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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2021
22. Jahrgang
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1. Zum Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nach der Neufassung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO („Konnexität“; Aufgabe von BGHSt 52, 284). (BGHSt)
2. Das Merkmal der „Konnexität“ zwischen Beweistatsache und Beweismittel ist regelmäßig erfüllt, wenn aus dem Beweisantrag selbst klar wird, weshalb das Beweismittel die Beweistatsache belegen können soll. Beim Zeugenbeweis fordert das Merkmal, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht, etwa wenn ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann. (Bearbeiter)
3. Nur dann, wenn ein entsprechender Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht. (Bearbeiter)
4. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden. Insbesondere muss sich der Beweisantrag regelmäßig nicht auch zu solchen Umständen verhalten, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen (sog. „qualifizierte Konnexität“). Grenzen werden insoweit lediglich durch das Merkmal der Ernsthaftigkeit (vgl. dazu näher BGH HRRS 2021 Nr. 446) und eine Antragstellung in Verschleppungsabsicht (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 StPO) gezogen. (Bearbeiter)
5. Das Beweisantragsrecht garantiert den Verfahrensbeteiligten als Ausgleich für die dominierende Stellung des die Beweisaufnahme bestimmenden Gerichts ein starkes Teilhaberecht am Prozess der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung. Es sichert die Subjektstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und ist eines der zentralen Rechte des Angeklagten und der Verteidigung. Den Verfahrensbeteiligten muss es auch möglich sein, solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, deren Bestätigung durch das Beweismittel lediglich vermutet oder für möglich gehalten wird. Zudem ist das Beweisantragsrecht vom Verbot der Beweisantizipation geprägt. (Bearbeiter)
Fehlerhafte Hinweise zu den an einem Tag stattfindenden Sitzungsterminen auf der Website eines Landgerichts begründen regelmäßig keinen Verstoß gegen die Öffentlichkeitsmaxime nach § 169 GVG, da die Möglichkeit, von der Durchführung einer Hauptverhandlung einschließlich Zeit und Ort Kenntnis zu erlangen, durch eine Terminsrolle am Sitzungssaal ausreichend gewährleistet wird. Demgegenüber stellt die Nennung von Terminen im Internet nur einen zusätzlichen Service dar, dem nicht dieselbe Verbindlichkeit wie einem Aushang am Verhandlungsraum zukommt.
Die Aufklärungspflicht zwingt das Gericht zwar grundsätzlich, jedem Beweismittel nachzugehen, bei dem nach der konkreten Sachlage die sinnvolle Möglichkeit besteht, dass es zu einer Änderung des Beweisergebnisses führen kann. Sie geht aber nicht so weit, dass auch Beweismittel zugezogen werden müssen, bei denen diese Möglichkeit zwar gedanklich abstrakt nicht völlig auszuschließen ist, die nach den bekannten Maßstäben aber keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür bieten, dass sie das bisher gewonnene Beweisergebnis tatsächlich in Frage stellen könnten.
1. Für die Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 231 Abs. 2 StPO ist dem Angeklagten nachzuweisen, dass sein Ausbleiben auf Eigenmächtigkeit beruht. Dabei entscheidet das Revisionsgericht auf Grundlage der Tatsachen, die ihm zum Entscheidungszeitpunkt bekannt und die erforderlichenfalls im Wege des Freibeweises festzustellen sind. Dagegen spielt keine Rolle, ob anhand der dem Tatrichter bekannten Tatsachen Eigenmächtigkeit anzunehmen war; eine Bindung an die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen besteht nicht.
2. Schriftliche Eingaben in fremder Sprache sind grundsätzlich unbeachtlich.
1. Zwar ist die neue Tatsacheninstanz nicht an eine Verständigung gebunden, die in der Vorinstanz zustande gekommen war. Ein verständigungsbasiertes Geständnis wird auch nicht unverwertbar, wenn ein Angeklagter in einem Verfahren, in dem nur eine Revision zu seinen Gunsten eingelegt ist, durch das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO geschützt wird. Es würde nach Auffassung des Senats aber dem Fairnessgrundsatz widersprechen, wenn nach einer Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache aufgrund einer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision eine Verschlechterung des Urteils für den Angeklagten unter Überschreitung der Obergrenze des in der Verständigung zugesagten „kleinen Strafrahmens“ im Sinne von § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO erfolgt. Was insoweit nach verbreiteter Auffassung für ein Berufungsgericht nach einer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Berufung der Staatsanwaltschaft gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil gilt, muss auch nach der revisionsgerichtlichen Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache aufgrund einer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft für das neue Tatgericht gelten.
2. Eine Fallgruppe des § 52 Abs. 1 StGB ist die tatbestandliche Handlungseinheit bei mehraktigen oder zusammengesetzten Delikten sowie bei Dauerdelikten. Darüber hinaus kann bei Delikten mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen oder fortlaufenden Tatbestandsverwirklichungen eine Tat im Rechtssinne vorliegen. Der Sache nach stellt auch die „Bewertungseinheit“ eine Zusammenfassung einer Mehrzahl natürlicher Handlungen zu einer Tat dar. Dabei geht es regelmäßig um einen Tatbestand, der typischerweise im Gesetz in pauschalierender, weit gefasster und verschiedene natürliche Handlungen zusammenfassender Weise beschrieben ist und der dementsprechend trotz mehrerer – nicht wegen teilweisen Zusammenfallens von Tathandlungen oder wegen eines auch räumlich und zeitlich engen Zusammenhangs tateinheitlich verbundener – derartiger Handlungen als nur einmal erfüllt angesehen wird.
3. Bei dem als Wegnahme fremder beweglicher Sachen definierten Diebstahlstatbestand kommt es konkurrenzrechtlich vor allem darauf an, ob eine natürliche Hand-
lung oder mehrere Wegnahmehandlungen vorliegen. Im letzteren Fall können verschiedene natürliche Handlungen derart in einem engen zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhang stehen, dass sie sich objektiv als zusammengehöriges Tun darstellen, das gegebenenfalls auch auf einer einheitlichen Willensentschließung beruht. Andernfalls folgt aus der Mehrzahl tatbestandsmäßiger Handlungen eine Tatmehrheit im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB.
4. Allein der Umstand, dass der Täter vorab den Entschluss zur Begehung einer Mehrzahl von Taten fasst und ein einheitliches Ziel verfolgt, kann weder die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit noch eine Tateinheit begründen, sofern sich die tatbestandsmäßigen Ausführungshandlungen nicht überschneiden.
5. Nimmt der Täter über einen längeren Zeitraum hinweg durch eine Mehrzahl gleichartiger Handlungen unbefugt Geldbeträge an sich, deren Gesamtsumme später feststellbar ist, nicht aber die Einzelhandlungen, so kann „in dubio pro reo“ von einer Handlung ausgegangen werden. Das kommt aber nur in Betracht, wenn sich das Gericht nach Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweismittel nicht davon überzeugen kann, dass wenigstens im Sinne einer Mindestfeststellung eine Zahl von Einzeltaten bestimmt werden kann.
6. Bei Darstellungsmängeln, die vor allem die innere Tatseite betreffen, muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Mängel zur subjektiven Seite auf Feststellungen zum objektiven Geschehen durchschlagen können. Die Aufhebung der gesamten Feststellungen ist daher geboten, um dem neuen Tatrichter auf umfassend neuer Grundlage eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen.
7. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist bei Vorliegen einer „Spielsucht“ bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 63 StGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in besonderen Ausnahmefällen anzuordnen.
1. §§ 261 und 267 StPO verpflichten den Tatrichter, in den Urteilsgründen darzulegen, dass seine Überzeugung von den die Anwendung des materiellen Rechts tragenden Tatsachen auf einer umfassenden, von rational nachvollziehbaren Überlegungen bestimmten Beweiswürdigung beruht.
2. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist.
3. Im Fall von Mischspuren sind im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des insoweit eingeholten Gutachtens so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht; zumindest ist die Mitteilung erforderlich, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist.
Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag. Es ist daher verfehlt, ihn isoliert auf einzelne Indizien anzuwenden; er kann erst bei der abschließenden Gesamtwürdigung zum Tragen kommen.
1. Glaubt das Tatgericht einem Teil der Aussage des einzigen Belastungszeugen, obwohl es ihm im Hinblick auf andere wesentliche Teile nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung. Enthält sich das Tatgericht insofern jeglicher Begründung, hält die Beweiswürdigung – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs – der rechtlichen Prüfung regelmäßig nicht stand.
2. Bei besonderen Beweiskonstellationen (hier: wechselnde Angaben des einzigen Belastungszeugen, Strafmilderung nach § 31 BtMG) ist es angeraten, Inhalt, Entstehung und Entwicklung der Angaben des Zeugen in ihren wesentlichen Zügen im Urteil darzustellen.
3. Macht der einzige Belastungszeuge von dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch, kann eine Feststellung zulasten des Angeklagten regelmäßig nur dann auf eine frühere Aussage gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und im unmittelbaren Tatbezug stehende Gesichtspunkte bestätigt wird.
1. Eine Zustellung ist grundsätzlich nicht ordnungsgemäß bewirkt, wenn anstelle des Pflichtverteidigers eine andere Person das Empfangsbekenntnis unterschreibt. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertretung eines Pflichtverteidigers bei der Bewirkung von Zustellungen überhaupt möglich ist. braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
2. Wird eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des Revisionsgerichts. Denn dem Revisionsführer kann nicht zugemutet werden, die Revisionsbegründung in Kenntnis der negativen Entscheidung des Tatgerichts vorsorglich innerhalb der noch verbleibenden Frist einzureichen. Ihm ist vielmehr Gelegenheit zu geben, binnen eines Monats nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung seine Revision (ggf. weiter) zu begründen.
Ein Antrag nach § 344 Abs. 1 StPO, mit dem der tatsächliche Umfang und das Ziel der Revision dargelegt werden, stellt keine auslegungsfähige Revisionsbegründung dar. Eine zulässig erhobene Sachrüge setzt insofern voraus, dass die Revision allein oder neben der Verfahrensrüge zweifelsfrei erkennbar auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt werden soll.
Bei einem verteidigten Angeklagten wird der Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO nach allgemeiner Auffassung im Hinblick auf § 145a Abs. 1 StPO allein dem Verteidiger mitgeteilt, bei mehreren Verteidigern demjenigen, der sich bisher im Revisionsverfahren beteiligt hat. Die Regelung des § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangt keine Mitteilung gegenüber einem Verteidiger, dessen Vollmacht zwar bereits zu den Akten gelangt ist, der sich aber nicht am Revisionsverfahren beteiligt hat.