hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 166

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 617/24, Beschluss v. 05.12.2024, HRRS 2025 Nr. 166


BGH 5 StR 617/24 - Beschluss vom 5. Dezember 2024 (LG Hamburg)

Aufhebung des Urteils im Strafausspruch.

§ 353 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Juni 2024 im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften, sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt in zwei Fällen, Herstellens kinderpornographischer Inhalte (in mittelbarer Täterschaft) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt durch entsprechende Rede und durch Bestimmen eines anderen zur Vornahme von sexuellen Handlungen an sich selbst zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt - dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - zur Aufhebung des Strafausspruchs und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

1. Soweit das Landgericht die Strafe dem Strafrahmen des früher geltenden § 184b Abs. 1 StGB entnommen hat, kann die Einzelstrafe im Fall II.4 schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Strafrahmen dieser Vorschrift zum 28. Juni 2024 geändert wurde und nunmehr eine niedrigere Mindeststrafe ausweist (BGBl. I 2024 Nr. 213). Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO, vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. August 2024 - 2 StR 280/24). Ungeachtet ihrer Erwägungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Strafkammer bei Anwendung eines anderen Strafrahmens zu einer anderen Strafe gekommen wäre (vgl. auch BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 10. September 2024 - 2 BvR 618/24 Rn. 23).

2. Auch der Strafausspruch in den übrigen Fällen hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt und die Revision weisen zutreffend darauf hin, dass die strafschärfend gewerteten erheblichen Folgen der Aufdeckung der Taten (Mobbing in der Schule, psychische Belastungen im privaten Umfeld) dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres vollumfänglich angelastet werden können. Denn diese Folgen gingen ganz wesentlich auf die psychisch belastete und nicht sorgeberechtigte Mutter zurück. Diese hatte nach Aufdeckung der Taten neben Polizei und Jugendamt auch die von der Geschädigten besuchte Schule informiert und einen großen Adressatenkreis erreichend die Information über den Missbrauch ihrer Tochter durch den Angeklagten teilweise fehlerhaft und ohne Rücksicht auf die sich hieraus ergebenden Folgen für die Tochter verbreitet. Dieses Vorgehen der Mutter hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Mitschülern, Lehrern und anderen unbeteiligten Anwohnern des Heimatorts der Geschädigten pauschal Kenntnis von den in Rede stehenden Vorwürfen erhielten, so dass die Geschädigte in allen Bereichen ihres Alltags mit den um sie kursierenden Gerüchten und Erzählungen konfrontiert wurde; hinzu kamen Ausgrenzung, Stigmatisierung und Mobbing bis hin zu körperlichen Übergriffen.

Zwar ist es nicht ausgeschlossen, auch solche Folgen straferschwerend zu berücksichtigen. Voraussetzung ist aber, dass sie für den Angeklagten zumindest vorhersehbar waren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - 5 StR 637/18; Beschluss vom 29. November 2017 - 5 StR 335/17). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt; es versteht sich angesichts der ungewöhnlichen Umstände auch nicht von selbst. Der gesamte Strafausspruch beruht auf den dargelegten Mängeln (vgl. zudem weitergehend die Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

3. Die Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 166

Bearbeiter: Christian Becker