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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1335

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 311/23, Beschluss v. 04.10.2023, HRRS 2023 Nr. 1335


BGH 6 StR 311/23 - Beschluss vom 4. Oktober 2023 (LG Verden)

Unerlaubtes Führen einer Schusswaffe, unerlaubter Besitz einer Schusswaffe (konkurrenzrechtliche Beurteilung).

§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG; § 52 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Übt der Täter die tatsächliche Gewalt über eine Schusswaffe außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte aus, so führt er sie. Das Führen verdrängt in diesem Fall die Umgangsform des Besitzes. Eine Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Besitzes kommt nur in Betracht, wenn festgestellt ist, dass der Täter die tatsächliche Gewalt über die Schusswaffe auch innerhalb der vorbezeichneten Örtlichkeiten ausgeübt hat.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 28. Dezember 2022 wird als unbegründet verworfen; jedoch entfällt die jeweilige tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Führen und Besitz einer Schusswaffe, und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit unerlaubtem Führen und Besitz einer Schusswaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Zudem hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen die jeweilige tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes einer Schusswaffe nicht. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Übt der Täter ? wie hier ? die tatsächliche Gewalt über eine Schusswaffe außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte aus, so führt er sie (Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 zu § 1 Abs. 4 WaffG). Das Führen verdrängt in diesem Fall die Umgangsform des Besitzes. Eine Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Besitzes kommt nur in Betracht, wenn festgestellt ist, dass der Täter die tatsächliche Gewalt über die Schusswaffe auch innerhalb der vorbezeichneten Örtlichkeiten ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2023 ? 3 StR 353/22 ?, juris Rdnr. 11, vom 8. Dezember 2021 ? 2 StR 347/21 ?, und vom 15. Juni 2015 ? 5 StR 197/15 -).

Dies ist den Urteilsgründen vorliegend nicht zu entnehmen. Danach nahm der Angeklagte die Schusswaffe unmittelbar vor der Tatausführung an sich, wobei die Schwurgerichtskammer im Rahmen der Beweisaufnahme nicht feststellen konnte, wann, wo und unter welchen Umständen der Angeklagte die Schusswaffe erworben oder erhalten hatte (UA S. 24 f.). Nach der Tatbegehung versteckte der Angeklagte diese zusammen mit Zubehör in einem auf einem fremden Grundstück gelegenen Unterstand, ohne zuvor seine eigenen Räumlichkeiten aufgesucht zu haben (UA S. 30, 139 f.).“ Dem schließt sich der Senat an und ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Angesichts der für jede der drei Taten rechtsfehlerfrei verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe scheidet eine Auswirkung auf die Strafhöhe aus.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1335

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede