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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1223

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 280/24, Beschluss v. 04.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1223


BGH 5 StR 280/24 - Beschluss vom 4. Juli 2024 (LG Kiel)

Anstiftung und versuchte Anstiftung (Bestimmen, Konkretisierung der Haupttat).

§ 26 StGB; § 30 Abs. 1 S. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Unter Bestimmen im Sinne des § 26 StGB ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. Die Willensbeeinflussung muss nicht die alleinige Ursache für das Verhalten des anderen sein, vielmehr genügt bloße Mitursächlichkeit. Nichts anderes gilt für das (versuchte) Bestimmen im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB.

2. Die Haupttat einer (ggf. versuchten) Anstiftung ist hinreichend bestimmt, wenn Tatopfer und Tatobjekte individualisiert und dem Angestifteten m die erforderlichen Informationen für eine erfolgreiche Tatausführung gegeben werden. Dass die näheren Einzelheiten der Tatausführung und der (genaue) Zeitpunkt der Tatbegehung dem Angestifteten überlassen bleiben, steht dem nicht entgegen. Ebenso wenig wird die hinreichende Konkretisierung dadurch infrage gestellt, dass mehrere Begehungsmöglichkeiten (hier: Wegnahme von Tatbeute mit oder ohne Gewalt gegen die Tatopfer) ins Auge gefasst werden.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 23. November 2023 werden verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Anstiftung zum Wohnungseinbruchdiebstahl in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum Raub zu Freiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt, von denen es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung jeweils drei Monate für vollstreckt erklärt hat. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Einzig der Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum Raub (§ 249 Abs. 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB) bedarf der Erörterung.

1. Das Landgericht hat den Schuldspruch auf folgende Feststellungen gestützt:

Die Angeklagten suchten nach jemanden, der für sie in das Wohnhaus der Eltern der Angeklagten B. -R. einbrechen und - nötigenfalls unter Anwendung von Gewalt - Bargeld sowie Schmuck entwenden sollte. Im März 2020 trafen sie sich mit dem gesondert Verurteilten S., einem vorbestraften Einbrecher, und einem unbekannten Dritten. Sie erläuterten ihnen, dass in dem Haus - neben hochwertigem Schmuck - Bargeld in Höhe von insgesamt 500.000 Euro versteckt sei. S. und sein unbekannter Mitstreiter sollten in das Haus einbrechen, den Schmuck und das Bargeld entwenden, das Geld bei den Angeklagten abliefern und als Lohn die Hälfte der Beute erhalten. Die Angeklagten teilten ihnen die Adresse des Wohnhauses mit und beschrieben die Geldverstecke sowie den Verwahrungsort der Schmuckgegenstände. Ihnen war klar, dass die Tatopfer bei der Tat wahrscheinlich im Haus angetroffen und in diesem Fall von den Einbrechern verletzt werden würden. Um deutlich zu machen, dass sie keine Einwände hiergegen hatten, und um eventuelle Hemmschwellen bei den beiden als Täter vorgesehenen Männern abzubauen, äußerten sie, dass es nichts ausmache, wenn die in dem Haus wohnenden Eheleute bei dem Einbruch die Treppe hinunterfielen. Einzelheiten der Tatausführung wurden nicht besprochen.

Nachdem S. das Tatobjekt ausgekundschaftet und sich mittels eigens hierfür installierter Überwachungskameras ein Bild von den Geschädigten und deren Gewohnheiten gemacht hatte, brach er am 6. Juni 2020 mit einem Tatgenossen über den Wintergarten in das Haus ein und entwendete im Kellerbereich insgesamt 120.000 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von etwa 10.000 Euro, wobei sie auch einen Revolver mit Munition entdeckten. Das von seinem Hund geweckte Ehepaar nahm Geräusche aus dem Keller wahr und ging daher hinunter. S. und sein Mittäter verließen alsdann gegen 2.30 Uhr das Haus mit der Beute. Die Eheleute alarmierten um 2.30 Uhr die Polizei, der gegenüber sie den Verdacht der Täterschaft auf die Angeklagten lenkten. Deren Wohnhaus wurde daraufhin noch am Tattag durchsucht, die Beute indes nicht aufgefunden. Im weiteren gab es keinen Kontakt zwischen den Einbrechern und den Angeklagten.

Aus Sicht des gesondert Verurteilten S. war mit dem Einbruch „der Job noch nicht vollendet“; er wollte ihn vielmehr „fertig machen“ und das restliche Geld aus dem Haus holen. Aufgrund der Erfahrungen bei dem Einbruch hielt er hierfür ein gewalttätiges Vorgehen für unumgänglich und engagierte deshalb den gesondert Verurteilten E., einen gewalterfahrenen Räuber. Sie planten, die Eheleute maskiert zu überwältigen, wenn diese am frühen Morgen ihren Hund in den Garten lassen würden, und anschließend im Haus nach Bargeld zu suchen. Sie legten sich in Vorbereitung der Tat am 5. September 2020 im Garten auf die Lauer. Sie wurden aufgrund der wegen des früheren Einbruchs im Juni 2020 angebrachten Überwachungskameras entdeckt und festgenommen.

2. Auf Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen begegnet der Schuldspruch keinen rechtlichen Bedenken. Denn die Angeklagten haben den gesondert Verurteilten S. nicht nur vorsätzlich zu dem Verbrechen des geglückten Wohnungseinbruchdiebstahls (§ 244 Abs. 4, § 26 StGB) im Juni 2020, sondern auch zu dem des gescheiterten Raubes (§ 249 Abs. 1, § 30 Abs. 1 StGB) im September 2020 bestimmt.

a) Unter Bestimmen im Sinne des § 26 StGB ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. Die Willensbeeinflussung muss nicht die alleinige Ursache für das Verhalten des anderen sein, vielmehr genügt bloße Mitursächlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374). Nichts anderes gilt für das (versuchte) Bestimmen im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2022 − 2 StR 489/21, NStZ 2023, 49, 50; MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., StGB § 30 Rn. 30). Danach haben die Angeklagten auch bezogen auf den im Vorbereitungsstadium steckengebliebenen Raub das Tatbestandsmerkmal des Bestimmens verwirklicht. Insbesondere war ihr Gespräch mit dem gesondert Verurteilten S. im März 2020 auch (noch) für dessen Entschluss für die Begehung dieser Tat jedenfalls mitursächlich. Denn S. entschloss sich nicht von der Einflussnahme der Angeklagten losgelöst zu dem Raub, sondern, weil er den aus seiner Sicht noch nicht vollendeten „Job“, den er gerade aufgrund der Einwirkung der Angeklagten - um im Bild zu bleiben - übernommen hatte, „fertig machen“ und das restliche Geld aus der Wohnung entwenden wollte.

b) Die Haupttat war auch hinreichend bestimmt. Tatopfer und Tatobjekte waren individualisiert. Die Angeklagten hatten dem gesondert Verfolgten S. zudem die erforderlichen Informationen für eine erfolgreiche Tatausführung gegeben. Die Tat war damit so weit konkretisiert, dass er sie hätte begehen können, wenn er nicht im Garten der präsumtiven Tatopfer festgenommen worden wäre. Dass die näheren Einzelheiten der Tatausführung und der (genaue) Zeitpunkt der Tatbegehung dem Angestifteten überlassen blieben, steht dem nicht entgegen (BGH, Urteile vom 14. Juni 2005 - 1 StR 503/04, BGHSt 50, 142, 145; BGH, vom 29. November 2023 - 6 StR 179/23, NJW 2024, 369, 370). Ebenso wenig wird dies dadurch infrage gestellt, dass mehrere Begehungsmöglichkeiten (Wegnahme mit oder ohne Gewalt gegen die Tatopfer) ins Auge gefasst wurden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1958 - 2 StR 500/58, BGHSt 12, 306, 308; Beschluss vom 23. April 1998 - 4 StR 150/98, NStZ 1998, 510).

c) Die Angeklagten handelten auch bezogen auf die Haupttat vorsätzlich. Insbesondere war von ihrem Vorsatz umfasst, dass S. und sein Tatgenosse nötigenfalls Gewalt zur Entwendung des Geldes und des Schmuckes anwenden sollten. Denn nach den Urteilsfeststellungen erklärten sie bei dem (Anstiftungs-) Gespräch im März 2020 ihm gegenüber ausdrücklich, dass sie keine Einwände hiergegen hatten, wobei diese Äußerung auch dem Zweck diente, etwaige Hemmschwellen der präsumtiven Täter vor dem Einsatz von Gewalt abzubauen.

Das Vorliegen der inneren Tatseite wird schließlich nicht dadurch infrage gestellt, dass der angestiftete S. den „Job“ angesichts der beim Wohnungseinbruch aufgetretenen Schwierigkeiten erst mit einigem zeitlichen Abstand mit dem geplanten Raub in einem zweiten Schritt vollenden wollte. Es handelt sich lediglich um eine unwesentliche Abweichung von der Vorstellung der Angeklagten vom Geschehensablauf. Die Angeklagten haben S. bei dem (Anstiftungs-)Gespräch im März 2020 ausdrücklich dazu bestimmt, die Tat nötigenfalls mit Gewalt gegen die Tatopfer zum Erfolg zu bringen. Er hat sich mit dem geplanten Raub in dem durch die Anstiftung der Angeklagten vorgezeichneten Rahmen gehalten. Die Dimension des Unrechts wich nicht vom Vorsatz der Angeklagten ab; ein Exzess des Angestifteten lag nicht vor.

d) Angesichts dessen sind die Angeklagten als Anstifter auch für diese - letztlich gescheiterte - Tat und das hierdurch verwirklichte Unrecht verantwortlich zu machen (vgl. LKStGB/Schünemann/Greco, 13. Aufl., § 26 Rn. 83 ff.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 26 Rn. 10, 14 ff.; SSWStGB/Murmann, 6. Aufl., § 26 Rn. 17 ff.). Denn umfasst die Vorstellung des Anstifters die Möglichkeit, dass der Angestiftete zur Erreichung des Ziels gegen mehrere Strafgesetze verletzt, so fällt ihm das von diesem verwirklichte Unrecht voll zur Last, was seinen Niederschlag im Schuldspruch finden muss. Ob der Angestiftete „gleichzeitig“ gegen mehrere Strafgesetze verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 1996 - 1 StR 509/96, NStZ 1997, 281) oder schrittweise, ist hinsichtlich der Wertung des Unrechtsgehalts ohne Belang (vgl. zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 1983 - 5 StR 254/83; vom 4. Juli 2000 - 5 StR 251/00, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 33).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1223

Bearbeiter: Christian Becker