HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1392
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 257/23, Urteil v. 26.10.2023, HRRS 2023 Nr. 1392
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. September 2022 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit Ausnahme der Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Während die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge Erfolg hat, ist die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stand der vielfach vorbestrafte, auch hafterfahrene und zur Tatzeit unter Bewährung stehende Angeklagte in Kontakt zu konspirativ agierenden und arbeitsteilig vorgehenden Gruppen überwiegend aus Chile stammender Personen, die ab August 2019 nach B. kamen, um Wohnungseinbrüche zu begehen. Weil diesen die örtlichen Verhältnisse in B. unbekannt waren, kümmerte sich der Angeklagte in Kenntnis der Einbruchspläne um die Logistik und Infrastruktur vor Ort, beschaffte Wohnungen und Fahrzeuge und organisierte bisweilen den Absatz des Stehlguts. Ohne sein Zutun wäre es den von außen anreisenden Gruppenmitgliedern nicht möglich gewesen, die Einbrüche zu begehen, bei denen der Angeklagte nicht zugegen war.
Zwischen dem 7. August und dem 4. November 2019 wurden unter Beteiligung des Angeklagten folgende Taten begangen, die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind:
Fall 1 der Anklageschrift: Am 7. August 2019 kam es durch eine Tätergruppierung zu zwei versuchten Einbruchdiebstählen in B. Nach der Festnahme der fünf Personen kontaktierte einer von ihnen den Angeklagten und bat ihn, ihr Hotelzimmer auszuräumen und alle Gegenstände in einen vor dem Hotel abgestellten PKW mit schwedischem Kennzeichen zu bringen. Bei der Umsetzung dieser Tätigkeit wurde der Angeklagte von der Polizei beobachtet.
Fall 2 der Anklageschrift: Am 14. August 2019 beging eine andere, aus drei Personen bestehende Gruppe einen Einbruchdiebstahl in ein Wohnhaus in B. -R., wobei Schmuck und Bargeld entwendet wurden. Bei einer Observation wurde der Angeklagte bei einem Kontakt mit einem der Einbrecher beobachtet; beide und weitere unbekannte Männer fuhren mit einem auf die Verlobte des Angeklagten zugelassenen BMW fort. Vor diesem Hintergrund begannen Ende 2019 Ermittlungen gegen den Angeklagten; sein Telefon wurde überwacht und an dem BMW wurde ein GPS-Sender befestigt.
Fall 3 der Anklageschrift: Eine weitere Gruppierung von mindestens drei Personen brachte der Angeklagte Anfang September 2019 in einer Wohnung in B. -W. unter. In der Folgezeit fuhr er diese Wohnung fast täglich mit dem BMW an, holte Gruppenmitglieder ab und fuhr mit ihnen durch B. Unter Beteiligung der Tätergruppierung kam es am 19. September 2019 zu einem Wohnungseinbruchdiebstahl in B. -Z., bei dem die Täter einen vom Angeklagten kurz zuvor erworbenen und mit einem Dublettenkennzeichen versehenen PKW nutzten. Nach der Festnahme der Einbrecher kontaktierte der Angeklagte einen Rechtsanwalt, um ihre Verteidigung zu organisieren.
Fall 4 der Anklageschrift: Eine weitere aus mindestens drei Personen bestehende, aus A. anreisende Gruppe holte der Angeklagte am 18. Oktober 2019 am Busbahnhof ab und fuhr sie in eine Wohnung, die er besorgt hatte. Diese Wohnung fuhr der Angeklagte regelmäßig an. Unter Beteiligung der Gruppe kam es am 22. Oktober 2019 zunächst zu einem Einbruchsversuch in einem Mehrfamilienhaus in B. -M., der nach Auslösung eines akustischen Alarms bei Aufhebeln einer Balkontür abgebrochen wurde.
Fall 5 der Anklageschrift: Unmittelbar nach der gescheiterten Tat brach die Gruppierung in unmittelbarer Nähe in eine andere Wohnung ein, aus der sie drei Kameras, eine Uhr und zwei MacBooks entwendete. Noch am selben Abend kontaktierte einer der Täter den Angeklagten und sandte ihm Bildaufnahmen der drei Kameras; ein anderer Täter erörterte mit dem Angeklagten den Absatz der Kameras.
Fall 6 der Anklageschrift: Einen Tag später beging die Tätergruppierung einen Einbruch in B. -M., wobei zwei Mitglieder noch am Tatort festgenommen wurden. Dem Dritten, M. L., gelang die Flucht. Er kontaktierte den Angeklagten, der ihn zu einem Treffpunkt lotste, und räumte mit ihm gemeinsam die Wohnung der Gruppe leer. Der Angeklagte brachte ihn in einer anderen von ihm beschafften Wohnung unter, die eine andere Gruppe bewohnte, der sich M. L. anschloss.
Am 23. Oktober 2019 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen leichtfertiger Geldwäsche in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit lief ab dem 31. Oktober 2019 (Rechtskraft). Gegenstand der Verurteilung waren drei Überweisungen des Angeklagten in Höhe von insgesamt 9.500 Euro über die W. U. R. an Familienmitglieder eines im damaligen Verfahren gesondert Verfolgten Salinas, wobei die Gelder aus Einbruchstaten des gesondert Verfolgten stammten.
Fall 7 der Anklageschrift: Nachdem M. L. aus seiner neuen Gruppe ausgeschlossen worden war, zog er durch Vermittlung des Angeklagten am 1. November 2019 in eine von einer weiteren Gruppe bewohnte Wohnung. Diese Gruppe beging unter Beteiligung des M. L. am 4. November 2019 einen Einbruchdiebstahl in einem B. er Wohnhaus, wobei mittels eines gefundenen Fahrzeugschlüssels auch ein VW T6 entwendet wurde. Mit einem der Mitglieder der Gruppe suchte der Angeklagte am nächsten Tag ein baugleiches Fahrzeug, das sie schließlich auch fanden. Am folgenden Tag - nach der Festnahme des Angeklagten - flüchteten die Mitglieder der Gruppe mit dem entwendeten PKW nach L., wo sie zwölf Tage später wegen dortiger Einbruchstaten festgenommen wurden.
Dem Schuldspruch liegt folgende Tat zugrunde: Am 29. Oktober 2019 reiste eine Tätergruppierung um die gesondert Verurteilten P. P., P. B. und V. S. nach Deutschland ein. Der Angeklagte holte sie vom Flughafen B. -T. ab und fuhr sie in eine von ihm beschaffte Wohnung in der P. Straße in B. -W. Die nächsten acht Tage fuhr der Angeklagte die Wohnung regelmäßig an und traf sich mit einzelnen Gruppenmitgliedern. Mit V. S. suchte er eine auf weltweite Geldüberweisungen spezialisierte Bankfiliale auf, wo V. S. 4.000 Euro auf ein spanisches Konto überwies.
Am 6. November 2019 fuhren die drei genannten Gruppenmitglieder mit einem vom Angeklagten erworbenen und mit Dublettenkennzeichen versehenen Opel Astra nach Z. Während einer im Fahrzeug wartete, hebelten die anderen zwei das Fenster eines Wohnhauses auf und entwendeten aus dem Haus eine Uhr, eine goldene Kette, eine Taschenlampe und einen Schraubendreher. Unmittelbar anschließend begaben sie sich zu einem anderen Wohnhaus, hebelten dort das Badezimmerfenster auf und entwendeten dort Schmuck und Wertgegenstände im Wert von etwa 500 Euro. Zurück in B. kontaktierte einer von ihnen den Angeklagten zwecks Vereinbarung eines Abholortes. Der Angeklagte holte sie mit dem BMW ab und brachte sie zur Wohnung. Als er später zurückkam und gemeinsam mit den Einbrechern das Diebesgut sichtete, wurde er mit den anderen festgenommen. Die Beute konnte sichergestellt und zurückgegeben werden.
2. Ihre Überzeugung von den Tatbeiträgen des bestreitenden Angeklagten hat die Strafkammer insbesondere auf die Angaben von Polizeibeamten, auch über Observationsergebnisse, auf die Auswertung von GPS- und Kommunikationsdaten sowie auf zahlreiche Sprach- und Bildnachrichten aus beschlagnahmten Mobiltelefonen gestützt.
3. In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht eine Tat des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB angenommen, den Angeklagten trotz Abwesenheit vom Tatort aufgrund seiner wesentlichen Tatbeiträge als Mittäter der in Z. verübten Einbruchstaten angesehen und aufgrund seiner einheitlich beide Einbrüche fördernden Handlungen Tateinheit im Sinne von § 52 StGB angenommen. Eine Einziehung des vom Angeklagten genutzten BMW hat die Strafkammer abgelehnt, weil sie nicht sicher habe feststellen können, dass der Angeklagte Eigentümer des PKW sei, als dessen Halterin die Verlobte des Angeklagten eingetragen ist.
Die mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie das Unterbleiben einer tateinheitlichen Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls nach § 244a Abs. 1 StGB und einer Einziehung des BMW rügt, hat überwiegend Erfolg.
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer entgegen ihrer Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht geprüft hat, ob die Tat des Angeklagten - wie angeklagt - tateinheitlich auch als schwerer Bandendiebstahl nach § 244a Abs. 1 StGB strafbar ist (vgl. zum Konkurrenzverhältnis zu § 244 Abs. 4 StGB BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 - 3 StR 529/19, StV 2020, 661 f.).
a) Insoweit gilt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - 2 StR 353/18 mwN): Wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds einen Diebstahl der in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Art begeht. Eine Bande in diesem Sinne setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen voraus, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Diebstähle zu begehen. Nicht erforderlich ist die gegenseitige verbindliche Verpflichtung zur Begehung bestimmter Delikte; es genügt vielmehr auch die Übereinkunft, in Zukunft sich ergebende günstige Gelegenheiten zu gemeinsamer Tatbegehung zu nutzen. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der Bandenabrede. Sie setzt den Willen voraus, sich mit anderen zu verbinden, um künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Sie bedarf keiner ausdrücklichen Vereinbarung; die Bandenabrede kann auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Das Vorliegen einer Bandenabrede kann daher auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden.
b) Die Ausführungen der Strafkammer zur mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten enthalten zahlreiche Hinweise für eine zumindest konkludente Bandenabrede jedenfalls mit den drei mit ihm am 6. November 2019 festgenommenen Einbrechern: seine tragende Rolle bei Abholung und Unterbringung seiner Mittäter, die ersichtlich nicht nur zur Begehung einer Einzeltat nach Deutschland eingereist sind; die regelmäßigen Besuche an ihrer Wohnanschrift; die Besorgung eines PKW mit Dublettenkennzeichen für die Tatbegehung; die Abholung nach der Begehung zweier Einbruchstaten; die gemeinsame Sichtung des Stehlguts; seine gleichartige Einbindung bei anderen zu Einbruchstaten einreisenden Gruppierungen. All dies hätte der Strafkammer Anlass sein müssen, die Frage einer bandenmäßigen Begehung zu prüfen. Weil ein schwerer Bandendiebstahl in Tateinheit mit dem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl stünde, muss der an sich rechtsfehlerfreie bisherige Schuldspruch auch aufgehoben werden.
2. Auch das Unterbleiben einer Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand. Zwar erweisen sich die Ausführungen der Staatsanwaltschaft zur Nichtberücksichtigung von urteilsfremden Ermittlungsergebnissen im Rahmen der Sachrüge als unbehelflich; eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, mangelt es aber an jeglicher Beweiswürdigung zur Frage, wer Eigentümer des vom Angeklagten genutzten PKW BMW ist. Mit der bloßen Ausführung, es habe sich nicht sicher feststellen lassen, dass der Angeklagte Eigentümer des PKW sei, durfte sich die Strafkammer vor dem Hintergrund der vielfachen Nutzung des Fahrzeugs durch den Angeklagten nicht begnügen. Die Sache bedarf deshalb auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
3. Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den ausgeführten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht entgegenstehen. Insoweit bleibt die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der ausdrücklich auch die Aufhebung von Feststellungen beantragt worden ist, erfolglos.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
a) Es bestehen bereits durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der in der Revisionsbegründungsschrift unter I. zusammengefassten Rügen, mit denen die „Verletzung von § 246 StPO, von § 268 Abs. 2 StPO sowie von Art. 101 Abs. 1 … GG“ beanstandet wird. Denn entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO trägt der Revisionsführer den zugehörigen Verfahrensstoff insgesamt als „Verfahrensgeschehen“ in einer Art und Weise vor, bei der unklar bleibt, welche Verfahrensvorgänge zur Grundlage welcher Verfahrensrüge gemacht werden sollen. Es ist aber nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einem solchen ungeordneten Vortrag diejenigen Verfahrenstatsachen herauszusuchen, die zu der jeweiligen Rüge passen; stattdessen wäre es Aufgabe des Revisionsführers gewesen, bezogen auf jede konkrete Rüge (lediglich) den insoweit relevanten Verfahrensstoff mitzuteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2022 - 5 StR 184/22, NStZ 2023, 127 mwN).
b) Darüber hinaus gibt der Vortrag Anlass zu folgenden Hinweisen:
aa) Soweit der Revisionsführer meint, das Urteil sei deshalb nicht wirksam im Sinne von § 268 StPO verkündet worden, weil der Verteidiger die Urteilsverkündung durch lautes Schreien übertönt habe, geht eine solche Rüge schon im Ansatz fehl. Verfahrensbeteiligte haben nur dann das Wort, wenn ihnen dies durch den Vorsitzenden erteilt wird, denn diesem obliegt die Verhandlungsführung (§ 238 Abs. 1 StPO; vgl. LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 238 Rn. 3). Die gesetzlich vorgeschriebene Verkündung des Urteils durch den Vorsitzenden nach Maßgabe von § 268 Abs. 2 StPO darf weder durch lautes Schreien gestört noch durch andere Maßnahmen Verfahrensbeteiligter behindert werden. Rechtswidrige Störungen des Verfahrensablaufs durch Verfahrensbeteiligte begründen keine Rechtsfehler des Gerichts, sondern legen bei darauf gestützten Verfahrensbeanstandungen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nahe (vgl. zur Behandlung von Verfahrensrügen, die auf rechtsmissbräuchliches Verhalten gestützt werden, auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 1 StR 411/05, NJW 2006, 708, 709). Einwände gegen die Verfahrensweise des Gerichts vor oder während der Urteilsverkündung müssen gegebenenfalls mit einem Rechtsmittel geltend gemacht werden, rechtfertigen aber nicht die Störung der Hauptverhandlung. Dass das Urteil ordnungsgemäß verkündet wurde, ergibt sich schließlich auch aus dem Protokoll (vgl. § 274 StPO).
bb) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 246 StPO wäre auch unbegründet, weil das Gericht zum Zeitpunkt der Antragstellung nach dem Revisionsvortrag bereits mit der Urteilsverkündung begonnen hatte und ab diesem Zeitpunkt Beweisanträge nicht mehr entgegengenommen werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 1985 - 5 StR 217/85, StV 1985, 398; Urteil vom 19. November 1985 - 1 StR 496/85, NStZ 1986, 182). Die Urteilsverkündung beginnt entgegen der Auffassung der Revision nicht erst mit der Verlesung des Urteilstenors, sondern bereits mit den ersten Worten der Eingangsformel „Im Namen des Volkes“, mit der alle Urteile verkündet werden (vgl. § 268 Abs. 1 StPO). Die Verkündung im Sinne von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO bildet mit dem Eingangssatz des § 268 Abs. 1 StPO einen einheitlichen zusammenhängenden Verfahrensvorgang (vgl. HKStPO/Beckemper, 7. Aufl., § 268 Rn. 4), in dessen Durchführung Verfahrensbeteiligte nach seinem Beginn nicht mehr einzugreifen befugt sind (vgl. RGSt 57, 142, 143).
Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Vorsitzende habe durch die Art und Weise der Urteilsverkündung die Stellung angekündigter Beweisanträge „vereitelt“, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Denn dass der Verteidiger konkret die Stellung weiterer Beweisanträge für den Tag der Urteilsverkündung angekündigt hätte, lässt sich dem Vortrag nicht widerspruchsfrei entnehmen. Einerseits will er eine solche Ankündigung gemacht haben, andererseits trägt er vor, er habe vorgehabt, die Stellung von Beweisanträgen nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Befangenheitsanträge anzukündigen (Revisionsbegründung S. 2). Der bloße Widerspruch gegen die Schließung der Beweisaufnahme reicht insoweit nicht, es bedarf vielmehr der konkreten Ankündigung bestimmter weiterer Beweisanträge.
cc) Die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO ist auch deshalb unzulässig, weil - entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO - zahlreiche in den Befangenheitsgesuchen und den dienstlichen Stellungnahmen in Bezug genommene Unterlagen nicht vorgetragen werden (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
c) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, mit der die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung des Sachverständigengutachtens eines IT-Forensikers beanstandet wird, hat keinen Erfolg. Der Vortrag entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. In dem Beweisantrag wird unter anderem auf Blatt 7 und 8 des „Sonderhefts Handyauswertung“ Bezug genommen, ohne diese Schriftstücke oder deren Inhalt vorzutragen. Für das Verständnis des Antrags war nicht nur die (allerdings kaum lesbare) „Bildanlage“ zur beanstandeten Handyauswertung vorzutragen gewesen, sondern auch der im Beweisantrag beanstandete Auswertungsbericht selbst. Dass dieser - ohne Bezugnahme - möglicherweise im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge im Vortrag des Inhalts des Selbstlesekonvoluts enthalten ist (hier allerdings als S. 1 bis 20 „Sonderband Handyauswertung“), entlastet den Revisionsführer nicht.
d) Die auf den fehlenden Abschluss eines angeordneten Selbstleseverfahrens gestützte Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) ist unbegründet, weil nach dem Protokoll der Hauptverhandlung feststeht (§ 274 Satz 1 StPO), dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung am 15. Juli 2022 die Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 und 3 StPO über die Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden und die Gelegenheit dazu getroffen hat. Gegen den die wesentlichen Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nach § 274 Satz 2 StPO nur der Nachweis der Fälschung zulässig, der hier nicht geführt ist. Eine jederzeit mögliche Protokollberichtigung (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) hat der Beschwerdeführer beim Tatgericht nicht beantragt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10 Rn. 26).
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Urteilsprüfung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Annahme von Mittäterschaft. Insoweit gilt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 - 3 StR 343/22 mwN):
Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen.
Nach diesen Grundsätzen ist die vom Landgericht auf der Grundlage einer Gesamtschau aller hierzu relevanten Umstände begründete Annahme von Mittäterschaft nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat hierbei insbesondere auf Umfang und Wesentlichkeit der Tatbeiträge des Angeklagten und seine Einbindung in die Tatbegehung trotz örtlicher Abwesenheit abgestellt. Zwar konnte sie keine konkreten Abreden zur Beuteteilung feststellen, ist aber auf tragfähiger Grundlage davon ausgegangen, dass der Angeklagte von seiner professionellen Mitwirkung selbst erheblich profitiert hat.
b) Dass das Tatgericht bei der Strafzumessung auch das „Tatbild“ herangezogen hat, entspricht § 46 Abs. 2 StGB und verstößt mithin - entgegen der Auffassung der Revision - nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB.
c) Soweit die Revision eine Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vermisst, ergibt sich eine solche weder aus dem Urteil selbst noch aus den von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Aktenbestandteilen. Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2023 - 5 StR 521/22).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1392
Bearbeiter: Christian Becker