HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2013
14. Jahrgang
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Strafrechtliche/strafverfahrensrechtliche
Entscheidungen des BVerfG/EGMR/EuGH


Entscheidung

222. BVerfG 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10; 2 BvR 2155/10 (Zweiter Senat) – Urteil vom 19. März 2013 (BGH / LG Berlin / LG München II)

Absprachen im Strafverfahren (Verständigung; Verständigungsgesetz; „Deal“); Grundsätze für das Strafverfahren (Rechtsstaatsprinzip; Schuldgrundsatz; materielle Wahrheit; funktionstüchtige Strafrechtspflege; Beschleunigungsgrundsatz; faires Verfahren; Aussagefreiheit; Selbstbelastungsfreiheit; Unschuldsvermutung; richterliche Unabhängigkeit; Neutralität; gesetzlicher Richter; effektive Verteidigung); Verfassungsmäßigkeit des Verständigungsgesetzes (verfassungswidrige Praxis; gesetzliche Schutzmechanismen; Amtsaufklärungspflicht; richterliche Überzeugungsbildung; Formalgeständnis; Strafrahmenverschiebung; abschließende Regelung; Verbot informeller Verfahrensweisen; Offenlegungspflicht; Dokumentationspflicht; Mitteilungspflicht; Belehrungspflicht; Kontrollfunktion der Staatsanwaltschaft; Rechtsmittelkontrolle; Wegfall der Bindungswirkung; Aussagefreiheit; Selbstbelastungsfreiheit); Verständigungspraxis (Vollzugsdefizit; kein strukturelles Regelungsdefizit; Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers); Sanktionsschere.

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 97 GG; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 35a StPO; § 160b StPO; § 202a StPO; § 212 StPO; § 243 Abs. 4 StPO; § 257b StPO, § 257c StPO; § 273 StPO; § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO

1. Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. (BVerfGE)

 

2. Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren. (BVerfGE)

 

3. Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. (BVerfGE)

 

4. Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. (BVerfGE)

5. Für die Ausgestaltung des Strafverfahrens – und für Absprachen im Besonderen – ergeben sich aus dem Grundgesetz die folgenden Maßstäbe:

a) Aus dem in der Menschenwürdegarantie und im Rechtsstaatsprinzip verankerten Schuldgrundsatz folgt für das Strafverfahren, dass jede Strafe die Feststellung eines individuell vorwerfbaren Verhaltens voraussetzt und dass die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen muss.

b) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, zum Schutz elementarer Rechtsgüter eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, die Straftäter in einem justizförmigen, dem Beschleunigungsgrundsatz und der materiellen Wahrheit verpflichteten Verfahren im Rahmen der Gesetze einer schuldangemessenen Bestrafung zuführt und die rechtskräftig verhängte Strafen auch vollstreckt.

c) Zugleich hat der Strafprozess dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte in einem fairen Verfahren zu gewährleisten und sicherzu-stellen, dass der Beschuldigte seine prozessualen Rechte mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren kann. Als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sind dabei die Aussage- und Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten sowie die Unschuldsvermutung zu achten.

d) Das Rechtsstaatsprinzip sowie das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters gewährleisten dem Beschuldigten das Recht, vor einem unparteilichen und unvoreingenommenen Richter zu stehen, der nicht aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt.

e) Das im Rechtsstaatsprinzip und im Recht auf ein faires Verfahren verankerte Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, verbietet es, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die – etwa durch Schaffung sachwidriger Anreize – das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger unterlaufen und das Recht auf eine effektive Verteidigung entwerten.

6. Die gesetzliche Regelung der Verständigungen im Strafverfahren ist verfassungsgemäß, weil sie in ausreichendem Maße mit spezifischen Schutzmechanismen versehen ist, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Im Einzelnen bedeutet dies:

a) Das Verständigungsgesetz statuiert kein neues, konsensuales Modell des Strafverfahrens, sondern integriert Absprachen – die das Grundgesetz nicht schlechthin ausschließt – in den von Verfassungs wegen der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer tat- und schuldangemessenen Strafe verpflichteten Strafprozess.

b) Grundlage eines Strafurteils kann niemals die Verständigung als solche sein, sondern nur die – ausreichend fundierte – Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt. Das Gericht bleibt dabei an die unverändert geltende Amtsaufklärungspflicht gebunden. Daher ist ein inhaltsleeres Formalgeständnis keine taugliche Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung. Angesichts des verständigungsbedingten Anreizes zur Abgabe eines falschen Geständnisses ist jedes Geständnis – erforderlichenfalls durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung – auf seine Richtigkeit zu überprüfen.

c) Sowohl die tatsächlichen Feststellungen als auch deren rechtliche Würdigung bleiben der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen. Insbesondere darf eine Strafrahmenverschiebung – auch im Zusammenhang mit Sonderstrafrahmen für besonders oder minder schwere Fälle – nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Ein auf einer Verständigung basierendes Urteil darf den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen.

d) Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht ist gerade auch dann ausgeschlossen, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften verständigt haben. Bindungswirkung vermögen solche Verständigungen nicht zu entfalten. Die gesetzliche – von § 348 StGB sanktionierte – Protokollierungspflicht gilt für alle Verständigungen. Die Einbeziehung anderer anhängiger Ermittlungsverfahren in eine Verständigung – etwa über § 154 Abs. 1 StPO – ist unzulässig.

e) Die gesetzliche Pflicht zur Offenlegung und vollständigen Dokumentation von Verfahrensabsprachen soll sicherstellen, dass diese so ablaufen, wie vom Gesetz vorgeschrieben. Die Offenlegungs- und Dokumentationspflicht bezieht sich auch auf Vorgespräche, soweit sie nicht nur formale Fragen, sondern (auch) den möglichen Inhalt einer Verständigung betreffen. Die Verständigung selbst darf nur in der Hauptverhandlung erfolgen.

f) Der Funktion der Staatsanwaltschaft, die Gesetzmäßigkeit des strafgerichtlichen Verfahrens sicherzustellen, kommt in der Verständigungssituation eine herausgehobene Bedeutung zu. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Zustimmung zu gesetzeswidrigen Verständigungen zu verweigern und gegen Urteile, die auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen.

g) Die im Verständigungsgesetz vorgesehenen Schutzmechanismen bilden den Kern des gesetzlichen Regelungskonzeptes und zielen auch darauf ab, eine vollumfängliche Rechtsmittelkontrolle von Verständigungen sicherzustellen. Die gesetzlichen Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten stellen daher nicht bloße Ordnungsvorschriften dar. Vielmehr führt ein Verstoß regelmäßig zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Das Urteil wird regelmäßig auf diesem Verstoß beruhen.

h) Der Wegfall der Bindungswirkung, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben und der in Aussicht gestellte Strafrahmen deshalb nicht mehr tat- und schuldangemessen ist, ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die Grundsätze der richterlichen Überzeugungsbildung und den Schuldgrundsatz auch bei Verständigungen unangetastet zu lassen. Die Belehrungspflicht über den Wegfall der Bindungswirkung und das für diesen Fall vorgesehene Verwertungsverbot bezüglich eines Geständnisses schützen die Aussagefreiheit des Angeklagten. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird das Revisionsgericht regelmäßig davon auszugehen haben, dass Geständnis und Urteil auf dem Fehler beruhen.

7. Trotz einer die gesetzlichen Vorgaben in erheblichem Umfang vernachlässigenden Verständigungspraxis kann gegenwärtig ein strukturelles Regelungsdefizit, das eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Folge hätte, nicht festgestellt werden. Die Ursachen für das Vollzugsdefizit liegen vielmehr vorrangig in der steigenden Komplexität der zu beurteilenden Lebenssachverhalte, in einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts, in immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens und in einem bislang offenkundig noch wenig ausgeprägten Bewusstsein der Praxis für die Bedeutung der gesetzlichen Schutzmechanismen.

8. Den Gesetzgeber trifft allerdings eine Beobachtungs- und ggf. eine Nachbesserungspflicht hinsichtlich der gesetzlichen Schutzmechanismen. Sollte sich die gerichtliche Praxis auch weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Vorgaben hinwegsetzen, hätte der Gesetzgeber dem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.

9. Eine Verständigung ist mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens regelmäßig unvereinbar, wenn der Angeklagte zuvor nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis im Sinne des § 257c Abs. 4 StPO belehrt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn es nicht zu einer Abweichung von der Verständigung gekommen ist. Das verständigungsbasierte Urteil beruht regelmäßig auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht, sofern nicht aufgrund konkreter Umstände ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte.

10. Der Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit sind verletzt, wenn sich das Strafgericht im Rahmen einer Verständigung mit einem inhaltsleeren Formalgeständnis begnügt, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft. Eine Verständigung verstößt außerdem dann gegen den Schuldgrundsatz, wenn sie an den Verzicht auf Beweisanträge zur Schuldfrage gekoppelt ist und wenn sie eine Strafrahmenverschiebung hinsichtlich eines minder schweren Falles zum Gegenstand hat.

11. Die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten kann durch eine übermäßige Differenz zwischen den in Aussicht gestellten Strafobergrenzen für den Fall einer Verständigung einerseits und den Fall einer herkömmlichen Hauptverhandlung andererseits verletzt sein. Das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen ist jedenfalls dann deutlich überschritten, wenn das Gericht auf der Grundlage einer Verständigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gelangt, während es für den Fall einer herkömmlichen Hauptverhandlung zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils bis zu drei Jahren bzw. eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren in Aussicht gestellt hatte.


Entscheidung

223. EuGH C 399/11 – Urteil vom 26. Februar 2013 (Stefano Melloni v. Ministerio Fiscal)

Vereinbarkeit des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und Unionsgrundrechte (grundrechtskonforme Auslegung von Rahmenbeschlüssen; Recht auf ein faires Strafverfahren: Wesensgehalt und Menschenwürde, Verteidigungsrechte; Menschenrechte der EMRK: Kohärenzklausel; Abwesenheitsverfahren: Rahmenbeschluss 2009/299/JL, Anwesenheitsrecht des Angeklagten und Recht auf Verteidigerbeistand, Rechtsverzicht, gegenseitige Anerkennung rechtskräftiger Entscheidungen; zeitliche Anwendbarkeit des geänderten Rahmenbeschlusses und Zulässigkeit des

Vorabentscheidungsverfahrens); Reichweite des Vorrangs des Unionsrechts.

Art. 4a Abs. 1 Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 (RbEuHb); Art. 5 Nr. 1 RbEuHb aF; Art. 1 Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009; Art. 53 GRC; Art. 52 GRC; Art. 6 GRC; Art. 48 Abs. 2 GRC; Art. 47 GRC; Art. 5 EMRK; Art. 6 EMRK; Art. 267 AEUV; Art. 6 EUV

1. Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er die vollstreckende Justizbehörde unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen daran hindert, die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Strafe ausgestellten Europäischen Haftbefehls von der Bedingung abhängig zu machen, dass die in Abwesenheit ausgesprochene Verurteilung im Ausstellungsmitgliedstaat überprüft werden kann. (EuGH)

2. Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299 geänderten Fassung ist mit den sich aus den Art. 47 und 48 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebenden Erfordernissen vereinbar. (EuGH)

3. Art. 53 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, die Übergabe einer in Abwesenheit verurteilten Person von der Bedingung, dass die Verurteilung im Ausstellungsmitgliedstaat einer Überprüfung unterworfen werden kann, abhängig zu machen, um zu vermeiden, dass das Recht auf ein faires Verfahren und die Verteidigungsrechte, wie sie in seiner Verfassung garantiert sind, verletzt werden. (EuGH)

4. Nach ständiger Rechtsprechung sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten. Dies gilt auch für die Einführung des Art. 4a RbEuHb und die Einschränkung des früheren Art. 5 Nr. 1 RbEuHb. (Bearbeiter)

5. Nach Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, einen Europäischen Haftbefehl zu vollstrecken. Die Mitgliedstaaten können nach den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses die Vollstreckung eines solchen Haftbefehls nur in den Fällen ablehnen, in denen sie gemäß Art. 3 des Rahmenbeschlusses abzulehnen ist oder gemäß Art. 4 oder 4a des Rahmenbeschlusses abgelehnt werden kann. Außerdem kann die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nur an die in Art. 5 des Rahmenbeschlusses angeführten Bedingungen knüpfen. (Bearbeiter)

6. Der Vorrang des Unionsrechts gilt auch für Rahmenbeschlüsse. Er steht der Berufung auf nationale Grundrechte zur Verweigerung einer durch den Rahmenbeschluss nach dem Prinzip gegenseitiger Anerkennung gebotenen Vollstreckung entgegen. (Bearbeiter)


Entscheidung

224. EGMR Nr. 10593/08 – Urteil der Großen Kammer vom 12. September 2012 (Nada v. Schweiz)

Recht auf Achtung des Privatlebens und Recht auf Beschwerde; Verhältnis zwischen der EMRK und UN-Recht (Antiterrorresolutionen des UN-Sicherheitsrats; sog. UN-Terrorliste; smart sanctions; Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats [1267-Committee]); extraterritoriale Anwendbarkeit der EMRK im Fall einer Enklave; redaktioneller Hinweis.

Art. 1 EMRK; Art. 8 EMRK; Art. 13 EMRK; Art. 5 EMRK; Art. 103 UN-Charta; Resolution 1267 (1999); Resolution 1333 (2000); Resolution 1373 (2001); Resolution 1390 (2002)

Einzelfall einer Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Beschwerde durch einen Ermessensausfall im Zusammenhang mit einer Listung als Terrorverdächtiger („Fall Nada“).


Entscheidung

225. BVerfG 2 BvR 228/12 (Zweiter Senat) – Beschluss vom 20. Februar 2013 (OLG Dresden / LG Leipzig)

Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug; körperliche Unversehrtheit (Eingriff; Zwangsmaßnahme; Einwilligung; Betreuer; natürlicher Wille; Krankheitseinsicht); Rechtfertigung (Eingriffsgrundlage; Vorbehalt des Gesetzes; verfassungsrechtliche Anforderungen; Verfahrensgarantien; Verhältnismäßigkeit; effektiver Rechtschutz).

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 22 SächsPsychKG; § 23 SächsPsychKG; § 38 SächsPsychKG; § 1906 BGB; § 109 StVollzG

1. Die medizinische Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten greift in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität des Betroffenen sowie dessen Selbstbestimmungsrecht schützt. Dies gilt für jede Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen, unabhängig davon, ob sie gewaltsam durchgesetzt wird oder ob der Betroffene sich auf die von ihm abgelehnte Behandlung einlässt, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden (Bezugnahme auf BVerfGE 128, 282, 300 f. sowie 129, 269, 280 [= HRRS 2011 Nr. 1129]).

2. Der Eingriffscharakter einer gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchgeführten Behandlung entfällt auch nicht dadurch, dass der Betreuer des Betroffenen in die Maßnahme einwilligt.

3. Der mit einer Zwangsbehandlung verbundene Grundrechtseingriff kann ungeachtet seiner besonderen Schwere gerechtfertigt sein, soweit er auf einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage beruht. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt dabei gleichermaßen für die materiellen wie auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen, welche hinreichend bestimmt geregelt sein müssen.

4. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsPsychKG ist als Eingriffsgrundlage für eine Zwangsbehandlung nicht geeignet, weil die

Vorschrift gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG verstößt und nichtig ist:

a) Der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift steht nicht entgegen, dass das SächsPsychKG – anders als die entsprechenden, bereits früher für verfassungswidrig erklärten Regelungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – Behandlungen ohne Einwilligung des Betroffenen bzw. seines Betreuers regelmäßig ausschließt, weil dadurch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zwangsbehandlung nicht modifiziert werden.

b) Die Vorschrift begrenzt die Möglichkeit der Zwangsbehandlung nicht, wie verfassungsrechtlich geboten, auf die Fälle einer krankheitsbedingt fehlenden Fähigkeit zur Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung. Auch die Einschaltung eines Betreuers für diese Fälle behebt den Mangel nicht, weil dessen Einwilligung die Einwilligung des Betroffenen nicht ersetzen kann.

c) Die Vorschrift verletzt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie die zulässigen Eingriffszwecke und -voraussetzungen nicht abschließend bestimmt und weil das Verfahren insoweit defizitär ausgestaltet ist, als das Gesetz weder ein Bemühen um eine freiwillige Zustimmung noch eine hinreichend konkrete Ankündigung der Maßnahme verlangt und auch keine ausreichende unabhängige Überprüfung der Behandlung vorsieht.

d) Die Vorschrift verstößt schließlich gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil hinsichtlich der Einbindung eines Betreuers unklar bleibt, ob der Betroffene im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG oder vor dem Betreuungsgericht Rechtsschutz gegen die Einwilligung seines Betreuers in die Zwangsbehandlung erlangen kann.


Entscheidung

228. BVerfG 2 BvR 2122/11, 2 BvR 2705/11 (Zweiter Senat) – Beschluss vom 6. Februar 2013 (OLG Frankfurt am Main / LG Marburg)

Nachträgliche Sicherungsverwahrung (nach Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus); Vertrauensschutz (Verhältnismäßigkeit; strikte Prüfung; erhöhte Anforderungen; europäische Menschenrechtskonvention).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 104 Abs. 1 GG; Art. 5 EMRK; Art. 7 EMRK; § 63 StGB; § 66b Satz 1 StGB; § 66b Abs. 3 StGB a.F.; § 67d Abs. 6 StGB, § 1 Abs. 1 ThUG

1. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326, 330 = HRRS 2011 Nr. 488) verstößt § 66b Abs. 3 StGB a. F., wie die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung insgesamt, gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG herzuleitende Abstandsgebot. Die Vorschriften dürfen längstens bis zum 31. Mai 2013 und nur nach Maßgabe der in dem Urteil getroffenen Weitergeltungsanordnung angewendet werden. Danach ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung in der Regel nur verhältnismäßig, wenn von dem Verurteilten eine konkrete Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten ausgeht.

2. Soweit eine Vorschrift darüber hinaus ein nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 3 GG schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen beeinträchtigt, ist dessen (weitere) Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 nur noch dann verhältnismäßig, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten abzuleiten ist und wenn bei ihm eine psychische Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes besteht.

3. Auch in Konstellationen, in denen über die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 genannten Fälle hinaus die Anwendung einer Norm in ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen eingreift, sind die Gerichte bis zu einer Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung gehalten, die Sicherungsverwahrung nur noch dann anzuordnen oder aufrechtzuerhalten, wenn die genannten erhöhten Verhältnismäßigkeitsanforderungen erfüllt sind (Bezugnahme auf BVerfGE 129, 37, 47 = HRRS 2011 Nr. 740).

4. § 66b Abs. 3 StGB a. F. (jetzt: § 66b Satz 1 StGB), welcher die nachträgliche Sicherungsverwahrung ermöglicht, wenn sich die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus wegen Wegfalls oder Nichtbestehen des schuldmindernden bzw. schuldausschließenden Zustandes nach § 67d Abs. 6 StGB erledigt hat, beeinträchtigt ein schutzwürdiges Vertrauen des Untergebrachten und ist daher nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter anwendbar.

5. § 66b Abs. 3 StGB a. F. regelt nicht lediglich eine unter Vertrauensschutzgesichtspunkten unbeachtliche Überweisung von einer Maßregel in eine andere; denn die Unterbringung nach § 63 StGB muss zunächst beendet sein, bevor in einem dem Anordnungsverfahren entsprechenden Verfahren die Sicherungsverwahrung verhängt werden kann, bei der es sich auch um eine gegenüber § 63 StGB auch qualitativ andere Maßregel handelt.

6. Das Vertrauen des Betroffenen, dass ihm die Sicherungsverwahrung dauerhaft erspart bleibt, ist auch dann verfassungsrechtlich geschützt, wenn die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung bereits zum Zeitpunkt des tatgerichtlichen Urteils erfüllt waren, die Sicherungsverwahrung jedoch im Urteil weder angeordnet noch vorbehalten worden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt des Urteils noch keine Norm existierte, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung ermöglicht. Das Gewicht des Vertrauens nähert sich in diesen Fällen einem absoluten Vertrauensschutz an, zumal bei der Gewichtung der betroffenen Vertrauensschutzbelange auch Art. 5 und Art. 7 EMRK in ihrer Konkretisierung durch den EGMR zu berücksichtigen sind.


Entscheidung

227. BVerfG 2 BvR 2098/12 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 17. Januar 2013 (OLG Stuttgart / LG Stuttgart / AG Stuttgart)

Untersuchungshaft (Freiheitsgrundrecht; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Heranwachsende; Beschleunigungsgebot in Haftsachen; Haftprüfungsentscheidung; Begründungstiefe; Jugendstrafrecht; hypothetisches Strafende; Verfahrensförderung).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 104 GG; § 116 Abs. 1 StPO; § 57 StGB; § 88 JGG

1. Bei dem einer Straftat lediglich Verdächtigen ist zur Wahrung der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung eine Freiheitsentziehung im Strafverfahren nur dann zulässig, wenn die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung den Freiheitsanspruch des Beschuldigten überwiegen. Bei der Abwägung ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Mit zunehmender Dauer steigen die Anforderungen an die Zügigkeit der Verfahrensbearbeitung, an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund sowie an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen.

3. Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert es, die notwendigen Ermittlungen mit der erforderlichen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten ohne vermeidbare und dem Staat zuzurechnende Verfahrensverzögerungen herbeizuführen.

4. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft steigen außerdem die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund sowie an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen.

5. Bei der Abwägung der Angemessenheit der Verfahrensdauer haben die Gerichte vorrangig auf objektive Kriterien wie die Komplexität der Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung abzustellen. Zu würdigen sind außerdem die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens, die im Raum stehende konkrete Straferwartung und – für den Fall der Verhängung einer Freiheitsstrafe – das hypothetische Strafende.

6. Bei der Erörterung des hypothetischen Strafendes ist auch die Möglichkeit der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB bzw. § 88 JGG zu berücksichtigen. Hierfür besteht insbesondere dann Anlass, wenn der Beschuldigte nicht vorbestraft ist und erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen sein würde und wenn die Jugendgerichtshilfe die Anwendung von Jugendstrafrecht empfohlen hat.

7. Der Pflicht zur beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung genügt das Gericht regelmäßig nicht, wenn es in dem jeweiligen Verfahren – ungeachtet einer möglichen mehrwöchigen Unterbrechung wegen Urlaubs – durchschnittlich nur ca. einen Sitzungstag pro Woche durchführt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht an einer nennenswerten Zahl von Verhandlungstagen nur kurze, den Sitzungstag nicht ausschöpfende Zeit verhandelt und das Verfahren dadurch nicht entscheidend fördert.


Entscheidung

229. BVerfG 2 BvR 2392/12 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 23. Januar 2013 (LG Erfurt / AG Erfurt)

DNA-Analyse (Körperzellen; Entnahme; molekulargenetische Untersuchung; künftige Strafverfahren; Recht auf informationelle Selbstbestimmung; körperliche Unversehrtheit; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz); einstweilige Anordnung (Folgenabwägung).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; § 81g StPO; § 32 Abs. 1 BVerfGG

1. Die Anordnung der Entnahme und der molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen zur Verwendung in künftigen Strafverfahren nach § 81g StPO setzt eine Prognose bezüglich künftig zu erwartender Taten des Verurteilten voraus, die einzelfallbezogen zu begründen ist.

2. Basiert die beabsichtigte DNA-Untersuchung auf einer jugendstrafrechtlichen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, so erscheint ein Verfassungsverstoß zumindest möglich, wenn die gerichtlichen Entscheidungen keinerlei Ausführungen dazu enthalten, dass es sich um einen erst 14-jährigen Beschuldigten handelt, der eine 13-Jährige lediglich geküsst und bei dieser einen „Knutschfleck“ hinterlassen hat, wobei die Handlungen aus seiner Sicht auf gegenseitigem Einverständnis beruhten.

3. Bei der Folgenabwägung im Rahmen des § 32 Abs. 1 BVerfGG über eine Anordnung nach § 81g StPO überwiegt der teilweise irreparable Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung insbesondere bei einem Jugendlichen regelmäßig das Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Untersuchung.


Entscheidung

226. BVerfG 2 BvR 376/11 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 24. Januar 2013 (LG München I / AG München)

Durchsuchungsbeschluss (Anforderungen an den Tatverdacht; bloße Vermutungen); Bestellbetrug.

Art. 13 GG; § 102 StPO; § 105 StPO; § 263 StGB

1. Das Gewicht des mit einer Durchsuchung verbundenen Eingriffs in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte persönliche Lebenssphäre verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen.

2. Eine Durchsuchung verletzt das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG, wenn sich für sie sachlich zureichende plausible Gründe nicht mehr finden lassen.

3. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung des Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus.

4. An zureichenden Verdachtsgründen für eine Durchsuchung wegen betrügerischer Bestellungen unter dem Namen eines Verstorbenen fehlt es bei einem von mehreren Nachbarn des Verstorbenen, wenn die bei der Bestellung verwendeten Daten öffentlich zugänglich waren und ansonsten keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, dass gerade dieser Nachbar und nicht ein Dritter die Bestellungen aufgegeben hat.