HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 174
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 397/20, Beschluss v. 15.12.2020, HRRS 2021 Nr. 174
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Juli 2020 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit sexuellem Übergriff, wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen sowie wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1. Die Verurteilung wegen - hinsichtlich der Taten 1 bis 4, 9 und 11 tateinheitlich ausgeurteilten - Herstellens kinderpornographischer Schriften erweist sich durchgehend als rechtsfehlerhaft. Denn die Herstellung solcher Schriften war nach der in den Tatzeiträumen geltenden bzw. nach dem Zweifelssatz gemäß § 2 Abs. 3 StGB zugrunde zu legenden Fassung des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB (vom 31. Oktober 2008, BGBl. I, S. 2149) nur dann strafbar, wenn diese im Sinne von Nummer 1 und 2 der Vorschrift (Verbreitung oder öffentliches Zugänglichmachen) Verwendung finden sollten. Demgegenüber wollte der Angeklagte die Schriften nach den Feststellungen (nur) „noch einmal anschauen“ (UA S. 10). Auf die Frage der Verjährung kommt es damit insoweit nicht mehr an.
Jedoch verwirklichte der Angeklagte jeweils die Voraussetzungen des § 184b Abs. 4 StGB, weil er sich Schriften verschaffte und bis zur Durchsuchung am 3. Juli 2018 besaß, die einen sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176 StGB zum Gegenstand hatten und ein tatsächliches Geschehen wiedergaben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366, 368). Da die jeweiligen Verschaffungsakte entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts in den Fällen 1 bis 6 in verjährter Zeit liegen, kommt insoweit der (nicht verjährte) Auffangtatbestand des Besitzes zur Anwendung, wobei das Dauerdelikt des Besitzes der verschiedenen Tatvideos mit Blick auf dessen geringeren Unwertgehalt die tatmehrheitlichen Taten des (schweren) sexuellen Missbrauchs nicht zur Tateinheit verklammert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 5 StR 657/19, StV 2020, 469, 470 mwN).
Ferner ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB auf die Taten 9 und 11 die gegenüber § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF mildere Strafvorschrift des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 - 3 StR 43/17, NStZ 2018, 33, 34).
2. Der Senat ändert den Schuldspruch im vorgenannten Sinne. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Der Strafausspruch kann insgesamt bestehen bleiben.
a) Das gilt auch für die Taten 4 bis 8 und 10. Insoweit hat das Landgericht zwar unter (rechtsfehlerhafter) Zugrundelegung des im Vergleich zu § 184b Abs. 4 StGB strengeren Strafrahmens nach § 184b Abs. 1 StGB jeweils Geldstrafen von 90 Tagessätzen verhängt. Der Senat kann jedoch ausschließen, dass es bei zutreffender rechtlicher Bewertung niedrigere Strafen festgesetzt hätte. Denn das Landgericht hat in den betroffenen Fällen eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB nicht erwogen, obwohl sich eine solche bei Tat 5 aus den Feststellungen ergibt und sich für die weiteren Fälle nach der von der Strafkammer als glaubhaft erachteten Aussage der Nebenklägerin aufdrängt, wonach sie in Dessous habe posieren „müssen“ (UA S. 20). Die Posen, die die Nebenklägerin und bei Tat 10 deren gleichfalls kindliche Freundin einnehmen mussten, enthielten in Einklang mit dem Ausgangspunkt des Landgerichts jeweils nicht unerhebliche (§ 184g Nr. 1 StGB aF) sexuelle Handlungen, durch die der Betrachter sexuell provoziert werden sollte (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 - 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366, 368; vom 14. Juni 2016 - 3 StR 72/16, StV 2017, 39).
b) Für die Taten 9 und 11 hat das Landgericht die Strafen rechtsfehlerfrei dem in § 176 Abs. 1 StGB angeordneten Strafrahmen entnommen. Es hat sich daher nicht ausgewirkt, dass in § 177 Abs. 1 und 2 StGB ein etwas niedrigerer Strafrahmen bestimmt ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 174
Bearbeiter: Christoph Henckel