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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 742

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 468/23, Beschluss v. 17.04.2024, HRRS 2024 Nr. 742


BGH 6 StR 468/23 - Beschluss vom 17. April 2024 (LG Schweinfurt)

Einsturz der Talbrücke Schraudenbach; Recht des letzten Wortes; Recht auf ein faires Verfahren, Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes (hier: Staatsanwältin; Sitzungsvertretung durch Staatsanwältin, die als früheres Mitglied der Strafkammer als Berichterstatterin an der ersten [später ausgesetzten] Hauptverhandlung mitgewirkt hatte; Beruhen: vollständig andere personelle Zusammensetzung des nunmehr entscheidenden Spruchkörpers); Zweifelssatz (Beruhen); Strafzumessung (Mitverursachung durch Nebentäter).

§ 258 Abs. 2 StPO; Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 22 Nr. 5 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Verpflichtung zur - gegebenenfalls erneuten - Erteilung des letzten Wortes gilt auch dann, wenn die Verteidiger der Mitangeklagten Ausführungen gemacht haben.

2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine Verletzung des Fairnessgrundsatzes oder eine entsprechende Anwendung des § 22 Nr. 5 StPO in Betracht kommt, wenn die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zuvor als Berichterstatterin an einer später ausgesetzten Hauptverhandlung in der nämlichen Sache mitgewirkt hatte. Unterschied sich die Besetzung der Strafkammer in der ausgesetzten Hauptverhandlung vollständig von der personellen Zusammensetzung des nunmehr entscheidenden Spruchkörpers ist auszuschließen, dass sich ein - mit Blick auf die objektive Verfahrensrolle der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfGE 133, 168, 219) und das Gebot der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226, 253) bedenkliches - überlegenes Wissen der Sitzungsvertreterin auf das Urteil ausgewirkt haben könnte.

3. Wenn sichere Feststellungen zu Einzelheiten des inneren oder äußeren Geschehens trotz Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel und Beweisanzeichen nicht getroffen werden können, so darf sich das nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Es ist vielmehr von der für ihn günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 2. Mai 2023, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten N. wird verworfen.

3. Der Angeklagte N. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 14 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten N. hat es zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten K. zu einer solchen von neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Von den jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen hat diejenige des Angeklagten K. Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), während das Rechtsmittel des Angeklagten N. unbegründet ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. a) Nach den Feststellungen wurde im Zuge der Erneuerung der Talbrücke , über die die Autobahn führt, zunächst das Teilbauwerk mit der Fahrbahn in Richtung Norden abgerissen und durch ein neues Tragwerk ersetzt. Das Unternehmen Ke. erhielt den Auftrag, das zur Aufnahme der beim Betonieren der Fahrbahndecke auftretenden Lasten notwendige Traggerüst zu planen, zu liefern und zu montieren. Der dort beschäftigte gesondert Verfolgte S. übernahm die statischen Berechnungen und erstellte die Ausführungspläne. Entgegen seiner statischen Berechnung konnte im dritten Bauabschnitt ein Turmjoch nicht errichtet werden, weil in diesem Bereich eine Kreisstraße die Talbrücke querte. Stattdessen wurden in den Ausführungszeichnungen die Einzeljoche 9 und 10 im Abstand von 20 Metern vorgesehen. Entsprechend den Ausführungsplänen wurden das Einzeljoch 9 über 18 Horizontalstäbe mit dem Doppeljoch 7/8 und das Einzeljoch 10 mit zwölf Horizontalstäben mit dem Doppeljoch 11/12 verbunden. In der statischen Berechnung fehlte jedoch unter anderem der globale Stabilitätsnachweis für die Jochgruppe 7/8/9.

Der Angeklagte N. war vom Freistaat unter anderem beauftragt worden, als Prüfingenieur die Standsicherheitsnachweise - einschließlich der statischen Berechnungen für das Traggerüst und die zugehörigen Ausführungszeichnungen - zu prüfen. Hierzu beauftragte er, weil er nicht durchgehend einen Mitarbeiter seines Ingenieurbüros zur Verfügung hatte, den bei einer anderen Planungsgesellschaft tätigen Angeklagten K., der die Standsicherheit des Traggerüsts zunächst auf der Grundlage der statischen Berechnung S. s und der dazu erstellen Ausführungspläne prüfte. K. erkannte indessen nicht, dass die Ausführungszeichnung für den dritten Bauaubschnitt von der statischen Berechnung abwich, die statische Berechnung obendrein unvollständig und auch die plangemäße Ausführung ungeeignet war, die Traglast aufzunehmen. Er übermittelte seinen Abschlussbericht am 18. Dezember 2015 an N. ; ein Abschlussgespräch fand nicht statt. N. unterzeichnete den Bericht und gab ihn ohne eigenständige Prüfung der Statik und der Ausführungszeichnungen das Traggerüst betreffend als „geprüft“ frei.

Am 15. Juni 2016 wurde im dritten Bauabschnitt die Fahrbahn von 42 Metern Länge betoniert. Nachdem etwa 1.500 Tonnen Beton eingefüllt, verteilt, verdichtet und geglättet worden waren, stürzten das Traggerüst in sich zusammen und Schalung, Bewehrung sowie Beton 22 Meter in die Tiefe. 13 auf dem Traggerüst befindliche Bauarbeiter wurden mitgerissen, der Geschädigte L. verstarb noch am Unfallort; die weiteren zwölf Bauarbeiter wurden teils lebensgefährlich verletzt. Zwei weitere Bauarbeiter wurden durch herabstürzende Bauteile leicht verletzt.

b) Das sachverständig beratene Landgericht hat als alleinige Ursache des Einsturzes ein Stabilitätsversagen des Joches 9 infolge mangelnder Horizontalsteifigkeit des mit ihm über Horizontalstäbe verbundenen Doppeljochs 7/8 festgestellt. Die Jochgruppe hätte nur ein Drittel der normgemäßen Betonlast aufnehmen können. Die von den Ausführungsplänen in diesem Abschnitt teilweise abweichende Errichtung sei für das Versagen des Traggerüsts nicht kausal geworden; es wäre auch bei plangemäßer Ausführung eingestürzt.

Bei Beachtung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt hätte der Angeklagte K. erkennen können, dass die Ausführungszeichnung von der statischen Berechnung abwich, die statische Berechnung unvollständig und selbst eine plangemäße Ausführung ungeeignet war. Dies wäre bei einer sorgfältigen Prüfung auch dem Angeklagten N. aufgefallen. Die Fehler wären entdeckt, das Traggerüst nicht in dieser Form errichtet und der Einsturz mit den absehbaren Folgen verhindert worden.

2. Das Urteil ist auf die Beanstandung des Angeklagten K., ihm sei entgegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden, aufzuheben, soweit es ihn betrifft.

a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Nach Schluss der Beweisaufnahme hielten zunächst die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenkläger ihre Schlussvorträge. Am darauffolgenden Hauptverhandlungstag folgte der Verteidiger des Angeklagten K. und beantragte Freispruch. In seinem letzten Wort schloss sich der Angeklagte seinem Verteidiger an. Nachdem der Vertreter der Adhäsionsbeklagten die Einrede der Verjährung erhoben hatte, erhielt der Verteidiger des Angeklagten erneut die Gelegenheit zum Schlussvortrag. Er wiederholte seinen zuvor gestellten Antrag; der Angeklagte schloss sich in seinem letzten Wort erneut an.

Danach hielten die Verteidigung des früheren Mitangeklagten D. und des Angeklagten N. ihre Schlussvorträge. Den Mitangeklagten wurde nach den Ausführungen ihrer jeweiligen Verteidiger die Möglichkeit zum letzten Wort gegeben. Im Anschluss an das letzte Wort des Angeklagten N. erhielt der Angeklagte K. nicht erneut Gelegenheit zum letzten Wort, weder ergriff er es eigenständig noch verzichtete er darauf.

b) Aus dem geschilderten und durch die Sitzungsniederschrift bewiesenen Verfahrensablauf ergibt sich, dass der Angeklagte K. nicht als letzter Verfahrensbeteiligter vor dem Beginn der Beratung gesprochen und somit nicht das letzte Wort hatte. Die Verpflichtung zur - gegebenenfalls erneuten - Erteilung des letzten Wortes gilt auch dann, wenn die Verteidiger der Mitangeklagten Ausführungen gemacht haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2003 - 2 StR 443/02, BGHSt 48, 181, 182; vom 30. März 2016 - 4 StR 63/16; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 258 Rn. 19).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Schuldspruch hierauf beruht, denn die bloße Möglichkeit genügt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 - 5 StR 602/95, NStZ 1996, 612). Der Angeklagte hat sich zwar teilweise geständig zur Sache eingelassen, jedoch den Schuldvorwurf in Abrede gestellt. Dem ist das Landgericht nicht gefolgt. Bei dieser Sachlage ist keine Ausnahmekonstellation gegeben, in der das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler auszuschließen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 8. August 1967 - 1 StR 279/67, BGHSt 21, 288, 290; vom 15. November 1968 - 4 StR 190/68, BGHSt 22, 278, 281).

3. Den Angeklagten N. betreffend hält das Urteil revisionsgerichtlicher Nachprüfung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts stand. Einzugehen ist nur auf das Folgende:

a) Der Angeklagte beanstandet ohne Erfolg eine Verletzung des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK).

aa) Der Verfahrensrüge liegt zugrunde, dass die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft auch durch Staatsanwältin R. wahrgenommen wurde, obwohl diese als früheres Mitglied der erkennenden Strafkammer mit der Sache befasst gewesen war. Sie hatte als Berichterstatterin an der ersten (später ausgesetzten) Hauptverhandlung, aber etwa auch an einem ausführlich begründeten Aussetzungsbeschluss und an der Bestellung des für die nunmehrige Hauptverhandlung als gerichtlicher Sachverständiger tätig gewordenen Ko. mitgewirkt. Die Strafkammer war dem trotz Beanstandungen der Verteidigung nicht entgegengetreten.

bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer dieses Prozessgeschehen mit Recht am Fairnessgrundsatz misst oder aber eine entsprechende Anwendung von § 22 Nr. 5 StPO in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 1 StR 382/17, JR 2019, 160 mit Anm. Stuckenberg; Tolksdorf, Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt, 1989, S. 42 ff.; BeckOK-StPO/Cirener, § 22 Rn. 34 f. mwN). Er schließt jedenfalls aus, dass das Urteil auf einem solchen Verstoß beruhte (§ 337 StPO). Die Besetzung der Strafkammer in der ausgesetzten Hauptverhandlung unterschied sich vollständig von der personellen Zusammensetzung des nunmehr entscheidenden Spruchkörpers. Damit ist auszuschließen, dass sich ein - mit Blick auf die objektive Verfahrensrolle der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfGE 133, 168, 219) und das Gebot der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226, 253) bedenkliches - überlegenes Wissen der Sitzungsvertreterin auf das Urteil ausgewirkt hat.

b) Der Schuldspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

aa) Nach den Feststellungen kündigte sich das Versagen der Jochgruppe etwa zehn Minuten vor dem Einsturz erkennbar durch einen um acht Zentimeter nach oben gebogenen Horizontalstab in der unteren Gefachebene des Doppeljochs 7/8 an. Die Aufbiegung wäre im Rahmen einer nach der ZTV-Ing 04/2013 vorgeschriebenen, hier jedoch nicht erfolgten Eigenüberwachung durch das Unternehmen Ke. während des Betoniervorgangs jedoch nicht „zwingend“ erkannt worden, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die Bauarbeiter rechtzeitig gewarnt worden wären und den Einsturzbereich hätten verlassen können.

bb) Zwar ist die Beweiswürdigung der Strafkammer auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs insoweit rechtsfehlerhaft. Sie durfte unter Hinweis darauf, dass während der mehrere Stunden dauernden Betonierung eine durchgehende Kontrolle jeder Verbindung praktisch nicht möglich sei und es an konkreten Vorgaben für die Durchführung der Eigenüberwachung fehle, nicht zu Lasten der Angeklagten davon ausgehen, dass die den Einsturz zehn Minuten vorher ankündigende Aufbiegung des im unteren Gefach montierten Horizontalstabs bei ordnungsgemäßer Eigenüberwachung nicht erkannt worden wäre, und damit eine mögliche Warnung der Bauarbeiter und deren Rettung hinreichend sicher ausschließen. Wenn sichere Feststellungen zu Einzelheiten des inneren oder äußeren Geschehens trotz Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel und Beweisanzeichen nicht getroffen werden können, so darf sich das nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Es ist vielmehr von der für ihn günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 26. August 2004 - 4 StR 236/04, NStZ 2005, 85, 86 mwN).

cc) Auf diesem Fehler beruht der Schuldspruch aber nicht. Denn eine Unterbrechung des Kausalverlaufs scheidet aus. Eine solche setzt voraus, dass ein späteres Ereignis die Fortwirkung einer früheren Ursache beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg allein herbeiführt. Die haftungsbegründende Ursächlichkeit des Täterhandelns wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das deliktische oder undeliktische Verhalten eines Dritten den Erfolg mitverursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1993 - 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 197 f.). Hier liegt es so, dass die sorgfaltswidrige Überprüfung der Ausführungspläne fortwirkte; derjenige, der die Überprüfung des Gerüsts während des Betonierens pflichtwidrig unterlassen haben sollte, würde allenfalls als (weiterer) Nebentäter haften.

c) Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand.

aa) Eine Mitverursachung durch Nebentäter hätte zwar das Gewicht der dem Angeklagten zuzurechnenden Tatfolgen vermindert und deshalb grundsätzlich strafmildernd gewirkt (§ 46 Abs. 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2000 - 1 StR 50/00, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 10; LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 209; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 591).

Der Senat kann aber ausschließen, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Denn zu Lasten des Angeklagten N. hat sie die auf seiner beruflichen Funktion und besonderen Qualifikation beruhende übergeordnete Stellung und besondere Verantwortung für die Tragfähigkeit des Gerüsts berücksichtigt. Demgegenüber kam einer etwaigen Mitverursachung durch einen Nebentäter keine maßgebliche Bedeutung zu.

bb) Das Landgericht hat bei der Zumessung der Strafe auch eine mögliche Haftung des Angeklagten auf Schadensersatz berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 541/05, NStZ 2006, 393, 394; einschränkend BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - 2 StR 168/05, JR 2006, 256, 257, für Vorsatztat). Ein Prüfingenieur (§ 1 Satz 2, § 2 der Verordnung über die Prüfingenieure, Prüfämter und Prüfsachverständigen im Bauwesen - PrüfVBau - vom 29. November 2007, GVBl. S. 829), der - wie hier - im Auftrag der Baubehörde handelt, unterliegt zwar in der Regel der Amtshaftung, wonach Geschädigte Ansprüche nur gegen den Staat erheben können (§ 839 Abs. 1 BGB, i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG; vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1963 - III ZR 48/62, BGHZ 39, 358, 361). Das Landgericht hat gleichwohl strafmildernd die zivilrechtlichen Haftungsfolgen - die Möglichkeit, den Prüfingenieur in Regress zu nehmen, besteht im Rahmen von Art. 34 Satz 2 GG - in seine Erwägungen eingestellt und geht hierbei, was sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, von einer potenziell existenzbedrohenden Haftung aus.

cc) Vor diesem Hintergrund war die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen nicht zusätzlich strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 mwN; vom 22. Januar 1991 - 5 StR 542/90, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 23; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 738). Es handelte sich vorliegend nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsumstand. Nach den maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen könnte der Angeklagte jedenfalls weiterhin als Ingenieur tätig werden (§ 1 Satz 2, §§ 2 bis 4 PrüfVBau, § 7 Abs. 2 PrüfVBau, Art. 1 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Bayerische Architektenkammer und die Bayerische Ingenieurkammer-Bau - BauKaG - vom 9. Mai 2007, GVBl. S. 308, Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes zum Schutz der Berufsbezeichnung Ingenieurin und Ingenieur - BayIngG - vom 12. Juli 2016).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 742

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede