HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2024
25. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

380. BGH 1 StR 218/23 – Urteil vom 24. Januar 2024 (LG Frankfurt am Main)

Steuerhinterziehung bei Personengesellschaften (Verhältnis von Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Personengesellschaft und nachfolgender Einkommensteuererklärung der Gesellschafter: Bewertungseinheit, Beendigung, erforderliche Feststellungen zu den Einkommenssteuerverkürzungen der Gesellschafter; Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung kein tauglicher Einziehungsgegenstand).

§ 370 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 AO; § 52 StGB; § 73 StGB; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

1. Die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie die nachfolgende Einkommensteuererklärung sind eine einzige materiellrechtliche Tat, und zwar im Wege einer Bewertungseinheit.

2. In diesem Sinne ist mit Erlass des Feststellungsbescheids als einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil für den Kommanditisten der Kommanditgesellschaft bzw. Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Steuerstraftat vollendet; die nachfolgende Einkommensteuererklärung und der unrichtige Einkommensteuerbescheid führen mit der Steuerverkürzung zur Tatbeendigung (vgl. BGHSt 53, 99 Rn. 21-23).

3. Das „große Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) bestimmt sich bei einer Kommanditgesellschaft jedenfalls dann, wenn der Kommanditist rechtlich oder zumindest faktisch für die Feststellungserklärungen der Personengesellschaft verantwortlich und damit allein der durch den Kommanditisten bewirkte Umfang seiner Einkommensteuerverkürzungen aufzuklären ist, nach der Höhe des Einkommensteuerverkürzungsbetrags. Anders verhält es sich, wenn wie etwa bei Publikumskommanditgesellschaften die Vertreter der Komplementär-GmbH, die die Feststellungserklärungen abgeben, und die Kommanditisten, die ihre Einkommensteuererklärungen abgeben, nicht personenidentisch sind. In solchen Fällen gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die exakte Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung (vgl. BGHSt 58, 50 Rn. 19-21).

4. Der in einem unrichtigen Feststellungsbescheid enthaltene nicht gerechtfertigte Steuervorteil ist kein tauglicher Einziehungsgegenstand im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Den Vermögensvorteil realisiert der Gesellschafter einer Personengesellschaft erst mit der Ersparnis durch die zu niedrige Festsetzung seiner Einkommensteuer.


Entscheidung

421. BGH 4 StR 318/23 – Beschluss vom 5. Dezember 2023 (LG Kaiserslautern)

Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Abgabe: eigene tatsächliche Verfügungsgewalt, Bote, Besitzdiener).

§ 29a BtMG

Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG liegt vor, wenn der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel an einen Dritten mit der Wirkung überträgt, dass dieser frei über die Betäubungsmittel verfügen kann. Die Begehungsweise der Abgabe setzt demnach eigene Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel voraus. Hieran fehlt es, wenn der Täter lediglich als Bote bzw. als Besitzdiener auf Weisung eines Dritten handelt.


Entscheidung

481. BGH 5 StR 530/23 – Beschluss vom 2. Januar 2024 (LG Bremen)

Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Schätzung des Wirkstoffgehalts; Einziehung von zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangten Betäubungsmitteln als Tatobjekte).

§ 29 BtMG; § 33 S. 1 BtMG; § 74 Abs. 2 StGB

1. Stehen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Tatgericht die Wirkstoffmenge oder den Wirkstoffgehalt unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Beurteilung durch Tatbeteiligte, Handelsstufe), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, zahlenmäßig schätzen.

2. Zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel sind keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG

iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist indes, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel aber wie hier im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen.