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Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2024
25. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Akzessorischer Rücktritt? – Zu den Voraussetzungen des Rücktritts des Gehilfen in organisatorischen Machtapparaten

Zugleich Besprechung von LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020

Von Wiss. Mit. Dr. Daria Bayer, Frankfurt a.M. [*]

A. Einleitung

"Der Angeklagte ist der Beihilfe zum Mord in 5.232 Fällen und zum versuchten Mord in einem Fall schuldig."

So lautet der bemerkenswerte Schuldspruch des rechtskräftigen[1] Urteils der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg vom 23. Juli 2020 gegen Bruno D.[2] Bruno D., zum Verurteilungszeitpunkt 93 Jahre alt, war von Juni oder Juli 1944 bis zum 26. April 1945 als Mitglied des SS-Totenkopfsturmbanns Wachmann im KZ Stutthof.[3] Es handelte sich bei dem aufwendigen Verfahren – neben dem nicht-rechtskräftig beendeten Verfahren gegen Josef S.[4] und dem laufenden Verfahren gegen Irmgard F.[5]

zeitlich bedingt wohl um einen der letzten Strafprozesse, in denen nationalsozialistisches Unrecht noch aufgearbeitet werden kann.[6] Dementsprechend groß war das öffentliche Interesse an dem Verfahren, an dem 40 Nebenklägerinnen und Nebenkläger beteiligt waren.[7] Bereits aufgrund seiner zeitgeschichtlichen Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund von § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG, verdient das Urteil eine eingehende Besprechung.

Darüber hinaus enthält das Urteil aber auch ein bislang nur wenig beachtetes dogmatisches Problem. Aufgrund der Zulassung der Nebenklagen hatte die Kammer auch über eine Beihilfe zum versuchten Mord an Nebenklägerinnen und Nebenklägern zu entscheiden.[8] Hierbei stellte sich der Kammer die umstrittene Frage nach den notwendigen Anforderungen an das Rücktrittsverhalten des Gehilfen bei einem Rücktritt der Haupttäter.[9] Die Kammer argumentierte im Ergebnis – entgegen § 24 Abs. 2 StGB –[10] für eine akzessorische Straffreiheit des Gehilfen bei einem Rücktritt der Haupttäter.[11] Diese Argumentation offenbart die grundlegenden Probleme, die die konsistente Bestimmung der individuellen Verantwortung und Handhabung des Rücktritts im Mehrpersonenverhältnis stellen.[12]

B. Spannungsfeld zwischen differenzierendem Teilnahmesystem und den Anforderungen von § 24 Abs. 2 StGB

Der Rücktritt vom Versuch ist eines der umstrittensten Themen der Strafrechtsdogmatik[13] und der Strafrechtspraxis.[14] Uneinigkeit herrscht bereits über die Auslegung der Grundkategorien des Rücktritts "Aufgeben, Freiwilligkeit, ernsthaftes Bemühen" ebenso wie über die Begründung und die dogmatische Einordnung des Rücktrittsprivilegs.[15] Sind darüber hinaus mehrere Personen an der Tat beteiligt, so gesellt sich zu diesen Problemen noch die Besonderheit, der Handlungsform von Täterschaft und Teilnahme Rechnung zu tragen.[16] Hierbei kommt es vor allem zu Spannungen[17] zwischen dem in §§ 25 – 27 StGB niedergelegten Teilnahmesystem[18] und dem 1975 eingefügten § 24 Abs. 2 StGB.[19] Während die §§ 25 – 27 StGB bei der Zurechnung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine (versuchte) Tat hinsichtlich der Beziehung des Beteiligten zur Tat differenzieren,[20] nimmt § 24 Abs. 2 StGB diese Differenzierung nicht vor.[21] § 24 Abs. 2 StGB gilt für Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB), Anstifter (§ 26 StGB) und Gehilfen (§ 27 StGB) gleichermaßen.[22] Dem Wortlaut nach kann das Rücktrittsprivileg – unabhängig von dessen dogmatischer Verortung als persönlicher Strafaufhebungsgrund[23] oder in der Schuld[24] – nur demjenigen Beteiligten

zu Gute kommen, der die Voraussetzungen von § 24 Abs. 2 StGB in seiner Person verwirklicht.[25]

I. Grundsatz: Erhöhte Rücktritts-anforderungen von § 24 Abs. 2 StGB

§ 24 Abs. 2 StGB stellt für alle Beteiligten[26] dieselben strengen Rücktrittsanforderungen auf: Erforderlich ist entweder die erfolgreiche Verhinderung der Vollendung der Tat (§ 24 Abs. 2 S. 1 StGB, in Parallele zu § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) oder das freiwillige und ernsthafte Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn die Tat ohne das Zutun des Beteiligten nicht vollendet (§ 24 Abs. 2 S. 2 Var. 1 StGB, in Parallele zu § 24 Abs. 1 S. 2 StGB) oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen (§ 24 Abs. 2 S. 2 Var. 2 StGB) wird.

Dagegen enthält § 24 Abs. 2 StGB dem Wortlaut nach keine § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB entsprechende Möglichkeit, bei einem sog. "unbeendeten Versuch"[27] durch bloße Aufgabe des eigenen Tatbeitrags straffrei zu werden.[28] Dies wird damit begründet, dass die Beteiligung mehrerer an einer Tat die Gefahr für das Rechtsgut erhöhe.[29] Auch die Teilnehmer hätten dieser Unrechtserhöhung zugestimmt, weshalb die Stellung von erhöhten Anforderungen an ihr Rücktrittsverhalten gerechtfertigt sei.[30] Alle Beteiligten sollten unabhängig vom Gewicht ihres konkreten Tatbeitrags für die ganze Tat Verantwortung tragen.[31] Es ist daher nach der gesetzgeberischen Wertung weder notwendig noch ausreichend, wenn der Tatbeteiligte, der straffrei werden will, auf die Ausführung seines eigenen Tatbeitrags verzichtet oder diesen nach seiner Erbringung erfolgreich neutralisiert. Er muss stattdessen ein auf die Verhinderung der gesamten Tat gerichtetes Verhalten an den Tag legen.[32] Damit muss er unter Umständen seinen eigenen (geplanten) Tatbeitrag überkompensieren. Der Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB ist – anders als der Rücktritt des allein handelnden Täters nach § 24 Abs. 1 StGB – kein direktes "Spiegelbild der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes in den einer Verletzung vorausgehenden Bereich"[33] durch die Versuchsstrafbarkeit mehr. Das Spiegelbild ist verzerrt. § 24 Abs. 2 StGB wird in seiner jetzigen Ausgestaltung daher in der Literatur vielfach, bis hin zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit, kritisiert und stellt die Praxis vor erhebliche Probleme.[34] Es werden in verschiedenen Konstellationen Ausnahmen vorgeschlagen. An dieser Stelle werden nur die zwei Konstellationen betrachtet, die für die Analyse der Entscheidung des Landgerichts Hamburg in Bezug auf den Gehilfen Bruno D. von Bedeutung sind.

II. Ausnahme 1: Rücktritt bei psychischer Beihilfe

Die Regelung in § 24 Abs. 2 StGB trifft gerade den Gehilfen besonders hart.[35] Er spielt per definitionem, und insbesondere in organisatorischen Machtapparaten, nur eine untergeordnete Rolle bei der ursprünglichen Tatbegehung.[36] Seine Strafe ist daher gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 StGB auch obligatorisch nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Trotzdem muss der Gehilfe nach § 24 Abs. 2 StGB überkompensieren und ein auf die Verhinderung der Vollendung der gesamten Tat gerichtetes Verhalten zeigen, will er bei einer Versuchstat ganz straffrei werden. § 24 Abs. 2 StGB schreibt ihm hier dieselbe Tatverhinderungsmacht zu wie dem Täter, auch wenn der Gehilfe diese faktisch oft gar nicht oder zumindest nicht im gleichen Maße wie der Täter besitzen wird. Deshalb wird teilweise vertreten, an das "ernsthafte Bemühen" des Gehilfen nach § 24 Abs. 2 S. 2 StGB geringere Voraussetzungen zu stellen als an das Bemühen des Haupttäters und es beispielsweise für ausreichend zu erachten, dass der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag rückgängig macht.[37]

Insbesondere im Fall der psychischen Beihilfe, die allein in der Stärkung des Tatentschlusses des Täters liegt,[38] stellt sich das Problem, dass die ursprüngliche psychische Bestärkung des Täters durch den Gehilfen trotz vollständiger Rückgängigmachung (etwa durch Absage gegenüber den Tätern) bis zur Vollendung fortwirken kann.[39] Hier wird

teilweise dafür argumentiert, die "Annahme psychischer Beihilfe nicht zu überspannen"[40] und einen Rücktritt des Gehilfen anzunehmen, wenn er seine Unterstützung absagt, weil seine ursprüngliche Unterstützungsleistung durch die Rückgängigmachung kompensiert sei und daher "in ihrem Gewicht unterhalb der ultima-ratio-Schwelle für eine Strafbarkeit[…]bleibe."[41] Stets sei dabei auch die Bedeutung des ursprünglichen Tatbeitrags in den Blick zu nehmen.[42] Es wird also eine Art Gesamtbetrachtung des Beteiligungsgrades und der Tatverhinderungsmacht vorgenommen, die das durch § 24 Abs. 2 verzerrte Spiegelbild für die Straffreiheit des Gehilfen wieder in gerade Bahnen lenken und das Rücktrittsprivileg seinem ursprünglich geminderten Tatunrecht anpassen soll.

III. Ausnahme 2: Rücktritt durch Einverständnis

Eine weitere Korrektur von § 24 Abs. 2 StGB nimmt die Rechtsprechung in Fällen des sog. "einvernehmlichen oder einverständlichen Rücktritts"[43] vor.

Der 1. Strafsenat des BGH wendet bei einem unbeendeten Versuch § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB analog auf Mittäter an, wenn alle Mittäter einvernehmlich die weitere Ausführung der Tat aufgeben.[44] In diesen Fällen soll ein Rücktritt durch "einvernehmliches Nicht-Weiterhandeln" möglich sein.[45] Der 4. Strafsenat geht dagegen unter Hinweis auf den klaren Wortlaut von § 24 Abs. 2 StGB davon aus, dass in diesen Fällen die Tatverhinderung auch durch ein Unterlassen erfolgen kann.[46] Im Ergebnis kommen beide Ansichten zum selben Ergebnis, nämlich der Möglichkeit, das Straffreiheitsprivileg durch einvernehmliches Abstandnehmen vom Tatplan zu erlangen. Nach allgemeinen Beweisregeln ist es daher ausreichend, dass "nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann[, dass die Angeklagten]einvernehmlich nicht mehr weitergehandelt haben, obwohl sie es jeweils gekonnt hätten."[47] Dies ist im Fall von Mittätern insofern überzeugend, als dass die Zurechnungsgrundlage nach § 25 Abs. 2 StGB durch den gemeinsamen Tatentschluss der Mittäter geschaffen wird und sie diese durch die gemeinsame Tataufgabe wieder annihilieren.[48] Alle Mittäter sind bei übereinstimmender Tataufgabe für die Tatverhinderung kausal geworden und haben die Gefahr für das Rechtsgut endgültig beseitigt, sodass die Bejahung des Rücktritts mit Sinn und Zweck der verschärften Rücktrittsregeln nach § 24 Abs. 2 StGB vereinbar ist.[49]

Gehilfen – ebenso wie Anstifter – können dagegen die Tat als solche nicht "aufgeben", da sie nach § 27 StGB gerade keine eigenständige Herrschaft über das Tatgeschehen (bzw. den Willen hierzu)[50] haben, sondern allein die Tat einer anderen Person unterstützen.[51] Die Rechtsprechung geht davon aus, dass es für Gehilfen – ebenso wie für Anstifter –[52] im Falle des Rücktritts der Haupttäter ausreicht, dass diese mit dem Rücktritt der Haupttäter einverstanden sind.[53] Hierfür wird angeführt, dass der Gehilfe ansonsten bei erfolgreichem Rücktritt der Haupttäter gar nicht mehr zurücktreten könnte.[54] Dabei wird die "als Mindestvoraussetzung zu fordernde Zustimmung"[55] des Gehilfen in die Tataufgabe bei Einordnung in ein Befehlssystem fingiert.[56] Diese Fiktion ist bereits Ausdruck davon, dass die dogmatische Bestimmung des Rücktritts oft mit praktischen Beweisproblemen verbunden wird.[57]

Die Kategorie des "fiktiven Einverständnisses" führt allerdings, wie die im Folgenden analysierte Argumentation der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg verdeutlicht, zu einer gesetzgeberisch nicht gewollten Akzessorietät des Rücktritts und ist mit dessen Einordnung als

persönlicher Strafaufhebungsgrund[58] unvereinbar.[59] Darüber hinaus lässt sich die Kategorie des fiktiven Einverständnisses, wie die Analyse der Argumentation der Kammer ebenfalls zeigt, als ein rhetorischer Kniff verstehen, wonach einerseits aus symbolischen Gründen die strafrechtliche Verantwortung des Gehilfen durch eine weite Bejahung der Beihilfe ausgeweitet werden, zugleich aber über eine Ausweitung des außertatstrafrechtlichen Rücktrittsprivileg eine Bestrafung im Einzelfall unterbleiben kann. Dieses Vorgehen ist angesichts der prozessualen Besonderheiten und Schwierigkeiten der strafrechtlichen Aufarbeitung von NS-Unrecht verständlich, offenbart jedoch dogmatische Wertungswidersprüche.

C. Argumentation der Jugend-kammer des Landgerichts Hamburg

Da Bruno D. zum Tatzeitpunkt 17 bzw. 18 Jahre alt war, war die Jugendkammer des Landgerichts Hamburg gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 3 GVG[60] zuständig. Diese befand sich damit vor einer einmaligen historischen Aufgabe,[61] die weit über den normalen Rahmen eines auf individuelle Schuldfeststellung ausgerichteten Strafprozesses hinausging. Es erscheint daher angesichts der Komplexität und historischen Bedeutung des Sachverhalts nicht fernliegend zu vermuten, dass in die Urteilsfindung auch pragmatische Erwägungen eingeflossen sind, um den Fall in eine strafrechtlich greifbare und aburteilbare Form zu bringen.

I. Prozessuale Rahmenhandlung

Da Bruno D. als Wachmann keinerlei Entscheidungsbefugnisse hatte und lediglich als Wachmann auf dem Turm seinen Wachdienst versah, kam von vornherein nur eine Anklage wegen Beihilfe zu den während des NS begangenen Taten in Betracht.[62] Allerdings war die Fülle der möglichen Taten, zu denen Beihilfe geleistet worden sein könnte, überwältigend. Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage ursprünglich zeitlich, örtlich und inhaltlich nach §§ 154, 154a StPO beschränkt.[63] Insbesondere hatte sie Bruno D. zunächst nur in 5.200 Fällen wegen Beihilfe zum vollendeten Mord in Bezug auf die innerhalb des KZ Stutthof zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 begangenen Taten angeklagt. Die Kammer beschloss im Folgenden aber die Zulassung der Nebenklagen von Überlebenden und Angehörigen, weshalb die auf § 154a StPO beruhenden Beschränkungen gemäß § 395 Abs. 5 Satz 2 StPO im Hinblick auf die jeweilige Nebenklage entfielen.[64] Aus diesem Grund hatte die Kammer nun auch, neben der Beihilfe zum vollendeten Mord in über 5000 Fällen, über die Beihilfe zum versuchten Mord an Nebenklägerinnen und Nebenklägern zu entscheiden.[65] Im Übrigen ließ die Kammer die Beschränkungen der Staatsanwaltschaft "aus Gründen der Prozessökonomie"[66] bestehen, selbst wenn sie in den Urteilsgründen davon ausgeht, dass die tatsächliche Zahl der während des Tatzeitraums im KZ Stutthof Ermordeten und Überlebenden dieser versuchten Ermordungen "um ein Vielfaches" höher sein dürfte, als dies in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommt.[67]

Die Kammer betont in den Urteilsgründen ferner, sich ihrer historischen Aufgabe bewusst, dass "der Versuch der vollständigen Aufklärung aller während der Anwesenheit des Angeklagten im Konzentrationslager Stutthof begangenen Ermordungen und der dazu ggf. geleisteten Beihilfe des Angeklagten[…]nicht nur die Hauptverhandlung ganz erheblich verlängert[hätte], sondern[…]75 Jahre nach den Taten mit den Mitteln des Strafprozesses letztlich nicht mehr möglich gewesen[wäre]."[68]

II. Reichweite der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Gehilfen

Die Kammer nimmt in den Urteilsgründen an, dass das Gefangenhalten unter lebensfeindlichen Bedingungen[69] im Konzentrationslager Stutthof das Mordmerkmal der Grausamkeit nach § 211 Abs. 2, 2. Gruppe Var. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB erfüllt.[70] Deshalb kam auch an denjenigen Gefangenen, die die Gefangenhaltung überlebten, Beihilfe zum versuchten Mord mit Eventualvorsatz in Betracht.

Als Haupttäter der versuchten Morde identifiziert die Kammer den Lagerkommandanten Hoppe (und in Bezug

auf M.F.1. auch den Lagerkommandanten Ehle)[71] sowie den Schutzhaftlagerführer Meyer.[72] Diese handelten nach den Feststellungen der Kammer als Mittäter gemäß § 25 Abs. 2 StGB.[73] Das unmittelbare Ansetzen zu diesen versuchten Ermordungen bestimmt die Kammer nicht näher. Implizit geht sie wohl davon aus, dass dieses ab dem 1. Tag. der Gefangenhaltung vorliegt.

Bruno D. habe als Wachmann zu den versuchten Ermordungen durch Gefangenhalten "jedenfalls" psychische Beihilfe durch das Wache-Stehen geleistet.[74] Denn zwar könne die Zurechnung zu Bruno D. nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft im SS-Sturmband Totenkopf bejaht werden.[75] Allerdings sei eine "fördernde Wirkung" des Wachestehens in Bezug auf "konkrete Tatentschlüsse" zu "konkreten Haupttaten" nachweisbar.[76] In Bezug auf diese konkreten Haupttaten – die eventualvorsätzlich versuchte Ermordung von Nebenklägerinnen und Nebenklägern durch Gefangenhalten in lebensfeindlichen Bedingungen – habe das Wissen um das sichere Gehorsam ihrer Untergebenen den Haupttätern die Tatbegehung erst ermöglicht.[77] Dabei habe der Angeklagte durch das "Wache-Stehen" – "anders als ggf. eine Sekretärin oder ein Küchengehilfe oder ein Zahnarzt"[78] – eine besondere Unterstützungsleistung[79] vorgenommen. Dies begründe die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bruno D.

Allerdings, so die Kammer weiter, beschränke sich diese Verantwortlichkeit nur auf die innerhalb des KZ Stutthof begangenen Taten, nicht auf die in anderen Lagern begangenen Taten. Zu diesen hätte Bruno D. mangels Vorsatzes[80] weder Beihilfe geleistet noch die Beihilfehandlung der Lagerleitung unterstützt. Daher bedürfe es hier keiner näheren Untersuchung, ob sich auch die Verantwortlichen in anderen Konzentrationslagern wie Auschwitz in Bezug auf die dorthin deportierten und dort ermordeten bzw. zu ermordet versuchten Gefangenen auf die gehorsamen und willigen SS-Angehörigen in den anderen Konzentrationslagern verließen, um ihre Taten durchzuführen.[81] Diese Annahme der Kammer erscheint jedenfalls für die aus dem Konzentrationslager Stutthof in andere Konzentrationslager wie Ausschwitz deportierten Gefangenen zweifelhaft, da die Deportation gerade aufgrund von Arbeitskräftemangel in den jeweiligen KZ erfolgte.[82]

Bruno D., so die Kammer in den Urteilsgründen weiter, habe zu den innerhalb des KZ Stutthofs eventualvorsätzlich versuchten Morden Hilfe geleistet.[83] Hierzu sei nicht erforderlich, dass der Angeklagte die hinter den Tötungen stehende Befehlsstruktur oder gar die konkreten Befehle zu den Tötungen oder zum Gefangenhalten kannte. Vielmehr sei ausreichend, dass der Angeklagte um die "allgemein strenge Hierarchie wusste und wusste, dass[…]seine Bereitschaft, gehorsam Dienst zu leisten, für die Lagerleitung entscheidende Voraussetzung für die Erteilung der Befehle war.".[84] Ebenso geht die Kammer davon aus, dass Bruno D. um die lebensfeindlichen Bedingungen des Gefangenhaltens wusste.[85]

Die Kammer verneint schließlich auch einen Schuldausschluss aufgrund eines entschuldigenden Befehlsnotstands nach § 35 StGB[86] oder eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 S. 1 StGB aufgrund der Tatsache, dass Bruno D. in der NS-Ideologie sozialisiert worden war.[87] Insbesondere hätte es für die Bejahung eines Befehlsnotstandes an dem hierfür notwendigen Gewissenskonflikt gefehlt.[88] Im Gegenteil stellte die Kammer fest, dass Bruno D. zwar darunter litt, dass er seinen täglichen Wachdienst als "eintönig" empfand, aber nicht unter dem Schicksal der Gefangenen.[89] Die Kammer mutete Bruno D. daher das Treffen von autonomen Entscheidungen trotz seiner Einordnung in das Befehlssystem zu und erklärte Bruno D. als Gehilfen für verantwortlich hinsichtlich der in seinem Wissen innerhalb des KZ Stutthofs begangenen versuchten Ermordungen.

III. Rücktrittsverhalten des Gehilfen

Im nächsten Schritt setzt sich die Kammer mit einem möglichen Rücktritt von Bruno D. auseinander. Hierbei unterscheidet die Kammer zwischen der versuchten Ermordung der Nebenklägerin M.F1., die bis zur Befreiung des Lagers

durch die russische Armee in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 im KZ Stutthof überlebt hatte,[90] und der versuchten Ermordung derjenigen Gefangenen, die vor der Befreiung des Lagers in andere Konzentrationslager oder Außenlager des Konzentrationslagers Stutthofs "evakuiert" bzw. deportiert worden waren.[91]

1. Rücktritt in Bezug auf M.F.1.

Im Fall von M.F1., die bis zur Befreiung des KZ Stutthof im Lager überlebt hatte, sei der Versuch der Ermordung durch die Befreiung des Lagers für alle Beteiligten fehlgeschlagen.[92] Deshalb, so die Kammer, wäre gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 StGB ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen von Bruno D. zur Tatvollendung erforderlich gewesen.[93] Über die Frage, welche Anforderungen hieran zu stellen sind, lässt sich streiten.[94] Selbst wenn man aber an das "ernsthafte Bemühen" des Gehilfen nach § 24 Abs. 2 S. 2 StGB geringere Voraussetzungen stellt als an das Bemühen der Haupttäter und es etwa bei der psychischen Beihilfe für ausreichend erachtet, dass der Gehilfe sein Abrücken von der Bestärkungsleistung gegenüber den Tätern deutlich macht,[95] hätte Bruno D. diese Voraussetzungen nach den Feststellungen des Landgerichts nicht erfüllt.[96] Er hatte weder den Dienst quittiert, beim Wache-Stehen aktiv weggesehen oder um Versetzung gebeten, geschweige denn versucht, den Gefangenen zur Flucht zu verhelfen oder die Lagerleitung von der Freilassung der Gefangenen zu überzeugen. Freilich könnte sich hier die Frage stellen, ob ein solches Rücktrittsverhalten für Bruno D. unter Umständen mit dem Risiko einer eigenen Sanktionierung verbunden gewesen[97] und ihm daher unter Umständen nicht zumutbar gewesen wäre. Allerdings hatte die Kammer einen Schuldausschluss aufgrund eines entschuldigenden Befehlsnotstands nach § 35 StGB[98] ja gerade verneint (s. C.II.1.), und Bruno D. das Treffen von autonomen Entscheidungen trotz seiner Einordnung in ein Befehlssystem zugemutet. Sie rechnete Bruno D. sogar strafschärfend an, dass er sich opportunistisch und bequem verhalten hatte.[99] Daher ist hier auch davon auszugehen, dass die Kammer ihm ein solches Rücktrittsverhalten für zumutbar und möglich hielt. Mangels eines solchen verurteilte sie Bruno D. im Fall von M.F.1. wegen Beihilfe zum versuchten Mord wegen des Gefangenhaltens in lebensfeindlichen Bedingungen gemäß §§ 211 Abs. 2, 2. Gruppe Var. 2, 22, 23 Abs. 1, 27 StGB i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB.[100]

2. Rücktritt in Bezug auf zuvor deportierte Gefangene

In den anderen angeklagten Versuchstaten waren die Überlebenden vor der Befreiung des Lagers durch die Haupttäter in andere Konzentrationslager wie Ausschwitz oder Außenlager des KZ Stutthof deportiert oder "evakuiert" worden.[101] Diese Deportation geschah im Rahmen der organisierten Struktur der Vernichtungslager auf Anforderung derjenigen Lager, in denen Arbeitskräftemangel herrschte.[102] Den Haupttätern oblag lediglich die Auswahl der konkret zu deportierenden Gefangenen. Trotzdem nahm die Kammer in diesen Fällen einen strafbefreienden Rücktritt der Haupttäter an.[103] Hieraus folgert die Kammer nun, dass Bruno D. ebenfalls zurückgetreten sei, und zwar mit folgender dreischrittiger Argumentation:[104]

"Tritt aber der Haupttäter zurück [a.], ist es für den Gehilfen ausreichend, dass er mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist [b.][…]. Dahinter steht der zutreffende Gedanke, dass andernfalls der Gehilfe, sofern der Haupttäter den Erfolg bereits verhindert, überhaupt nicht zurücktreten könnte[…]. Von der erforderlichen Übereinstimmung der Willensrichtungen ist bei der Einordnung in ein Befehlssystem regelmäßig auszugehen [c.][…]".[105]

a. Rücktritt der Haupttäter

Die Kammer geht zunächst davon an, dass das Gefangenhalten in lebensfeindlichen Bedingungen mit der Gesamtbetrachtungslehre einen unbeendeten Versuch darstellt.[106] Analog § 24 Abs. 1 S. 1 StGB[107] (s. hierzu oben unter B. II) seien die Haupttäter hiervon durch die Deportation strafbefreiend zurückgetreten. Denn durch die Selektion der konkret zu deportierenden Gefangenen hätten diese freiwillig und endgültig von der konkreten Tat (Ermordung im KZ

Stutthof) Abstand genommen.[108] Zwar sei die Deportation durch die Haupttäter jedenfalls eventualvorsätzlich dahingehend erfolgt, dass die Gefangenen zwar nicht mehr in Stutthof, wohl aber in einem anderen Konzentrationslager getötet werden könnten.[109] Hierin liegt der Kammer zufolge aber ein unmittelbares Ansetzen zu zwei neuen Taten (eventualvorsätzlich versuchte Tötung auf dem Transport sowie Beihilfe zur versuchten Ermordungen an den Gefangenen durch die Lagerleitung des Ziellagers). Allerdings hätten die Haupttäter mit der Ankunft im Ziellager ihre täterschaftliche Verantwortung "abgegeben".[110]

Dem Wachmann Bruno D. seien jedoch weder die eventualvorsätzlich versuchte Tötung auf dem Transport (kein Vorsatz) noch die in anderen KZs versuchten Tötungen (keine fördernde Handlung) zuzurechnen.[111] Seine strafrechtliche Verantwortung beschränke sich allein auf die innerhalb des KZ Stutthofs begangenen Taten.[112]

Bereits die Annahme eines Rücktritts der Haupttäter im konkreten Fall lässt sich aus mehreren Gründen anzweifeln: Erstens stellt sich die Frage, ob überhaupt von einem unbeendeten Versuch ausgegangen werden kann, da der Tod durch das Gefangenhalten in lebensfeindlichen Bedingungen zu jedem Zeitpunkt hätte eintreten können. Zweitens stellt sich die Frage, ob die versuchte Ermordung der Gefangenen im Lager und die versuchte Tötung auf dem Weg in das neue Lager wirklich zwei Taten im materiell rechtlichen Sinne darstellen, was hier eigentlich die "Haupttat" ist (Ermordung der Gefangenen nur innerhalb des KZ Stutthofs oder die sog. "Endlösung")[113] und ob daher von einem "Aufgeben" gesprochen werden kann. Hier wäre insbesondere die Frage zu klären, wie weit der materielle Tatbegriff bei der systematischen Ermordung von Menschen im Rahmen von organisierten Vernichtungslagern reicht und inwiefern die Lagerführer individuelle Verantwortung hierfür tragen. Schließe ließe sich auch mit einer normativen Betrachtung anzweifeln, ob die Auswahl der konkret zu deportierenden Gefangenen für die "Freiwilligkeit" ausreichend sein soll.

b. Einverständnis mit der Tataufgabe

Folgt man jedoch der Kammer darin, einen Rücktritt der Haupttäter vorliegend zu bejahen, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, weshalb dies entgegen § 24 Abs. 2 StGB für den Gehilfen von Bedeutung sein sollte. Die Kammer geht mit der unter B.III skizzierten Rechtsprechung davon aus, dass bei einem Rücktritt eines Tatbeteiligten "für den Rücktritt des Gehilfen andere Anforderungen"[114] gelten. Ausreichend sei dann das Einverständnis mit der Tatverhinderung durch den anderen Tatbeteiligten. Begründet wird dies mit dem Argument, dass durch den Rücktritt der Haupttäter dem Gehilfen die Möglichkeit zum eigenen Rücktritt genommen würde. Daher müsse es (aus Gleichbehandlungsgründen?) ausreichen, dass dieser mit dem Rücktritt der Haupttäter einverstanden sei.[115]

Abgesehen davon, dass so die Schwierigkeiten der Rücktrittsbestimmung durch die Haupttäter unmittelbar auf die Beurteilung des Rücktrittsverhalten von Bruno D. übertragen werden,[116] ist diese Annahme jedenfalls in ihrer Pauschalität unzutreffend. Denn der Gehilfe kann bei einem Rücktritt der Haupttäter weiterhin nach § 24 Abs. 2 S. 2 StGB zurücktreten, wenn er seinen Tatbeitrag noch nicht erbracht hat (Alt. 1) oder aber die Tat unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird (Alt. 2). Unter Alt. 2 lässt sich auch der Fall subsumieren, dass die Haupttäter die Tat aufgegeben haben,[117] jedenfalls dann, wenn der Gehilfe hiervon nichts wusste (sonst ggf. subj. Fehlschlag).[118] Allerdings ist hierzu ein ernsthaftes und freiwilliges Bemühen des Gehilfen erforderlich, was von der Kammer im Fall von Bruno D. (jedenfalls in Bezug auf M.F.1.) gerade nicht festgestellt wurde (s. C.III.1.) – die Erwägungen der Kammer in Bezug auf die deportierten Gefangenen wären hier wohl ähnliche wie bei M.F.1.. Selbst eine Änderung der inneren Einstellung von Bruno D. zu den Gefangenen im Laufe der Zeit ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

c. Fiktion des Einverständnisses

Dagegen geht die Kammer mit BGHSt 44, 204, 208 von dem Einverständnis des Gehilfen in die Tataufgabe aufgrund der Einordnung in ein organisiertes Befehlssystem aus.[119] Dieses fiktive Einverständnis im Rahmen von Befehlsstrukturen führt faktisch zur akzessorischen Straffreiheit des Gehilfen bei einem Rücktritt der Haupttäter in organisierten Machtapparaten. Denn bei einem Rücktritt der Haupttäter wäre in diesen Fällen regelmäßig von einem Rücktritt des Gehilfen auszugehen.[120] Das fiktive Einverständnis spricht damit dem Gehilfen seine autonome Entscheidungsbefugnis wieder ab, die dessen strafrechtliche Verantwortung trotz der Einordnung in ein organisiertes Befehlssystem erst begründet. Dies ließe sich zwar mit der von der herrschenden Meinung vorgenommenen Einordnung des Rücktritts als persönlichem Strafaufhebungsgrund dahingehend entkräften, dass "die

Rücktrittsregelung[…]außerhalb des tatstrafrechtlichen Systems"[121] stehe, weshalb "die Prinzipien des Letzteren[tatstrafrechtlichen Systems]für die Interpretation des § 24 daher häufig nicht hilfreich"[122] sein. Allerdings ergibt sich gerade aus dem Wortlaut von § 24 Abs. 2 StGB, der das Teilnahmesystem nicht berücksichtigt, und insbesondere aus dessen Einordnung als persönlichem Strafaufhebungsgrund eine eigenständige Verhinderungshaftung des Gehilfen für die gesamte Tat, unabhängig vom Rücktrittsverhalten der Haupttäter. Die Korrektur hieran, die die Kammer mit dem BGH vornimmt, ergäbe sich dann wertungsmäßig gerade aus der allein auf tatstrafrechtlicher Seite zu berücksichtigenden Abstufung des Teilnahmesystems. Deshalb ist diese Argumentation weder dogmatisch noch wertungsmäßig konsequent.[123]

3. Alternative Argumentationen mit der Literatur

Die vom Landgericht vorgenommene Konstruktion eines Rücktritts durch fiktives Einverständnis erinnert vom Ergebnis her (akzessorische Bejahung des Rücktritts des Gehilfen bei Rücktritt des Haupttäters) an Theorien, die Rücktritt und Versuch als Einheit begreifen und den Rücktritt als eine negative Bedingung der Strafbarkeit einordnen.

a. Rücktritt als negative Strafbarkeitsbedingung

Die ältere, im 19. Jahrhundert vertretene sog. "Rechtstheorie" ging vor dem Hintergrund von § 31 des Preußischen Strafgesetzbuchs davon aus, dass Versuch und Rücktritt eine Einheit bilden.[124] Der Rücktritt wurde hiernach als negative Bedingung der Strafbarkeit eingeordnet, weshalb die Versuchsstrafbarkeit abhängig von dem Nicht-Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen waren.[125] Die Rechtstheorien wurden im 20. Jahrhunderts aktualisiert etwa von Binding, v. Hippel und v. Scheurl.[126] Hiernach wird der Rücktritt entweder als negatives Tatbestandsmerkmal (v. Hippel)[127] oder nach dem heute vorherrschenden dreistufigen Prüfungsaufbau in der Rechtswidrigkeit (Binding)[128] verortet. Ähnlich argumentiert heute Haas dafür, den Rücktritt als tatbestandlichen Zurechnungsausschluss einzuordnen.[129] Nach beiden Ansichten ist der mangelnde Rücktritt also bereits eine tatbestandliche Voraussetzung (ggf. im Sinne eines negativen Tatbestandsmerkmals)[130] der Versuchsstrafbarkeit. Durch den Rücktritt entfällt rückwirkend das Versuchsunrecht. Wenn die Haupttäter also zurücktreten, ist ihre Tat, und zwar von Anfang an, als nicht tatbestandlich oder rechtswidrig anzusehen. Dies hätte für den Gehilfen zur Folge, dass die zu seiner Strafbarkeit erforderliche "vorsätzliche rechtswidrige Haupttat" entfiele und er damit akzessorisch zum Rücktritt der Haupttäter ebenfalls straflos würde.[131] Dann käme es auf ein fingiertes Einverständnis des Gehilfen auch überhaupt nicht mehr an. Diese Einordnung des Versuchs auf Tatbestandsebene würde sich von Wortlaut und Telos des § 24 StGB (der zwischen Tatbeitrag und Tat bewusst differenziert), offen zugegeben entfernen.[132]

Allerdings wurde bereits im Zusammenhang mit § 31 Preußisches Strafgesetzbuch die hieraus folgende strenge akzessorische Straffreiheit der Teilnahme beanstandet und die eigenständige Normierung des Rücktritts als persönlichem Strafaufhebungsgrund gefordert.[133] Dieses Argument wird auch heute noch gegen die unrechtsausschließenden Theorien vorgebracht.[134] Zudem treten wertungsmäßige Widersprüche auf, denn der Gehilfe würde straflos, ganz unabhängig davon, ob er vom Rücktritt der Haupttäter wusste.[135] Selbst wenn er sich innerlich nichts sehnlicher gewünscht hätte als die Ermordung der Gefangenen, würde er straffrei, denn die nur versuchte Beihilfe ist – anders als die versuchte Täterschaft und die versuchte Anstiftung gemäß § 30 Abs. 2 StGB – straflos.[136] Den Gehilfen im Falle des Rücktritts der Haupttäter straflos zu stellen würde bedeuten, eine wertungsmäßige Entscheidung entgegen § 24 Abs. 2 StGB und entgegen der Einordnung des Rücktritts als persönlichem Strafaufhebungsgrund vorzunehmen[137] und den in § 27 StGB zum Ausdruck kommenden Akzessorietätsgrundsatz höher zu gewichten als die in § 24 Abs. 2 StGB niedergelegte Durchbrechung der Akzessorietät. Dies wäre also eine offene Wertentscheidung contra legem und eine Rückkehr zur

Einheitslösung des 19. Jahrhunderts, in dem auch das strenge Akzessorietätsprinzip galt.[138]

Hieraus ergibt sich ein neues Wertungsproblem: Denn die Einheitstheorie verkennt die zeitliche Dimension des Versuchsunrechts. Das Versuchsunrecht und die damit verbundene Gefahr für das Rechtsgut muss vom unmittelbaren Ansetzen bis zum Rücktritt zumindest für eine logische Sekunde bestanden haben.[139] In diesem Zeitraum könnte es beispielsweise erforderlich gewesen sein, Notwehr zu üben. Dieser Zeitraum wird durch die von der Rechtsprechung vorgenommene Gesamtbetrachtungslehre immer weiter ausgedehnt. So geht das Landgericht Hamburg im Fall von Bruno D. etwa davon aus, dass im gesamten Zeitraum des Gefangenhaltens im KZ Stutthof nur eine materielle Versuchstat vorliegt.[140] In diesem Fall würde die Verortung des Rücktritts als Tatbestandsmerkmal also bedeuten, dass den später weiterdeportierten Gefangenen während des gesamten Zeitraums ihres Gefangenhaltens im KZ Stutthof aufgrund der zu einem wesentliche späteren Zeitpunkt erfolgten Deportation kein Notwehrrecht – weder gegen die Haupttäter noch gegen die Gehilfen[141] – zugestanden hätte.[142]

Hiergegen ließe sich zwar in der spezifischen Fallkonstellation von Bruno D. vorbringen, dass dies ein rein hypothetisches Problem ist, denn bei erfolgreicher Notwehr der Gefangenen wäre der Versuch fehlgeschlagen und ein Rücktritt also nicht mehr möglich (und bei fehlgeschlagenen Notwehrversuchen würden überlebende Gefangene nach heutigem Recht sicher nicht angeklagt werden). Allerdings ändern diese Erwägungen nichts an der normativen Aussage, dass bei einem erfolgreichen Rücktritt der Haupttäter, würde dieser als Tatbestandsmerkmal bzw. Unrechtsausschluss eingeordnet, während des gesamten Versuchszeitraums, also dem Zeitraum des Gefangenhaltens im KZ Stutthof, kein Unrecht bestanden hätte.[143] Diese Aussage hätte die Kammer wohl kaum treffen wollen.

b. Rücktritt als Schuldausschluss

Zumindest diese symbolische Wertung könnte umgangen werden, wenn man den Rücktritt mit den schuldausschließenden Einheitstheorien zwar bereits als strafrechtlichen Verantwortungsausschluss, allerdings erst auf Ebene der Schuld berücksichtigen würde.[144]

Dann bliebe nämlich auch bei erfolgreichem Rücktritt das Versuchsunrecht grundsätzlich bestehen, ließe sich jedoch im Falle des Rücktritts als so sehr gemindert betrachten, dass die Schuld ausgeschlossen wäre.[145] Mit diesem Framing des Rücktritts in Verbindung mit der Begründung der Gehilfenstrafbarkeit aus dem "Tatunrecht" ließe sich überlegen, die Schuld des Gehilfen im Falle des Rücktritts der Haupttäter als derart reduziert anzusehen, dass diese vollkommen auszuschließen sei. Allerdings steht dies im Widerspruch sowohl zum Wortlaut von § 24 Abs. 2 StGB als auch zu dem von § 29 StGB, wonach jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft wird.[146] Auch ist nicht ersichtlich, dass Vertreterinnen und Vertreter der schuldausschließenden Einheitstheorien ein solches Ergebnis wünschen. Vielmehr wird von diesen der Rücktritt vom Versuch bei mehreren Tatbeteiligten nach § 24 Abs. 2 StGB meistens nicht anders betrachtet als der Rücktritt des allein handelnden Täters nach § 24 Abs. 1 StGB.[147] Zudem wäre eine solche Einordnung mit der Argumentation der Kammer, die gerade eine individuelle Verantwortung von Bruno D. begründen will und Entschuldigungsgründe verneint (s. C.II.), schlecht vereinbar.

c. Rücktritt als Strafzumessungsregel

Ein (vergleichsweise) aktueller Ansatz von Herrmann schlägt vor dem Hintergrund der Strafzwecktheorie unter Einbeziehung der rechtsvergleichenden Diskussion vor, die Differenz zwischen § 24 Abs. 1 und § 24 Abs. 2 StGB vollständig aufzulösen[148] und den Rücktritt im Rahmen einer allgemeinen Strafzumessungsregel aufgehen zulassen. Diese soll lauten: "Das Gericht mildert die Strafe oder kann von Strafe absehen, wenn der Täter oder Teilnehmer sich ernsthaft um die Vermeidung der Tatvollendung bemüht."[149] Hierdurch, so Herrmann, würde für das Gericht ein größerer "Raum für die Einbeziehung von Motiven des Täters"[150] entstehen. Das Gericht könnte den Rücktritt im Rahmen der Strafzumessung flexibel handhaben und wäre nicht mehr an den strengen Wortlaut von § 24 Abs. 2 StGB gebunden. Allerdings würde dieser Ansatz in Bezug auf Bruno D. schon nicht weiterhelfen, denn auch der von Herrmann formulierte Reformvorschlag erfordert weiterhin ein "ernsthaftes Bemühen" bzw. eine "erkennbare"[151] Rücktrittsleistung des Beteiligten.[152] Zudem lässt sich

gerade die zunehmende Tendenz zur Flexibilisierung[153] und die damit einhergehende Aufweichung klarer, dogmatischer Maßstäbe kritisch betrachten,[154] da der Rücktritt so in noch größerem Maße (oder aber: wenigstens explizit gemacht) zu einer billigkeitsgeleiteten Einzelfallentscheidung würde.

d. Zwischenfazit

Auch mit den in der Literatur vertretenen alternativen Einordnungsversuchen des Rücktritts lässt sich eine akzessorische Straflosigkeit des Gehilfen bei einem Rücktritt der Haupttäter nicht oder nicht ohne das Aufwerfen neuer Wertungswidersprüche konsistent begründen. Die Spannungen folgen aus dem (gesetzlich so gewollten) Widerspruch, dass die §§ 25 – 27 ff. StGB nach der Nähe zur Tat differenzieren, § 24 Abs. 2 StGB dagegen den zwischen Mittätern, Anstiftern und Gehilfen bestehenden Unterschieden der Verhinderungsmacht keine Rechnung trägt.

D. Fazit und Ausblick

Der zeitgeschichtlich bedeutsame Fall von Bruno D. zeigt daher plastisch die Schwierigkeiten auf, eine "widerspruchsfreie Theorie des Rücktritts"[155] zu entwickeln. Besondere Probleme entstehen bei mehreren Tatbeteiligten durch das eingangs skizzierte Spannungsfeld zwischen ausdifferenziertem Teilnahmesystem und dem Akzessorietätsgrundsatz der Beihilfe einerseits, der undifferenzierten Ausgestaltung von § 24 Abs. 2 StGB andererseits. Insbesondere im Rahmen von hierarchisch organisierten Strukturen stellt sich die Frage, ob und inwiefern die reduzierte Enthaltungs- bzw. Verhinderungsmacht des Gehilfen in Bezug auf die Tat im Rahmen der faktischen Abhängigkeit von den Tätern bei der Beurteilung der Strafbarkeit bzw. des Rücktrittsverhaltens Berücksichtigung finden sollte. Diese Frage berührt damit die grundlegenden Fragen nach dem Strafgrund des Versuchs sowie der Begründung für das Straffreiheitsprivileg des Rücktritts einerseits,[156] dem Strafgrund der Teilnahme andererseits.[157] Es wäre sinnvoll, an beide Fragen zeitgleich noch einmal systematisch heranzutreten.[158] Denn aus ihrem Zusammenspiel ergibt sich, wie der Fall von Bruno D. zeigt, die Reichweite individueller Verantwortung für im Rahmen von organisatorischen Machtapparaten begangene Taten – und damit auch, was strafrechtliche Prozesse zu ihrer Aufarbeitung leisten können.


* Der Text geht auf einen Vortrag zurück, den die Verfasserin am 27. September 2022 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gehalten hat. Die Verfasserin dankt dem dortigen Institut für Strafrecht sowie insbesondere Kilian Wegner für wertvolle Anmerkungen.

[1] Rechtskraft trat am 10. August 2020 ein, nachdem die zunächst von zwei Nebenklägern und dem Angeklagten eingelegten Revisionen wieder zurückgenommen wurden, s. hierzu die Pressemitteilung des OLG Hamburg vom selben Tag (liegt Verfasserin vor); vgl. auch https://www.abendblatt.de/hamburg/article230136938/Stutthof-Prozess-Urteil-gegen-Ex-KZ-Wachmann-rechtskraeftig-Nebenklage-Bruno-D-Beihilfe-zum-Mord-Hamburg-Gericht.html.

[2] LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020[Hervor. eingefügt]; auch im Übrigen ist der Tenor ungewöhnlich. Neben der vergleichsweise geringen Strafe (Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, s. hierzu Rn. 466 ff.) fällt auch die Kostenentscheidung ins Auge (s. hierzu LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 512 ff.). Dies verdeutlicht, dass der Fall in seiner zeitgeschichtlichen Dimension und Symbolik den Rahmen eines normalen Strafprozesses bei Weitem sprengte.

[3] LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 197.

[4] S. BGH 6 StR 42/23, Beschluss v. 3. Mai 2023 = HRRS 2023 Nr. 708 Rn. 1 f.; das Landgericht Neuruppin hatte den Angeklagten am 28. Juni 2022 wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt ( LG Neuruppin , 11 Ks 4/21, 28. Juni 2022). Hiergegen hatte der Angeklagte Revision eingelegt. Am 11. April 2023 ist der Angeklagte verstorben. Der Senat hat daher das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.

[5] LG Itzehoe, 3 KLs 315 Js 15865/16 jug, Urteil v. 20. Dezember 2022; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung und ein Nebenklagevertreter Revision eingelegt haben, s. Pressemitteilung des LG Itzehoe v. 28.12.2022, https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/gerichte-und-justizbehoerden/LandgerichteSH/LGItzehoe/Presse/PI/Presse20221228_1.html sowie Pressemitteilung des BGH, Nr. 018/2024, v. 1. Februar 2024, https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/2024018.html. Der BGH wird hierüber am 31. Juli 2024 verhandeln, die Entscheidung soll im August 2024 verkündet werden, s. Pressemitteilung des BGH, Nr. 060/2024, v. 13. März 2024, https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/2024060.html. Laut Generalbundesanwalt wirft die "Revision der Angeklagten grundsätzliche Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord durch die Dienstverrichtung in einem Konzentrationslager, das nicht zugleich ein reines ‚Vernichtungslager‘ gewesen sei, auf[…], über die der Bundesgerichtshof für diese Konstellation noch nicht entschieden habe." ( Pressemitteilung des BGH, Nr. 018/2024, v. 1. Februar 2024, https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/2024018.html ).

[6] https://www.deutschlandfunk.de/die-letzten-ns-prozesse-in-deutschland-100.html . ; s. auch Bayer, Tragödie des Rechts (2021), S. 166 f.

[7] S. nur https://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburg-prozessauftakt-gegen-kz-wachmann-nur-ein-einfacher-wachmann-a-1291995.html, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburg-prozess-gegen-ss-wachmann-aus-kz-stutthof-der-alte-mann-und-die-morde-a-00000000-0002-0001-0000-000169240284, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburg-bewaehrungsstrafe-fuer-ss-wachmann-in-hamburger-stutthof-prozess-a-ed93e1d9-1e1d-40df-8c7e-68a358028ea5, https://www.zeit.de/hamburg/2020-07/hamburg-stutthof-prozess-urteil-kz-wachmann-jugendstrafe-bewaehrung-nationalsozialismus, https://www.sueddeutsche.de/politik/kz-stutthof-prozess-urteil-1.4976406, https://www.sueddeutsche.de/politik/holocaust-kz-stutthof-hamburg-prozess-1.4976939, https://www.deutschlandfunk.de/kein-kurzer-prozess-nach-ueber-70-jahren-frueherer-kz-100.html.

[8] LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 4.

[9] Vgl. hierzu grundlegend Rotsch GA 2002, 165.

[10] Vgl. Rotsch GA 2002, 165, 165 f.

[11] LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463.

[12] Grundlegend zum Konzept der "Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate" Roxin GA 1963, 193; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil – Bd. II: Besondere Erscheinungsformen der Straftat (2003), § 25 Rn. 105 ff.

[13] Vgl. Haas ZStW 123 (2011), 226, 226; Ladiges JuS 2016, 15, 15.

[14] Vgl. Herzberg NJW 1991, 1633, 1633.

[15] Roxin, in: Lüttger/Blei/Hanau (Hrsg.), Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag am 1. Januar 1972 (1972), S. 251.

[16] Kretschmer JA 2021, 645, 645.

[17] Murmann, in: Cirener/Radtke/Rissing-van Saan/Rönnau/Schluckebier (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB – Bd. 2: §§ 19-31, 13. Aufl. (2021), § 24 Rn. 475.

[18] Zur Entstehungsgeschichte der §§ 25 – 27 StGB und der Ablehnung des Gegenmodells, des Einheitstäterbegriffs, s. Schünemann/Greco, in: Cirener/Radtke/Rissing-van Saan/Rönnau/Schluckebier (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB – Bd. 2: §§ 19-31, 13. Aufl. (2021), Vor §§ 25 ff. Rn. 1 – 11; Roxin, AT II (Fn. 12), § 25 Rn. 1 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung (1997), S. 13 ff. m.w.N.

[19] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 423, 425.

[20] Vgl. Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), Vor §§ 25 ff. Rn. 10.

[21] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 428, 430.

[22] Engländer, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6, Aufl. (2023), § 24 Rn. 72.; für den mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) ist dies umstritten, wird aber von der ghM bejaht (s. Engländer a.a.O., § 24 Rn. 72 m.w.N.). Der Rücktritt des angestifteten oder unterstützen Alleintäters richtet sich dagegen nach herrschender Meinung nach § 24 Abs. 1 StGB, BGH NStZ 2010 690, 691 = HRRS 2010 Nr. 620; Fischer, StGB, 71. Aufl. (2024), § 24 Rn. 37; Kudlich/Schuhr, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), StGB, 5. Aufl. (2021), § 24 Rn. 53; s. auch Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 427: für die Abgrenzung von § 24 Abs. 1 und § 24 Abs. 2 StGB sei nicht entscheidend, ob mehrere Personen beteiligt sind, sondern, wer die "Verwirklichungskraft" der Tat "unabhängig von den anderen Beteiligten bändigen kann, weil die Ausführung der Tat ganz in seiner Hand liegt."

[23] RGSt 23, 225; BGHSt 1, 152, 155 f.; BGHSt 10, 320, 321; BGH StV 1995, 462, 462; BGH 5 StR 151/06 – Urteil vom 23. August 2006 = HRRS 2006 Nr. 786; Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 2 m.w.N.; Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 53, Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 5.; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger (Hrsg.), StGB, 30. Aufl. 2023, § 24 Rn. 1.; Engländer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 11.

[24] Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 29 verortet den Rücktritt als Verantwortlichkeitsausschluss in der Schuld; Schumann, Zum Standort des Rücktritts vom Versuch im Verbrechensaufbau – Eine Untersuchung anhand der Dogmatik zum System von Versuch und Rücktritt seit dem 19. Jahrhundert (2006), S. 132 ff. verortet den Rücktritt anhand einer "Gesamtbetrachtung" ebenfalls im Schuldtatbestand; ähnlich auch die Ansätze, die den Rücktritt als Schuldaufhebungsgrund (Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB Bd. 1, 5. Aufl. (2017), § 24 Rn. 5) bzw. Schuldtilgungsgrund (Streng ZStW 101 (1989), 273, 324 f.) oder als Entschuldigungsgrund (Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie und Praxis (1976), S. 90 ff.; Ambos, in: Dölling/Duttge/Rössner (Hrsg.), Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl. (2022), § 24 Rn. 2; Kaspar, Strafrecht – Allgemeiner Teil: Einführung, 4. Aufl. (2023), § 8 Rn. 71) einordnen, vgl. hierzu auch Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 51; Jakobs ZStW 104 (1992), 82 und ders., Strafrecht, Allgemeiner Teil – Die Grundlagen und die Zurechnungslehre (1983), Kap. 26 Rn. 2, versteht den Rücktritt als auf allen Deliktsstufen – also auch auf Schuldebene – zu berücksichtigenden "Deliktsausgleichsgrund".

[25] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 426.

[26] Abgesehen vom allein handelnden Täter, s. Fn 22.

[27] Vgl. Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 14a; Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 49.

[28] Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil (2023), § 29 Rn. 20.

[29] BT-Drs. V/4095, S. 12; Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 424; a.A. Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), StGB, 30. Aufl. (2019), § 24 Rn. 102: erklärbar sei dies nur "auf dem Boden einer (wenngleich bedenklich weitgefassten) ‚Eindruckstheorie‘ damit, dass die durch Teilnahme am Versuch mitbewirkte Rechtserschütterung der Allgemeinheit[…]nicht schon dadurch beseitigt ist, dass der Teilnehmer die konkrete Gefährlichkeit seines Tatbeitrags aufhebt[…], sondern erst dann, wenn sich der zurücktretende Teilnehmer voll auf die Seite des durch sein Vorverhalten mittelbar angegriffenen Rechtsguts stellt und damit manifest von der Tat distanziert."

[30] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 425.

[31] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 474.

[32] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 474.

[33] Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 2.

[34] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 425 m.w.N.

[35] Zaczyk, a.a.O. (Fn. 24), § 24 Rn. 102.

[36] Zaczyk, a.a.O. (Fn. 24), § 24 Rn. 102.

[37] Vgl. Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 41.

[38] Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), § 27 Rn. 14.; einige Autoren wie Samson lehnen die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe aufgrund einer Stabilisierung des Tatentschlusses gänzlich ab, Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), § 27 Rn. 15; entscheidendes Kriterium soll hier, wie auch beim Rücktritt, die Kausalität sein, Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), § 27 Rn. 14.

[39] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 516.

[40] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 517.

[41] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 517 m.w.N.

[42] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 517.

[43] S. hierzu Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 470 ff.; grundlegend kritisch zu dieser Kategorie Rotsch GA 2002, 165.

[44] BGH 1 StR 537/10, Beschluss v. 11. Januar 2011 = HRRS 2011 Nr. 339; Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 37a.

[45] BGH 1 StR 537/10, Beschluss v. 11. Januar 2011 = HRRS 2011 Nr. 33, Ls. 1, Rn. 4.

[46] BGHSt 42, 158, 162 = BGH 1 StR 51/96, Urteil v. 14.05.1996 HRRS, Rn. 21; BGH NStZ 2007, 91, 92; BGH 4 StR 136/07, Beschluss v. 26. Juni 2007 = HRRS 2007 Nr. 719, Rn. 3 (unter Betonung des Zweifelsgrundsatzes); Fischer, a.a.O. (Fn. 22), Rn. 37a, 40a. m.w.N.; in diese Richtung auch Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 428 und iE wohl auch Rotsch GA 2002, 165, 171 f.: einvernehmlicher Rücktritt führt (quasi-)kausal zum Verhindern der Tat.

[47] BGH 4 StR 136/07, Beschluss v. 26. Juni 2007 = HRRS 2007 Nr. 719, Rn. 3[Hervor. eingefügt].

[48] Vgl. Ladiges JuS 2016, 15, 18.

[49] Vgl. Rotsch GA 2002, 165, 170.

[50] Zu den Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung zwischen Täterschaft und Teilnahme s. Roxin, AT II (Fn. 12), § 25 Rn. 10 ff.; Fischer, a.a.O. (Fn. 22), Vor § 25 Rn. 4; Renzikowski a.a.O. (Fn. 18), 16 ff.; spezifisch in Bezug auf NS-Unrecht Frankenberg KJ 2018, 137, 138.

[51] Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 27 Rn. 2, § Vor § 25 Rn. 2.

[52] Mittelbaren Tätern wird die Tatvollendungsverhinderung des Tatmittlers ggf. "in bewusster Willensvertretung" zugerechnet, so BGHSt 44, 204, 207; s. hierzu auch Rotsch GA 2002, 165, 167.

[53] BGHSt 44, 204, 208; BGH 4 StR 621/11, Beschluss v. 8 Februar 2012 = HRRS 2012 Nr. 360, Rn. 8; 6 StR 488/22, Beschluss v. 24 Januar 2023 = HRRS 2023 Nr. 342, Rn. 8; Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 40a; zur Kategorie des "Rücktritts durch Einverständnis" grundlegend kritisch Rotsch GA 2002, 165: Rotsch weist insbesondere darauf hin, dass es dieser Kategorie nicht bedürfe, weil sich die hierunter versammelte Fälle allesamt über das Kausalitätskriterium – ist der Beteiligte für den Rücktritt kausal geworden oder nicht – lösen ließen, Rotsch GA 2002, 165, 175.

[54] S. Fn. 53; Ladiges JuS 2016, 15, 19 weist darauf hin, dass diese Annahme in ihrer Pauschalität nicht zutrifft, s. dazu auch noch unter III. 2. b.

[55] Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 470.

[56] BGHSt 44, 204, 208; hierzu kritisch Rotsch GA 2002, 165, 168, 172 und Zaczyk, a.a.O. (Fn. 24), § 24 Rn. 102: "Es muss dann eine Rücktrittsleistung vorliegen, so muss zB der Gehilfe an der Herstellung des Einvernehmens beteiligt sein oder aber den Haupttäter durch seine Zustimmung zumindest bestärken; ein bloß innerlicher Zustimmungsakt genügt nicht."

[57] Die Beweisproblematik hat schon in den Diskussionen um die Ausgestaltung des Rücktritts im RStGB entgegen der Formulierung in § 31 Preußisches StGB für Diskussionen und schließlich zur Trennungslösung gesorgt, s. dazu Schumann a.a.O. (Fn. 24), S. 24 ff.

[58] Und wegen § 29 StGB auch nicht mit der Einordnung als Schuldausschließungsgrund, s. dazu noch unter C.III.3.c.

[59] Rotsch GA 2002, 165, 165 f.

[60] Umfasst auch die Beihilfe zum Mord und versuchten Mord, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl (2023), § 74 GVG Rn. 5.

[61] Vgl. auch LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 5.

[62] Die vieldiskutierte Frage, weshalb so viele Verantwortliche des NS-Unrechts nur als Teilnehmer und nicht als Täter verurteilt worden sind, stellte sich daher im Fall von Bruno D. nicht. S. hierzu aber etwa Frankenberg KJ 2018, 137.

[63] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 3.

[64] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 3.

[65] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 4.

[66] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 5.

[67] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 6, Rn. 89.

[68] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 5[Hervor, tlws. i.O.]. Die Kammer ergänzt darüber hinaus: "Bereits die Aufklärung der Fälle der Nebenklägerinnen und Nebenkläger gelang, was die Kammer sehr bedauert, angesichts des fortgeschrittenen Alters der Nebenklägerinnen und Nebenkläger, die in der Mehrzahl aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Zeugen in der hiesigen Hauptverhandlung aussagen konnten, und der oft nur schlechten Dokumentenlage heute, 75 Jahre nach den Taten, nur noch in wenigen Fällen. Eine Aufklärung wäre dagegen vor 30, 40, 50 Jahren hochwahrscheinlich noch ohne weiteres möglich gewesen." ( LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 5[Hervor. eingefügt]). Zur Kritik des Ausschwitz-Komitees an der verschleppten Aufarbeitung s. auch beck-aktuell, 16. Februar 2021, becklink 2018912.

[69] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 410.

[70] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Ls. 3, Rn. 410.

[71] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Ls. 3, Rn. 410.

[72] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Ls. 3, Rn. 421.

[73] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 403; hinter diesen agierten noch die " ‚ Täter hinter den Tätern‘[..]die Verantwortlichen im SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt, der Leiter der Amtsgruppe D, Glücks, der Leiter des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamts, Pohl, der ‚Reichsführer SS‘ Himmler und der ‚Führer‘ Hitler‘" (LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 403 ).

[74] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 432.

[75] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 434.

[76] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 434; s. auch BGHSt 61, 252 = HRRS 2016 Nr. 1123 (Ls. 4, Rn. 19); hierzu kritisch Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), § 27 Rn. 54 ff.

[77] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 432.

[78] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 438; diese Bemerkung ist insofern interessant, als dass nur kurze Zeit später der Prozess gegen Irmgard F., Stenotypistin im KZ Stutthof, vor dem LG Itzehoe begann.

[79] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 438.

[80] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 447.

[81] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 439.

[82] Hierzu noch sogleich, unter C.III.2.a.

[83] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 446.

[84] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 445.

[85] LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 446.

[86] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 475 ff.; damals § 54 RStGB.

[87] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463 ff.

[88] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 459.

[89] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 222.

[90] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 175.

[91] Zu den Deportationen im Einzelnen LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 177 ff.

[92] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 419, 462.

[93] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 462.

[94] Vgl. Rotsch GA 2002, 165, 176; s. hierzu auch unter B.II.

[95] Vgl. Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 41; s. dagegen aber Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 469 m.w.N.

[96] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 462.

[97] Vgl. LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 460; der Aufklärung möglicher Konsequenzen einer Dienstverweigerung ging die Kammer im Rahmen der Schuldfeststellung nicht weiter nach, weil sie davon ausging, dass es bereits an dem hierfür notwendigen Gewissenskonflikt fehlte – diese Annahme kann durchaus von praktischen Erwägungen geleitet gewesen sein, um keine weitere Aufklärungsarbeiten leisten zu müssen.

[98] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 475 ff.; damals § 54 RStGB.

[99] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 502: "Die Schuld des Angeklagten wird auch dadurch erhöht, dass er die Beihilfe aus Bequemlichkeit und Eigennützigkeit und ohne echte Gewissensbisse leistete. Er stellte seine eigenen Bedürfnisse danach, keinen Konflikt eingehen zu müssen und sprichwörtlich im Trockenen stehen zu können, über das Leid und Leben anderer Menschen."

[100] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 395.

[101] Zu den Deportationen im Einzelnen vgl. LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 177 ff.

[102] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 425.

[103] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422 ff.

[104] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463.

[105] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463.

[106] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422.

[107] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422.

[108] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422 f.

[109] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422.

[110] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 182.

[111] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 421, 439, 447.

[112] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 447.

[113] Zum Problem der Bestimmung der konkreten Haupttat bei NS-Verbrechen s. Frankenberg KJ 2018, 137, 140; s. auch Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), § 27 Rn. 57 f.

[114] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 421. Woher genau diese "anderen Rücktrittsanforderungen" folgen sollen – ob überhaupt aus § 24 StGB – ließ die Kammer offen.

[115] Vgl. LG Hamburg, 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463.

[116] Vgl. Rotsch GA 2002, 165, 166.

[117] Ladiges JuS 2016, 15, 19.

[118] Hinweis von Ingeborg Puppe.

[119] LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 463.

[120] Es sei denn, der Gehilfe würde sich aktiv gegen den Entschluss der Haupttäter zur Tataufgabe stellen und sich damit wohl selbst zum Täter aufschwingen.

[121] Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 5.; Weinhold, Rettungsverhalten und Rettungsvorsatz beim Rücktritt vom Versuch (1990), S. 41.

[122] Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 5.[Anm. eingefügt].

[123] Es geht aus den Urteilsgründen im Übrigen mE auch nicht eindeutig hervor, ob die Kammer den Rücktritt des Gehilfen (zumindest bei einem Rücktritt der Haupttäter) tatsächlich als persönlichen Strafaufhebungsgrund verortet, da sie den Rücktritt der Haupttäter vorab im Rahmen der Prüfung der Haupttaten thematisiert.

[124] Näher hierzu Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 20 ff. m.w.N.

[125] Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 20.

[126] Binding, Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen – Bd. 1: Strafrecht (1915), S. 125 ff.; v. Hippel, Untersuchungen über den Rücktritt vom Versuch (1966), S. 58 ff.; v. Scheurl, Rücktritt vom Versuch und Tatbeteiligung mehrerer (1972), S. 27; s. hierzu etwa Herrmann, Der Rücktritt im Strafrecht (2013), S. 18 (Fn. 10), m.w.N., Murmann, a.a.O. (Fn. 17), § 24 Rn. 50, Vogler ZStW 98 (1986), 331, 335.

[127] V. Hippel, a.a.O. (Fn. 126), S. 66; Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 13.

[128] Binding, a.a.O. (Fn. 126), S. 125; Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 11.

[129] Haas ZStW 123 (2011), 226, 256.

[130] Fn. 127.

[131] Vgl. Haas ZStW 123 (2011), 226, 256.

[132] Haas ZStW 123 (2011), 226, 256: Eine solche Auslegung hätte "die vom Gesetzgeber nicht gewollte Konsequenz, dass es im Falle eines Rücktritts an einer Haupttat fehlen würde, so dass der Rücktritt auch den anderen Beteiligten zugute käme. Dieses erste Problem ist jedoch überwindbar, weil es ja nicht darum geht, das Gesetz auszulegen, sondern ihm nachträglich einen konsistenten Sinn zu unterlegen." Dagegen ließe sich für die Einordnung des Rücktritts als Strafbarkeitsbedingung anführen, dass dann automatisch auch die Möglichkeit zur Verhängung von Maßnahmen nach §§ 63, 69 StGB entfiele und dies nicht erst über den "rücktrittindizierte[n]Mangel weiterer Gefährlichkeit" (Eser/Bosch, a.a.O. (Fn. 29), § 24 Rn. 5); vgl. auch Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 134.

[133] Schumann (Fn. 24), S. 31 f.

[134] Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 12.

[135] Vgl. auch das Argument bei Rotsch GA 2002, 165, 172: "So käme umgekehrt niemand auf die Idee, denjenigen als Gehilfen zu bestrafen, der den Täter bei der Deliktsbegehung unterstützt hätte, hätte er von ihr Kenntnis gehabt".

[136] Fischer, a.a.O. (Fn. 12), Rn. 9.

[137] Haas ZStW 123 (2011), 226, 256.

[138] Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 36.

[139] Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 22), § 24 Rn. 4.

[140] Vgl. LG Hamburg 617 Ks 10/19 jug, Urteil v. 23. Juli 2020, Rn. 422, s. auch unter C.III.2.a.

[141] Ein mE unbehandeltes Problem ist die Frage, ob man in organisierten Machtapparten gegen den Gehilfen Notwehr nach § 32 StGB üben kann. Was, wenn es beispielsweise für die Gefangenen notwendig gewesen wäre, Bruno D. zu erschießen, um zu fliehen? Hierauf konnte ich noch keine befriedigende Antwort finden.

[142] Dagegen bleibt nach der hM, die den Rücktritt als einen persönlichen Strafaufhebungsgrund einordnet, das Notwehrrecht während des gesamten Versuchszeitraums bestehen, vgl. Fischer, a.a.O. (Fn. 22), § 32 Rn. 17.

[143] Vgl. auch das Argument bei Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 12.

[144] S. Fn. 24 .

[145] Roxin, AT II (Fn. 12), § 30 Rn. 29.

[146] Vgl. Zaczyk, a.a.O. (Fn. 24), § 24 Rn. 97.

[147] Etwa Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 133 Fn. 9, 144 Fn. 63.

[148] Für eine ersatzlose Streichung von § 24 Abs. 2 StGB bereits Herzberg NJW 1991, 1633, 1639, wonach § 24 Abs. 2 "[s]chon an seiner eigenen Logik gemessen[…]nur überflüssige Aussagen" mache.

[149] Herrmann a.a.O. (Fn. 126), S. 267, 270.

[150] Herrmann a.a.O. (Fn. 126), S. 257.

[151] Herrmann a.a.O. (Fn. 126), S. 269: "Wie soeben festgestellt, muss für die Aufhebung der psychischen Wirkung ausreichen, wenn sich der Rücktrittswillige für den oder die übrigen Beteiligten erkennbar von der weiteren Tatausführung zurückzieht und eventuell geleistete Tatbeiträge annulliert."[Hervor. eingefügt].

[152] Herrmann a.a.O. (Fn. 126), 265 ff.

[153] Diese Bezeichnung selbst wählend Herrmann a.a.O. (Fn. 126), S. 258.

[154] Etwa in Bezug auf die "Erosion" der Beteiligungsformen Puppe GA 2013, 514.

[155] Fischer, a.a.O. (Fn. 22), Rn. 2.

[156] Nur die Einheitstheorien betrachten diese beiden Fragen gemeinsam, s. Schumann, a.a.O. (Fn. 24), S. 95 f.; Zaczyk, a.a.O. (Fn. 24), § 24 Rn. 5 f.

[157] HM: Ausfluss aus dem "Unrecht der Tätertat", Schünemann/Greco, a.a.O. (Fn. 18), Vor §§ 26, 27 Rn. 14.; zu den verschiedenen Begründungsansätzen Roxin, AT II (Fn. 12), § 26 Rn. 11.

[158] Haas fordert etwa, freilich an zwei getrennten Orten, sowohl eine Neubegründung der Versuchsstrafbarkeit und des Rücktrittsprivilegs (Haas ZStW 123 (2011), 226, 256: "Es wäre eine Aufgabe für die Zukunft, auf der Grundlage der hier vertretenen Konzeption die Dogmatik von Versuch und Rücktritt noch einmal umfassend auszuarbeiten.") sowie des Teilnahmeunrechts (Haas, Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen: Zur Notwendigkeit einer Revision der Beteiligungslehre (2008), 130 ff.).