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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2020
21. Jahrgang
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1. Der Ausgleich für die fehlende Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung mit einer (noch nicht vollständig vollstreckten) EU-ausländischen Strafe ist im Falle der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe bei der Strafzumessung konkret – durch eine Bezifferung des Nachteils – vorzunehmen. (BGHSt)
2. Der bislang vorgenommene unbezifferte Härteausgleich dürfte Art. 3 Abs. 1 EURaBes 2008/675 und der vom EuGH geforderten Gleichsetzung inländischer und ausländischer Strafen bei der Strafzumessung nicht ausreichend Rechnung tragen. (Bearbeiter)
3. Auf welche Weise der Tatrichter den Ausgleich konkret bestimmt, steht in seinem Ermessen. Er kann den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausscheidet, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe – unter Bezifferung des abzuziehenden Teils – berücksichtigen oder etwa auch von einer unter Heranziehung der ausländischen Strafe gebildeten „fiktiven Gesamtstrafe“ ausgehen und diese um die ausländische Strafe mindern. Erforderlich ist nur, dass er einen angemessenen Ausgleich vornimmt und diesen – vergleichbar der Gesamtstrafenbildung nach §§ 54, 55 StGB – in den Urteilsgründen beziffert und begründet. (Bearbeiter)
4. Für die Bemessung des Nachteilsausgleichs gilt Folgendes: Eine vollständige Anrechnung der ausländischen Strafen ist grundsätzlich nicht erforderlich. Entscheidend für den Umfang des Ausgleichs ist vielmehr der durch die Unmöglichkeit der nachträglichen Gesamtstrafenbildung tatsächlich eintretende Nachteil. Es ist Sache des Tatrichters, diesen im Rahmen der Strafzumessung zu bestimmen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die auch bei einer Gesamtstrafenbildung aus inländischen Strafen maßgeblichen Strafzumessungskriterien zu beachten, so dass der einer ausländischen Vorverurteilung zugrundeliegende Sachverhalt in der Regel ebenso wie der Vollstreckungsstand festzustellen ist. Auch der Umstand einer Aussetzung der ausländischen (Freiheits-)Strafe zur Bewährung wird bei der Bestimmung des Nachteils in den Blick zu nehmen sein. (Bearbeiter)
5. Demgegenüber wird es im Regelfall nicht erforderlich sein, das Gewicht des durch ihre Vollstreckung drohenden Übels dadurch näher zu bestimmen, dass die ausländische Strafrechtsordnung und die tatsächliche Praxis und die Bedingungen vor Ort – namentlich die Strafaussetzungspraxis, die Strafvollzugsbedingungen oder etwaige Amnestieregelungen – näher in den Blick genommen werden. Denn – wie der Europäische Gerichtshof ausgeführt hat – ist die ausländische Strafe grundsätzlich so zu berücksichtigen, wie sie von dem EU-Mitgliedstaat verhängt wurde. Eine – wie auch immer ausgestaltete – Transformation in das deutsche Recht findet nicht statt. Das folgt aus dem europarechtlichen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens. (Bearbeiter)
1. Mit Blick auf die Voraussetzung der Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB), die auch für eine Anordnung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vorliegen muss, ist zwar nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur auf den Zeitpunkt der Aburteilung abzustellen (st. Rspr), so dass eine noch ungewisse Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug bei der Prognose außer Betracht zu bleiben hat. Der Tatrichter kann den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs bei seiner Entscheidung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB aber dann Bedeutung beimessen, wenn gleichzeitig eine Haltungsänderung des Angeklagten zu erwarten ist.
2. Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung ist danach bei Vorliegen einer hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten jedenfalls gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem
Angeklagten aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Lediglich denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug sollen demgegenüber nicht ausreichen, wenngleich es einer Prognose naturgemäß eigen ist, dass eine abschließende Gewissheit nicht zu gewinnen ist und ein gewisses Risiko verbleibt.
Nach § 66a Abs. 3 S. 2 StGB ist die Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind. Ob die von dem Verurteilten zu erwartenden Straftaten erheblich sind, kann dabei nicht anhand eines generellen Maßstabs beurteilt werden; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Zu dieser umfassenden Würdigung ist allein das Tatgericht berufen, dem ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Das Tatgericht hat die der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
2. Ein fehlendes Arbeitsverhältnis, schlechte Deutschkenntnisse und eine gescheiterte Ehe können negative Faktoren im Rahmen der Gefahrenprognose sein. Dasselbe gilt für mangelnde Krankheitseinsicht und Selbstreflexionsfähigkeit sowie den Umstand, dass dem Angeklagten ein selbstkritischer Umgang mit seiner Delinquenz nicht möglich und deshalb eine Besserung der Auffälligkeiten medizinisch nicht zu erwarten ist. Jedenfalls bei einer bisherigen Straffreiheit des Angeklagten, die als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten anzusehen ist, sowie beim Fehlen sonstiger gewichtiger psychischer Auffälligkeiten reichen diese Aspekte für eine tragfähige Begründung, warum nunmehr mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades weitere Straftaten zu erwarten sind, jedoch nicht aus.
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind.
2. An die Darlegung der künftigen Gefährlichkeit sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt.
3. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
4. Mit einer im Allgemeinen erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefahrenprognose nicht begründet werden. Maßgeblich sind stattdessen die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Delikten jenseits der Anlasstaten belegen können.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Satz 1 StGB kommt als außerordentlich beschwerende Maßnahme nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
2. Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 1 StGB) oder Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen diese Voraussetzung nicht. Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung solcher Taten erforderlich. Die Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu stellen.
Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (§ 47 Abs. 1 StGB) und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird. Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen Freiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen.
Die erweiterte Einziehung von Taterträgen im Sinne des § 73a StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, dass die von der Anordnung erfassten und im Eigentum des Angeklagten stehenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt sind, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssten. Begründen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen – legalen ? Quellen und nicht aus rechtswidrigen Taten stammen, steht dies der Anordnung der erweiterten Einziehung von Taterträgen jedoch entgegen.
Werden Strafmilderungsgründe von Gewicht benannt, ist es ohne nähere Erläuterung für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Landgericht eine Strafe in der Mitte des von einem bis zu zehn Jahre reichenden Strafrahmens für angemessen erachtet, obwohl es meint, keine Straferschwerungsgründe feststellen zu können.
Geleistete Rückzahlungen, die zu einer Schadenskompensation geführt haben, finden strafmildernd Berücksichtigung. Auch wenn die Voraussetzungen des § 46a StGB nicht vorliegen, hat eine freiwillige Schadenwiedergutmachung bestimmende Bedeutung für die Zumessung der Strafe. Aber auch eine auf Zwangsvollstreckung beruhende Schadensbeseitigung oder -verringerung kann mit Blick auf den Erfolgsunwert der Tat für die Strafzumessung Bedeutung gewinnen.