HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 894
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 138/24, Beschluss v. 14.05.2024, HRRS 2024 Nr. 894
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Oktober 2023 dahin
a) geändert, dass der Angeklagte im Fall III.3 der Urteilsgründe wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu jeweils einem Euro verurteilt ist,
b) ergänzt, dass die in dieser Sache in Italien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei (Fall III.1 der Urteilsgründe), wegen Zuhälterei (Fall III.2 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Erpressung in Tateinheit mit Bedrohung (Fall III.3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Anrechnungsmaßstab für die in Rumänien erlittene Auslieferungshaft bestimmt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Das auf die Rügen der Verletzung 1 formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen brachte der Angeklagte die am 24. Januar 1990 geborene Nebenklägerin im März 2010 nach Deutschland. Dort zwang er sie unter Gewalt und Androhung massiver Gewalt, gegen ihren Willen in Nürnberg für ihn als Prostituierte zu arbeiten und ihre gesamten Einnahmen an ihn abzugeben. Die Nebenklägerin war der deutschen Sprache nicht mächtig und hatte außer dem Angeklagten keine Bezugsperson in Deutschland. Sie übte die Prostitution für den Angeklagten gleichermaßen auch in anderen deutschen Städten und nach ihrer Flucht im Jahr 2015 wieder in Nürnberg aus (Fälle III.1 und 2 der Urteilsgründe).
Die Nebenklägerin trennte sich im April 2016 von dem Angeklagten und lernte im September desselben Jahres ihren späteren Ehemann kennen. Der Angeklagte mutmaßte, dass die Nebenklägerin weiterhin der Prostitution nachgehe und ihr Ehemann ihr neuer Zuhälter sei. Spätestens Anfang 2018 nahm er Kontakt zur Nebenklägerin auf und drohte damit, sie und ihre Familie umzubringen, wenn ihm die Nebenklägerin nicht eine „Ablösesumme“ zahle (Fall III.3 der Urteilsgründe).
2. Während die Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) und der Schuldspruch in den Fällen III.1 und 2 der Urteilsgründe revisionsgerichtlicher Nachprüfung standhält, hat die umfassende sachlich-rechtliche Prüfung einen durchgreifenden Rechtsfehler hinsichtlich Fall III.3 der Urteilsgründe erbracht.
Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der Erpressung nicht erörtert. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB wird nicht wegen Versuchs bestraft, wer freiwillig die weitere Tatausführung aufgibt. Bei einer versuchten Erpressung ist es im Fall eines unbeendeten Versuchs ausreichend, dass der Täter freiwillig davon absieht, sein Erpressungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; vom 27. Juni 2018 - 4 StR 110/18, NStZ 2018, 706). Für die Frage, ob ein unbeendeter Versuch vorliegt, kommt es auf die Sicht des Täters nach der letzten tatbestandlichen Ausführungshandlung an. Geht er zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Erfolgs erforderlich ist, ist ein unbeendeter Versuch anzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2022 - 6 StR 431/21; vom 27. Juni 2018, aaO). Zu dem hierauf bezogenen Vorstellungsbild des Angeklagten nach der letzten Zahlungsaufforderung lassen sich dem Urteil keine Feststellungen entnehmen. Da der Senat ausschließt, dass insoweit noch weitere Feststellungen getroffen werden können, ändert er den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.
3. Die Schuldspruchänderung entzieht der insoweit verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten die Grundlage. Der Senat setzt die Strafe auf die nach § 241 Abs. 1 StGB (aF) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 StGB vorgesehene Mindestgeldstrafe fest, um jede Benachteiligung des nach den Feststellungen nicht erwerbstätigen Angeklagten zu vermeiden, in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
4. Die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten hat gleichwohl Bestand. Denn angesichts der verbleibenden Freiheitsstrafen von fünf Jahren und zwei Jahren sowie der hierfür maßgeblichen strafschärfenden Erwägungen schließt der Senat aus, dass sich der Wegfall der Freiheitsstrafe im Fall III.3 auf die Höhe der Gesamtstrafe ausgewirkt hätte.
5. Die Urteilsformel ist um die Entscheidung über die Anrechnung der in Italien erlittenen Freiheitsentziehung zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 6 StR 187/23 mwN). Der Senat holt deswegen den Ausspruch über die Anrechnung und Festsetzung des Maßstabes nach. Da hier nur ein Anrechnungsmaßstab von 1:1 in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 - 2 StR 440/15), setzt der Senat diesen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst fest.
Da auch die Nachprüfung der Einziehungsentscheidung sowie der Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs für die in Rumänien erlittene Auslieferungshaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, ist es im Hinblick auf den geringen Erfolg der Revision nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 894
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede