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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1235

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 294/22, Beschluss v. 27.09.2022, HRRS 2022 Nr. 1235


BGH 5 StR 294/22 - Beschluss vom 27. September 2022 (LG Leipzig)

Verbreiten und Besitz kinderpornographischer Schriften.

§ 184b StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 20. April 2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des Verbreitens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit Erwerb kinderpornographischer Schriften in 28 Fällen schuldig ist und die für Fall A.1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe entfällt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitens kinderpornographischer Schriften, Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Erwerbs kinderpornographischer Schriften in 28 Fällen schuldig gesprochen und unter Einbeziehung von Strafen aus einem weiteren Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gegen ihn verhängt sowie Einziehungsentscheidungen ausgesprochen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Der in der Hauptverhandlung vom Angeklagten vorgebrachte Einwand, der Besitz zahlreicher kinderpornographischer Bild- und Videodateien (Fall D.II der Urteilsgründe) sei bereits durch das einbezogene Urteil vom 7. November 2019 „abgedeckt“, geht fehl. Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs (Art. 103 Abs. 3 GG) besteht nicht. Es liegt keine prozessuale Tatidentität zu den durch Urteil vom 7. November 2019 abgeurteilten Taten vor. Gegen das Vorliegen einer einheitlichen prozessualen Tat spricht bereits, dass insoweit materiellrechtlich Tatmehrheit gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172 mwN).

Denn in dem Urteil vom 7. November 2019 wurde der Angeklagte nicht wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften, sondern wegen 24 Fällen des Erwerbs solcher Schriften und zwei weiteren Fällen des Verbreitens kinderpornographischer Schriften verurteilt. Zwar stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer kinderpornographischer Schriften grundsätzlich nur eine Tat dar, selbst wenn diese sich auf verschiedenen Datenträgern befinden. Der gleichzeitige Besitz bewirkt als Auffangtatbestand aber nur dann eine Verknüpfung zu einer Tat, wenn - anders als im Urteil vom 7. November 2019 - nicht selbständige Erwerbs- bzw. Verschaffenstaten festgestellt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172 mwN). Dass der Angeklagte im Zeitpunkt der bereits abgeurteilten zwei Fälle des Verbreitens kinderpornographischer Schriften (11. Juni 2015) nunmehr verfahrensgegenständliche weitere kinderpornographische Schriften besessen hätte, denen keine konkrete Erwerbshandlung zugeordnet werden konnte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich; auch der Angeklagte hat dies nicht behauptet. Eine Verknüpfung der verfahrensgegenständlichen Tat D.II zu einer materiellrechtlichen oder gar prozessualen Tat mit den am 7. November 2019 zutreffend tatmehrheitlich abgeurteilten Taten ergibt sich damit nicht. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer bei den verfahrensgegenständlichen Dateien keine einzelnen Erwerbshandlungen, sondern lediglich die Speicherung der Dateien auf externen Festplatten zwischen dem 19. April 2017 und dem 8. Juli 2019 feststellen konnte (die Durchsuchung und Sicherstellung von Festplatten für das am 7. November 2019 abgeschlossene Verfahren fand im Februar 2017 statt, die Durchsuchung, bei der die verfahrensgegenständlichen Dateien auf anderen Festplatten sichergestellt wurden, am 11. Juli 2019), nicht aber, ob der Angeklagte - wie er behauptet - diese Dateien schon zuvor in Besitz hatte.

2. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, stehen die Fälle des Verbreitens (A.1) und des Besitzes (D.II) kinderpornographischer Schriften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Verhältnis der Tateinheit, wenn - wie hier - der Besitz in zeitlicher und quantitativer Hinsicht über das Verbreiten hinausgeht, also eine von vielen über einen längeren Zeitraum gleichzeitig besessenen kinderpornographischen Schriften zudem verbreitet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2022 - 1 StR 424/21, NStZ 2022, 407; vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Dies führt zum Wegfall der für Fall A.1 verhängten Einzelstrafe. Die Gesamtstrafe kann angesichts der Vielzahl der rechtsfehlerfrei bemessenen übrigen Einzelfreiheitsstrafen und der einbezogenen Strafen bestehen bleiben, zumal da der Unrechtsund Schuldgehalt von einer Änderung der Konkurrenzverhältnisse regelmäßig nicht berührt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2022 - 4 StR 226/21 mwN).

3. Der lediglich geringfügige Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1235

Bearbeiter: Christian Becker