeit wegen der Annahme der Einladung zum Konzert und dem vorausgegangenen Empfang auf. Nach der Überzeugung des Landgerichts habe beides lediglich der Erfüllung der dienstlichen Repräsentationsaufgaben des R gedient. Die Einladungen hätten daher keinen Gegenleistungscharakter gehabt, sondern seien nur Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe gewesen. In rechtlicher Hinsicht liegt das Landgericht damit auf der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung.[9] Dementsprechend sieht auch der 5. Strafsenat in Einladungen von Amtsträgern zum Zwecke der Repräsentation ihrer Behörde bei öffentlichen Veranstaltungen keine Vorteile, die im für die Tatbestandsverwirklichung vorausgesetzten Äquivalenzverhältnis zur Dienstausübung stehen. Ausdrücklich betont der Senat dabei, dass die Begleitung durch die Ehefrau von R hieran nichts ändere. Diese entspreche allgemeinen gesellschaftlichen Gepflogenheiten und der damaligen Übung in Hamburg.[10]
In tatsächlicher Hinsicht scheint sich der Senat mit der oberflächlichen[11] Annahme des Landgerichts, die Teilnahme des R an Empfang und Konzert habe der "gesamtstädtischen Repräsentation in Form von Öffentlichkeitsarbeit"[12] gedient, zufrieden zu geben. Jedenfalls beanstandet er mit keinem Wort, dass das Landgericht die Empfangs- und Konzertteilnahme als Repräsentation beurteilt hat. Anlass zur vertiefteren Auseinandersetzung – und damit zur Verfeinerung der noch nicht abschließend konturierten Rechtsfigur der Repräsentationsaufgaben[13] – hätten aber verschiedene vom Landgericht festgestellte Umstände geboten. Beispielsweise hatte der Mitangeklagte O angegeben, dass weitere Senatsvertreter, der Kultursenator, die Zweite Bürgermeisterin sowie der heutige parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium den Empfang besucht hätten.[14] Auch der damalige Erste Bürgermeister soll an der Veranstaltung teilgenommen haben.[15] Auf die weiteren Teilnehmer geht der Senat nicht näher ein. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die Teilnahme an Empfang und Konzert ihren Repräsentationscharakter nicht deswegen verloren hat, weil neben R bereits andere, insbesondere höherrangige Vertreter der Stadt vor Ort waren.[16] Unerwähnt gelassen hat der Senat zudem den beachtlichen Gesamtwert der beiden Konzertkarten nebst der Empfangseinladung i.H.v. 1.398 EUR.
Keinerlei Erörterung bedurfte nach hiesigem Dafürhalten, dass ein dienstlicher Bezug zwischen dem von R vertretenen Bezirksamt und der Veranstaltung – Konzert nebst Empfang[17] – bestand. Der erforderliche Bezug liegt vor, wenn sich erschließt, dass der jeweilige Amtsträger den Staat gerade bei der konkreten Veranstaltung repräsentiert.[18] Ein solcher Bezug liegt bei R auf der Hand: Er war der Leiter des Amts, das die Flächen für das Konzert zur Verfügung gestellt hat und damit für dessen Realisierung maßgeblich mitverantwortlich war.
Die Aufhebung des Freispruchs begründet der Senat letztlich – wie schon bei der Zuwendung der Freikarten und Kaufoptionen – mit dem verengten Blickwinkel des Landgerichts auf das von den §§ 331 f. StGB geforderte Gegenseitigkeitsverhältnis: Das Gericht habe lediglich ausgeschlossen, dass die Einladung zu Empfang und Konzert im Zusammenhang mit der Festsetzung des Nutzungsentgelts gestanden habe. Demgegenüber habe die Kammer nicht erkennbar in Betracht gezogen, dass es sich um eine Zuwendung für die Ermessensausübung bei der Abwicklung des Nutzungsvertrags oder als Dank für die vergangene Dienstausübung gehandelt haben könnte. Daneben hätte es nach der Auffassung des Senats aufgrund der regelmäßigen geschäftlichen Kontakte des R mit der Konzertveranstalterin nahegelegen, dass die Einladungen der allgemeinen Klimapflege dienen sollten. Als weitere Indizien wird die zur neuen Entscheidung berufene Kammer zu berücksichtigen haben, dass sowohl der Genehmigungsantrag von R an die ihm disziplinarisch vorgesetzte Staatsrätin als auch deren Genehmigung rückdatiert wurden. Nach hiesiger Auffassung sind bei der Gesamtwürdigung ferner die Anzahl der für die Stadt teilnehmenden Repräsentanten sowie der Gesamtwert der beiden Konzertkarten nebst der Empfangseinladung zu berücksichtigen.
Die Verteilung der Kaufoptionen an drei Staatsräte und von Freikarten an Mitarbeiter des Bezirksamts durch R nimmt der 5. Strafsenat vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsgewährung gemäß § 333 StGB, daneben aber auch hinsichtlich einer Untreue gemäß § 266 StGB in den Blick.
Im Vordergrund der revisionsrechtlichen Überprüfung der Verurteilung des R wegen Vorteilsgewährung stand erneut
die Unrechtsvereinbarung. Erneut hielt die Verurteilung der Überprüfung nicht stand. Erneut gab es hierfür mehrere Gründe.
Zunächst hatte das Landgericht festgestellt, dass die Staatsräte die Kaufoptionen als Dank für die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt und die Bezirksamtsmitarbeiter die Freikarten als Dank für die geleisteten und zukünftigen Dienste erhalten sollten. Bereits diese Bewertung beruhte nach Ansicht des 5. Strafsenats auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
Selbst wenn diese im Ergebnis zutreffend gewesen wäre, hätte das Landgericht ferner verkannt, dass es sich bei den Freikarten und Kaufoptionen um eine behördeninterne Zuwendung handelte. Bei einer solchen hätte das Gericht abgrenzen müssen, ob die Zuwendung eine – strafbare – Gegenleistung für die dienstliche Tätigkeit des jeweiligen Empfängers in dessen Aufgabenbereich oder aber eine – straflose – Förderung des behördeninternen Arbeitsklimas anlässlich der Dienstausübung sein sollte. Die landgerichtlichen Urteilsgründe lassen die hierfür erforderliche würdigende Gesamtschau vermissen. Zu den relevanten Umständen zählt der Senat vor allem die Frage, welche Berührungspunkte der R mit den Fachentscheidungen der jeweiligen Empfänger hatte und ob diese seine eigenen Interessen (potentiell) betroffen hätten. Eine Vermutung für ein solches Beziehungsverhältnis besteht nicht, es muss positiv festgestellt werden.[19] Die Anforderungen an diese Feststellung sind hoch anzusetzen, wenn die Zuwendung – wie im besprochenen Fall – an die "eigenen" Mitarbeiter erfolgt. Bei solchen Zuwendungen liegt nahe, dass sie die Mitarbeiter motivieren und anspornen sollen. Anders mag es sich mit den Zuwendungen an die Staatsräte verhalten. Diesbezüglich hält es der Senat für bedeutsam, dass der R diesen – anders als den Amtsmitarbeitern – lediglich die weniger werthaltigen Kaufoptionen angetragen hat. Keine Rolle spielt es nach der Ansicht des Senats hingegen, dass R die Karten und Optionen seinerseits rechtswidrig erlangt haben könnte.
Abschließend sah es der Senat durch die bisherigen Urteilsfeststellungen nicht als belegt an, dass sämtliche Freikartenempfänger – konkret ging es um Sekretärinnen, Auszubildende und einen Fahrer – dem von § 333 Abs. 1 StGB tatbestandlich erfassten Personenkreis zuzuordnen gewesen sind.
Zu der "freihändigen" Verteilung gibt der 5. Strafsenat zusätzlich zu bedenken, dass sich R wegen Untreue zum Nachteil seiner Anstellungskörperschaft nach § 266 StGB strafbar gemacht haben könnte.[20] Dies setzt freilich voraus, dass die Freikarten und Kaufoptionen nicht dem R persönlich, sondern der Stadt überlassen wurden. Dies scheint, wie bereits ausgeführt,[21] unwahrscheinlich. Sollte die zur neuen Entscheidung berufene Kammer gleichwohl eine Zuwendung an die Stadt feststellen, müsste sie darüber hinaus prüfen, ob die konkrete Art und Weise der Verteilung durch R zulässig war. Hieran bestehen Zweifel.[22]
Das Landgericht Hamburg ist im ersten Anlauf mit Pauken und Trompeten daran gescheitert, die Vergabe des Hamburger Stadtparks für das Konzert der Rolling Stones strafrechtlich aufzuarbeiten. Seine lückenhaften und widersprüchlichen Urteilsgründe konnte der 5. Strafsenat zu großen Teilen nicht einmal überprüfen. Soweit ihm dies ausnahmsweise möglich war, hielt die rechtliche Würdigung des Landgerichts nur selten stand. Wohlgemerkt griff der Senat für die Urteilsaufhebung sowohl hinsichtlich der Fest- und Darstellungsanforderungen als auch des materiellrechtlichen Prüfungsmaßstabs auf Altbekanntes zurück – das Rad musste er hierfür nicht neu erfinden.
Besser machen muss es nun eine andere Kammer des Landgerichts. Wertvolle Hilfestellungen hierfür hat ihr der Senat in seinen Entscheidungsgründen hinterlassen. Ob sich die Kammer dieser tatsächlich wird bedienen müssen, ist aber keineswegs gesichert: Die rechtsfehlerhafte erstinstanzliche Entscheidung hat zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung geführt. Das Konzert der Rolling Stones liegt schon mehr als sieben Jahre zurück. Bis zu einer neuen Entscheidung dürften weitere Monate oder gar Jahre vergehen. Es wäre insgesamt wenig überraschend, wenn sich die Beteiligten nach all der Zeit auf eine konsensuale Erledigung (§§ 153 f. StPO) einigen würden.
[*] Der Autor ist Rechtsanwalt der auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Kanzlei Tsambikakis & Partner Rechtsanwälte mbB, mit Sitz in Köln, Berlin, Frankfurt und Hamburg.
[1] LG Hamburg 622 KLs 4/20, Urteil v. 8. April 2022.
[2] BGH BeckRS 2023, 22445 = HRRS 2024 Nr. 1245.
[3] MüKoStGB/Korte, 4. Aufl. (2022), § 331 Rn. 102; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 30. Aufl. (2019), § 331 Rn. 20; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger/Kuhlen/Zimmermann, StGB, 6. Aufl. (2023), § 331 Rn. 73; Lackner/Kühl/Heger/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 331 Rn. 6.
[4] LG Bonn 27 B 13/00, Urteil v. 8. Februar 2001, StraFo 2001, 211, 213; ähnlich Dauster NStZ 1999, 63, 65 ff.
[5] BGH BeckRS 2022, 39556 Rn. 23; 2011, 19181 Rn. 22.
[6] BeckOK VwVfG/Spieth/Hellermann, 66. Ed. (1. Januar 2025), § 56 Rn. 58 ff.
[7] Ebenso Dann/Zimmermann NJW 2024, 3755, 3756; vgl. ferner Dilling CCZ 2024, 318, 321 f.
[8] BGH NJW 2003, 763, 765; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 30. Aufl. (2019), § 332 Rn. 17.
[9] Dazu BGH NJW 2008, 3580, 3583; vgl. ferner BGH NStZ-RR 2003, 171, 172. Ebenso Reiff CCZ 2020, 142.
[10] Kritisch hinsichtlich der Begründung mit der damaligen Hamburger Übung BeckOK StGB/Trüg, 64. Ed. (1. Februar 2025), StGB § 331 Rn. 32.
[11] Dann/Zimmermann NJW 2024, 3755, 3756 f.
[12] LG Hamburg 622 KLs 4/20, Urteil v. 8. April 2022 Rn. 438.
[13] Dazu Trüg NJW 2009, 196, 197 f.
[14] LG Hamburg 622 KLs 4/20, Urteil v. 8.April 2022 Rn. 243.
[15] LG Hamburg 622 KLs 4/20, Urteil v. 8. April 2022 Rn. 441.
[16] I.E. ähnlich Dann/Zimmermann NJW 2024, 3755, 3757.
[17] Die Repräsentation schließt den Besuch des sozialüblichen Rahmenprogramms ein, Trüg NJW 2009, 196, 198.
[18] Trüg NJW 2009, 196, 198. Zu weiteren Kriterien Dann/Zimmermann NJW 2024, 3755, 3757.
[19] Zutreffend MüKoStGB/Korte, 4. Aufl. (2022), StGB § 331 Rn. 125.
[20] Zustimmend Dilling CCZ 2024, 318, 323; Dann/Zimmermann NJW 2024, 3755, 3756.
[21] S.o. II. 1) b) bb).
[22] Dazu Dilling CCZ 2024, 318, 323 f.