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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 182

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 155/22, Beschluss v. 06.12.2022, HRRS 2023 Nr. 182


BGH 5 StR 155/22 - Beschluss vom 6. Dezember 2022 (LG Chemnitz)

Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (Deliktsserie mit mehreren Beteiligten; Konkurrenzen; natürliche Handlungseinheit; Tatmehrheit).

§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH HRRS 2021 Nr. 1092 m.w.N.). Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen.

2. Fehlt es an einer individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten H. H. gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 18.154,48 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Auf die Revision der Angeklagten S. H. wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 19 Fällen sowie des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 54.731,73 Euro gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Auf die Revision des Angeklagten R. H. gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021 wird

das Verfahren in den Fällen III.120 bis 123 der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

das vorgenannte Urteil

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 30 Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 54.035,70 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Auf die Revision der Angeklagten K. H. wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 21 Fällen schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 28.688,58 Euro gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Dem Angeklagten P. D. wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem Revisionsbegründungsschriftsatz vom 3. Januar 2022 gewährt.

Auf die Revision des Angeklagten P. D. gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021 wird

das Verfahren in den Fällen III.53 bis 57 der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

das vorgenannte Urteil

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 89 Fällen, des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 282.528,04 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Auf die Revision des Angeklagten U. D. gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021 wird

das Verfahren im Fall III.123 der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

das vorgenannte Urteil

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 18 Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in einem Fall schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 18.534,60 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 81.128,16 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 33 Fällen schuldig ist,

dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 31.635,29 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Die Beschwerdeführer R. H., P. D. und U. D. haben die verbleibenden, die übrigen Beschwerdeführer die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten H. H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 145 Fällen, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten,

- die Angeklagte S. H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 22 Fällen sowie versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten,

- den Angeklagten R. H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 34 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten,

- die Angeklagte K. H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten,

- den Angeklagten P. D. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 113 Fällen, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren,

- den Angeklagten U. D. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 19 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten,

- den Angeklagten P. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 21 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten,

- den Angeklagten G. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 38 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.

Die Gesamtfreiheitsstrafen der Angeklagten S. H., R. H., K. H., P. D., U. D., P. und G. hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es bei allen Angeklagten jeweils sechs Monate der Strafe als vollstreckt erklärt.

Daneben hat das Landgericht „die Einziehung“ folgender Beträge angeordnet:

- 18.154,48 Euro bei dem Angeklagten H. H.,

- 54.731,73 Euro bei der Angeklagten S. H.,

- 54.035,70 Euro bei dem Angeklagten R. H.,

- 28.688,58 Euro bei der Angeklagten K. H.,

- 282.528,04 Euro bei dem Angeklagten P. D.,

- 18.534,60 Euro bei dem Angeklagten U. D.,

- 81.128,16 Euro bei dem Angeklagten P. und

- 31.635,29 Euro bei dem Angeklagten G..

Die Revisionen der Angeklagten H. H. und P. sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revisionen der Angeklagten S. H., R. H., K. H., P. D., U. D. und G. erzielen mit der Sachrüge den jeweils aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind auch diese Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Bei allen Angeklagten war eine Klarstellung der Einziehungsanordnung veranlasst.

I.

Hinsichtlich der Angeklagten H. H. und P. hat die Nachprüfung des Urteils keinen sie benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Die Verfahrensrügen des Angeklagten H. H. dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

II.

Die Revisionen der Angeklagten R. H. und U. D. geben lediglich Anlass zu einer geringfügigen Teileinstellung der gegen sie geführten Verfahren.

1. Der Senat hat das Verfahren gegen den Angeklagten R. H. in den Fällen III.120 bis 123 der Urteilsgründe und gegen den Angeklagten U. D. im Fall III.123 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. Bei diesen Fällen ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen, durch welche Handlungen sich die Angeklagten an den jeweiligen Betrugstaten beteiligt haben sollen.

Die Teileinstellung des Verfahrens zieht eine entsprechende Korrektur der Schuldsprüche nach sich: Diese reduzieren sich beim Angeklagten R. H. um vier Fälle und beim Angeklagten U. D. um einen Fall des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Zugleich entfallen die jeweils verhängten Einzelstrafen. Die gegen die beiden Angeklagten festgesetzten Gesamtstrafen bleiben hiervon unberührt. Angesichts der jeweils verbleibenden Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht die Gesamtfreiheitsstrafe ohne die weggefallenen Sanktionen milder bemessen hätte. So hat der Angeklagte R. H. weiterhin allein für vier Taten jeweils die Einsatzstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe verwirkt sowie für weitere 25 Taten Freiheitsstrafen von je sieben Monaten, das heißt in gleicher Höhe wie die entfallenen Strafen. Beim Angeklagten U. D. verbleiben neben der Einsatzstrafe von elf Monaten eine Freiheitsstrafe von neun Monaten und weitere 14 Freiheitsstrafen in der Höhe der weggefallenen Sanktion von sieben Monaten.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg. Die sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils fördert keinen sie beschwerenden Rechtsfehler zutage. Den Verfahrensrügen beider Angeklagter bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt.

III.

Hinsichtlich der Angeklagten S. H., der Angeklagten K. H. und des Angeklagten G. hat die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils ergeben, dass das Landgericht bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Aus deren Korrektur resultieren jeweils eine Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall von Einzelstrafen. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen lassen; auch die von der Angeklagten K. H. erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen verschafften sich die Angeklagten unter Leitung und Koordination des Angeklagten H. H. über einen längeren Zeitraum regelmäßige Einkünfte, indem sie zum Schein in wechselnden Rollen untereinander Arbeitsverhältnisse begründeten und auf dieser Basis Sozialleistungen verschiedener Sozialleistungsträger in Anspruch nahmen, etwa Krankengeld, Arbeitslosengeld oder die Erstattung von in Wahrheit nicht oder nur zum Schein vorgenommenen Lohnfortzahlungen.

a) Für die Angeklagte S. H. ist zu den Fällen III.58 und 59, 62 und 63 sowie 142 bis 145 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:

Bei den Fällen III.58 und 59 der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte P. D. aufgrund der Anträge vom 30. Juni 2005 (Fall III.58) und vom 1. August 2005 (Fall III.59) von der geschädigten I. jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit. Die Angeklagte S. H. fungierte als angebliche Arbeitnehmerin (Baggerführerin), wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, sich ab dem 20. Juni 2005 krankschreiben zu lassen.

Bei den Fällen III.62 und 63 der Urteilsgründe erlangte der Angeklagte P. D. von derselben Geschädigten erneut Erstattungen für Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit aufgrund seiner Anträge vom 5. März 2006 (Fall III.62) und vom 30. März 2006 (Fall III.63). Auch hier übernahm die Angeklagte S. H. die Rolle der Arbeitnehmerin, nun als vorgebliche Bürokauffrau, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, sich ab dem 20. Februar 2006 krankschreiben zu lassen.

In den Fällen III.142 und 143 der Urteilsgründe stellte der Angeklagte P. D. bei der geschädigten I. unter dem Datum des 9. Dezember 2006 (Fall III.142) und des 10. Dezember 2006 (Fall III.143) - letztlich erfolglos - Anträge auf Erstattung angeblicher Arbeitgeberaufwendungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz bei Mutterschaft. Der Angeklagten S. H. kam wiederum die Rolle der Arbeitnehmerin zu, diesmal als „Managerin und Beraterin im Auslandsdienst“, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie und der Angeklagte P. D. den Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrags bestätigten.

In den Fällen III.144 und 145 der Urteilsgründe reichte der Angeklagte P. D. entsprechende Anträge vom 10. Dezember 2006 (Fall III.144) und vom 13. Januar 2007 (Fall III.145) bei der Geschädigten A. ein, nachdem die Angeklagte S. H. wegen des Misserfolgs der in den Fällen III.142 und 143 der Urteilsgründe gestellten Anträge nunmehr bei dieser Krankenkasse versichert worden war. Die Tathandlung der Angeklagten bestand hierbei allein darin, dass sie mit den Angeklagten H. H. und P. D. übereinkam, diese Anmeldung vorzunehmen.

b) Für die Angeklagte K. H. ist zu den Fällen III.87 und 88 der Urteilsgründe festgestellt, dass der Angeklagte G. von der geschädigten S. aufgrund seiner Anträge vom 4. Dezember 2006 (Fall III.87) und vom 6. Januar 2007 (Fall III.88) jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Mutterschaft erhielt. Die Angeklagte K. H. fungierte als angebliche Arbeitnehmerin, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, gemeinsam mit dem Angeklagten G. am 30. November 2006 bzw. am 1. Dezember 2006 einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu einer Tätigkeit als Managerin zu fertigen.

c) Für den Angeklagten G. ist zu den Fällen III.29 bis 32, 50 und 51 sowie 76 und 77 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:

In den Fällen III.29 bis 32 der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte P. D. aufgrund der Anträge vom 18. Februar 2006 (Fall III.29), vom 5. März 2006 (Fall III.30), vom 30. März 2006 (Fall III.31) und vom 16. Mai 2006 (Fall III.32) von der geschädigten D. R. K. jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit. Der Angeklagte G. fungierte als angeblicher Arbeitnehmer (Manager bzw. Meister), wobei seine Tathandlung allein darin bestand, sich ab 2006 bei der Geschädigten zu versichern.

In den Fällen III.50 und 51 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte H. H. Arbeitslosengeld von der geschädigten Agentur für Arbeit A. aufgrund seiner Anträge vom 30. November 2005 (Fall III.50) und vom 17 18 19 20 12. Juli 2006 (Fall III.51), wobei er zwecks Nachweises der nach § 123 SGB III aF erforderlichen zwölfmonatigen Anwartschaftszeit das frühere Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Angeklagten G. behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, eine auf den 16. Januar 2006 datierte Arbeitsbescheinigung zu unterzeichnen.

In den Fällen III.76 und 77 der Urteilsgründe wurde dem Angeklagten P. D. von der Geschädigten BK. aufgrund entsprechender Anträge für die Zeiträume vom 25. Januar bis 4. Februar 2005 (Fall III.76) sowie vom 26. April 2005 bis 7. Juli 2005 (Fall III.77) Krankengeld gezahlt, wobei er ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Angeklagten G. behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, am 18. Februar 2007 eine Arbeitsbescheinigung zu unterschreiben.

2. Das Landgericht hat alle genannten Fälle als selbständige, durch die betreffenden Angeklagten jeweils in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - 5 StR 135/21; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2019 - 3 StR 130/19, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Wohnungseinbruchdiebstahl 1; vom 3. November 2021 - 3 StR 231/21).

Danach erweist sich das Verhalten der Angeklagten innerhalb der genannten Gruppen von Fällen jeweils als einheitliches Tun im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. zu deren Voraussetzungen BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. September 2017 - 4 StR 235/17; Fischer, StGB, 69. Aufl., Vor § 52 Rn. 3 ff. mwN).

3. Der Senat hat deshalb bei den betroffenen Angeklagten den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Dieser reduziert sich bei der Angeklagten S. H. um drei Fälle, bei der Angeklagten K. H. um einen Fall und beim Angeklagten G. um fünf Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges, bei der Angeklagten S. H. zudem um einen Fall des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten jeweils nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

4. Die Änderung des Schuldspruchs führt bei jedem der drei Angeklagten in den betroffenen Gruppen von Fällen zum Wegfall von Einzelstrafen und zur Festsetzung jeweils einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.

a) Bei der Angeklagten S. H. entfallen die für die Fälle III.59, 63, 143 und 145 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle III.58 und 59 die für Fall III.58 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle III.62 und 63 die für Fall III.62 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle III.142 und 143 die für Fall III.142 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle III.144 und 145 die für Fall III.144 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

b) Bei der Angeklagten K. H. entfällt die für Fall III.88 der Urteilsgründe verhängte und im Urteil in der Tabelle zur Bestimmung der Strafhöhen offenbar versehentlich nicht erwähnte Einzelstrafe. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle III.87 und 88 die für Fall III.87 verhängte Strafe als neue Einzelstrafe fest.

c) Bei dem Angeklagten G. entfallen die für die Fälle III.30 bis 32, 51 und 77 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle III.29 bis 32 die für Fall III.29 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle III.50 und 51 die für Fall III.50 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle III.76 und 77 die für Fall III.76 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

In allen Fällen ist auszuschließen, dass das Landgericht für die jeweiligen Geschehnisse bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung niedrigere Einzelstrafen bestimmt hätte.

5. Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch bei keinem der Angeklagten berührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Einzelstrafen jeweils ausschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls einiger Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 91/20 Rn. 9 mwN). Bei der Angeklagten S. H. verbleiben die beiden Einsatzstrafen von je zehn Monaten Freiheitsstrafe, zwei Freiheitsstrafen von je acht Monaten und u.a. elf Freiheitsstrafen von je sechs Monaten, bei der Angeklagten K. H. die Einsatzstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe und u.a. neun Freiheitsstrafen von je sieben Monaten sowie bei dem Angeklagten G. die Einsatzstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe und u.a. 25 Freiheitsstrafen von je sieben Monaten.

IV.

Auch für den Angeklagten P. D. führt die Sachrüge zu einer Korrektur des Schuldspruchs und zum Wegfall von Einzelstrafen aufgrund einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung durch das Landgericht. Eine weitere Änderung des Schuldspruchs resultiert aus einer teilweisen Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO; auch sie lässt weitere Einzelstrafen entfallen. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen. Die erhobene Verfahrensrüge, für deren Anbringung dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einzuräumen war, hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

1. Dem Angeklagten war ausnahmsweise auf seine Kosten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem Revisionsbegründungsschriftsatz vom 3. Januar 2022 zu gewähren (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ergeben, dass das Landgericht bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Deren Korrektur gebietet eine Änderung des Schuldspruchs und führt zum Wegfall von Einzelstrafen.

a) Nach den Feststellungen verschaffte auch der Angeklagte P. D. unter Leitung und Koordination des Angeklagten H. H. über einen längeren Zeitraum sich und anderen Mitangeklagten regelmäßige Einkünfte, indem er gemeinsam mit Mitangeklagten zum Schein in wechselnden Rollen Arbeitsverhältnisse einging und auf dieser Basis Sozialleistungen verschiedener Sozialleistungsträger in Anspruch nahm oder deren Inanspruchnahme durch Mitangeklagte ermöglichte.

In den Fällen III.2 bis 20 der Urteilsgründe erhielt der vormalige Mitangeklagte Ha. von der Geschädigten AO. jeweils Krankengeldzahlungen aufgrund seiner zwischen September 2003 und Dezember 2004 sukzessive an insgesamt 19 verschiedenen Tagen gestellten Anträge, wobei er jeweils wahrheitswidrig behauptete, beim Angeklagten P. D. als Bauleiter versicherungspflichtig beschäftigt zu sein. Dessen Tathandlung bestand für alle Fälle allein darin, einmalig die Meldung des Ha. zur Sozialversicherung zu veranlassen.

In den Fällen III.50 und 51 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte H. H. Arbeitslosengeld von der Geschädigten Agentur für Arbeit A. aufgrund seiner Anträge vom 30. November 2005 (Fall III.50) und vom 12. Juli 2006 (Fall III.51), wobei er zwecks Nachweises der nach § 123 SGB III aF erforderlichen zwölfmonatigen Anwartschaftszeit u.a. das frühere Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Angeklagten P. D. behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, eine auf den 16. Januar 2006 datierte Arbeitsbescheinigung zu unterzeichnen.

b) Das Landgericht hat alle genannten Fälle als selbständige, durch den Angeklagten jeweils in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sich nach den bereits oben unter Ziffer III.2 dargestellten Grundsätzen das Verhalten des Angeklagten innerhalb der Fälle III.2 bis 20 sowie der Fälle III.50 und 51 jeweils als einheitliches Tun im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit erweist.

c) Der Schuldspruch gegen den Angeklagten war daher zu ändern; er reduziert sich in Ansehung der genannten Fälle um insgesamt 19 Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Die Änderung des Schuldspruchs führt in den beiden Gruppen von Fällen zum Wegfall von Einzelstrafen und zur Festsetzung jeweils einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Es entfallen die für die Fälle III.3 bis 20 sowie III.51 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt für das Geschehen der Fälle III.2 bis 20 die für Fall III.2 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle III.50 und 51 die für Fall III.50 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

3. Der Senat hat das Verfahren gegen den Angeklagten P. D. in den Fällen III.53 bis 57 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. In diesen Fällen ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen, durch welche Handlungen sich der Angeklagte an den jeweiligen Betrugstaten beteiligt haben soll.

Die Teileinstellung des Verfahrens zieht eine weitere Korrektur des Schuldspruchs nach sich. Dieser reduziert sich nochmals um fünf Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Zugleich entfallen die in den jeweiligen Fällen verhängten Einzelstrafen.

4. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt vom Wegfall der - unter Berücksichtigung der Verfahrenseinstellung - insgesamt 24 Einzelstrafen unberührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden 89 Einzelstrafen ausschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls einiger Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Es verbleiben die beiden Einsatzstrafen von je einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe, sieben weitere Freiheitsstrafen von elf Monaten und zahlreiche Freiheitsstrafen in Höhe von - wie bei den weggefallenen - sieben oder neun Monaten. Hinsichtlich des Wegfalls der Strafen für die Fälle III.3 bis 20 sowie III.51 der Urteilsgründe kommt auch hier hinzu, dass eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist.

V.

Die Einziehungsentscheidungen waren bei allen Angeklagten dahingehend klarzustellen, dass jeweils die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73a StGB) angeordnet ist (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

VI.

Der nur geringfügige Erfolg der Rechtsmittel der Angeklagten S. H., R. H., K. H., P. D., U. D. und G. rechtfertigt jeweils keine Kostenermäßigung (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 182

Bearbeiter: Christian Becker