HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 745
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 489/21, Beschluss v. 20.01.2022, HRRS 2022 Nr. 745
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. August 2021
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der versuchten Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, auch soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Zeuge M. wollte heiraten und eine Wohnung anmieten; außerdem wollte er eine Reise nach I. unternehmen. Für all dies hatte er nicht genügend Geld, weil er nur halbtags beschäftigt war und eine erwünschte Vollzeitbeschäftigung noch ausstand. Ein Arbeitskollege stellte daher einen Kontakt des Zeugen M. mit dem Angeklagten her, der dafür bekannt war, dass er iranischen Landsleuten Geld zu leihen pflegte. M. wusste aber auch, dass der Angeklagte mit Opium Handel trieb. Der Angeklagte stellte M. 700 Euro für eine Mietkaution zur Verfügung und versprach, ihm die geplante Reise nach I. zu finanzieren; das Geld sollte M. nicht zurückzahlen. Später übergab der Angeklagte dem Zeugen M. Flugtickets für eine Hinreise von F. nach I. und für einen Rückflug von I. nach W. Dazu erklärte er, dass er keine andere Verbindung für den Rückflug habe buchen können; von W. aus müsse M. mit dem Zug zurückfahren.
Als der Zeuge M. in I. war, rief ihn der Angeklagte an und bat ihn darum, einen dort von seiner Familie zurückgelassenen Koffer mit nach F. zu bringen. M. erklärte sich dazu bereit. Kurz nach diesem Telefonat erschien ein unbekannter Mann und übergab M. einen Koffer sowie 200 Euro für die Bahnfahrt von W. nach F. am M. Weil M. das Gewicht des Koffers ungewöhnlich hoch vorkam, untersuchte er diesen und fand ein Geheimfach mit Opium. Er rief den Angeklagten an und erklärte, dass er Bedenken habe, den Koffer zu transportieren. Der Angeklagte beruhigte ihn. Schließlich war M. zum Transport des Koffers mit dem Opium nach Deutschland bereit, weil er sich in der Schuld des Angeklagten wähnte.
Bei der Rückreise wurde M. am 5. März 2019 auf dem Flughafen W. von der ö. Polizei festgenommen. Der Koffer mit den Drogen wurde sichergestellt. Er enthielt 8.949,9 g Rauchopium mit einem Wirkstoffgehalt von 608 g Morphin, ferner 199,1 g Codein. Das Opium war vom Angeklagten zur Einfuhr nach Deutschland und zum anschließenden gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.
Nach der Festnahme zeigte sich M. gegenüber der ö. Polizei kooperativ. Er wurde während seiner dortigen Vernehmung vom Angeklagten angerufen. Um diesen Hintermann des Drogentransports festzustellen, übergaben die Polizeibeamten dem Zeugen M. das sichergestellte Mobiltelefon. In Absprache mit den Beamten teilte M. dem Angeklagten mit, er befinde sich auf dem Weg zum Bahnhof in W., um von dort die Weiterfahrt nach Deutschland anzutreten. Der Angeklagte zeigte sich daraufhin erleichtert.
2. Die Strafkammer ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass versuchte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgelegen habe.
Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs einschließlich der Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB.
1. Der Schuldspruch wegen tateinheitlich versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtsfehlerhaft.
Der Versuch der Einfuhr von Betäubungsmitteln beginnt frühestens mit Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen und das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2003 - 4 StR 108/03, NStZ 2004, 110). Das unmittelbare Ansetzen unterscheidet sich von Fall zu Fall einerseits nach der Art des Transportmittels und andererseits nach der Frage, ob der Täter eigenhändig oder mittels eines anderen handelt. Auch wenn der Erwerber der Drogen einen Kurier angeworben und den Transport organisiert hat und dieser bei einer Zwischenlandung im Ausland festgenommen und die Betäubungsmittel vor dem Umladen in ein anderes Transportmittel nach Deutschland sichergestellt werden, fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen des Erwerbers zur Einfuhr (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 2 StR 4/07, NStZ 2008, 41; BeckOK-BtMG/Wettley, 13. Ed., BtMG § 29 Rn. 183).
b) Jedoch liegt nach den Feststellungen eine versuchte Anstiftung des Zeugen M. durch den Angeklagten zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB vor.
aa) Bereits der Versuch einer Beteiligung ist nach Maßgabe des § 30 StGB strafbar, weil die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein Verbrechen ist (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 12 Abs. 1 StGB).
(1) Bei der transportierten Menge von 8.949,9 g Opium mit einem Wirkstoffgehalt von 608 g Morphin handelt es sich um eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln. Die Annahme des Landgerichts, eine nicht geringe Menge an Rauchopium liege ab einem Morphingehalt von 16 g vor, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2011 - 3 StR 380/11, BeckRS 2011, 27883; Urteil vom 8. November 2016 - 1 StR 492/15, NStZ-RR 2017, 45 f.).
(2) Diese Betäubungsmittel sollten aus der T. über Ö. nach Deutschland verbracht werden. Der Zeuge M. sollte diese Einfuhr als eigenhändig handelnder Täter bewirken.
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt damit keine Verabredung zur Begehung des Verbrechens gemäß § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB vor.
(1) Dieser Tatbestand setzt die Willensübereinstimmung von mindestens zwei Personen voraus, welche die in Aussicht genommene Tat als Mittäter ausführen wollen; das Versprechen einer Beihilfe genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 - 3 StR 437/81, NStZ 1982, 244; Beschluss vom 10. Dezember 1987 - 1 StR 623/87, BeckRS 1987, 31088793; Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16, BGHSt 62,96, 98; NK-StGB/Zaczyk, 5. Aufl., § 30 Rn. 55). Eine gemeinschaftliche Begehung der Einfuhr war hier aber nicht Gegenstand der Abrede zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M..
(2) Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst ins Inland verbringt. Dann müssen aber die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln auch des Hintermanns nach den Grundsätzen des § 25 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18, NStZ 2019, 416, 417). Voraussetzung für eine mittäterschaftliche Einfuhr ist daher ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der gemeinsamen Tätigkeit darstellt und der die Handlungen des anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - 4 StR 591/18, BeckRS 2019, 10097). Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich.
Von Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung und Planung der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu. Entscheidender Bezugspunkt bei allen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 1 StR 309/20, BeckRS 2020, 34012). Das bloße Veranlassen einer Beschaffungsfahrt ohne besonderen Einfluss auf deren Durchführung genügt daher regelmäßig nicht für die Annahme von Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, StV 2015, 632; Beschluss vom 23. November 2020 - 3 StR 380/20, BeckRS 2020, 37581). Jedenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung hat das Interesse am Gelingen des Einfuhrvorgangs; vielmehr ist die Tatherrschaft bei der eigentlichen Einfuhrhandlung oder der Wille von zentraler Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 3 StR 137/14, StV 2015, 633; Beschluss vom 2. Juni 2016 - 1 StR 161/16, StV 2017, 285; Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 1 StR 309/20, BeckRS 2020, 34012). Mittäterschaft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln begründet auch nicht notwendig auch Mittäterschaft bei deren Einfuhr.
(3) Nach diesem Maßstab sollte der Angeklagte kein Mittäter der Einfuhr sein; denn er hatte keine Tatherrschaft über die Einfuhr des Opiums durch den Zeugen M. ; dieser konnte Zeit und Ort des Grenzübertritts nach Deutschland allein bestimmen. Seine nach der eigenen Festnahme erfolgte telefonische Mitteilung an den Angeklagten, er befinde sich auf dem Weg zum Bahnhof in W., unterstreicht dies.
(4) War daher keine gemeinschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten und den Zeugen M. geplant, greift § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB nicht ein.
cc) Jedoch ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass der Tatbestand der versuchten Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a BtMG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllt wurde.
(1) Um dem Anstiftungsversuch strafrechtlichen Gehalt beilegen zu können, ist erforderlich, dass der Handelnde im präsumtiven Täter wenigstens den Entschluss zur Tat hervorruft. Das ist hier geschehen; denn der Angeklagte hat den Zeugen M. zur Einfuhr des Opiums überredet. Das genügt für einen Anstiftungsversuch bei Ausbleiben der Tat.
(2) Aus welchen Gründen die Tat unterbleibt, ist ohne Bedeutung (vgl. Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 30 Rn. 20). Das Spektrum der Möglichkeiten einer versuchten Anstiftung zur Begehung eines Verbrechens reicht von der misslungenen Anstiftung, bei welcher der Aufgeforderte das Ansinnen zurückweist, über eine solche, bei welcher der Adressat bereits zur Tatbegehung entschlossen ist, bis hin zu dem Fall, dass der Angestiftete nach dem Wecken des Tatentschlusses im Vorfeld des Versuchs an widrigen Umständen scheitert (vgl. Matt/Renzikowski/Heger/Petzsche, StGB, 2. Aufl., § 30 Rn. 11; MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, StGB, 4. Aufl., § 30 Rn. 27; Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 4). Letzteres war hier der Fall, weil der Zeuge M. auf der Rückreise von I. nach F. am M. von der ö. Polizei am Flughafen in W. festgenommen wurde, bevor er die Weiterfahrt mit dem Zug nach F. am M. antreten konnte.
dd) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht besser als geschehen hätte verteidigen können.
c) Die Verurteilung wegen tateinheitlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtlich unbedenklich und kann bestehen bleiben.
2. Der Strafausspruch entfällt mit Änderung des Schuldspruchs, obwohl der Strafrahmen nach dem bisherigen Schuldspruch vom Landgericht durch Anwendung von § 30 Abs. 1 BtMG i.V.m. § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu niedrig angesetzt wurde, weil derjenige des tateinheitlich verwirklichten § 29a Abs. 1 BtMG höher ist. Das Landgericht hat strafmildernd bewertet, dass hinsichtlich der Einfuhr nur ein Versuch vorgelegen habe. Diese Strafzumessungserwägung wäre aber wegen Erreichens nur der Vorbereitungsstufe der Einfuhr im Sinne von § 30 Abs. 1 StGB weiter zu relativieren. Daher erscheint es - auch angesichts der maßvollen Strafe - nicht ausgeschlossen, dass das Landgericht bei richtiger rechtlicher Bewertung zu einer noch milderen Strafe gelangt wäre.
3. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist rechtsfehlerhaft.
a) Das Landgericht hat zwar angenommen, der Angeklagte habe einen Hang zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß. Für eine schwere Opiumintoxikation mit erheblichen Rauschzuständen zur Tatzeit hätten sich aber keine Anzeichen gefunden. Es habe auch keine kausale Beziehung zwischen dem „Hang“ und der Tat bestanden, da diese „auf einer primär monetären Antriebskomponente“ beruht habe. Zudem würde eine Therapie nicht die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten des Angeklagten reduzieren. Schließlich sei wegen fehlender Deutschkenntnisse des Angeklagten nicht von der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auszugehen.
b) Das trägt nicht. Die Ausführungen zum Hang sind widersprüchlich, diejenigen zum Symptomzusammenhang sowie zur Gefährlichkeit nicht nachzuvollziehen. Allein der knappe Hinweis auf die „fehlenden Sprachkenntnisse“ ermöglicht dem Senat nicht die Nachprüfung, ob die von § 64 StGB geforderte Erfolgsaussicht tragfähig verneint wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2018 28 29 - 1 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 273, 274; Senat, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 2 StR 91/21, NStZ-RR 2022, 10 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 745
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß