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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2025
26. Jahrgang
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1. Ob ein Täter bedingt vorsätzlich handelte, ist in Bezug auf beide Vorsatzelemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind.
2. Im Hinblick auf einen bedingten Tötungsvorsatz liegt es bei äußerst gefährlichen (Gewalt-)Handlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.
3. Die insoweit erforderliche Beweiswürdigung ist dabei Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder weil an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen worden ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Das Tatgericht darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat.
1. Ob die Beteiligung an einer Tat als (Mit-)Täterschaft oder als Beihilfe einzuordnen ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts. Danach ist Täter, wer alle Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes selbst erfüllt. Eine Strafbarkeit nur wegen Beihilfe scheidet in einem solchen Fall aus.
2. Ist dies nicht der Fall, ist Raum für eine wertende Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Wesentliche Anhaltspunkte sind dabei der Grad des Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Diese Umstände sind in die erforderliche wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen.
1. Für die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, ist nicht nur die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist, sondern es sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Erforderlich ist eine konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegung dazu, in welcher Weise sich die fest gestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
2. Schließt sich der Tatrichter dem Sachverständigen an, muss er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise im Urteil mitteilen und sich mit dem Gutachteninhalt auseinandersetzen.
1. Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Täters zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung. Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Täter eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein.
2. Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass der Tat, die Motivlage und das Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können. Haben bei der Tat mehrere Faktoren zusammengewirkt und kommen daher mehrere Eingangsmerkmale gleichzeitig in Betracht, so dürfen diese nicht isoliert abgehandelt werden; erforderlich ist in solchen Fällen vielmehr eine umfassende Gesamtbetrachtung.
1. Der Versuch eines Deliktes (hier: des Raubes) tritt auf Konkurrenzebene regelmäßig hinter die Vollendung desselben gleichwertigen Deliktes zu Lasten des identischen Geschädigten zurück. Dies gilt auch in Fällen, in denen in Bezug auf den konkreten Tatbestand noch ein weiterer, vom selben Schutzgut erfasster Taterfolg erstrebt war.
2. Die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses ist bei unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung.
1. Dient das Herstellen kinderpornografischer Schriften zugleich der Verschaffung von Eigenbesitz und fallen deshalb der Herstellungs- und der Beschaffungsakt zusammen, wird das Unrecht der Tat von der Tatvariante des Herstellens gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a. F. vollständig umfasst. Der – als Auffangtatbestand konzipierte – Besitz kinderpornografischer Schriften nach § 184b Abs. 3 StGB tritt in diesem Fall nicht nur hinter das Sich-Verschaffen kinderpornografischer Schriften nach dieser Vorschrift, sondern auch hinter die Tatvariante des Herstellens kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a. F. zurück.
2. Etwas anderes gilt, wenn der Besitz in quantitativer Hinsicht über die hergestellten Schriften hinausgeht. Unter dieser Voraussetzung tritt der Besitz tateinheitlich zum Herstellen hinzu. Verschiedene in Tatmehrheit zueinander stehende Herstellungsakte im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a. F. werden jedoch nicht durch den nachfolgenden Besitz nach § 184b Abs. 3 StGB zu einer Tat verklammert. Denn auf Grund der erheblich unterschiedlichen Strafdrohungen fehlt es an der insoweit vorausgesetzten annähernden Wertgleichheit der Delikte.
3. Das Drittbesitzverschaffen kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB a. F. verdrängt ebenfalls grundsätzlich den Besitz solcher Schriften gemäß § 184b Abs. 3 StGB. Das betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Drittbesitzverschaffung, nicht die Zeit danach, und nur die verschafften Dateien. Geht der Besitz in zeitlicher und quantitativer Hinsicht über den für die Drittbesitzverschaffung erforderlichen Besitz hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes tateinheitlich neben das Drittbesitzverschaffen. Auch insoweit gilt, dass der gleichzeitige Besitz des von mehreren Akten der Drittbesitzverschaffung betroffenen Materials nicht geeignet ist, diese Akte zu einer Tat zu verklammern.
4. Der Senat neigt dazu, künftig in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr daran festzuhalten, dass die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung wegen einer nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigenden Wechselwirkung bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ist. Insbesondere der auf die Resozialisierung des Täters gerichtete § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB legt eine derartige Berücksichtigung nicht nahe, weil das insoweit in den Blick zu nehmende Übermaßverbot bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch die gegenwärtigen Anordnungs- und Vollstreckungsregelungen gewährleistet wird.
1. Der gegenüber der Tatmodalität des Sichverschaffens grundsätzlich subsidiäre Tatbestand des Besitzes
kinderpornographischer Inhalte (§ 184b Abs. 3 Var. 3 StGB i.d.F. v. 24.06.2024) lebt wieder auf, wenn der Verfolgbarkeit des Sichverschaffens das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegensteht.
2. Grundsätzlich stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer kinder- und jugendpornographischer Inhalte nur eine Tat dar, selbst wenn sich die Inhalte auf verschiedenen Datenträgern befinden. Dies hat zur Konsequenz, dass bei gleichzeitigem Besitz von selbst hergestellten kinderpornographischen Inhalten und weiteren, darüberhinausgehenden gespeicherten verbotenen Inhalten für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte kein Raum ist. Vielmehr tritt der weitergehende Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte in diesem Fall tateinheitlich neben die selbständigen Herstellungstaten. Dabei hat der Besitz als Auffangtatbestand nicht die Kraft, die einzelnen Herstellungsvorgänge zu einer Tat zu verklammern.
Die Ähnlichkeit der sexuellen Handlung mit dem Beischlaf ist vor allem an der Gewichtung der Rechtsgutverletzung zu messen. Geschütztes Rechtsgut ist in den Fällen des § 176a StGB a.F. die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes. Hierauf wirkt der Zungenkuss regelmäßig nicht so intensiv ein wie ein Vaginal-, Oral- oder Analverkehr.
Die Vorschrift des § 315c Abs. 1 StGB setzt in allen Tatvarianten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Dies ist der Fall, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“.
Der Tatbestand des § 40 Abs. 1 SprengG tritt als abstraktes Gefährdungsdelikt hinter den als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Tatbestand des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion nach § 308 Abs. 1 StGB zurück.
Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten. Nicht ausreichend ist indes, dass der Täter einer Tat nach § 232 StGB sich aus zukünftigen Prostitutionseinkünften eine dauerhafte Einnahmequelle verschaffen will; erforderlich ist vielmehr die Absicht wiederholter Tatbegehung. Dass der Täter mit der Intention einer wiederholten Tatbegehung gehandelt hat, muss sich für die Feststellung der Gewerbsmäßigkeit dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lassen.
1. Gewalt im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB wendet an, wer nicht völlig unerhebliche Kraft auf das Opfer entfaltet und wenn diese dazu dient, einen erwarteten oder geleisteten Widerstand des Opfers zu überwinden. Anders liegt es, wenn der Täter durch Schnelligkeit und List zum Ziel der Wegnahme kommt und das Erscheinungsbild der Tat deshalb nicht durch Gewalt gegen eine Person geprägt ist.
2. Für eine Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung eines Landgerichts ist der Bundesgerichtshof gem. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht zuständig. Zu entscheiden hat vielmehr nach § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG das „nächsthöhere Gericht“; dies ist bei Entscheidungen des Landgerichts das Oberlandesgericht.
1. Zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub muss eine finale
Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein.
2. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst. Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht. Erforderlich ist dann vielmehr eine Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters.
Das Tatbestandsmerkmal des Bestimmens eines Kindes zur Vornahme sexueller Handlungen (§ 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB) setzt eine unmittelbare Einwirkung auf das Kind voraus, die zumindest mitursächlich dafür ist, dass dieses die sexuelle Handlung vornimmt. Vollendet ist die Tat daher erst, wenn die Einwirkung tatsächlich zu der Vornahme der sexuellen Handlung geführt hat.