HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2018
19. Jahrgang
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IV. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

1047. BGH 1 StR 320/17 - Beschluss vom 13. September 2018 (LG Tübingen)

BGHSt; Übersetzung von Urteilen des Bundesgerichtshofs (kein Anspruch auf Übersetzung; Anspruch auf Entscheidung des Gerichts über Entscheidung des Vorsitzenden

Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 lit. e EMRK; Art. 103 Abs. 1 GG; Art. 3 Abs. 1 GG; § 187 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GVG; § 238 Abs. 2 StPO

1. Entscheidet ein Vorsitzender am Bundesgerichtshof, dass eine rechtskräftige Senatsentscheidung nicht übersetzt wird, kann hiergegen die Entscheidung des Gerichts eingeholt werden. (BGHSt)

2. Ein Anspruch auf Übersetzung eines rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichtshofs besteht grundsätzlich nicht. (BGHSt)

3. § 187 Abs. 1 und 2 GVG obliegt als Teil der Zustellungsanordnung dem Vorsitzenden. Dies umfasst aber nicht nur die Annahme der Voraussetzungen, sondern auch deren Ablehnung. Durch die unterbliebene Beauftragung einer Übersetzung zu dem Zeitpunkt, zu dem die schriftlichen Urteilsgründe zu den Akten gebracht worden sind, ist durch den Vorsitzenden bereits konkludent ein Anspruch auf Übersetzung verneint worden, was dem Verurteilten auch zeitnah mitgeteilt worden ist. Im Zusammenspiel mit dem Fehlen einer Zustellungsanordnung – über das der Verurteilte ebenfalls informiert worden ist – hat der Vorsitzende damit über die Art der Bekanntgabe entschieden. (Bearbeiter)

4. Die Prozessordnung stellt jedoch kein ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung, sofern die Übersetzung durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgelehnt wurde. Denn gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO ist eine Entscheidung des Vorsitzenden eines Senats des Bundesgerichtshofs nicht mit der Beschwerde anfechtbar, da es kein übergeordnetes Gericht gibt. Auch für diese Konstellationen muss aber eine Rechtsschutzmöglichkeit bestehen (vgl. BVerfGE 107, 395, 396 f.). Dies ergibt sich aus dem im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten verankerten allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Dieser Rechtsschutz kann vielmehr in effektiver und sachnaher Weise durch eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit entsprechend § 238 Abs. 2 StPO gewährleistet werden. (Bearbeiter)

5. Ein Anspruch auf Übersetzung eines rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichtshofs ergibt sich nicht aus 187 Abs. 2 GVG oder unmittelbar aus der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010. Er ergibt sich auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG oder dem Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich verletzt eine unterbliebene Übersetzung auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. (Bearbeiter)


Entscheidung

1077. BGH 5 StR 295/18 - Beschluss vom 28. August 2018 (LG Zwickau)

Falschangaben des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse (keine strafprozessuale Wahrheitspflicht; nemo tenetur-Grundsatz; Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens; Täuschung des Nebenklägers; betrugsnahes Verhalten).

Art. 6 Abs. 1 EMRK; Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs. 3 GG

1. Den Angeklagten trifft keine strafprozessuale Wahrheitspflicht. Ihm können daher regelmäßig falsche Angaben nicht angelastet werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn er dem Anklagevorwurf mit wahrheitswidrigem Vorbringen zu begegnen sucht, sondern auch bei falschen Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, durch die er einen für sich günstigeren Rechtsfolgenausspruch anstrebt. Die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens sind grundsätzlich erst überschritten, wenn das Vorbringen eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält oder hierdurch eine neue Straftat begangen wird.

2. Bei der Beurteilung der Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens kann es eine Rolle spielen, ob Adressat einer unwahren Angabe über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten nicht nur das Gericht, sondern auch der Nebenkläger ist, dessen Schadensersatzanspruch in der Hauptverhandlung eine Regelung findet und bei dem sich der Angeklagte zu entschuldigen versucht. Ist ein wahrheitswidriges Vorbringen auch darauf gerichtet, den Nebenkläger zu täuschen, unterfällt dieses nicht dem Schutzbereich des nemo tenetur-Grundsatzes und ist auch nicht vom Recht des Angeklagten auf Verteidigung gedeckt.


Entscheidung

1073. BGH 5 StR 228/18 - Beschluss vom 1. August 2018 (LG Berlin)

Keine unzulässige Beschränkung der Verteidigung bei fehlender frontaler Sicht des Angeklagten auf das Gesicht einer Zeugin aufgrund der Bestimmung der Sitzordnung (generelle Anforderungen an die Bestimmung der Sitzordnung; Möglichkeit der Besprechung mit dem Verteidiger; Störung des Verhandlungsablaufs; Aufklärungspflicht; Gewährung der optischen Teilhabe an der Zeugenvernehmung für die Verfahrensbeteiligten; Sichtmöglichkeit für den Verteidiger; bauliche Gegebenheiten; Konfrontationsrecht; faires Verfahren)

§ 238 Abs. 2 StPO; § 338 Nr. 8 StPO; Art. 6 Abs. 3 lit. c und d EMRK; § 176 GVG

1. Die Bestimmung der Sitzordnung im Hauptverhandlungssaal ist eine Maßnahme, die zwar einerseits die rein äußerliche Gestaltung des Hauptverhandlungsablaufs betrifft, andererseits aber auch in die Rechte von Verfahrensbeteiligten eingreifen und deshalb nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden kann.

2. Eine Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO kann bei Beanstandung der Sitzanordnung nur dann Erfolg haben, wenn die Entscheidung des Gerichts zur Sitzordnung erkennen lässt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder grundlegend die Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten verkennt und hierdurch tatsächlich die Mitwirkungsmöglichkeiten des Angeklagten oder seines Verteidigers entscheidungserheblich eingeschränkt werden.

3. Die Sitzanordnung im Gericht muss sich zunächst an den baulichen Gegebenheiten des Hauptverhandlungssaals orientieren, die dem Gericht vorgegeben sind. Der Angeklagte kann dabei auf eine umfriedete oder besonders gesicherte Anklagebank verwiesen werden, wenn ansonsten seine Flucht oder eine Störung des Verhandlungsablaufs drohen (vgl. § 176 GVG, Nr. 125 Abs. 2 RiStBV). Von seinem Platz aus muss der Angeklagte der Hauptverhandlung folgen und seine Verteidigung führen können. Ihm ist grundsätzlich zu ermöglichen, sich während der Hauptverhandlung mit seinem Verteidiger zu besprechen; anderenfalls kann es notwendig sein, zu diesem Zweck die Hauptverhandlung auf Antrag zu unterbrechen.

4. Bei der Vernehmung von Zeugen (und Sachverständigen) ist zunächst entscheidend, dass das den Urteilsspruch verantwortende erkennende Gericht den Zeugen so gut sieht, wie es dies selbst unter Aufklärungsgesichtspunkten für notwendig erachtet. Zudem kann erforderlich sein, berechtigten Sorgen von Zeugen im Hinblick auf den Angeklagten oder andere Verfahrensbeteiligte durch eine besondere Sitzanordnung Sorge zu tragen.

5. Soweit danach – sowie im Rahmen der baulichen Gegebenheiten – möglich und mit der Sicherheit und Ordnung im Hauptverhandlungssaal vereinbar, ist den übrigen Verfahrensbeteiligten die optische Teilhabe an der Zeugenvernehmung zu gewähren. Kann dies nicht für alle gleichermaßen geschehen, reicht zur Wahrung der Teilhaberechte des Angeklagten auch aus, einem Verteidiger – wie hier von der Revision vorgetragen – eine weitergehende Sicht auf den Zeugen zu ermöglichen.

6. Zur Wahrung des Konfrontationsrechts aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK genügt es grundsätzlich, dass vor Verurteilung eines Angeklagten alle ihn belastenden Beweismittel in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und in seiner Gegenwart erörtert werden, um eine kontradiktorische Prüfung zu ermöglichen. Dem Angeklagten muss angemessen und hinreichend Gelegenheit gegeben werden, einem Belastungszeugen bei seiner Aussage oder zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens entgegenzutreten, ihn zu befragen bzw. befragen zu lassen. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Angeklagten keine frontale Sicht auf einen Zeugen gewährt wird.


Entscheidung

1089. BGH StB 43 u. 44/18 - Beschluss vom 5. Oktober 2018

Keine diplomatische Immunität bei privatem Urlaub in einem Drittstaat (Durchreise durch einen Drittstaat; Amtsantritt; Rückkehr in den Heimatstaat; Aufenthalt im Drittstaat zu touristischen Zwecken; keine Bindungswirkung von Bekanntmachungen des Auswärtigen Amtes mit Blick auf Rechtsfragen); Statthaftigkeit der Beschwerde trotz Wegfalls der angefochtenen Maßnahme (prozessuale Überholung; Feststellungsinteresse); dringender Tatverdacht; Haftgrund der Fluchtgefahr.

Art. 40 WÜD; § 112 StPO; § 304 StPO; Art. 103 Abs. 1 GG

1. Diplomatische Immunität wirkt nach Völkergewohnheitsrecht nicht in allen Staaten (erga omnes), sondern allein in dem Empfangsstaat, also dem Staat, in dem die diplomatische Mission des Entsendestaats errichtet ist, zu der der Diplomat gehört. In Art. 40 WÜD sind völkervertragsrechtlich zugunsten von Personen mit Immunität Ausnahmen zu diesem Grundsatz geregelt, indem unter bestimmten Voraussetzungen der Schutz auf Drittstaaten ausgedehnt wird.

2. Nach Art. 40 Abs. 1 S. 1 WÜD genießt ein Diplomat auch in einem Drittstaat Immunität, wenn er ihn durchreist, um „sein Amt anzutreten oder um auf seinen Posten oder in seinen Heimatstaat zurückzukehren“, oder wenn er sich zu einem dieser Zwecke bereits in dem Drittstaat befindet.

3. Art. 40 Abs. 1 S. 1 WÜD schützt somit lediglich die Durchreise durch das Hoheitsgebiet des Drittstaats zu einem der benannten Zwecke. Umfasst sind die erste Anreise zur Aufnahme der dienstlichen Tätigkeit im Empfangsstaat, die Reisen während der Zeit der Beschäftigung sowie die endgültige Abreise nach Dienstbeendigung. Dies gilt jedoch nur für Reisen vom Entsende- in den Empfangsstaat und umgekehrt. Geschützt sind nur Reisen durch einen Drittstaat, deren Zweck ausschließlich der Transit mit dem Ziel ist, den Empfangs- oder Entsendestaat zu erreichen.

4. Die Ausdehnung des Schutzes nach Art. 40 Abs. 1 S. 1 WÜD umfasst nicht den privaten Urlaub in einem Drittstaat. Bei einem Aufenthalt in einem Drittstaat zu touristischen Zwecken kann die geplante Ausreise in den Empfangsstaat demnach keinen diplomatischen Schutz begründen.

5. Rundschreiben des Auswärtigen Amtes, in denen für diplomatische Beziehungen einschlägige internationale und nationale Regeln zusammengefasst sowie Anwendungshilfen bekanntgemacht werden, binden die Gerichte im Hinblick auf Rechtsfragen nicht.

6. Der Wegfall einer angefochtenen Maßnahme führt jedenfalls dann nicht zur Unstatthaftigkeit der dagegen erhobenen Beschwerde, wenn sich diese gegen einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschuldigten richtet und der Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht anderweitig mit einem ordentlichen Rechtsmittel überprüfen lassen kann. Die Beschwerde

darf in solchen Fällen weder wegen prozessualer Überholung gegen den Willen des Beschwerdeführers für erledigt erklärt noch aus diesem Grund als unzulässig verworfen werden. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlich weggefallenen Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls deren Rechtswidrigkeit festzustellen.


Entscheidung

1053. BGH 1 StR 382/17 - Beschluss vom 31. Juli 2018 (LG Nürnberg-Fürth)

Vernehmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als Zeugen (unzulässige weitere Mitwirkung des Staatsanwalts am weiteren Verfahren: unlösbarer Zusammenhang zwischen Zeugenaussage und nachfolgender Mitwirkung).

§ 22 Abs. 5 StPO analog

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht (vgl. BGHSt 21, 85, 89 f.).

2. Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang steht und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund vor (vgl. BGHSt 14, 265). Soweit sich die Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung inhaltlich von der Erörterung und Bewertung der eigenen Zeugenaussage trennen lässt, ist der Staatsanwalt dagegen von einer weiteren Sitzungsvertretung nicht ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ 1989, 583).


Entscheidung

1059. BGH 1 StR 454/18 - Beschluss vom 18. September 2018 (LG Karlsruhe)

Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes (vorheriges Tätigwerden in der Sache: Begriff der Sache: enger Sachzusammenhang, Identität auch bei mehreren prozessualen Taten möglich).

§ 22 Nr. 4 StPO; § 264 StPO

1. Unter „der Sache“ im Sinne des § 22 Nr. 4 StPO ist grundsätzlich dasjenige Verfahren zu verstehen, welches die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten Straftat zum Gegenstand hat. Es kommt also in erster Linie auf die Identität des historischen Ereignisses an, um dessen Aufklärung es zu der Zeit ging, als der Richter in nichtrichterlicher Funktion tätig war. Der Annahme einer solchen Identität steht auch das Vorliegen mehrerer selbständiger Taten im Sinne des § 264 StPO nicht entgegen. Vielmehr entscheidet in solchen Fällen regelmäßig die Einheit der Hauptverhandlung; sie kann auch solche Vorgänge, die bei natürlicher Betrachtung als verschiedene historische Ereignisse erscheinen, zu einer Einheit zusammenfassen (vgl. BGHSt 28, 262, 263 mwN).

2. Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Vorschrift des § 22 Nr. 4 StPO keineswegs nur dazu da ist, das Strafverfahren gegen eine aus früherer anderweitiger Tätigkeit abzuleitende Voreingenommenheit zu schützen. Sie ist vielmehr auch dazu bestimmt, bereits den Schein eines Verdachts der Parteilichkeit zu vermeiden (vgl. BGHSt 28, 262, 265). Daraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, § 22 Nr. 4 StPO auch anzuwenden, wenn es an der für den Normalfall vorausgesetzten Verfahrenseinheit fehlt. Der Verdacht der Parteilichkeit kann jedoch bei mehreren für eine einheitliche Behandlung in Betracht zu ziehenden Verfahren vernünftigerweise nur aufkommen, wenn zumindest ein enger und für die zu treffende Entscheidung bedeutsamer Sachzusammenhang besteht (vgl. BGHSt 9, 193, 195).


Entscheidung

1024. BGH 4 StR 184/18 - Beschluss vom 16. Oktober 2018

Zurücknahme der Bestellung eines Pflichtverteidigers (analoge Anwendung auf Beistand der Nebenklage).

§ 143 StPO

Ein Wechsel in der Person des Beistands durch Rücknahme der ursprünglichen Beiordnung und Bestellung eines neuen Beistands kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in entsprechender Anwendung des § 143 StPO in Betracht.


Entscheidung

1062. BGH 1 StR 616/17 - Beschluss vom 27. Juni 2018 (LG Essen)

Anwesenheitspflicht des Angeklagten (eigenmächtige Abwesenheit des Angeklagten durch Reise in Ausland bei vorhersehbarer Verhaftung dort); Aussetzung des Verfahrens bei Änderung der Sachlage (Voraussetzung, erforderliche Begründung einer Ablehnung); Garantenpflicht (notwendiges Bestehen der Pflicht zum Zeitpunkt der Tatbegehung).

Art. 103 Abs. 2 GG; § 231 Abs. 1, Abs. 2 StPO; § 265 Abs. 4 StPO

1. Eigenmächtig einem Fortsetzungstermin fern bleibt auch der Angeklagte, der sich schon vor dem angesetzten Termin wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, d.h. ohne Not, in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin an der Teilnahme der Hauptverhandlung gehindert zu sein.

2. Dem eigenmächtigen Ausbleiben im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO steht es deshalb gleich, dass sich ein Angeklagter nach der Vernehmung zur Sache – vorher gilt § 231a StPO – in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2002 – 1 StR 546/01, NStZ 2002, 533, 535 Rn. 14 mwN). Dem ist die Situation vergleichbar, dass ein Angeklagter während einer laufenden Hauptverhandlung in Deutschland im Ausland vorsätzlich eine Straftat von Gewicht begeht, bei deren Entdeckung er mit seiner Verhaftung rechnen muss, oder wenn ein in Deutschland vor Gericht stehender Angeklagter, der schon früher eine Straftat entsprechenden Gewichts im Ausland begangen hat, wegen der er – wie er weiß – auch mit seiner Verhaftung im Land des Tatorts rechnen muss, sich während des Laufs der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung ohne Not in jenes Land und dort in eine Situation mit hohem Verhaftungsrisiko begibt (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 285).

3. Eine Aussetzung hat nach § 265 Abs. 4 StPO zu erfolgen, wenn dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung angemessen erscheint. Bei einer veränderten Sachlage kann es sich um eine Veränderung des Sachverhalts oder der Verfahrenslage handeln. Grundsätzlich kann jede vom Angeklagten nicht verschuldete Verschlechterung seiner Verteidigungsmöglichkeit den Anlass zur Aussetzung geben. Ob die Verhandlung auszusetzen ist, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, dessen Ausübung vom Gericht darzustellen ist (vgl. BGHSt 8, 92, 96). Formelhafte Wendungen in der Ablehnung erlauben dem Revisionsgericht die Nachprüfung, ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde, hingegen nicht (vgl. BGH NStZ 1987, 34).

4. Eine strafbarkeitsbegründende Pflicht nach § 13 StGB muss im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG im Zeitpunkt der geforderten Handlung rechtlich wirksam bestanden haben. Als strafrechtlich bedeutsame Pflicht kann sie nicht rückwirkend begründet werden (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 282).


Entscheidung

1006. BGH 2 StR 454/17 - Urteil vom 5. September 2018 (LG Marburg)

Ausschluss der Öffentlichkeit (Antragsstellung außerhalb der Hauptverhandlung; Umfang); Vergewaltigung (qualifiziertes Nötigungsmittel: Anforderungen an ein „Klima ständiger Gewalt“; ausnahmsweise verringerte Anforderungen an die Sachdarstellung bei Tatserien).

§ 171b Abs. 3 Satz 1 GVG; § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.

1. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit im Sinne von § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG kann außerhalb der Hauptverhandlung gestellt werden.

2. Beschränkt sich der Ausschluss der Öffentlichkeit auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt, wie die Dauer der Vernehmung einer Beweisperson, so umfasst er alle Verfahrensvorgänge, die mit diesem in enger Verbindung stehen oder sich aus ihm entwickeln und die daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören.

3. Frühere Gewaltanwendungen können im Einzelfall als konkludente Drohung gegenüber dem Opfer einer Vergewaltigung im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. zu beurteilen sein, den körperlich wirkenden Zwang erneut anzuwenden, falls das weitere Vorgehen des Täters auf Widerstand stoßen sollte. So kann vorausgegangene Gewalt fortwirken, wenn das Opfer angesichts einer früheren Gewaltanwendung und der gegebenen Kräfteverhältnisse aus Furcht vor weiteren Gewalttätigkeiten von Gegenwehr absieht, sofern der Täter erkennt und billigt, dass das Opfer sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet. Die Ausnutzung eines vom Täter durch vorangehende Tätlichkeiten oder Drohungen geschaffenen „Klimas der Gewalt“ kann dann dazu genügen, das Tatbestandsmerkmal der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anzunehmen. Zumindest von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. erfasst werden schließlich Fälle, in denen zwar nicht konkludent mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor Einwirkungen des Täters auf Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint.

4. Die Tatbestandsmerkmale einer Vergewaltigung mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder durch Ausnutzung einer schutzlosen Lage des Opfers müssen bei Tatserien grundsätzlich für jede einzelne Tat konkret festgestellt werden. Andernfalls werden das Tatbild und der Schuldumfang unzureichend dargelegt. Geringere Anforderungen an die Sachdarstellung sind nur hinzunehmen, wenn sich der Tatrichter die Überzeugung eines vom Täter erzeugten und bewusst eingesetzten „Klimas ständiger Gewalt“ verschafft.


Entscheidung

1084. BGH 5 StR 371/18 - Beschluss vom 29. August 2018 (LG Dresden)

Tenorierung bei Verurteilung wegen qualifizierten Wohnungseinbruchsdiebstahls (gesetzliche Überschrift; Klarstellung des Unrechts; anzuwendende Vorschriften).

§ 244 Abs. 4 StGB; § 267 StPO

Der Senat sieht mit Blick auf die Vorgabe des § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO davon ab, die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 244 Abs. 4 StGB im Schuldspruch erkennbar zu machen, diesen etwa als „Privatwohnungseinbruchdiebstahl“ oder als „schweren Wohnungseinbruchdiebstahl“ zu bezeichnen. Er hält es dabei insbesondere auch aus Gründen der Klarstellung des verwirklichten Unrechts nicht für erforderlich, von der Sollvorschrift des § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO abzuweichen, da sich dieses aus der unmittelbar anschließenden, gemeinsam mit dem Urteilstenor in das Bundeszentralregister (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BZRG) einzutragenden Liste der angewendeten Vorschriften entnehmen lässt.


Entscheidung

998. BGH 2 StR 172/18 - Beschluss vom 21. August 2018 (LG Rostock)

Absolute Revisionsgründe (Entfernung des Angeklagten bei Vernehmung von Mitangeklagten und Zeugen: Ausschluss von der Verhandlung während der Vernehmung der Nebenklägerin in gesetzeswidriger Weise; mangelnde Verzichtbarkeit des Anwesenheitsrechts des Angeklagten in der Hauptverhandlung).

§ 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO

1. Der zeitweise Ausschluss des Angeklagten ist stets durch förmlichen Gerichtsbeschluss anzuordnen, der zu begründen und zu verkünden ist. Ein Beschluss wird nicht entbehrlich, weil alle Verfahrensbeteiligten mit der Anordnung einverstanden sind. Soweit der 5. Strafsenat erwogen hat, dass anderes in Fallkonstellationen gelten könnte, in denen die Voraussetzungen für eine Abwesenheitsverhandlung zweifelsfrei vorliegen und das Einverständnis des Angeklagten auf der Anerkennung dieser verfahrensrechtlich eindeutigen Situation beruht, könnte der Senat dem nicht folgen. Der Angeklagte kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzurücken kein Anlass besteht, nicht wirksam auf seine vom Gesetz vorgeschriebene Anwesenheit verzichten.

2. Ein Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO liegt vor, wenn der Beschwerdeführer entgegen § 247 StPO von der Vernehmung der Zeugin ausgeschlossen war, ohne dass dies durch einen durch den gesamten Spruchkörper gefassten und mit Gründen versehenen Beschluss angeordnet worden wäre. Ein begründeter Beschluss ist auch dann erforderlich, wenn alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten mit seiner Entfernung einverstanden sind; die notwendige Anwesenheit des Angeklagten während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten.


Entscheidung

993. BGH 2 StR 131/18 - Urteil vom 8. August 2018 (LG Aachen)

Revisionsbegründung (Darlegungsanforderungen bei der Aufklärungsrüge; Rüge eines zu Unrecht angenommenen Beweisverwertungsverbotes; zusätzliches Erfordernis der Anbringung einer zulässigen Verfahrensrüge).

§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 244 Abs. 2 StPO

1. Im Rahmen einer Verfahrensrüge sind die den geltend gemachten Verstoß enthaltenen Tatsachen grundsätzlich so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und – in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen – zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen.

2. Rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes für Beweismittel angenommen, die aufgrund einer Wohnungsdurchsuchung erlangt worden sind, ist in aller Regel zunächst der Beschluss mitzuteilen, durch den das zuständige Amtsgericht die Wohnungsdurchsuchung angeordnet. Fehlt es an einer ausreichenden Darstellung der Verdachts- und Beweislage im ermittlungsrichterlichen Beschluss oder wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme im Übrigen konkret in Zweifel gezogen, ist darüber hinaus die Verdachts- und Beweislage, die im Zeitpunkt der Anordnung gegeben war, anhand der Aktenlage zu rekonstruieren und mitzuteilen. Erst auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung umfassend beurteilen und gegebenenfalls weitergehend prüfen, ob, sollte die ermittlungsrichterliche Anordnung rechtsfehlerhaft sein, aus dem Verfahrensfehler im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt. Denn über das Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes ist regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte sowie der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.


Entscheidung

1013. BGH 2 StR 31/18 - Beschluss vom 5. September 2018 (LG Aachen)

Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis (Eröffnungsentscheidung in fehlerhafter Besetzung); Beihilfe (Voraussetzungen); Betrug (Vollendung; Gefährdungsschaden); Tateinheit und Tatmehrheit (Abgrenzung bei mehreren Beteiligten bzw. Beihilfe).

§ 76 Abs. 1 1. Halbsatz GVG; § 206a Abs. 1 StPO; § 27 Abs. 1 StGB; § 263 Abs. 1 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

1. Für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern. Schöffen können am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts beurteilen können. Auch dann, wenn eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden. Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der Eröffnungsbeschluss einer Strafkammer, der nur von zwei statt von drei Berufsrichtern unter Mitwirkung der Schöffen gefasst wurde, ist daher unwirksam. Dies führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1 StPO.

2. Als Gehilfe wird nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert.

3. Die Vollendung des Betrugs setzt einen zumindest teilweisen Eintritt des Vermögensschadens beziehungsweise eine konkrete Vermögensgefährdung voraus. Ein tatbestandsmäßiger Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts zur Folge hat. Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines solchen Schadens genügt demgegenüber nicht.

4. Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Ob bei der akzessorischen Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist danach anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Haupttaten unterstützt werden. Dagegen liegt nur eine einzige Beihilfe vor, wenn der Gehilfe mit seiner Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet. Handlungseinheit liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen.


Entscheidung

1001. BGH 2 StR 231/18 - Beschluss vom 21. August 2018 (LG Darmstadt)

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Bewertung eines Geständnisses); Grundsätze der Strafzumessung (Verbot der Doppelverwertung: Gewinnerzielungsabsicht bei Betäubungsmitteldelikten);

Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (richterliche Überzeugung von illegaler Herkunft der Gegenstände; Subsidiarität).

§ 261 StPO; § 46 Abs. 3 StGB; § 73 Abs. 1 StGB; § 73a Abs. 1 StGB

1. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis dem Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat genügt, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt.

2. Die Berücksichtigung von Gewinnerzielungsabsicht zu Lasten des Angeklagten stellt beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar. Denn eine Verurteilung wegen Betäubungsmittelhandels setzt tatbestandlich voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht.

3. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssen. Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes reicht für dessen Einziehung nicht aus. Allerdings dürfen an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Umstände, die eine Anordnung rechtfertigen, können etwa in der Anlasstat selbst oder in den persönlichen Verhältnissen des Täters, insbesondere seinen Einkommensverhältnissen, liegen. Begründen dagegen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der Anordnung der erweiterten Einziehung dieser Gegenstände entgegen. Bei auch legalen Einkommensquellen kann die Anordnung nicht auf das bloße Auffinden von Geldmitteln gestützt werden.

4. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB ist gegenüber einer Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB subsidiär. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen setzt mithin voraus, dass nicht festgestellt werden kann, dass die erlangten Gegenstände aus Taten herrühren, die Gegenstand der Verurteilung sind. Erst wenn sich das Tatgericht nach Ausschöpfung sämtlicher prozessual zulässiger Mittel von der deliktischen Herkunft der erlangten Gegenstände überzeugt hat, sich aber zugleich außerstande sieht, diese Gegenstände eindeutig den abgeurteilten oder anderen rechtswidrigen Taten zuzurechnen, ist die erweiterte Einziehung von Taterträgen anzuordnen. Von der Anordnung sind zudem Gegenstände ausgenommen, die nicht ausschließbar aus Taten stammen, die von der Anklage umfasst waren, deretwegen der Angeklagte aber freigesprochen wurde.