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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2015
16. Jahrgang
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Von Rechtsanwalt Clemens Hof, Berlin
Polizisten vor Gericht kommt in Gerichtsverfahren regelmäßig besondere Bedeutung zu:[1] Zum einen ist der Polizeizeuge nicht selten das einzige belastende Beweismittel, insbesondere, wenn der im Ermittlungsverfahren vernommene Angeklagte seine Aussage in der Hauptverhandlung verweigert oder sich anders als im Ermittlungsverfahren einlässt und dann der Vernehmungsbeamte als Zeuge gehört wird.[2] Zum anderen ist er der einzige Zeuge, der aufgrund seines Berufes regelmäßig an Strafverfahren als Zeuge teilnimmt, oft in einer Doppelstellung als aktiver Teilnehmer im Abschnitt des Ermittlungsverfahrens und als passiver Teilnehmer in der Hauptverhandlung. Die Strafjustiz verhält sich diesem Zeugen gegenüber besonders: Sie geht mit seinen Aussagen besonders unkritisch um und spricht seinen Aussagen eine besondere Qualität zu.[3] Sie hat diesbezüglich
ihm gegenüber aber offenbar auch eine besondere Erwartungshaltung[4] und verlangt von ihm daher, anders als von anderen Zeugen, dass er sich auf die Hauptverhandlung vorbereitet. Schließlich werden für den Polizeizeugen besondere Schulungen angeboten und spezielle Literatur widmet sich dem Polizeizeugen, insbesondere der Frage, wie dieser Zeuge vor Gericht auftreten soll.[5] Ist ein derart besonderer "Zeuge" überhaupt ein Zeuge im Sinne der StPO?
Die StPO definiert den Begriff des "Zeugen" nicht, was angesichts der praktischen Bedeutung dieses Beweismittels erstaunlich ist, aber in ZPO und VwGO ebenso gehandhabt wird. Sie kennt daher keine spezifischen "Berufszeugen" und gibt folglich keine direkten Anweisungen für den Umgang mit ihnen. Sie befasst sich aber in den §§ 48 – 71 StPO mit der Stellung des Zeugen im Strafprozess. Zwar handelt sich hierbei um sehr allgemeine Regelungen, dennoch lassen sie erkennen, dass der Gesetzgeber der StPO bestimmte Vorstellungen von den Eigenschaften eines Zeugen gehabt hat. Ergiebig sind für die hier relevante Problematik vor allem die §§ 58 und 69 StPO: § 58 Abs. 1 StPO ordnet an, dass die Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen sind. Den Grund dafür hat der BGH klar formuliert: "Der Zeuge soll, ohne zu wissen, was der Angeklagte angegeben hat und was andere Zeugen vor ihm bekundet haben, unbefangen aussagen. Die darin liegende höhere Gewähr für die Ermittlung der Wahrheit war dem Gesetz also wichtiger als die uneingeschränkte Durchführung des Grundsatzes der Öffentlichkeit."[6] Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeuge zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben und nach § 69 Abs. 1 Satz 2 StPO sind dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten (erst) vor seiner Vernehmung zu bezeichnen. § 69 StPO geht also davon aus, dass der Zeuge entsprechend seiner konkreten Erinnerung Angaben macht.[7] Zusammengefasst: Der Zeuge im Sinne der StPO soll vor seiner Vernehmung grundsätzlich nichts über den Gegenstand des Verfahrens wissen, auch nichts darüber, wer Beschuldigter ist oder was andere Zeugen gesagt haben. Er soll aus seiner Erinnerung vortragen, nicht aus der Erinnerung an die Aussagen anderer oder gar an den Akteninhalt. Diese aus den genannten allgemeinen Anforderungen ableitbaren Eigenschaften des Zeugen spiegeln sich auch in der mangels einer Legaldefinition von Rechtsprechung und Literatur erarbeiteten Definition des Zeugen wieder. Nach ganz einhelliger Auffassung ist der Zeuge ein persönliches Beweismittel, das in einem nicht gegen ihn gerichteten Verfahren eine persönliche Wahrnehmung über einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang bekunden soll.[8] Meinungen, Schlussfolgerungen, Werturteile und Rechtsfragen scheiden als Gegenstand des Zeugenbeweises aus,[9] wenngleich verschiedentlich sehr einfache Wertungen[10] als zulässig angesehen werden.
Die Vorgänge der Wahrnehmung, der Abspeicherung von Wahrnehmungen in der Erinnerung und deren Wiedergabe durch den Menschen sind, nicht zuletzt aufgrund forensischer Bedürfnisse, seit Jahren Gegenstand der Forschung. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten wurde die psychologische Forschung auf diesem Gebiet durch neuropsychologische Erkenntnisse erheblich unterstützt, bestätigt und ergänzt. Dadurch sind die Bestandteile der Definition des Zeugen besser subsumierbar geworden, denn die aus dieser Forschung folgenden objektiven Kriterien haben die Möglichkeit der Prüfung verbessert, ob eine bestimmte Aussage die Charakteristika einer Zeugenaussage im Sinne der Definition erfüllt. Klarzustellen ist, dass die aussagepsychologischen Erkenntnisse prinzipiell bei allen Zeugen Anwendung finden können und sollten, sie stellen keine Besonderheit allein des Polizeizeugen dar. Ob und inwieweit aber umgekehrt bei den Polizeizeugen Besonderheiten im Hinblick auf diese Erkenntnisse bestehen, soll hier erörtert werden. Der Polizeizeuge als sachverständiger Zeuge bleibt dabei außer Acht, ebenso das Problem der bewussten Beweismanipulation durch Polizeibeamte.
Als gesicherte Erkenntnis der Wahrnehmungsforschung gilt, dass die Art der Wahrnehmung wesentlich von der Motivation, Vorprägung und vorhandenen Stereotypen des Wahrnehmenden abhängt.[11] Dies kann von Vorteil sein, da geschulten Personen andere Vorgänge auffallen können als ungeschulten: Während ein Passant nur zwei sich grüßende Passanten sieht, die bei ihm kein weiteres Interesse wecken, kann der Kundige einen Drogenhandel vermuten, der seine besondere Aufmerksamkeit erregt.[12] Er schaut also genauer hin, wo andere bereits ihr Interesse verloren haben, weil sie die Bedeutung des Geschehens vor ihren Augen verkennen.
In eben dieser Vorprägung zu einem Geschehen, sei sie allgemein vorhanden oder erst durch Schulungen erworben, liegen aber zugleich besondere Gefahren für die Wahrnehmung bzw. deren Erinnerung. Denn schon die zur Fokussierung der Wahrnehmung führende Vermutung, da sei das aus Schulungen, Ermittlungsanweisungen oder früheren Beobachtungen bekannte Muster im Gange, greift auf eben diese Muster (Stereotype) zurück. Die Forschung zeigt, dass dieser Umstand bereits auf der vorbewussten Wahrnehmungsebene zu Überlagerungen zwischen tatsächlicher Wahrnehmung und bereits abgespeichertem Stereotyp führen kann. In solch einem Fall wird wahrgenommen, was aufgrund der Stereotype wahrgenommen werden soll. Die Wirkmächtigkeit der Stereotype sollte daher nicht unterschätzt werden. Sie sind imstande, die tatsächliche Wahrnehmung oder jedenfalls die Erinnerung daran derart zu überlagern, dass eine Aussage zu dem Geschehen wertlos ist, weil nur die sich eventuell gar nicht zugetragenen Stereotype aufgenommen bzw. abgespeichert wurden.[13] Das erklärt sich unter anderem durch den sog. "Bestätigungsfehler" (confirmation bias). Er führt dazu, dass Informationen, die eine von der Person zumindest in Betracht gezogene Hypothese bestätigen, von ihr eher gesucht, wahrgenommen, stärker gewichtet oder besser in Erinnerung behalten werden als Informationen, die gegen die Hypothese sprechen.[14] Weiter ist zu beachten, dass die Fokussierung auf ein bestimmtes Geschehen in der Regel zum Ausblenden des Restgeschehens führt.[15] In extremer Form ist etwa der sog. "Waffenfokus" bekannt. Wenn eine Person eine Waffe verwendet, wird die Waffe oft unter Vernachlässigung aller anderer Details (bis hin zum Aussehen der Person) fixiert.[16] Aussagen zu dem wichtigen, vielleicht entlastenden, Randgeschehen, die zudem eine genauere Überprüfung anhand eines Vergleichs mit den Aussagen anderer Zeugen erlauben würden, sind dann regelmäßig nicht möglich. Die Gefahr, dass diese (in der Regel unbewusste) Falschaussage von dem Gericht nicht als solche erkannt wird, ist in diesen Fällen besonders groß. Es bestehen noch weitere Wahrnehmungsfehler,[17] deren Darstellung den vorliegenden Rahmen sprengen würde. Die Gefahren der Vorprägung sollten aber deutlich geworden sein. Dementsprechend hält der Polizeipsychologe Füllgrabe fest: "Jeder mögliche[!]Gewinn durch den langjährigen Erwerb von Fähigkeiten bezüglich Wahrnehmung und Gedächtnis wird ausgeglichen durch das Aufbauen von Wissen, Stereotypen, Einstellungen und Werten, durch die Ereignisse wahrgenommen und gespeichert werden".[18] Im Sinne des obigen Beispiels: Wer Drogenhändler sucht, vermutet auch bei zwei Passanten, die sich an einem als Drogenumschlagplatz bekannten Ort schlicht die Hand geben, eher einen Drogenhandel oder speichert dies zumindest in seiner Erinnerung so ab – unabhängig davon, ob er wirklich einen Drogenhandel gesehen hat.[19]
Von Strafjuristen wird in der Regel zudem bei den Aussagen von Polizeibeamten eine weitere Besonderheit ausgeblendet: Die Beamten sind nicht ausschließlich als Ermittler tätig. Vielmehr macht die Gefahrenabwehr einen erheblichen Teil der polizeilichen Arbeit aus. Diese geht aber von völlig anderen Denk- und Ermittlungsansätzen aus als die strafrechtliche Aufarbeitung eines Geschehens.[20] Wo im Strafrecht Beweis zu führen wäre, darf sich der Polizeibeamte bei der Gefahrenabwehr mit Wahrscheinlichkeiten auf der Grundlage seines Erfahrungswissens begnügen. Der Polizeibeamte kann bei einem bestimmten Geschehen aber nicht einfach die Aufgabenstellung "Gefahrenabwehr" ausblenden und seinen Fokus nur noch auf seine Funktion als Strafverfolger legen. Abgesehen davon, dass dies psychologisch kaum möglich sein dürfte, sind Straftaten typischerweise zugleich auch für die Gefahrenabwehr relevant.[21] Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Ein Drogenhandel aus Sicht eines Polizeibeamten muss daher nichts mit einem Drogenhandel im Sinne des BtMG zu tun haben, denn wer eine polizeiliche Gefahr sieht, muss noch lange keine Straftat beobachten. Daher darf man sich nicht damit begnügen, wenn ein Zeuge bekundet, er habe einen "Handel" beobachtet. Gerade bei Polizeibeamten muss geklärt werden, was tatsächlich beobachtet wurde und inwieweit vorherige Weisungen bereits die Wahrnehmung beeinflussen konnten (Etwa: "Heute führen wir Überprüfungen von Drogenhändlern im Abschnitt XY durch"). Die besondere Schulung, Erfahrung oder Übung der Polizeizeugen ist also entgegen verbreiteter richterlicher Meinung[22] gerade nicht für deren Aussagequalität förderlich, sondern gefährlich. Die Gefahr, dass die Aussage im Wesentlichen (bewusste oder unbewusste) Wertungen enthält und damit keine Zeugenaussage im Sinne der Definition ist oder ein Geschehen vorgetragen wird, das tatsächlich gar nicht stattgefunden, sondern die verinnerlichten Stereotype aktiviert hat (unbewusste Falschaussage), ist bei Ihnen besonders hoch.
Gefestigte psychologische Erkenntnis ist des Weiteren, dass ein Sachverhalt umso deutlicher in Erinnerung bleibt, je stärker er mit den Emotionen des Erinnernden verknüpft und je weniger alltäglich er für diese Person ist.[23] Erinnert werden die Sonderfälle.[24] Ähnliche Wahrnehmungen haben dagegen aufgrund der Effekte der Assimilation und der Verschmelzung während des Erinnerungsprozesses eine umso geringere Chance, selbständig erinnert zu werden, je ähnlicher sie einer bereits bestehenden Erinnerung sind und je kürzer der zeitliche Abstand zwischen den entsprechenden Wahrnehmungen ist.[25] Dies wurde in der Rechtsprechung des BGH bereits anerkannt.[26] Für den einfachen Passanten, den "normalen" Zeugen, ist ein strafrechtlich relevantes Geschehen regelmäßig nicht alltäglich und in der Regel emotional mitreißend. Das kann zwar im Hinblick auf die Wahrnehmung problematisch sein, weshalb seine Aussage insbesondere in diese Richtung kritisch geprüft werden muss. Das Geschehen wird ihm dadurch aber oft besonders in Erinnerung bleiben. Anders als der gewöhnliche Passant hat es der Polizeibeamte dagegen mit ähnlichen Vorkommnissen zu tun, oft noch innerhalb der jeweiligen Schicht. Dass der Beamte etwa am Wochenende von der einen zur nächsten Schlägerei geschickt wird, ist alles andere als unüblich. Für Vernehmungen gilt nichts anderes. Polizisten vernehmen in der Regel täglich zahlreiche Personen, aufgrund der Zuständigkeiten der Kommissariate zudem oft zu sehr ähnlichen Tatvorwürfen. So berichtet etwa der Polizist Krüger: "Hierzu sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten insbesondere die Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung, Trunkenheit und fahrlässige Körperverletzung im Verkehr, aber auch Verstöße gegen das Pflichtversicherungs- und Kfz-Steuergesetz zu rechnen. Anzeigen wegen Diebstahls, Unterschlagung und Betruges weisen (z.B. bei Ladendiebstahl, Betrug und Unterschlagung im Zusammenhang mit Abzahlungsgeschäften) ähnliche Symptome auf. Diese Verfahren zeichnen sich durch ein hohes Maß an inhaltlicher Identität und monotoner Routine der Ermittlungen aus. Es kann und darf bei diesen Delikten vom Polizeibeamten nicht erwartet werden, daß er sich an einen individuellen Vorgang von sich aus erinnern kann. Ausnahmefälle bilden lediglich Vorgänge mit besonderen Auffälligkeiten bezüglich der beteiligten Personen oder des Handlungsablaufs. Sonst hat der Beamte bei diesen Massendelikten nicht die geringste Chance[!]einer konkreten Erinnerung an den einzelnen Fall".[27] Daraus folgt, dass gerade bei Polizeizeugen besonderer Anlass für erhebliche Zweifel daran besteht, inwieweit sie überhaupt noch einen Sachverhalt aus eigener Erinnerung bekunden. Dann ist aber sehr zweifelhaft, ob sie als Zeugen im Sinne der StPO aussagen.
Die Erinnerung an den konkreten Fall soll praktisch dadurch gesichert werden, dass die Polizeibeamten Vermerke fertigen. Dies erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, birgt aber tatsächlich aufgrund der Art und Weise, wie die Vermerke durch die Ermittlungsbeamten in der Praxis gehandhabt werden,[28] letztlich eher weitere Probleme für die Ermittlung des "wahren Sachverhalts" als die oben genannten Probleme zu lösen.
So werden polizeiliche Berichte in der Regel nicht direkt und unmittelbar im Anschluss an das Geschehen, sondern oft erst am Ende der jeweiligen Schicht, manchmal sogar noch später, etwa beim nächsten gemeinsamen Schichtbeginn, verfasst. Das oben genannte Problem der Vermengung von Erinnerungen durch Zeitablauf oder das Dazwischentreten ähnlicher Ereignisse wird durch eine derartige Praxis der Vermerkerstellung also nicht gelöst, die gleichförmigen Erlebnisse während der Schicht fließen vielmehr noch weiter zusammen und werden erst dann zu Papier gebracht. Daher sollte in der Hauptverhandlung geklärt werden, wann und wie der Vermerk erstellt wurde, um zumindest dessen Beweiswert einschätzen zu können.
Ein weiteres Problem hinsichtlich der Speicherung der eigenen Erinnerung in den Vermerken ist, dass diese regelmäßig nicht durch den jeweiligen Beamten aus dessen alleiniger Erinnerung, sondern im Kollegenkreis verfasst werden. Aus Sicht der Beamten ist dieses Vorgehen vorteilhaft, denn die Aktenarbeit ist unter Polizisten im Streifendienst in der Regel unbeliebt und auf diese Weise kann sich der einzelne Beamte die Mühe einer eigenen Formulierung bzw. der selbständigen Erforschung der eigenen Erinnerung ersparen. An die Stelle der eigenen Wahrnehmung tritt dann aber leider das, auf was man sich im Kollegenkreis als wahrgenommenes Ereignis geeinigt hat (sog. "Gruppenaussage" oder "Gruppenerinnerung").[29] Einerseits führt die Gruppenerinnerung zwar dazu, dass aufgrund der Besprechung mehr Einzelheiten, und zwar zutreffend, wiedergegeben werden ("Vier-
Augen-Sehen-Mehr-Als-Zwei").[30] Sie birgt aber zugleich mehrere Gefahren, die diesen Vorteil mindestens wieder aufheben.[31] Zunächst finden durch die Besprechung nämlich nicht nur mehr richtige Details, sondern ebenso die Fehler der einzelnen Gruppenmitglieder Eingang in die Gruppenerinnerung. Einige dieser Fehler können zwar durch die Besprechung behoben werden, andere bleiben aber unerkannt oder werden aus Rücksicht auf Hierarchien oder andere gruppeninterne Belange nicht korrigiert und werden so auf die ohne die Gruppenerinnerung fehlerfreie Erinnerung anderer Gruppenmitglieder übertragen.[32] Diese zutreffende Erkenntnis hat speziell im Hinblick auf Polizeizeugen bereits vor längerer Zeit Eingang in die obergerichtliche Rechtsprechung gefunden.[33] Für Gruppen ist außerdem das Prinzip der Gruppenkonformität nachgewiesen. Die Mitglieder wollen sich mit der Gruppe und/oder dem Gruppenleiter identifizieren. Die Solidarisierung ist dabei umso stärker, je ausgeprägter das Bedürfnis nach Abgrenzung zu anderen ist.[34] Sind sich die Gruppenmitglieder nicht einig, gewinnt der Gruppen- oder Meinungsführer.[35] Bei Polizeibeamten ist das Gefühl der Kollegialität durch gemeinsame Ausbildung, gemeinsame Schichten und gemeinsame Abgrenzung zum Rest der Bevölkerung stark ausgeprägt,[36] zudem bestehen stark hierarchische Strukturen. Die genannten Gefahren sind bei ihnen also besonders groß. Die Gruppenerinnerung selbst tendiert zu extremeren Urteilen. Die Informationen, die Eingang in die Gruppenerinnerung finden, werden (noch) stärker selektiert als bei der Erinnerung der Einzelperson, bei Polizeibeamten bezieht sich diese Selektion vor allem auf entlastende Momente, die dadurch in der Gruppenerinnerung unterdrückt werden[37]. Gruppenvorurteile werden bestärkt, was vor dem Hintergrund der Vorprägung der Beamten bei ihnen besonders kritisch zu sehen ist.
Die Problematik der Gruppenerinnerung für die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung wird dadurch verstärkt, dass alle Gruppenmitglieder falsche Details sicherer wiedergeben, was ihre Falschheit schwerer identifizierbar macht.[38]
Gruppenerinnerungen enthalten letztlich Schlussfolgerungen und Werturteile über ein Geschehen, die sich die Gruppe erarbeitet hat. Die Erinnerung des Einzelnen an die eigene Wahrnehmung wird also zumindest erheblich modifiziert, oft sogar durch die Gruppenerinnerung ersetzt. Auf der Gruppenerinnerung basierende Aussagen sind daher regelmäßig keine Zeugenaussagen im Sinne der StPO. Dass sich die Probleme der Gruppenerinnerung potenzieren, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Polizeizeugen oder ihre Kollegen selbst dienst- oder sogar rechtswidrig gehandelt haben könnten, liegt auf der Hand.
Die genannten Probleme gelten nicht nur für die Vermerke, die die Beamten über ihre eigenen unmittelbaren Wahrnehmungen verfassen. Sie gelten ebenso für die in der Gerichtspraxis alltäglichen, diese sogar bestimmenden, Vernehmungsniederschriften. Sie werden bei schweigenden Angeklagten etwa für ausführliche Vorhalte verwendet, aus denen
dann über den Vernehmungsbeamten als Zeugen die angebliche Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren für die Hauptverhandlung konstruiert wird.
Zu wenig wird bei diesem Vorgehen der Umstand beachtet, dass schon der Vernehmungsvermerk in aller Regel nicht die tatsächliche Vernehmung wiedergibt, sondern ein durch den Vermerkersteller zusammengestelltes Konstrukt ist. Aus dem Vernehmungsvermerk erfährt man ganz überwiegend nicht, was wann und in welchem Zusammenhang gefragt und geantwortet wurde, sondern das, was der Vernehmende aus den Äußerungen des Vernommenen entnommen und zu Papier gebracht hat. Dem Vorgang zwischen Fragen, Aufnahme und Verständnis der Antwort und dem Vorgang, wie diese Antwort zu Papier gebracht wird, liegen aber zahlreiche wertende Entscheidungen des Vernehmenden zugrunde, so etwa, was als relevant oder irrelevant betrachtet wird, oder ob der Vernommene als vernehmungsfähig, nervös oder aufgeregt[39] empfunden wird. Insbesondere die chronologisch geordnete, widerspruchsfreie und keinerlei Ungenauigkeiten enthaltende, in gutem Amtsdeutsch abgefasste Vernehmungsniederschrift täuscht ein so nicht stattgefundenes Geschehen vor.[40] Zumindest früher soll Vernehmungsbeamten außerdem gelehrt (und von diesen auch praktiziert) worden sein, dass sie bewusst Fehler in die Vernehmungsniederschrift einbauen sollten, "um dann überprüfen zu können, ob der Vernommene auch kritisch und aufmerksam das Protokoll" lese.[41]
Weiter spielt die Motivation des Vernehmungsbeamten für dessen Verständnis der Antworten des Vernommenen eine bedeutende Rolle. Sie wird von dem Rollenverständnis[42] des ermittelnden Beamten verstärkt: Er will "seinen Fall durchbringen",[43] er sieht sich als "Gegenspieler des Angeklagten, zu dessen Verurteilung er beitragen möchte".[44] Das AG Kaufbeuren hat den Erfolgszwang als Umstand, der bei der Glaubwürdigkeitsprüfung von Polizeizeugen zu berücksichtigen ist, ausdrücklich anerkannt.[45] Aufgrund dieser Motivation liegt insbesondere bei Beschuldigtenvernehmungen nahe, dass entlastende Äußerungen keinen Niederschlag in dem Vermerk finden. Eindrucksvoll ergeben sich die in einem Vermerk möglichen Verzerrungen aus einem bei Artkämper erwähnten Fallbeispiel: "Dem Angeklagten war die Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt worden. Im Rahmen der Hauptverhandlung schwieg er zur Sache, hatte allerdings auf dem Sprachniveau eines Sonderschülers Angaben zur Person gemacht. In der polizeilichen Vernehmung fand sich der verhängnisvolle Satz: ‚Nunmehr führte ich mit der … den Analverkehr aus‘. Nachdem weder das Opfer einen derartigen Analverkehr bestätigt hatte, noch der Rechtsmediziner irgendwelche Feststellungen für ein derartiges Vorgehen hatte treffen können, wurde der polizeiliche Vernehmungsbeamte vernommen. Hierdurch ließ sich dann die wirkliche Beschuldigtenvernehmung rekonstruieren, in der der Beschuldigte eingeräumt hatte, dass er seinem Opfer ‚den Arsch aufgerissen‘ und es ‚dann von hinten gefickt hatte‘. Diese Ausdrucksweise war dem Vernehmungsbeamten offensichtlich zu unfein, so dass er anstatt der wörtlichen Einlassung des Beschuldigten ‚Analverkehr‘ in das Vernehmungsprotokoll aufnahm. Tatsächlich meinte der Beschuldigte lediglich die Stellungsangabe, nach der er hinter dem Opfer kniend den Vaginalverkehr ausgeführt hatte."[46] Bedenkt man, dass sich erzwungener Analverkehr regelmäßig strafschärfend auswirkt,[47] sind solche Fehler keine Kleinigkeiten, die vernachlässigt werden könnten. Bedenkt man weiter, dass nicht bei jedem Angeklagten bereits in der Vernehmung zur Person deutlich wird, dass er die im Vermerk festgehaltenen Antworten nicht gegeben haben kann, wird offensichtlich, weshalb (auch) die Gerichte Vernehmungsvermerke mit großer Skepsis betrachten sollten.
Es bleibt leider nicht nur auf der Ebene der vermerkerstellenden Beamten bei dem Bemühen um den richtigen Ton. In besonders gravierenden oder heiklen Fällen erfolgt eine zusätzliche Verzerrung, da die Beamten dann ihre durch Gruppenerinnerung ggf. bereits manipulierten Vermerke üblicherweise noch ihrem Vorgesetzten vorlegen müssen. Dessen Tätigkeit beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf die Kontrolle von Rechtschreibfehlern, sondern er greift seinerseits nochmals, teilweise massiv, in den Inhalt der Vermerke ein: So drängt er bei Widersprüchen in den Aussagen seiner Untergebenen auf deren Beseitigung und achtet zudem darauf, dass die Behörde sich gegenüber der Staatsanwaltschaft bzw. im Strafverfahren allgemein gut präsentiert. Außerdem achtet er darauf, dass die Beamten nicht "versehentlich" Fehler ihrerseits einräumen.[48] Letzteres ist insbesondere dann relevant, wenn das Verhalten der Beamten disziplinar- oder gar strafrechtliche Bedeutung hat. Oft wird zur Rechtfertigung für derartige Manipulationen eine angebliche "Fürsorgepflicht" der Vorgesetzten angeführt. Es besteht allerdings keine Fürsorgepflicht des Dienstherren dahingehend, Beamte vor den Folgen ihrer bereits begangenen Fehler zu bewahren bzw. Urkunden, die Bedeutung für ein Ermittlungsverfahren haben, zu manipulieren. Vielmehr erinnern solche Verhaltensweisen strukturell eher an eine Urkundenfälschung.
Des Weiteren stehen dem Polizeizeugen bei Abfassung des Vermerks oft die Aussagen anderer Zeugen zur Verfügung, so dass er seinen Vermerk mit diesen abgleichen kann. Damit wird die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmung des Beamten aber zumindest verzerrt, findet schlimmstenfalls gar nicht mehr statt. Dieses Verhalten findet seine Fortsetzung in der Hauptverhandlung, wenn der Beamte mit Verweis auf eine angeblich bestehende "Vorbereitungspflicht" dazu gebracht wird, sich den Vorgang nochmals durchzulesen (dazu noch unten, 4.). Hier kann jedenfalls bereits festgehalten werden, dass "zeugenschaftliche Äußerungen" der Polizisten in einem Vermerk über die vorstehenden Probleme hinaus bedenklich sind, wenn die Beamten bei deren Erstellung Einsicht in den Vorgang hatten. Dann wird die ohnehin aufgrund der genannten Faktoren bestehende Gefahr der "Verwischung" eigener Erinnerung verstärkt.[49]
Aus dem Vorstehenden folgt: Insbesondere, wenn sich die Beweisaufnahme wesentlich auf die Vermerke stützt, unterliegt das Gericht einer gegenüber gewöhnlichen Zeugenaussagen stark erhöhten Aufklärungspflicht.[50] Es muss geklärt werden, was tatsächlich Gegenstand der konkreten Wahrnehmung des einzelnen Polizeibeamten war. Denn bei einer bloßen Wiedergabe von Wertungen oder von Wahrnehmungen bzw. Erinnerungen anderer liegt keine Zeugenaussage im Sinne der StPO vor. Ins-
besondere gleichförmige Polizeizeugenberichte müssen das Gericht aufhorchen lassen, sie sind ein Zeichen für eine verfälschte Erinnerung, nicht selten auch für eine Abstimmung der Berichte untereinander.[51] Die leider noch zu oft zu lesende Wendung, dass gerade gleichförmige Aussagen deren besonderen Wahrheitsgehalt belegen würden, ist durch die Aussageforschung widerlegt und kann heutzutage nur noch als grundfalsch bezeichnet werden. Das OLG Frankfurt hat daher zu Recht ein entsprechend begründetes Urteil aufgehoben und gefordert, "dass das Tatgericht die von den Zeugen in der Hauptverhandlung getätigten Aussagen inhaltlich wiedergibt, die Entstehung und Entwicklung der Aussagen aufklärt, die Aussagekonstanz untersucht und im Einzelnen durch die Mitteilung auch der früheren Aussagen belegt".[52] Kommt das Gericht von sich aus der Aufklärungspflicht nicht nach, sollte die Verteidigung entsprechende Beweisanträge stellen. Ähnliches gilt für Vernehmungsvermerke. Amtsdeutsch wird von Beschuldigten üblicherweise nicht gesprochen.
Auch bei dem Definitionsmerkmal der Wiedergabe bzw. Bekundung der eigenen Wahrnehmung aus der Erinnerung wirken sich die bereits dargelegten Probleme aus. Gerade in der Hauptverhandlung wird das Rollenverständnis des Polizeizeugen nochmals besonders relevant, denn hier wechselt seine Rolle (erneut, s.o., III. 1.): Er soll vom Verfolger zum Neutralen werden. Es ist den Beamten aber tatsächlich oft nicht möglich, ihre eigene Rolle im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung nun auf diese von der Justiz gewünschte Art auszublenden. Für sie ist die Hauptverhandlung gerade keine neutrale Situation, vielmehr wird sie als Prüfungssituation für die Tätigkeiten der Beamten wahrgenommen.[53] Rechtsstaatlich bedenklich sind Polizisten oft so geschult,[54] dass eine Einstellung des Verfahrens als Misserfolg empfunden wird, obwohl damit dem Recht ebenso ein Dienst erwiesen wird wie bei einer späteren Verurteilung.[55] Es besteht zudem ein Gegensatz zwischen den Anforderungen an eine "gute" Zeugenaussage im Sinne der Wiedergabe eigener, echter und möglichst unverfälschter Erinnerung gemäß der StPO bzw. der Zeugendefinition und dem Bedürfnis der Polizeizeugen, sich vor Gericht "gut" zu präsentieren. "Die Aussagepflicht stellt besondere Anforderungen an den Polizeibeamten als Zeugen, da er als Strafverfolger zuvor monatelang auf eine Überführung des Beschuldigten hingearbeitet hat. Gleichwohl wird von ihm eine objektive, neutrale und sachliche Aussage erwartet".[56] Ein unter derartigen Zwängen stehender Zeuge ist bei objektiver Betrachtung aber nicht als neutral anzusehen.
Die Rechtsprechung des BGH[57] und die ihm folgende Auffassung[58] verschärfen den Erwartungsdruck gegenüber den Polizeizeugen zusätzlich: Diese sehen sich nämlich durch die Rechtsprechung zu der vorbereitenden Lektüre ihrer Vermerke, die ihre Erinnerung an die eigene Wahrnehmung verzerrt, gezwungen. Denn nach der auf der Entscheidung BGHSt 1, 4, basierenden Auffassung soll ihnen ohne Vorbereitung ihrer Aussage ein Strafverfahren wegen einer fahrlässigen Falschaussage durch Unterlassen drohen.
Diese Auffassung hat allerdings bei näherer Betrachtung keine Grundlage im Gesetz und nicht einmal die besagte BGH-Entscheidung eignet sich zur Begründung. Denn der BGH hat dort nur vage und auch nur im Rahmen eines obiter dictum ohne jede weitere Begründung angedeutet, dass eine Verpflichtung zur Vorbereitung "unter Umständen", "möglicherweise" besteht und bei Verletzung den Zeugen "der Gefahr aussetzen" kann, straf-
rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Interessanterweise hat der BGH in dieser Entscheidung zudem selbst deutlich auf den beeinträchtigten Wert von Aussagen, die erst aufgrund einer Gedächtnisstütze zustande kamen, hingewiesen, er nimmt insoweit den Tatrichter ausdrücklich in die Pflicht. Aufgrund der zentralen Bedeutung dieser Entscheidung lohnt sich ein Blick in die Urteilsgründe, um zu verdeutlichen, auf welch dünner Grundlage diese Auffassung aufbaut.[59]
Mit dem bloßen Verweis auf diese Entscheidung lässt sich eine Vorbereitungspflicht der Polizeibeamten daher nicht begründen. Mit eben einem solchen bloßen Verweis begnügt sich aber die weit überwiegende Mehrzahl der Vertreter dieser Ansicht.[60] Bei objektiver Betrachtung verfolgt diese Auffassung allein ein (gesetzeswidriges) Ziel, nämlich die Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung zu umgehen. Da die Verlesung der Aussage des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten nicht möglich ist, muss der Vernehmungsbeamte als "Medium" herhalten. Diese Rolle kann er aus Sicht dieser Auffassung aber offenbar nur ausfüllen, wenn er durch Strafandrohung dazu gezwungen wird, nicht seine wahrheitsgemäße Erinnerung zu aktivieren (wie es die Zeugendefinition von dem Zeugen verlangt), sondern seine Erinnerung an das Geschehen durch die Erinnerung an die Lektüre von Vermerken zu ersetzen. Eine nicht nur mit Blick auf das sonst erklärte Ziel der Wahrheitserforschung merkwürdige Auffassung und ein enormer Misstrauensbeweis gegenüber Polizeibeamten, wenn diesen bewusst die Möglichkeit abgeschnitten wird, wahrheitsgemäß zu antworten, dass sie sich eben nicht mehr an etwas erinnern. Umso bedenklicher ist es, wenn der BGH diese Verpflichtung in einer jüngeren Entscheidung[61] – sogar entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts und ebenfalls in einem obiter dictum – auf den Ermittlungsrichter und über ihn auf die Fälle ausdehnen will, in denen Zeugen in der Hauptverhandlung die Aussage verweigern. Leider führt auch diese Entscheidung nichts zur Begründung dieser Auffassung aus, sondern verweist nur auf einen StPO-Kommentar, der wiederum lediglich auf BGHSt 1, 4, verweist. Immerhin lässt sich aus der Entscheidung aber entnehmen, dass der eigentliche "Grund" für diese Auffassung rein an dem Zweck orientiert ist, § 252 StPO zu umgehen. Man kann die ergänzende Bemerkung des BGHs am Ende der Entscheidung so zusammenfassen: Gibt es eine Vernehmungsniederschrift, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht (mehr) verwertet werden kann, ist dafür zu sorgen, dass ihre Einführung in die Hauptverhandlung über einen Zeugen gewährleistet ist, der die Niederschrift verinnerlicht hat. Dies sei ja gerade der Zweck der richterlichen Vernehmung zeugnisverweigerungsberechtigter Zeugen. Vom Zweck der gesetzlich vorgesehenen Zeugnisverweigerung kein Wort, obwohl dies bei dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sehr nahe gelegen hätte.
Die besseren Gründe sprechen gegen die Ansicht des BGH: Zunächst ist weder aus der StPO noch aus dem StGB die behauptete Vorbereitungspflicht herzuleiten.[62] Für gewöhnliche Zeugen ist dies ganz einhellige Meinung. Beide Gesetze unterscheiden aber nicht zwischen den Anforderungen an Zeugen, die dienstlich mit dem Gegenstand der Vernehmung befasst waren, und an solche, bei denen dies nicht der Fall ist.[63]
Nach § 48 Abs. 1 StPO ist der Zeuge nur verpflichtet, überhaupt auszusagen. Dass ihm die wahrheitsgemäße Bekundung, er habe keine Erinnerung mehr an ein Geschehen, untersagt sein sollte, ergibt sich daraus nicht. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO spricht gerade gegen die Einführung von Polizeivermerken in die Hauptverhandlung, denn diese Norm zeigt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik des die Aussage verweigernden Angeklagten gerade keine Verlesung von Vernehmungsniederschriften aus dem Ermittlungsverfahren wollte.[64] Dann ist es aber fernliegend, wenn die mit Hilfe einer angenommenen Vorbereitungspflicht lediglich formal in eine Zeugenaussage gehüllte Einführung dieser Vermerke zulässig sein soll. Lediglich formal, denn eine Zeugenaussage im Sinne der StPO liegt bei auswendig gelernten Vermerken gerade nicht vor, da in diesem Fall gerade keine persönliche Wahrnehmung des Geschehens mehr wiedergegeben wird. Dies ist vielmehr eine Umgehung der StPO, die eben keine bloße Nachvollziehung der polizeilichen Wertungen will, sondern eine eigene Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht in der Hauptverhandlung. § 57 Satz 1 StPO stellt außerdem die Bedeutung der wahrheitsgemäßen Aussage in den Vordergrund. Dies spricht dagegen, dass der Zeuge verpflichtet
sein soll, seine Bekundung über seine fehlende Erinnerung an das tatsächliche Geschehen zu verschweigen und diese unter Verstoß gegen die Wahrheit heimlich durch die Erinnerung an den Vermerk zu ersetzen. Ansonsten verweist diese Norm nur auf die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage, stellt also selbst keine weiteren Anforderungen auf.
Die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage sind im neunten Abschnitt des StGB geregelt. Dieser Abschnitt gilt wiederum für alle Zeugen, nicht nur für Polizeibeamte, und enthält keine Sonderregeln für Beamte. Weshalb daher aus dem StGB folgen soll, dass nur ein Ermittlungsbeamter seine alten Vermerke lesen müsste, um die Erinnerung an diese anstelle der Erinnerung an seine Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung wiederzugeben ("Zeuge vom Aktenlesen"[65]), während alle anderen Zeugen ausdrücklich keine Vorbereitungspflicht treffen soll, ist nicht nachvollziehbar.[66] Wie jeder Zeuge muss außerdem auch der Polizeizeuge wahrheitsgemäß ohne Strafbarkeitsrisiko bekunden können, dass er etwas nicht mehr (genau) erinnere. Bei näherer Prüfung ist die in BGHSt 1, 4, 8, angedeutete Ansicht, es bestünde ohne Vorbereitung das Risiko der Strafbarkeit wegen eines fahrlässigen Falscheides,[67] vor dem Hintergrund des geltenden Verständnisses dieser Norm nicht haltbar. Denn die Rechtspflicht des Zeugen, sein Wissen und seine Erinnerung zu aktivieren, besteht nach ganz herrschender Meinung erst ab Beginn der Aussage selbst. Das Unterlassen von Handlungen vor Beginn der Aussage, kann daher nicht zu einer Strafbarkeit führen. Weshalb nur für den Amtszeugen etwas anderes gelten soll, ist unverständlich und wird in der Regel auch nicht näher begründet. Dementsprechend kann auch aus § 161 StGB keine Vorbereitungspflicht abgeleitet werden.[68]
Eine Auffassung, die dem "amtlichen" Zeugen die Möglichkeit nimmt, sich wahrheitsgemäß über seine fehlende Erinnerung zu äußern, ist zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Hier wird wesentlich Gleiches ungleich behandelt, ein sachlicher Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht das Bemühen, das wahre Geschehen zu ermitteln, als Rechtfertigung angeführt werden. Denn die wahre Erinnerung wird ja gerade durch die an den Vermerk verdrängt. Des Weiteren verstößt es gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn rechtliche Regelungen so ausgestaltet sind, dass sie den Vernommenen nicht zur Wahrheit, sondern zur Vorbereitung einer Lüge, nämlich dem Vortäuschen einer tatsächlich nicht mehr vorhandenen Erinnerung, zwingen.
Zu welchen Absurditäten der von dieser Auffassung verordnete Zwang zur Unwahrheit bei fehlender Erinnerung in Verbindung mit der von den Beamten empfundenen Erwartungshaltung der Justiz hinsichtlich ihrer Aussagen führt, zeigt ein Urteil des OLG Köln aus den 1960er Jahren.[69] Dort führte die fehlende Vorbereitung des Polizeibeamten dazu, dass er in der Hauptverhandlung belastendere Bekundungen machte als sie sich aus der von einem Kollegen gefertigten Anzeige bzw. der Ermittlungsakte ergaben. Das Problem war also, dass sich der Polizeivermerk und der Polizeizeuge offensichtlich widersprachen – eine Sachlage, die vor dem Hintergrund des Themas dieses Aufsatzes natürlich besonders interessant ist. Von der Möglichkeit, auf seine mangelnde Erinnerung an den Fall hinzuweisen, machte der Polizeizeuge trotz Vereidigung keinen Gebrauch. Von den Vorinstanzen wurde er wegen fahrlässigen Falscheides ausdrücklich deswegen verurteilt, weil er die Möglichkeit gehabt hätte, sein falsches Erinnerungsbild im Wege der Vorbereitung durch ein zutreffendes zu ersetzen. Das OLG sprach ihn frei. In der Begründung schloss es sich aber zunächst der Auffassung an, dass ein fahrlässiger Falscheid aufgrund mangelnder Vorbereitung möglich sei.[70] Andererseits erkannte es ausdrücklich an, dass ein Polizeibeamter nach längerer Zeit die Erinnerung an einen der vielen auf der Autobahn miterlebten Verkehrsvorgänge verlieren könne und sich daher nicht darauf verlassen dürfe, dass er diesen noch zutreffend bekunden könne, auch wenn er sich seines Erinnerungsbildes auch noch so sicher sei.[71]
Das OLG Köln kommt allerdings nicht zu der an sich naheliegenden Lösung, dass der Polizeibeamte dann eben (wahrheitsgemäß) bekunden müsse, dass er sich nicht mehr richtig erinnere. Vielmehr gibt es eine "Segelanweisung" für Polizeizeugen: "Ein erfahrener und gereifterer Polizeibeamter[… hätte]wohl von sich aus den vernehmenden Richter gebeten, ihm vor der Protokollierung der Aussage oder wenigstens vor der Eidesleistung den Inhalt der Übertretungsanzeige und der Gegenäußerungen des Beschuldigten vorzuhalten." Auch den Grund dafür legt das OLG dar, der zusammengefasst lautet: Dann wäre ihm aufgefallen, dass er sich gerade auf eine Falschaussage zubewegt.[72] Noch besser wäre es aus Sicht des OLG aber, wenn solche Widersprüche unter Kollegen gar nicht auftreten und es legt auch nahe, was hierfür der richtige Weg ist: "Ein lebens- und dienstälterer, erfahrener und gereifter Polizeibeamter" hätte um diese Probleme gewusst, sich vorbereitet und seine Erinnerung an das Geschehen durch die Erinnerung an den Vermerk ersetzt, damit er die "richtige" Erinnerung wiedergibt.[73] Dieser Schluss ist als Fehlschluss in Form der "quaternio terminorum" bereits logisch falsch und daher abzulehnen.[74] Besonders schön zeigen diese Ausführungen des OLG Köln, dass ein derart präparierter Zeuge eben gerade keine eigenen Wahrnehmungen bekundet, sondern bestenfalls die seines Kollegen. Damit setzen sich allerdings weder das OLG Köln noch die anderen Vertreter dieser Auffassung auseinander.
Mit Blick auf die Anforderungen der Zeugendefinition ist eine Vorbereitungspflicht abzulehnen, denn die auf ihr beruhende Aussage stellt regelmäßig keine Zeugenaussage im Rechtssinne mehr dar.
Eine letzte Besonderheit bei den Aussagen von Polizeibeamten im Vergleich zu denen anderer Zeugen soll abschließend nicht unerwähnt bleiben. Polizisten ist es nämlich schon lange nicht mehr genug, wie jeder andere Zeuge einfach zur Hauptverhandlung zu erscheinen und dort auszusagen. Vielmehr haben die Beamten offenbar das Bedürfnis, sich als zuverlässige Zeugen zu präsentieren und auf alle Gegebenheiten, wie etwa die Befragung durch den Verteidiger (die Befragung durch den Vorsitzenden scheint insoweit weniger Sorgen zu bereiten), vorbereitet zu sein. Insbesondere seit Mitte der 1980er Jahre[75] werden Polizisten daher hinsichtlich ihres Verhaltens in der Hauptverhandlung mittels extra hierfür eingerichteter "Zeugencoachings" geschult. Von der Einführung dieser Coachings versprach man sich ausdrücklich "eine Verbesserung der Aussagetüchtigkeit und -leistung im Interesse einer sachbezogenen und glaubwürdigen Aussage des Polizeibeamten".[76] Der Polizeizeuge verhält sich dann aber so, wie er es in der Schulung gelernt hat und damit gerade nicht wie ein Zeuge im Sinne der StPO. Daher können auch Schulungen zum Problem für die Aussage werden. Dabei soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass Schulungen, je nach Aufbau, durchaus sinnvoll sein können. Wie bereits festgehalten wurde, dürfte es für die Ermittlungsbeamten ja tatsächlich sehr schwer sein, sich von ihrer Rolle als Verfolger zu lösen. Schulungen die etwa die hier dargelegten Probleme bewusst machen und die Beamten zu einer wahrheitsgemäßen Aussage anhalten, ohne auf Vermerke zurückzugreifen, begegnen daher keinen Bedenken.
Wendet man die oben dargelegten Erkenntnisse auf die Zeugendefinition an, ist festzuhalten: Bei Polizeizeugen bestehen Bedenken schon hinsichtlich der Wahrnehmung, diese setzen sich fort bei der Abspeicherung von Wahrnehmungen in der Erinnerung und der Kundgabe dieser Umstände in der Hauptverhandlung aus eigener Erinnerung, insbesondere, wenn der Zeuge sich durch Aktenlektüre vorbereitet hat oder diesem die Akte vorgehalten wird. Damit kann jedes einzelne Definitionsmerkmal von Polizeizeugen im Einzelfall nicht erfüllt sein. Sagen Polizeibeamte vor Gericht aus, stellt dies daher an das Gericht entgegen noch verbreiteter Auffassung nicht geringere, sondern höhere Anforderungen bei der Beweisaufnahme und -würdigung als bei anderen Zeugen, wenn deren Aussagen Grundlage des Urteils werden sollen. Bei Vermerken und Aussagen muss deren Entstehung geklärt werden. Notfalls muss die Verteidigung hierzu Beweisanträge stellen. Bestehen nach einer entsprechenden Prüfung Anhaltspunkte dafür, dass der Beamte entweder keine eigenen Wahrnehmungen oder keine eigene Erinnerung, sondern nur Werturteile über ein bestimmtes Geschehen oder nur die Erinnerung an einen Vermerk bekunden kann, stellt seine Aussage keine Zeugenaussage im Sinne der StPO dar und ist daher als Mittel des Strengbeweises nicht zulässig. Jedenfalls sind die Besonderheiten des Polizeizeugen aber bei der Aussagewürdigung zu berücksichtigen. In vielen Fällen dürfte den Aussagen der Polizeizeugen nur ein geringer Beweiswert zuzusprechen sein. Für die ihnen von Gerichten zugesprochenen besonderen Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeiten gibt es keine kognitionswissenschaftliche Bestätigung. Entsprechende gerichtliche Feststellungen sollten daher unterbleiben oder mit Rechtsmitteln angegriffen werden.
[1] Habort Kriminalistik 1996, 805, 805: "Außerordentliche Bedeutung", "prozeßentscheidende Aussage".
[2] So auch Artkämper, Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht, 2. Aufl. (2011), S. 50: "Besondere Verantwortung".
[3] Artkämper , Polizeibeamte (Fn. 2), S. 38, spricht von einem "Vertrauensvorschuss" der Gerichte gegenüber Polizeibeamten; Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. (2014), Rn. 1412, bezeichnen etwa den Polizeizeugen "in mancher Hinsicht" als "überdurchschnittlich zuverlässigen Zeugen" (weisen allerdings auch auf die Probleme bei Polizeizeugen hin); vgl. dazu Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl. (2015), Rn. 1455; Clemm/von Klinggräff RAV Infobrief #104 8, 9, http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Infobriefe/RAV_Infobrief___104.pdf (abgerufen am 26.05.2015); Weyers in RAV Infobrief #110, 28 ff., http://www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/Infobriefe/RAV-Infobrief_110.pdf (abgerufen am 26.05.2015).
[4] So Krüger Kriminalistik 1978, 289, 289.
[5] Etwa: Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2).
[6] BGHSt 3, 386, 388.
[7] Krehl NStZ 1991, 416.
[8] RGSt 52, 289; BGHSt 22, 347, 348; KK-Senge, 7. Aufl. (2013), Vor § 48 StPO, Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 58. Aufl. (2015), Vor § 48 StPO, Rn. 2 ff.; Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1000.
[9] RGSt 57, 412, 413; KK-Senge, (Fn. 8), Vor § 48 StPO, Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt (Fn. 8), Vor § 48 StPO, Rn. 2 ff.
[10] Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1003, KK-Senge, (Fn. 8), Vor § 48 StPO, Rn. 1 m.w.N. aus der Rechtsprechung des RG.
[11] Vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 97 ff.: "Motivation beeinflusst Wahrnehmung" m.w.N.
[12] Zutreffendes Beispiel von Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 1413 .
[13] Vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 82 ff.; speziell zu den Polizeizeugen ebd., Rn. 1415 ff.
[14] Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, Diss., Zürich (2005), Rn. 547 ff. m.w.N. (Volltext kostenlos unter: http://opac.nebis.ch/F/IQXHPBUUJFMRUC4HMUKYI15SL3BLGDFU585UJD8HMRHA51SNET-02123?func=service&doc_library=EBI01&doc_number=005075899&line_number=0001&func_code=WEB-FULL&service_type=MEDIA , zuletzt abgerufen am 25.05.2015); Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 87 ff. m.w.N.
[15] Jansen , Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. (2012), Rn. 464.
[16] Steller/Volbert, Psychologie im Strafverfahren, S. 12; zit. nach Jansen, Zeuge (Fn. 15), Rn. 464.
[17] Vgl. nur Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 40 ff. m.w.N.; Schweizer, Kognitive Täuschungen (Fn. 14).
[18] Füllgrabe, Irrtum und Lüge (1995), S. 34.
[19] Zutreffendes Beispiel von Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 1415.
[20] So auch Krüger Kriminalistik 1978, 289: "Richter und Staatsanwälte haben ein dominant von der straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ermittlungstätigkeit bestimmtes Bild der Polizei."
[21] Dazu Krüger Kriminalistik 1978, 289 f.
[22] Etwa Bender/Nack/Treuer, Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 1413: "Bonus: Erfahrung, Aufmerksamkeit, Interesse".
[23] Bender/Nack/Treuer , Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 145: "Die konservierende Macht der Gefühle"; vgl. auch Jansen, Zeuge (Fn. 15), Rn. 498 m.w.N.; Bender StV 1984, 127.
[24] Bender/Nack/Treuer , Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 156; vgl. Jansen, Zeuge (Fn. 15), Rn. 497 m.w.N.
[25] Bender/Nack/Treuer , Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 8, 155; vgl. auch Jansen, Zeuge (Fn. 15), Rn. 499 m.w.N.
[26] Etwa BGHSt 42, 107, 110: Erinnerung könnte "verwischt" sein; ebenso BGH StV 1998, 472.
[27] Krüger Kriminalistik 1978, 289, 290; ebenso OLG Köln NJW 1966 1420, 1421; Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S. 11, 45 Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 158, erkennen jedenfalls bei Berichten von "Polizeibeamten über ihre Wahrnehmungen bei alltäglichen Verkehrsverstößen" einen "Mangel wirklicher Erinnerung" an.
[28] Die im Folgenden geschilderten Vorgehensweisen wurden dem Verfasser von aktiven Ermittlungsbeamten berichtet bzw. bestätigt.
[29] Zum Zustandekommen einer derartigen Aussage: Luczak, RAV Infobrief #110 (Fn. 3), 26, 27; zu dem dort geschilderten Verfahren vor dem AG Tiergarten Eisenberg JA 2014, 928; zur Gruppenerinnerung vgl. auch Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 1430 ff.
[30] Clark/Stephenson , Getting Heads Together: Police collaborative testimony, in: Heaton-Armstrong/Shepherd/Wolchover: Analysing witness testimony: Psychological, Investigative and Evidential Perspectives - A guide for legal practitioners and other professionals (1999), S. 216.
[31] So auch Clark/Stephenson, Getting Heads Together (Fn. 30), S. 217 f.
[32] Hope/Gabbert/Fraser , Postincident Conferring by Law Enforcement Officers: Determining the Impact of Team Discussions on Statement Content, Accuracy, and Officer Beliefs (2012), S. 8 http://www.researchgate.net/publication/233938360_Postincident_Conferring_by_Law_Enforcement_Officers_Determining_the_Impact_of_Team_Discussions_on_Statement_Content_Accuracy_and_Officer_Beliefs (abgerufen am 27.05.2015); Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 1432, stellen diese Studie als "Entwarnung" für die Gruppenerinnerung bei Polizeibeamten dar. Dies sehen Hope/Gabbert/Fraser selbst anders: Sie sehen die Gefahren bei geringen bis keinen Vorteilen aus der Gruppenerinnerung, ebd.
[33] OLG Köln VRS 81 (1991), 201 (abgerufen am 30.05.2015).
[34] Vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 112.
[35] Vgl. zu allem Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), Rn. 101 ff.
[36] Zutreffend Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung, 3. Aufl. (2007), Rn. 1296 f.; In der 4. Aufl. (Fn. 3) finden sich diese Ausführungen zur Polizei nicht mehr, wohl aber wird der Effekt für andere Gruppen beschrieben, Rn. 109 ff.
[37] Vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung, (Fn. 3), Rn. 1431.
[38] Clark/Stephenson , Getting Heads Together (Fn. 30) S. 216; Hope/Gabbert/Fraser, Postincident Conferring (Fn. 32). S. 8.
[39] Beispiel für nicht in den Vermerk gehörende ausschließliche Wertungen von Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S.102.
[40] So zutreffend Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S.100.
[41] Artkämper , Polizeibeamte (Fn. 2), S.102.
[42] Eisenberg JA 2014, 928, 932 spricht von "verinnerlichten institutionalisierten Handlungsnormen".
[43] Ebenso Eisenberg JA 2014, 928, 932; Jansen, Zeuge (Fn. 15), 91 f.
[44] Habort Kriminalistik 1996, 805, 806.
[45] AG Kaufbeuren StV 1987, 57 f.
[46] Artkämper , Polizeibeamte (Fn. 2), S.101.
[47] vgl. Leitsatz BGH, Beschl, v. 5. Januar 1999 - 3 StR 608/98.
[48] Ähnlich Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1455 ("Polizeiinterne Übung der sog. ‚Qualitätskontrolle‘" in Vorbereitung polizeilicher Aussagen); ders. JA 2014, 928, 932 m.w.N.
[49] So auch Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S. 73.
[50] Ebenso Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1455a, der zwar nicht die Aufklärungspflicht direkt anspricht, aber eine "erhöhte Pflicht der Strafjustiz ebenso wie des Vert[eidigers](in Ausübung des Fragerechts), Zweifeln hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der Aussage nachzugehen", annimmt.
[51] Vgl. Weyers, RAV Infobrief #110 (Fn. 3), 28, 29, dort auch zu "Erkennungsmerkmalen" derartiger Berichte.
[52] OLG Frankfurt, Beschl. v. 6. November 2009 - 1 Ss 390/08, Rn. 31 (juris) = StV 2011, 12.
[53] Mai/Köpcke Kriminalistik 1995, 263, 265.
[54] Vgl. Eisenberg JA 2014, 928, 932 m.w.N.
[55] Dazu passend berichtet Habort Kriminalistik 1996, 805, 806 von einer Meinungsumfrage unter Polizeibeamten, nach der 39 % der Befragten zustimmten, dass Rechtsanwälte nichts zur Verwirklichung des Rechts beitragen, sondern ihre Aufgabe im Schutz des Rechtsbrechers sehen". Weitere 38,6 % stimmten dieser Aussage offenbar in Teilbereichen zu. Ähnliche Aussagen berichten Mai/Köpcke Kriminalistik 1995, 263, 264.
[56] So zutreffend Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S. 40, der an die Polizeibeamten appelliert, keine persönliche Beziehung zum Ergebnis des Strafverfahrens aufzubauen.
[57] BGHSt, 1, 4 , 8.
[58] Bloßer Verweis auf BGHSt 1, 4, 8 (in der Regel als BGHSt 1, 4, 5 oder BGHSt 1, 5 bezeichnet, was ein Indiz dafür ist, dass die Entscheidung offenbar nicht im Original gelesen wurde) jedenfalls aber keine eigene Begründung bei: Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO (Fn. 8), § 69, Rn. 8; auf diesen verweist schlicht HK-StPO-Gercke, 5. Aufl., 2012, § 69, Rn. 4; MüKo-StPO-Maier, 1. Aufl. (2014), § 69, Rn. 15, der verkennt, dass StPO und StGB nicht "eine sinnvolle Aussage", sondern eine wahrheitsgemäße Aussage fordern; SK-StPO-Rogall, 4. Aufl. (2014), Vor § 48, Rn. 142 (m.w.N.); Radtke-Hohmann-Otte, StPO, 1. Aufl. (2011), § 69, Rn. 7; Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S. 46.; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. (2014), § 161, Rn. 2; SK-StGB-Rudolphi, 8. Aufl. (2012), § 163, Rn. 5; Eher ablehnend: Löwe/Rosenberg-Ignor/Bertheau, StPO, 26. Aufl. (2008), § 69, Rn. 9, die die Auffassung des BGH zwar erwähnen, aber selbst zum "amtlichen Zeugen" nicht Stellung nehmen - sie lehnen aber in demselben Kommentar unter Vor § 48, Rn. 17 eine "Pflicht zu irgendeiner außergerichtlichen Tätigkeit, z.B. zum (vorbereitenden Aktenstudium) von Akten und Unterlagen" generell ab ; KK-StPO-Senge (Fn. 8), § 69, Rn. 3 verweist zwar ebenfalls auf BGHSt 1, 4, 5 führt insoweit aber nur aus, dass dem Zeugen die Benutzung schriftlicher Unterlagen "zur Stütze seines Gedächtnisses" nicht verwehrt sei. Eine Gedächtnisstütze dürfte bei einer Ersetzung der Erinnerung durch den Inhalt des Vermerkes nicht mehr vorliegen. Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1200, äußert Bedenken gegen eine Vorbereitungspflicht; ebenso Matt/Renzikowski-Norouzi, StGB (2013), § 161, Rn. 9 ("bedenklich im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme"). Ausdrücklich auch für Polizeizeugen ablehnend: AnwK-StPO-v. Schlieffen, 2. Aufl. (2010), Vorbemerkung zu § 48, Rn. 17; Heghmanns/Scheffler-Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, 1. Aufl. (2008), VII, Rn. 431; Nöldeke NJW 1979, 1644; Krehl NStZ 1991, 416.
[59] Der BGH führt in BGHSt 1, 4, 8 aus: "Ein vom Gericht vernommener Zeuge hat nicht nur das Recht, sondern unter Umständen sogar die Pflicht, sich frühere Aufzeichnungen als Gedächtnisstützen zu bedienen, um sein Erinnerungsbild aufzufrischen und gegebenenfalls zu berichtigen. Die Verletzung dieser Pflicht kann ihn sogar der Gefahr aussetzen, wegen fahrlässigen Falscheides gemäß § 163 StGB, zur Verantwortung gezogen zu werden. Befinden sich solche zur Auffrischung des Erinnerungsbildes geeigneten Unterlagen in der Hand des Gerichts, so gebietet möglicherweise die ihm obliegende Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts, sie dem Zeugen zugänglich zu machen. Jedenfalls ist aber der Vorsitzende mindestens als berechtigt anzusehen, dass er dem Zeugen die Verwertung solcher Unterlagen ermöglicht.[…]Ob der Wert einer auf solche Weise zustandegekommenen Zeugenaussage dadurch beeinträchtigt wird, dass der Zeuge einer solchen Gedächtnishilfe bedurfte, hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden."
[60] Siehe Fn. 58.
[61] BGH, Urt. v. 21. März 2012 – 1 StR 43/12 = BGH HRRS 2012 Nr. 413 – bemerkenswerterweise eine der letzten Entscheidungen des 1. Senats, an der der am 30.04.2013 in den Ruhestand eingetretene Vorsitzende Nack mitgewirkt hat, der in Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung (Fn. 3), völlig andere Ansichten zur Problematik des Verwischens der Erinnerung vertritt als in seiner Rolle als Richter. Ebenfalls ablehnend zu dieser Entscheidung Burhoff, http://blog.burhoff.de/2012/04/wehret-den-anfaengen-eingriff-in-das-beweisverwertungsverbot-des-252-stpo/ (abgerufen am 26.05.2015).
[62] Anders die ZPO in § 378 Abs. 1 S. 1 – der Gesetzgeber hat dies offenbar bewusst nicht auf die StPO übertragen; wie hier auch Nöldeke NJW 1979, 1644; Krehl NStZ 1991, 416; AnwK-StPO-v. Schlieffen, (Fn. 58), Vorbemerkung zu § 48, Rn. 17; Eisenberg, Beweisrecht (Fn. 3), Rn. 1200.
[63] Zutreffend Krehl NStZ 1991, 416.
[64] So auch Heghmanns/Scheffler-Scheffler, Handbuch (Fn. 55), VII, Rn. 431.
[65] So Heghmanns/Scheffler-Scheffler, Handbuch (Fn. 55), VII, Rn. 431.
[66] Im Ergebnis ebenso: Nöldeke NJW 1979, 1644; Krehl NStZ 1991, 416, 417; widersprüchlich Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2): Auf S. 46 nimmt er mit Verweis auf BGHSt 1, 4 eine Vorbereitungspflicht an, weist aber ebenfalls darauf hin, dass der Beamte die Vernehmung nicht "quasi auswendig" lernen soll, da dies den Beamten "unglaubwürdig" mache und – zutreffend – die "Brauchbarkeit seiner Aussage" schmälere, um dann im direkt darauf folgenden Abschnitt 4.2.3 auf derselben Seite sogar zu fordern, dass die Beamten eine Vernehmungsniederschrift zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung zurückbehalten sollen (wenn auch unter dem Hinweis (S. 47), dass der Zeuge dann die "Trennung zwischen tatsächlicher Erinnerung und bloßer Wiedergabe des zuvor Gelesenen" deutlich machen soll). Auf S. 73 erkennt er selbst wiederum die Gefahr des "Verwischens" der Erinnerung an das Geschehen und an den Vermerk, um auf S. 117 in einer "Checkliste" zu fordern: "Konkrete Vorbereitung als ‚Muss‘" und "Versuch, ein konkretes Erinnerungsbild aufleben zu lassen; Hilfestellung leisten die Lektüre der Akten[sic!], Gespräche mit den Kollegen[!]und ggf. auch eine Ortsbesichtigung" – allesamt zur Verzerrung der Erinnerung geeignet.
[67] In diese Richtung auch OLG Köln NJW 1966, 1420, 1421, das es aber auch nur nicht für "ohne weiteres rechtsfehlerhaft" hält, "erfahrenen und gereiften Polizeibeamten" eine "gesteigerte Vergewisserungspflicht" aufzuerlegen; Krehl bemerkt aber zu dieser Entscheidung in NStZ 1991, 416 zu Recht, dass sie für eine Herleitung der Vorbereitungspflicht von Amtspersonen wenig geeignet sei.
[68] Wie hier: NK-Vormbaum, 4. Aufl. (2013), § 161 StGB, Rn. 28.; ebenso LK-Ruß, 12. Aufl. (2009), § 161, Rn. 6 m. w. N. zur Rechtsprechung – dort wird allerdings in Rn. 7 im Widerspruch dazu dennoch eine Vorbereitungspflicht für Zeugen in amtlicher Eigenschaft behauptet. Derselbe Widerspruch findet sich auch bei: SK-StGB-Rudolphi, 8. Aufl. (2012), §163, Rn. 5; bei SSW-StGB-Sinn, 2. Aufl. (2014) § 161, Rn. 6 f.; bei MüKo-StGB-Müller, 2. Aufl. (2012), § 161, Rn. 14 f.; bei AnwK-StGB-Mückenberger, § 161 StGB, 2. Aufl. (2015), Rn. 4 f.
[69] OLG Köln NJW 1966, 1420 f.
[70] OLG Köln NJW 1966, 1420.
[71] OLG Köln NJW 1966, 1420, 1421. Ebenso Artkämper, Polizeibeamte (Fn. 2), S. 11 "Hinzu kommt, dass es bei der Vernehmung eines Polizeibeamten oftmals um die Schilderung von Vorgängen geht, die er alltäglich in seinem Berufsleben wahrnimmt und die länger zurückliegen, sodass aus der verblassten Erinnerung auf entsprechende Nachfragen Widersprüche entstehen können, die zu Zweifeln an der Objektivität des Aussagenden führen können" - auch er will dies aber auf S. 45 ff. dadurch lösen, dass die eigene Erinnerung durch die Erinnerung an den – problematischen – Vermerk ersetzt wird.
[72] Vgl. OLG Köln NJW 1966 1420, 1421.
[73] Vgl. OLG Köln NJW 1966 1420, 1421.
[74] Die quaternio terminorum besteht darin, dass das OLG Köln die Erinnerung an das Geschehen gegen die Erinnerung an den Vermerk in der gleichen Subsumtion verwendet.
[75] Vgl. Mai/Köpcke Kriminalistik 1995, 263, 263.
[76] Mai/Köpcke Kriminalistik 1995, 263, 263; dort auch Einwände der Strafverteidiger zu diesen Trainings.