hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1606

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 324/24, Beschluss v. 25.09.2024, HRRS 2024 Nr. 1606


BGH 5 StR 324/24 - Beschluss vom 25. September 2024 (LG Hamburg)

Korrektur des Schuldspruchs bei Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern.

§ 176 StGB

Entscheidungstenor

Das Verfahren wird hinsichtlich der Fälle II.21 bis II.26 der Urteilsgründe eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Februar 2024 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des Herstellens kinderpornographischer Schriften in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, hiervon in drei Fällen in weiterer Tateinheit mit sexuellem Übergriff, in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung sowie in einem Fall in weiterer Tateinheit mit dem Verbreiten kinderpornographischer Schriften.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen des Herstellens kinderpornographischer Schriften in dreizehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und in fünf Fällen in weiterer Tateinheit mit sexuellem Übergriff, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit versuchtem sexuellen Übergriff, in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung und in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften, ferner des versuchten Herstellens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen jeweils in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Kindern und in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit versuchtem sexuellen Übergriff sowie des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften in drei Fällen und des Sich-Verschaffens jugendpornographischer Schriften in drei Fällen. Es hat gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich der Fälle II.21 bis II.26 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Infolgedessen entfällt die Verurteilung wegen des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften in drei Fällen und des Sich-Verschaffens jugendpornographischer Schriften in drei Fällen, was zugleich den Wegfall der für die betroffenen sechs Fälle verhängten Einzelstrafen nach sich zieht.

2. Die aufgrund der weitergehenden Revision veranlasste Überprüfung des Urteils führt lediglich zu einer weiteren Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat sie keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; dies gilt entgegen der Revision auch für die Strafzumessung (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

a) Nach den Feststellungen zu den von der Einstellung nicht betroffenen Taten II.1 bis II.20 führte der Angeklagte im Februar und März 2019 über einen Messengerdienst einen Chatverkehr mit der seinerzeit elf Jahre alten Geschädigten T. Darin gab er sich als 17 Jahre alter Junge aus, spielte seine Liebe vor und lenkte das Gespräch auf sexuelle Inhalte. Seinem Plan entsprechend veranlasste der Angeklagte die Geschädigte im Verlauf der Beziehung in vielen Fällen, sich selbst bei sexuellen Handlungen zu fotografieren oder zu filmen und ihm entsprechende Bilddateien zu übersenden. Als sie nach einiger Zeit nicht mehr jedem Wunsch des Angeklagten Folge leisten wollte, erzwang der Angeklagte ihren Gehorsam durch die immer wieder erneuerte Drohung, bereits übersandte Dateien an der Schule der Geschädigten zu verbreiten oder ihren Eltern zu übermitteln.

Das Landgericht hat alle Taten rechtlich als - teils nur versuchtes - Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB (Fassung vom 13. April 2017) in mittelbarer Täterschaft beurteilt und zudem jeweils in Tateinheit stehend den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 StGB (Fassung vom 21. Januar 2015) als erfüllt angesehen, im Fall II.9 in Form eines Versuchs. In Fällen, in denen der Angeklagte eine Übersendung von Dateien durch eine Drohung erreichte, hat die Strafkammer tateinheitlich zudem einen sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB angenommen, soweit dabei explizit das Filmen einer an sich selbst durchgeführten Penetration verlangt wurde (Fälle II.10 und II.15) in der Form einer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB). Dabei hat das Landgericht für jeden Tag des Geschehens jeweils eine Tat im materiellrechtlichen Sinn angenommen und hat entsprechend dem an 20 Tagen durchgeführten Chatverkehr 20 in Tatmehrheit stehende Taten gebildet.

b) Der Schuldspruch bedarf der Korrektur, weil die konkurrenzrechtliche Einordnung des Landgerichts Rechtsfehler aufweist. Es hat außer Betracht gelassen, dass der Angeklagte an vielen Tagen mit neuen Chatnachrichten lediglich bislang unerfüllte Aufforderungen weiterverfolgt und dazu bereits angebrachte Drohungen wiederholt und bekräftigt hat. Entsprechend hat schon der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass die Fälle II.11 und II.12, die Fälle II.13 bis II.17 sowie die Fälle II.18 und II.19 jeweils ein einheitliches Geschehen und folglich nur eine Tat bilden. Darüber hinausgehend sieht der Senat auch die Fälle II.2 bis II.4 sowie die Taten II.9 und II.10, in denen jeweils ein schon zu Beginn vom Angeklagten geäußertes Verlangen auf Übersendung eines Videos im weiteren Verlauf des Geschehens erfüllt wird, als je nur eine Tat an. Ebenso erweist sich das Handeln des Angeklagten in den Fällen II.13 bis II.17 als bloße Fortsetzung seines schon mit den Fällen II.11 und II.12 begonnenen Bestrebens, die Geschädigte zur Übersendung eines „langen Videos“ zu zwingen, so dass auch diese Fälle insgesamt nur eine Tat bilden.

c) Der Angeklagte ist damit insgesamt schuldig des Herstellens kinderpornographischer Schriften in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, hiervon in drei Fällen in weiterer Tateinheit mit sexuellem Übergriff, in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung sowie in einem Fall in weiterer Tateinheit mit dem Verbreiten kinderpornographischer Schriften.

Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ändern. Die Regelung des § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Die Änderung des Schuldspruchs führt bei den nunmehr zusammengeführten Taten jeweils zum Wegfall überzähliger Einzelstrafen und zur Festsetzung einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Es entfallen die für die Fälle II.2, II.3, II.9, II.11 bis II.14, II.16, II.17 und II.19 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle II.2 bis II.4 die für Fall II.4 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II.9 und II.10 die für Fall II.10 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II.11 bis II.17 die für Fall II.15 verhängte Strafe sowie für dasjenige der Fälle II.18 und II.19 die für Fall II.18 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest. In allen Fällen ist auszuschließen, dass das Landgericht für die Geschehnisse bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung niedrigere Einzelstrafen bestimmt hätte.

3. Der Ausspruch zur Gesamtstrafe wird weder durch die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO noch durch den Wegfall der genannten Einzelstrafen berührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Strafen - unter anderem zwei Einsatzstrafen von je zwei Jahren und drei Monaten sowie weitere vier Strafen von über einem Jahr - ausschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls von Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei wie hier unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 91/20 Rn. 9 mwN).

4. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision erscheint es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1606

Bearbeiter: Christian Becker