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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2018
19. Jahrgang
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Von Katrina Iversen, LL.B., Bucerius Law School, Hamburg
In der strafrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass jede die körperliche Integrität berührende Maßnahme des Arztes eine tatbestandliche Körperverletzung darstellt. Diese bedarf, um eigenmächtige Eingriffe auszuschließen, einer besonderen Rechtfertigung, einer Einwilligung,[1] welche eine angemessene Aufklärung voraussetzt.[2] Die Anforderungen an die zivilrechtliche Aufklärungspflicht sind in §§ 630c ff. BGB kodifiziert. Es ist intensiv diskutiert worden, inwiefern die zivilrechtlichen Aufklärungspflichten zwingende Wirksamkeitsmaßstäbe für die Einwilligung im Strafrecht darstellen. Um die strafrechtliche Bedeutung der zivilrechtlichen Aufklärungspflicht näher zu untersuchen, werden zunächst die zivilrechtlichen Aufklärungspflichten betrachtet (II.) und auf das Strafrecht übertragen (III.). Schließlich werden die Gründe für eine reduzierte Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten in das Strafrecht geltend gemacht (IV.) und eine mögliche Ausgestaltung dieser vorzugswürdigen Lösung vorgeschlagen (V.).
Die Rechtmäßigkeit der konkreten Behandlungsmaßnahme ist im Zivilrecht davon abhängig, ob der Patient in diese einwilligt (vgl. § 630d BGB). Voraussetzung der Einwilligung ist eine angemessene Aufklärung.[3] Die zivilrechtliche Aufklärungspflicht dient primär der Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten.[4]
Üblicherweise wird bei der zivilrechtlichen Selbstbestimmungsaufklärung zwischen Risiko -, Diagnose- und Verlaufsaufklärung unterschieden. Die Aufklärungsarten gehen zum Teil fließend ineinander über.
Die Risikoaufklärung verdeutlicht dem Patienten die Gefahren eines konkreten ärztlichen Eingriffs.[5] Dem Patienten soll das Gewicht der medizinischen Indikation, aber auch die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung im Fall der Risikoverwirklichung verdeutlicht werden.[6] Gegenstand der Risikoaufklärung sind alle behandlungstypischen Risiken, deren Kenntnis beim medizinischen Laien nicht vorausgesetzt werden, aber für die Entscheidung des konkreten Patienten erheblich sein können.[7] Die Diagnoseaufklärung umfasst die Information des Patienten über den medizinischen Befund,[8] wohingegen die Verlaufsaufklärung sich auf Verlauf und Folgen der Krankheit, falls eine Behandlung nicht akzeptiert wird, sowie auf Art, Umfang und Durchführung des Eingriffs erstreckt.[9] Unter Umständen kann das Selbstbestimmungsrecht auch eine Unterrichtung über alternative Behandlungsmöglichkeiten begründen, vor allem dann, wenn mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Wahl stehen.[10]
Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentliche Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme. Der Umfang der erforderlichen Aufklärung hängt von den Umständen des konkreten Falles ab und wurde im Wesentlichen von der Rechtsprechung entwickelt.[11] Diese hat keine Richtwerte festgelegt, wann über ein Risiko aufgeklärt werden muss.[12] Der Patient muss "im Großen und Ganzen" wissen, worein er einwilligt.[13] Obigem Grundsatz wird durch im Einzelfall "lebensfremde"[14] Anforderungen widersprochen. Beispielsweise hat eine Aufklärung bei eingriffsspezifischen Risiken auch dann zu erfolgen, wenn die Schadenshäufigkeit bei 1:4,4 Millionen liegt.[15] Daher muss der Arzt stets eine Einzelfallbetrachtung vornehmen und ermitteln, in welchem Umfang er aufzuklären hat. Dies ist im hektischen Berufsalltag eines Arztes oft illusorisch. Es droht eine Unsicherheit auf Seiten der Ärzte, die sich permanent der Gefahr ausgesetzt sehen, sich haftbar zu machen und daher meist eine Totalaufklärung vornehmen werden.
In der Literatur und Rechtsprechung wird oft darauf hingewiesen, dass die zivilrechtlichen Anforderungen an die Aufklärungspflicht im Strafrecht ebenso zu beachten sind und eine Verletzung der Aufklärungspflicht zur Unwirksamkeit der strafrechtlichen Einwilligung führt.[16]
Der ärztliche Heileingriff erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung und bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer wirksamen Einwilligung. Ob wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung bestraft werden kann, hängt davon ab, ob die Aufklärung vorsätzlich oder fahrlässig unzureichend war.[17]
Klärt der Arzt vorsätzlich unzureichend auf und unterliegt der Patient bei der Einwilligung einem Aufklärungsmangel, ist es umstritten, wann die Einwilligung unwirksam ist. Nach einer Ansicht ist jede auf Täuschung beruhende Einwilligung unwirksam.[18] Somit wäre, geht man von einer uneingeschränkten Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten aus, jede auf fehlender oder mangelhafter Aufklärung beruhende Einwilligung unwirksam.
Nach anderer Ansicht ist die Einwilligung nur bei rechtsgutsbezogenen Irrtümern unwirksam.[19] Das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte ist die körperliche Unversehrtheit.[20] Der erforderliche Rechtsgutsbezug lässt sich bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung oft nicht eindeutig feststellen. Insbesondere bei einer mangelhaften Aufklärung über die Diagnose oder Behandlungsalternativen ist die Frage nach dem erforderlichen Rechtsgutsbezug nicht zweifelsfrei zu beantworten.[21] Bei einer
unzureichenden Diagnoseaufklärung hat der Patient zwar – ist die Aufklärung im Übrigen gelungen – eine hinreichend genaue Vorstellung, wie sich der konkrete Eingriff auf seine körperliche Integrität auswirkt,[22] aber man könnte einen solchen Irrtum durchaus auch als rechtsgutsbezogen qualifizieren, da der Patient die körperliche Unversehrtheit nur aufgrund der fehlerhaften Diagnose preisgibt.[23] Auch bei der mangelhaften Aufklärung über Behandlungsalternativen irrt der Patient nicht über den konkreten Eingriff, es liegt somit auch hier auf den ersten Blick kein unmittelbar rechtsgutsbezogener Irrtum vor. Andererseits kann man jedoch argumentieren, dass eine Aufklärung über Behandlungsalternativen gleichzeitig eine Aufklärung über die mit diesen verbundene körperliche Risiken und Belastungen ist und daher als rechtsgutsbezogen zu qualifizieren ist.[24]
Klärt der Arzt fahrlässig falsch auf, kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung regelmäßig in Betracht. Mit seiner unüberschaubaren Kasuistik ist eine Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten auf den Sorgfältigkeitsmaßstab im Strafrecht bedenklich. Der Arzt kann dem von ihm erwarteten Sorgfaltsmaßstab oft nur schwer nachkommen und handelt schnell sorgfaltswidrig. Der subjektive Maßstab ist durchaus geeignet, den ausufernden objektiven Sorgfaltsmaßstab zu begrenzen. Vielen Sachverhalten kann jedoch durch die Figur des Übernahmeverschuldens Einhalt geboten werden.[25] Der persönliche Schuldvorwurf des Arztes ist oft zu bejahen, denn der Arzt kann sich im Rahmen der Aufklärung sehr leicht absichern.[26] Er kann den Patienten ohne großen Aufwand umfangreicher aufklären, als er es für notwendig hält. Somit wird eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Arztes wohl in einem Großteil der Fälle nicht an mangelnder subjektiver Vorwerfbarkeit scheitern.
Die Ausführungen verdeutlichen die Schwierigkeiten, die mit einer Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten in das Strafrecht einhergehen. Der rechtsgutsorientierte Lösungsansatz ermöglicht keine trennscharfe Abgrenzung, insbesondere, wenn sich der Aufklärungsfehler auf die Diagnose oder Behandlungsalternativen bezieht. Liegt ein Rechtsgutsbezug vor, kommt zumindest die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung regelmäßig in Betracht.
Der strafbegründende Effekt der weiten Aufklärungspflichten könnte durch das Institut der hypothetischen Einwilligung begrenzt werden. Die hypothetische Einwilligung, kodifiziert in § 630h Abs. 2 S. 2 BGB, bestimmt, dass für den Fall, dass die Aufklärung den Anforderungen des § 630e BGB nicht genügt, der Behandelnde sich darauf berufen kann, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Auch wenn die Kausalität zu bejahen ist, so kann der Behandelnde als Folge der Lehre vom Zurechnungszusammenhang den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben.[27] An den Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen, damit das Aufklärungs- bzw. Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird.[28] Der Bundesgerichtshof hat die Figur zunächst nur im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung, seit 2003 aber auch für Vorsatzdelikte übernommen.[29] In der Literatur ist die Legitimität einer Übertragung der Rechtsfigur in das Strafrecht umstritten.[30] Innerhalb der Befürworter bestehen Kontroversen über die zutreffende dogmatische Verortung.[31] Die Anwendbarkeit im Strafrecht wird vor allem mit der Einheit der Rechtsordnung und dem strafrechtlichen Ultima-ratio-Prinzip begründet.[32]
Ein Großteil der Literatur lehnt die hypothetische Einwilligung im Strafrecht jedoch ab.[33] Es wird eingewandt, dass die hypothetische Einwilligung das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen nicht hinreichend berücksichtigt, da die Patientenautonomie nachträglich schlicht nicht mehr herstellbar ist.[34] Auch wird kritisiert, dass die Frage, wie sich ein Patient bei alternativem Kenntnisstand entschieden hätte, in bloße Mutmaßungen münde[35] und die hypothetische Einwilligung die Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung untergrabe, indem sie die Selbstbestimmung einer irrtumsanfälligen Rekonstruktion gleichstelle.[36]
Unzutreffend ist ferner der Vergleich der hypothetischen Einwilligung mit der Konstellation des rechtmäßigen
Alternativverhaltens. Der Prüfumfang bei der Bestimmung des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs beschränkt sich darauf, den vorwerfbaren Tatumstand wegzudenken und durch sorgfaltsgemäßes Verhalten zu ersetzen.[37] Bei der hypothetischen Einwilligung wird aber darüber hinaus auch die Reaktion des Patienten auf die fiktive Aufklärung hinzugedacht.[38] Gegen das Argument des Gleichlaufs von Straf- und Zivilrecht kann zudem vorgebracht werden, dass die Wirkung der hypothetischen Einwilligung im Strafrecht weit über die im Zivilrecht hinausgeht.[39] Im Zivilrecht reicht es aus, dass der Patient darlegt, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt bezüglich der Vornahme des Eingriffs befunden.[40] Im Strafverfahren muss dem Arzt hingegen nachgewiesen werden, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht in die Operation eingewilligt hätte.[41] Verbleiben diesbezüglich Zweifel, ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erteilt worden wäre.[42] Aufklärungsmängel könnten im Strafrecht somit gänzlich irrelevant werden.[43]
Die hypothetische Einwilligung liefert somit keine hinreichende Begründung für den Ausschluss des Körperverletzungsunrechts und ist nicht in das Strafrecht zu übertragen.[44] Die weite Strafbarkeit des Arztes, die aus einer uneingeschränkten Übertragung der Aufklärungspflichten resultieren würde, kann damit nicht begrenzt werden.
Aus den bisherigen Erwägungen ergibt sich, dass eine uneingeschränkte Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten nicht überzeugt. Ein überzeugender Ansatzpunkt könnte eine reduzierte Übertragung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten in das Strafrecht sein. Für und gegen eine Reduzierung der strafrechtlichen Aufklärungspflicht können verschiedene Überlegungen angestellt werden.[45]
Es wird vertreten, dass die Rechtswidrigkeit von Aufklärungsfehlern im Zivil- und Strafrecht einheitlich beurteilt werden muss.[46] Aus dem Ultima-ratio-Prinzip folgt, dass ein zivil- oder öffentlich-rechtlicher Rechtfertigungsgrund auch die strafrechtliche Rechtmäßigkeit mit sich bringt.[47] Dies könnte bedeuten, dass eine weitergehende Rechtfertigung im Strafrecht ausgeschlossen ist. Andere hingegen bejahen die Möglichkeit einer speziellen "Strafrechtswidrigkeit." Diese ist demnach notwendig, um aus den rechtswidrigen Verhaltensweisen die Verhaltensweisen herauszufiltern, die strafrechtlich relevantes Unrecht darstellen. Dies resultiert aus dem Umstand, dass es sich bei der strafrechtlichen Ahndung um die gravierendste Form der Verhaltensmissbilligung handelt.[48] Zweck des Zivilrechts ist es, durch finanziellen Schadensausgleich den status quo ante herzustellen, im Strafrecht hingegen soll grob sozialwidriges Verhalten unterbunden werden.[49] Diese beiden Zwecke gilt es zu berücksichtigen und demnach auch auf Rechtfertigungsebene zu differenzieren. Die Einwilligung stellt demzufolge eine eigenständige Figur des Strafrechts dar, die nicht nach zivilrechtlichen Vorschriften, sondern nach strafrechtspezifischen Maßstäben beurteilt wird.[50] Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung steht einer reduzierten Übertragung der zivilrechtlichen Anforderungen somit nicht entgegen.
Einer Begrenzung der Aufklärungspflichten könnte man auch mit dem Argument entgegentreten, dass die hohen Anforderungen im Zivilrecht dem Schutz des Patienten dienen und eine Begrenzung der Anforderungen dazu führen würde, dass Ärzte nachlässiger aufklären.[51] Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Ärzte als Folge mangelhafter Aufklärung durchaus zivilrechtlich haften müssen und ein zivilrechtlicher Prozess mit Prestigeverlust und psychischen Belastungen verbunden ist.[52] Der Arzt wird sich daher auch unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit bemühen, ordnungsgemäß aufzuklären. Ferner muss berücksichtigt werden, dass zu umfassende Aufklärungspflichten sich durchaus nachteilig für den Patienten auswirken können und zum Beispiel Verwirrung stiften.
Soweit Rechtfertigungsgründe im Strafgesetzbuch geregelt sind, sollen diese Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen.[53] Das Zivilrecht fordert bei genauer Betrachtung mehr als eine Aufklärung im "Großen und Ganzen."[54] Ein Verweis auf das Zivilrecht führt dazu, dass es selbst für einen erfahrenen Juristen sehr schwer ist, zu prognostizieren, wie umfangreich aufgeklärt werden muss. Eine Begrenzung der Aufklärungspflichten würde mehr Bestimmtheit bedeuten und dem Arzt ermöglichen, strafbares von nicht strafbarem Verhalten besser abgrenzen zu können. Sie würde mehr Rechtssicherheit schaffen. Auch würde dies in vielen Fällen einen Rückgriff auf die hypothetische Einwilligung im Strafrecht entbehrlich machen und somit die Unsicherheiten, die mit einer hypothetischen Einwilligung einhergehen, beseitigen.
Die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts in den Körperverletzungsdelikten hat Auswirkungen auf den Aufklärungsumfang. Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte ist die körperliche Unversehrtheit.[55] Da die Selbstbestimmungsaufklärung des Zivilrechts die Selbstbestimmung des Patienten schützt, muss bestimmt werden, ob die §§ 223 ff. StGB das Selbstbestimmungsrecht überhaupt schützen und wenn ja, wie weit dieser Schutz reicht.
Nach einer Auffassung ist das Selbstbestimmungsrecht in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte miteinbezogen.[56] Einer solchen Einbeziehung wird zum Teil mit dem Argument widersprochen, dass diese den Unterschied zwischen Körperverletzungs- und Freiheitsdelikten zu verwischen droht, da nur die körperliche Integrität geschütztes Rechtsgut der §§ 223 ff. StGB sei.[57] Hiergegen kann man einwenden, dass eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts durch mangelhafte Aufklärung dann nicht ausreichend geahndet werden würde, da die Freiheitsdelikte in Sachverhalten mangelhafter Aufklärung meist nicht betroffen sind.[58] Außerdem ist die Selbstbestimmung oft nicht von der körperlichen Unversehrtheit zu trennen, da Körper und Wille verbunden sind.[59] Das Selbstbestimmungsrecht ist daher auch ein Schutzgut der §§ 223 ff. StGB.
Unklar ist das Ausmaß des Schutzes. Nach einer Ansicht stehen körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung alternativ und eigenständig nebeneinander.[60] Begründet wird dies mit der andererseits drohenden Gefahr einer Degradierung zum Objekt sowie Patientenschutzgesichtspunkten.[61]Nach anderer Ansicht können Rechtsgut und Verfügungsbefugnis nicht voneinander getrennt werden, und das Selbstbestimmungsrecht soll daher nicht eigenständiges Rechtsgut der §§ 223 ff. StGB sein.[62] Dafür sprechen vor allem teleologische Erwägungen: Der Schutz der Körperverletzungsdelikte darf nicht soweit gehen, dass das Körperliche aufgehoben wird und das Rechtsgut ein rein psychisches wird.[63] Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts geht nur so weit, als der Betroffene keine materialen Einbußen seines gesundheitlichen Wohles oder seiner körperlichen Verfassung ohne sein Einverständnis hinnehmen muss.[64] Die §§ 223 ff. StGB schützen hiernach primär das körperliche Wohlbefinden, die Dispositionsfreiheit ist lediglich miteinbezogen.[65] Das Selbstbestimmungsrecht stellt somit kein eigenes Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte dar, wird aber als körperbezogenes Dispositionsrecht mitgeschützt. Die Aufklärungspflicht muss an diesen körperlichen Bezug angepasst werden.[66]
In einem Zivilprozess wird häufig dann auf einen Aufklärungsfehler abgestellt, wenn ein sog. Kunstfehler im Rahmen einer nicht erfolgreichen medizinischen Behandlung kritisiert wird.[67] Eine Verletzung der Aufklärungspflichten dient in solchen Fällen als "Auffangtatbestand".[68] Aufklärungsfehler sind nämlich vom Arzt zu beweisen, die oft schwierig zu bewältigende Beweislast für Behandlungsfehler im engeren Sinne liegt hingegen beim Patienten.[69] Somit besteht die Gefahr eines Missbrauchs des Aufklärungsrechts allein für Haftungszwecke.[70] Eine Überdehnung der Aufklärungspflicht ermög-
licht im Zivilrecht oft das Ergebnis, das unter Billigkeitserwägungen und Mitleidsaspekten durchaus nachvollziehbar erscheinen mag. Diese kompensatorischen Beweggründe, die gegebenenfalls mitursächlich für die hohen Anforderungen an die Aufklärungspflicht im Zivilrecht sind, müssen jedoch bei der Übertragung in das Strafrecht berücksichtigt werden und dürfen nicht ohne weiteres eine Strafbarkeit des Arztes begründen. Ferner muss berücksichtigt werden, dass Ärzte sich ihrer zivilrechtlichen Haftung durch Versicherungen entziehen können und den Schadensersatz oft nicht eigenständig leisten müssen. Im Strafrecht ist eine solche Abwälzung gerade nicht möglich.
Neben dem ultima-ratio-Prinzip, dem Bestimmtheitsgrundsatz sowie der Wahrung der Rechtssicherheit sprechen vor allem die Schutzrichtung der Körperverletzungsdelikte und die Bedeutung von Aufklärungsmängeln im Zivilprozess für eine Reduzierung der Aufklärungspflichten im Strafrecht.
In der Literatur wird ebenfalls vielerorts für eine Begrenzung der Aufklärungspflichten plädiert, nur über die Ausgestaltung ist man sich uneinig. Es wird vertreten, dass nur über bedeutende Risiken aufgeklärt werden muss,[71] eine Verwerflichkeitsprüfung zu erfolgen hat,[72] eine wirksame Einwilligung nur bei einer noch eigenverantwortlichen Entscheidung des Patienten möglich ist[73] oder eine Aufklärung nur bei hinreichendem Rechtsgutsbezug, statistisch häufigen Risiken und individueller Bedeutung für den jeweiligen Patienten zu erfolgen hat.[74]
Alle diese Ansätze haben gemein, dass sie versuchen, eindeutige Kriterien zu finden, um zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Aufklärungsmängeln zu unterscheiden. Allerdings bleiben sie alle recht unbestimmt. Die Frage, was bedeutende Risiken sind, mag kaum leichter zu beantworten sein als die Frage nach dem Umfang einer Aufklärung "im Großen und Ganzen." Auch ist eine einheitliche Einschätzung, wann eine ausgebliebene oder unzureichende Aufklärung als verwerflich anzusehen ist, aufgrund der Individualität der Patienten kaum möglich und führt zu erheblichen Unsicherheiten. Dasselbe gilt für das Kriterium der eigenverantwortlichen Entscheidung und individuellen Bedeutung: Die Kriterien zur Entscheidungsfindung sowie das individuelle Empfingen divergieren von Patient zu Patient. Eine pauschalisierte Betrachtung ist kaum möglich und mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden.
Ähnliches gilt für den Vorschlag Roxins, eine Verletzung der Aufklärungspflicht nur dann als erheblich zu werten, wenn der Patient plausibel darlegt, dass er sich bei sachgerechter Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte.[75] Diese Ansicht hat gegenüber der hypothetischen Einwilligung den Vorteil, dass offenbleiben kann, wie ein Konflikt entschieden worden wäre, weniger Mutmaßungen erfolgen und die Reaktion des Patienten nicht hinzugedacht werden muss. Der Annahme, dass das Vorliegen eines Entscheidungskonflikts durchweg einer objektiven gerichtlichen Feststellung zugänglich ist,[76] kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Nachweis, dass ein innerer Entscheidungskonflikt bestanden hätte, ist nur schwer zu erbringen und kaum nachprüfbar. Verbleiben diesbezüglich Zweifel, ist der Arzt in dubio pro reo freizusprechen.[77] Dieser Ansatz wertet das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zudem zu hoch, die §§ 223 ff. StGB schützen primär die körperliche Unversehrtheit.
Im Interesse der Rechtssicherheit scheint es somit vorzugswürdig, auf ein objektives Kriterium abzustellen, das sich an dem Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte orientiert. In diese Richtung tendiert auch Gaede, der zwischen eingriffs- und nicht eingriffsbezogenen Aufklärungsmängeln differenziert und nur eingriffsbezogene Aufklärungsmängel für beachtlich hält.[78]
Das Selbstbestimmungsrecht ist im Rahmen der Körperverletzungsdelikte lediglich als körperbezogenes Dispositionsrecht mitgeschützt, die §§ 223 ff. StGB schützen primär das körperliche Wohlbefinden. Diesen Grundsatz gilt es nun nach hier vertretener Ansicht konsequent zu übertragen. Jede Aufklärungspflicht, die darüber hinausgeht, ist von dem Schutzzweck der Körperverletzungsdelikte nicht erfasst und kann keine Strafbarkeit des Arztes begründen.
Bei der Diagnoseaufklärung soll der Patient über das "warum", also die medizinische Ausgangslage, nicht über das "wie" des Eingriffs aufgeklärt werden. Folgt man der Auffassung, dass lediglich über die Bedeutung des Eingriffs für das Rechtsgut Körperintegrität aufzuklären ist[79] und das Selbstbestimmungsrecht nur in diesem Rahmen geschützt wird, erscheint es konsequent, die mangelhafte Diagnoseaufklärung als unbeachtlich anzusehen. Die Diagnoseaufklärung betrifft lediglich das Motiv für den Eingriff, nicht den Eingriff selbst, der Patient weiß, in welchem Ausmaß er seine körperliche Unversehrtheit
preisgibt.[80] Auch wenn diese Ansicht kritisiert wird,[81] so erscheint die Differenzierung in Anbetracht des Stellenwertes der Rechtsgüter der §§ 223 ff. StGB geboten. Der erschlichene Aids-Test[82] stellt demzufolge keine Körperverletzung dar, da der Patient weiß, inwiefern in seine körperliche Integrität eingegriffen wird, er irrt lediglich über den Sinngehalt.
Die Verlaufsaufklärung will dem Patienten verdeutlichen, in welchem Ausmaß er seine körperliche Integrität im Rahmen der Erkrankung preisgibt und welche Auswirkungen der konkrete Eingriff auf sein körperliches Wohlbefinden hat. Diese Rechtsgutsbezogenheit führt dazu, dass die Verlaufsaufklärung Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung im Strafrecht ist.
Unter Umständen kann sich die Aufklärungspflicht des Arztes auch auf Behandlungsalternativen beziehen. In diesem Bereich wurde in der strafrechtlichen Rechtsprechung bereits festgestellt, dass dieser Grundsatz nicht ohne weiteres in das Strafrecht übernommen werden kann.[83] Das Rechtsgut der §§ 223 ff. StGB wird von dieser Art der Aufklärung nicht tangiert, die Aufklärung über Behandlungsalternativen dient primär der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts.[84] Der Patient weiß schließlich, wie sich der Eingriff auf seine körperliche Integrität auswirkt. Verdeutlichen lässt sich dies an dem Surgibone-Dübel-Fall.[85] Der Arzt hatte in einer Operation an der Halsbandscheibe als Abstandhalter Rinderknochen verwendet, obwohl in Deutschland überwiegend Eigenknochen verwendet wurden. Physische – und damit für das Ausmaß des Eingriffs relevante – Vor- oder Nachteile hatten die Rinderknochen nicht. Der Arzt hatte den Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass es alternative Materialien gibt und er die in Deutschland nicht zugelassenen Rinderknochen verwenden würde. Der Bundesgerichtshof hat hier eine hypothetische Einwilligung befürwortet. Stellt man auf den körperlichen Bezug ab, gelangt man ebenfalls zu einer Straflosigkeit. Die Rinderknochen waren medizinisch tragfähig und der Patient war über das Ausmaß des Eingriffs hinreichend informiert. Er irrte nicht über das Ausmaß des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und die erteilte Einwilligung war wirksam.
Insbesondere im Rahmen der Risikoaufklärung stellt die zivilrechtliche Rechtsprechung sehr umfangreiche Anforderungen an den Aufklärungsumfang.[86] Mit Blick auf die Bedeutung von Aufklärungsmängeln als Auffangtatbestände im Zivilrecht sowie den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte gilt es auch hier, die Anforderungen im Strafrecht abzusenken.
Im Zivilrecht ist ein Patient über ein bestimmtes Risiko, auch wenn es typisch für den Eingriff ist, dann aufzuklären, wenn dessen Verwirklichung für ihn eine starke Belastung bedeuten würde oder generell für ihn überraschend ist.[87] Dies bringt eine erhebliche Unsicherheit mit sich, da es für den Arzt schwer ist zu bestimmen, wann ein Risiko für den Patienten überraschend ist oder wann dessen Verwirklichung eine starke Belastung bedeuten würde.
Im Zivilrecht wird auf die Eintrittswahrscheinlichkeit fast keine Rücksicht genommen.[88] Im Hinblick auf das Rangverhältnis der Rechtsgüter in §§ 223 ff. StGB spricht vieles dafür, die Eintrittswahrscheinlichkeit als Indikator miteinzubeziehen.[89] Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist zwar lediglich eine statistische Wahrscheinlichkeit, sie ist jedoch auch der einzige Parameter, der vorab Auskunft darüber gibt, wie wahrscheinlich eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ist. So kann eine Verbindung zwischen Risiken und dem primären Schutzgut der §§ 223 ff. StGB geschaffen werden. Würde man für die Relevanz der Aufklärung auf patientenspezifische Beweggründe wie auf dessen Kenntnisstand oder Belastung abstellen, so würde das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu hoch gewichtet werden. Somit hat nach strafrechtlicher Betrachtung ein Arzt einen Patienten nur über die Risiken aufzuklären, deren Verwirklichung nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegen.[90] Hier sollte die Rechtsprechung einheitliche Richtwerte festlegen.
Im Zivilrecht muss der Arzt, wendet er eine neue Methode an oder weicht von den Methoden der Schulmedizin ab, den Patienten auch in dieser Hinsicht aufklären.[91] Auch aus strafrechtlicher Sicht hat eine Aufklärung zu erfolgen, da zum einen die konkrete Durchführung des Eingriffs betroffen ist, zum anderen die Eintrittswahrscheinlichkeit oft höher ist als bei standardgemäßem Vorgehen. Der Arzt unterliegt beispielsweise einer Aufklärungspflicht, wendet er, abweichend von dem medizinischen Standard, herkömmlichen Zitronensaft zur Wundheilung an.[92] Auch die Aufklärung über die Person des Behandelnden ist im Strafrecht von Bedeutung, wenn Person, Erfahrung oder Operationsweise Auswirkung auf den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit haben.
Andere Wertungen ergeben sich bei Außenseiter- oder Neulandmethoden oder der Person des Behandelnden jedoch, wenn die Abweichung keine oder nur minimale Auswirkungen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und somit die körperliche Integrität hat.
Nach der Zivilrechtsprechung kann eine Aufklärung unterbleiben oder eingeschränkt werden, wenn eine vollständige Aufklärung eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit des Patienten bedeuten würde.[93] Im Zivilrecht muss der hohe Stellenwert des Selbstbestimmungsrechts berücksichtigt werden. Berücksichtigt man im Strafrecht das primäre Rechtsgut der §§ 223 ff. StGB, die körperliche Unversehrtheit, so ist diese Handhabung weiter auszulegen, da das Strafrecht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht in dem Ausmaß berücksichtigen und schützen muss, wie es das Zivilrecht tut.[94] Dies bedeutet, dass je höher der aus einer Aufklärung resultierende Schaden für das Wohlbefinden des Patienten ist, desto wahrscheinlicher muss auch das Risiko sein, damit eine Aufklärungspflicht besteht.
Im Zivilrecht wird der Forderung nach einer Aufklärung "im Großen und Ganzen"[95] durch eine unüberschaubare Kasuistik widersprochen. Zum Teil werden extreme Anforderungen an die Aufklärung des Arztes gestellt.[96] Im Strafrecht hingegen gilt es, den Grundsatz der Aufklärung "im Großen und Ganzen" zu wahren. Dies dient zum einen der Wahrung der strafrechtlichen Bestimmtheit und zum anderen der Rechtssicherheit.
Im Zivilrecht ist anerkannt, dass der Patient die Aufklärungspflicht durch Fragen erweitern kann, auf die der Arzt ordnungsgemäß antworten muss.[97] Dieser Grundsatz kann im Strafrecht nicht uneingeschränkt von Bedeutung sein.[98] Die Erweiterung durch Patientenfragen dient der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts und kann somit allein keine Strafbarkeit nach §§ 223 ff. StGB begründen. Natürlich soll dies nicht dazu führen, dass Ärzte nicht mehr auf Fragen der Patienten eingehen sollen oder unrichtig antworten dürfen. Lediglich an den Punkt, an dem eine Nachfrage dazu führt, dass von einer Aufklärung "im Großen und Ganzen" abgewichen wird und der Patient auch über Risiken mit einer minimalen Eintrittswahrscheinlichkeit informiert werden möchte, sollte es dem Arzt möglich sein, den Patienten auf die Unwahrscheinlichkeit einer Verwirklichung des Risikos zu verweisen und dennoch seiner Aufklärungspflicht zur Genüge nachzukommen.[99]
Die zivilrechtliche Rechtsprechung ermittelt den erforderlichen Umfang und Genauigkeitsgrad der Aufklärung im Verhältnis zur Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten.[100] Die Aufklärungslast nimmt in dem Maß zu, in dem der Dringlichkeitsgrad des medizinischen Eingriffs abnimmt und umgekehrt.[101] Im Blick auf den Stellenwert des Selbstbestimmungsrechts im Strafrecht ist dieser Ausgestaltung zu folgen. Primäres Rechtsgut ist die körperliche Unversehrtheit.[102] Je stärker diese gefährdet ist, umso mehr muss der Schutz des Selbstbestimmungsrechts dahinter zurücktreten und die Anforderungen an die Aufklärung sinken.
Es wird vertreten, dass eine aktive Täuschung eine Einwilligung stets unwirksam macht.[103] Bei der Irreführung über Umstände, die den Heileingriff betreffen, handelt es sich um einen schweren Angriff auf die Dispositionsfreiheit des Patienten.[104] Eine aktive Täuschung führt dazu, dass der Patient zur Durchführung des Eingriffs fremdbestimmt wird. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass das Vorliegen einer Täuschung zu einer anderen Bewertung bei der Frage nach der Wirksamkeit einer hypothetischen Einwilligung führen kann.[105] Auch wenn die Übertragung der Rechtsfigur der hypothetischen Einwilligung in das Strafrecht abzulehnen ist, so deutet dies darauf hin, dass die Rechtsprechung die täuschungsbedingte Einwilligung nicht als wirksam erachtet. Der Arzt steuert den Willensbildungsprozess vorsätzlich zugunsten eines Eingriffs in die körperliche Integrität.[106]
Dies geht nach dem hier vertretenen Ansatz zu weit, da die Schutzrichtung der §§ 223 ff. StGB auch in solchen Fällen berücksichtigt werden muss. In Anbetracht der Rechtsgutsgewichtung der Körperverletzungstatbestände ist somit ein Körperbezug zu fordern. Ein Beispiel für das Erfordernis des körperlichen Bezugs der verletzten Aufklärungspflicht im Rahmen der Täuschung liefert der Bandscheiben-Fall.[107] Der Arzt hatte irrtümlich die falsche Etage operiert und täuschte die Patientin über die Notwendigkeit einer erneuten Operation. Der Bundesgerichtshof bejaht eine Strafbarkeit. Stellt man auf den Körperbezug ab, gelangt man ebenfalls zu einer Strafbarkeit, da die Patientin darüber getäuscht wurde, in welcher Etage sie operiert wurde und damit ein Körperbezug vorlag. Auch eine aktive Täuschung führt aber nur dann zu einer Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn der Patient darüber getäuscht wird, inwiefern er seine körperliche Integrität preisgibt.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die zivilrechtlichen Aufklärungspflichten keine zwingenden Wirksamkeitsmaßstäbe für die Einwilligung des Strafrechts darstellen. Weder die Einheit der Rechtsordnung noch Patientenschutzgesichtspunkte begründen eine uneinge-
schränkte Übernahme der Aufklärungspflichten. Vielmehr spricht die Tatsache, dass Aufklärungspflichten im Zivilprozess oft lediglich eine Auffangposition haben, gegen eine Übertragung. Vor allem der Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte gebietet eine Reduzierung der Anforderungen an die Aufklärung im Strafrecht. Die §§ 223 ff. StGB schützen primär das körperliche Wohlbefinden; die Dispositionsfreiheit ist lediglich miteinbezogen. Nimmt man den Bezug zur körperlichen Integrität als Grundlage, so lassen sich alle fraglichen Fallgruppen aufgrund objektiver Kriterien einordnen. In Anbetracht der aktuellen Praxis, die teilweise vollumfänglich auf die ausgeuferten zivilrechtlichen Aufklärungspflichten verweist, erscheint eine Reduzierung der zivilrechtlichen Aufklärungspflichten für die Einwilligung im Strafrecht dringend geboten. Der hier vertretene Ansatz mag keine vollumfassende und stets eindeutige Lösung darstellen, das konsequente Abstellen auf den Bezug zur körperlichen Integrität als objektives Kriterium ermöglicht jedoch in einem Großteil der fraglichen Fälle, für Rechtssicherheit zu sorgen.
[1] Ständige Rspr. seit RGSt 25, 375; BGH NJW 2011, 1088, 1089 = HRRS 2011 Nr. 284; Knauer/Bose, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2. Aufl. (2014), § 223 Rn. 16. Andere vertreten die Ansicht, dass der medizinische Eingriff dem Tatbestand der §§ 223 ff. StGB nicht unterfällt: Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. (2014), § 223 Rn. 30.
[2] BVerfG NJW 1979, 1925, 1929; BGH NJW 2004, 3703 sog. "informed consent" Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. (2015), V. Rn. 5.
[3] BVerfG NJW 1979, 1925,1929; BGH NJW 2004, 3703; Burgert JA 2016, 246, 247.
[4] BGH NJW 1979, 1925, 1929 f.; BT-Drs. 17/10488, S. 24; Weidenkaff, in: Palandt (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. (2018), § 630e Rn. 1; Spickhoff a.a.O. (Fn. 1), § 630e Rn. 1.
[5] Terbille, in: Terbille (Begr.), Münchener Anwalts Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl. (2013), § 1 Rn. 300.
[6] Greiner, in: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. (2014), C. Rn. 42.
[7] Greiner a.a.O. (Fn. 6), C. Rn. 49.
[8] Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 293.
[9] Katzenmeier a.a.O. (Fn. 2), V. Rn. 14.
[10] BGH NJW 2005, 1718, 1719; BGH NJW 2004, 3703, 3704; Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 311.
[11] BT-Drs. 17/10488, S. 24; BGH NJW 1980, 1905, 1907.
[12] BGH NJW 1972, 335, 337.
[13] Ständige Rechtsprechung vgl. BGH NJW 2011, 375; BGH NJW 1984, 1397, 1398; BGH NJW 1959, 811, 813.
[14] Katzenmeier a.a.O. (Fn. 2), V. Rn. 75.
[15] BGH NJW 2000, 1784, 1785.
[16] BGH NJW 2011, 1088, 1089 = HRRS 2011 Nr. 248; Spickhoff a.a.O. (Fn. 1), § 630e Rn. 1; Lechner MedR 2013, 429, 432; Dölling, in: Dölling/Duttge/Rössner/König (Hrsg.), Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. (2017), § 228 Rn. 17; Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), § 228 Rn. 13 ff.
[17] Roxin, Strafrecht – Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (2008), Bd. 1, § 13 Rn. 112; Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung im Strafrecht, 2001, S. 425.
[18] Rönnau JuS 2007, 18, 19; Roxin a.a.O. (Fn. 17), § 13 Rn. 97.
[19] Joecks, in: Joecks/Miebach, Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. (2017), § 223 Rn. 86; Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 39; Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung, 1970, S. 20 ff.
[20] Kühl, in: Kühl/Heger, Strafgesetzbuch, 28. Aufl. (2014), § 223 Rn. 1; Joecks a.a.O. (Fn. 19), § 223 Rn. 1.
[21] Dazu auch Immig, Die Selbstbestimmungsaufklärung im Arztstrafrecht: Eine kritische Betrachtung der Übertragung der zivilrechtlichen Rechtsprechung in das Strafrecht, 2016, S. 76 ff.
[22] Gaede, Limitiert akzessorisches Medizinstrafrecht statt hypothetischer Einwilligung, 2014, S. 65.
[23] So auch Amelung, Irrtum und Täuschung als Grundlage von Willensmängeln bei der Einwilligung des Verletzten, 1997, S. 18; Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 76.
[24] So auch Immig, a.a.O. (Fn. 21), S. 77.
[25] BGH NJW 1998, 1802, 1803 f.; Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 107.
[26] Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 110.
[27] Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 390.
[28] BGH NJW 2007, 2767, 2770; BGH NJW 1991, 2342, 2344; Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 393.
[29] BGH NStZ-RR 2007, 340 = HRRS 2007 Nr. 727; BGH NStZ 2004, 442 = HRRS 2004 Nr. 193; BGH NStZ 1996, 34, 35.
[30] Zum Streitstand: Joecks a.a.O. (Fn. 19), § 223 Rn. 112 ff.
[31] Conrad/Koranyi JuS 2013, 979, 982; Kuhlen, in: Festschrift für Roxin (2001), S. 331, 337; Rönnau JZ 2004, 801 Stichwort "rechtmäßiges Alternativverhalten"; Roxin a.a.O. (Fn. 17), § 13 Rn. 122 "strafausschließend."
[32] Böcker JZ 2005, 925, 928.
[33] Paeffgen/Zabel, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Aufl. (2017), Vorb. §§ 32 ff. Rn. 168a; Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 40h; Joecks a.a.O. (Fn. 19), § 223 Rn. 119; Gaede a.a.O (Fn. 22), S. 36; Roxin medstra 2017, 129, 134; Sowada NStZ 2012, 1, 10; Puppe GA 2003, 764, 770; jetzt auch: Rönnau JuS 2014, 882, 885.
[34] Sowada NStZ 2012, 1, 7; Conrad/Koranyi JuS 2013, 979, 983.
[35] Puppe GA 2003, 764, 768 f.; Otto Jura 2004, 679, 683.
[36] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 19; Sowada NStZ 2012, 1, 7 f.
[37] BGH NJW 2004, 237, 238 = HRRS 2004 Nr. 57; BGH NJW 1985, 1350, 1351.
[38] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 22.
[39] Conrad/Koranyi JuS 2013, 979, 983.
[40] BGH NJW 2009, 1209, 1211; BGH NJW 2007, 217, 219; BGH NJW 1994, 799, 801.
[41] BGH NStZ 2012, 205, 206 = HRRS 2011 Nr. 1135; BGH NStZ 1996, 34, 35.
[42] Conrad/Koranyi JuS 2013, 979, 982.
[43] Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 40h.
[44] So auch AG Moers, Urteil vom 22.10.2015 – 601 Ds-44/15 (juris), Rn. 25.
[45] So bereits Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 143 ff.
[46] Spickhoff ZRP 2012, 65, 68.
[47] Rönnau, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar, 12. Aufl. (2006), vor § 32 Rn. 21; Immig a.a.O (Fn. 21), S. 165.
[48] Günther, Straffrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß: Studien zur Rechtswidrigkeit als Straftatmerkmal und zur Funktion der Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, 1983, S. 394; Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 299, 307.
[49] Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 40b; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer (Hrsg.), Arztstrafrecht in der Praxis, 5. Aufl. (2015), Kap. 1 Rn. 319.
[50] BGH NJW 1999, 372; Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch: StGB, 28. Aufl. (2014), Vorb. § 32 Rn. 16; Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 168.
[51] Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 169 ff.
[52] Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 170; Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 299, 307.
[53] Herrschende Meinung: Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. (2014), § 1 Rn. 13; Paeffgen/Zabel a.a.O. (Fn. 33),, Vorb. §§ 32 ff. Rn. 59.
[54] Zur Aufklärung im Großen und Ganzen vgl. BGH NJW 2011, 375; BGH NJW 1984, 1397, 1398.
[55] Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 1; Kühl a.a.O (Fn. 50), § 223 Rn. 1; Paeffgen/Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Aufl. (2017), § 223 Rn. 2.
[56] Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex artis, 2000, S. 68; Wolters, in: Rudolphi/Wolter, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 9. Aufl. (2017), § 223 Rn. 55; Eser ZStW 97 (1985), 1, 22 f.
[57] Lilie, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar, 11. Aufl. (2005), vor § 223 Rn. 1.
[58] Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 154.
[59] Roxin a.a.O. (Fn. 17), § 13 Rn. 14; so auch BVerfG NJW 1981, 1655, 1656.
[60] Tag a.a.O. (Fn. 56), S. 92; Wolters a.a.O. (Fn. 56), § 223 Rn. 57.
[61] Tag a.a.O. (Fn. 56), S. 92.
[62] Rönnau JZ 2004, 801, 802; Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 31;Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht, S. 534.
[63] Eser ZStW 97 (1985), 1, 18; Erfordernis eines somatischen objektivierbaren Zustandes: BGH NStZ 1997, 123; BGH NStZ-RR 2012, 340 = HRRS 2012 Nr. 798.
[64] Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 31.
[65] Rönnau JZ 2004, 801, 802; Gaede a.a.O (Fn. 22), S. 52; Sternberg-Lieben GA 1990, 289, 293 f.
[66] So auch Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 51.
[67] Ulsenheimer a.a.O (Fn. 49), Kap. 1 Rn. 319; Müller , in: Festschrift für Geiß (2000), S. 461; Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 299, 307.
[68] Laufs, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. (2010), § 59 Rn. 3; Ulsenheimer NStZ 1996, 132.
[69] Laufs a.a.O. (Fn. 68), § 59 Rn. 3.
[70] Dazu auch BGH NJW 1984, 1397, 1399; BGH NJW 2007, 2771, 2773.
[71] Otto/Albrecht Jura 2010, 264, 270.
[72] Swoboda ZIS 2013, 18, 31.
[73] Saliger, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 257, 269 f.
[74] Sternberg-Lieben, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 299, 311.
[75] Roxin medstra 2017, 129, 135 f.
[76] Roxin medstra 2017, 129, 136.
[77] Conrad/Koranyi JuS 2013, 979, 982.
[78] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 63 f.
[79] Sternberg-Lieben GA 1990, 289, 295.
[80] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 65.
[81] Kuhlen GA 2015, 709, 710.
[82] Hierzu: Amelung a.a.O (Fn. 23), S. 38 ff.
[83] BGH NStZ 1996, 34.
[84] BGH NJW 2006, 2477, 2478.
[85] BGH NStZ 1996, 34.
[86] Katzenmeier a.a.O. (Fn. 2), V. Rn. 75 ff. ; Aufklärungserfordernis bei einer Schadenshäufigkeit von 1:4,4 Millionen BGH NJW 2000, 1784, 1785.
[87] BGH NJW 2007, 217, 218; BGH NJW 1990, 1528.
[88] Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 255.
[89] Komplikationsdichte: BGH NStZ 1996, 34; Lechner MedR 2013, 429, 432; Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 186 ff.
[90] So bereits Tröndle MDR 1983, 881, 886.
[91] Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl. (2016), § 630e Rn. 25 f.
[92] BGH NJW 2011, 1088, 1089 = HRRS 2011 Nr. 284.
[93] BGH NJW 1984, 1397, 1398.
[94] So bereits Tröndle MDR 1983, 881, 886.
[95] Ständige Rspr.: vgl. BGH NJW 2011, 375; BGH NJW 1984, 1397, 1398; BGH NJW 1959, 811, 813.
[96] BGH NJW 2000, 1784, 1785: Aufklärungserfordernis bei einer Schadenshäufigkeit von 1: 4,4 Millionen.
[97] BGH NJW 1987, 2923; Schöch, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts, 4. Aufl. (2010), S. 70.
[98] So auch Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 176.
[99] So auch Immig a.a.O. (Fn. 21), S. 177.
[100] BGH NJW 2009, 1209, 1210; BGH NJW 1991, 2349; Terbille a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rn. 288 ; Schöch a.a.O (Fn. 99), S. 67.
[101] Greiner a.a.O. (Fn. 6), C. Rn. 8 ; Laufs a.a.O. (Fn. 68), § 60 Rn. 5.
[102] Eser/Sternberg-Lieben a.a.O. (Fn. 1), § 223 Rn. 1; Kühl a.a.O (Fn. 50), § 223 Rn. 1; Paeffgen/Böse a.a.O. (Fn. 55), § 223 Rn. 2.
[103] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 54 f.; Saliger, in: Festschrift für Beulke (2015), S. 257, 270.
[104] Rönnau JZ 2004, 801, 804.
[105] BGH NJW 2013, 1688, 1689 = HRRS 2013 Nr. 500.
[106] Gaede a.a.O. (Fn. 22), S. 56 f.
[107] BGH JR 2004, 251.