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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 392

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 401/21, Beschluss v. 15.02.2022, HRRS 2022 Nr. 392


BGH 5 StR 401/21 - Beschluss vom 15. Februar 2022 (LG Berlin)

Änderung des Ausspruchs über die Einziehung von Tatgegenständen.

§ 74 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2021 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

die Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. Oktober 2019 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2020 entfällt;

der Ausspruch über die Einziehung dahin geändert wird,

dass statt der Einziehung des Wertes des durch die Tat Erlangten die Einziehung des sichergestellten Bargelds im Wert von 85 Euro angeordnet ist;

dass folgende sichergestellte Betäubungsmittel und Imitate eingezogen sind:

- ein Tütchen mit 5,464 Gramm Blütenständen von Cannabispflanzen,

- 1,272 Gramm Cannabisharz,

- Rest eines aus Tabak und Cannabis bestehenden Joints,

- zwei Schnellverschlusstütchen mit insgesamt 2,884 Gramm Blütenständen der Cannabispflanze,

- vier Eppendorfgefäße und ein Kügelchen mit insgesamt 1,563 Gramm Kokain,

- ein Mikroreagenzgefäß mit Coffein und 2,012 Gramm Cannabis,

- zwei Mikroreagenzgefäße mit 0,645 Gramm Paracetamol,

- ein Tütchen mit 1,567 Gramm Blütenständen von Cannabis,

- fünf Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA,

- zwei Tütchen mit Blütenständen der Cannabispflanze,

- ein Schnellverschlusstütchen mit 4,844 Gramm Blütenständen von Cannabis,

- drei Ecstasy-Tabletten mit dem Wirkstoff MDMA (Gesamtgewicht 1,436 Gramm).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Imitaten, sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass die in der Vorverurteilung ausgesprochene Einziehungsentscheidung aufrechterhalten wird. Darüber hinaus hat die Strafkammer den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Imitaten, sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Wert des durch die Taten Erlangten in Höhe von 85 Euro und die „im Verfahren sichergestellten Betäubungsmittel und Imitate“ eingezogen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die - in allgemeiner Form erhobene - Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erweist sich als weitgehend unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; es führt indes zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Berichtigung und Ergänzung der Urteilsformel.

1. Der Generalbundesanwalt hat zu den Einziehungsentscheidungen ausgeführt:

Da nicht festgestellt ist, dass in dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. Oktober 2019 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2020 eine Einziehung angeordnet worden war (vgl. UA S. 4-7), muss schon deshalb der Ausspruch über die Aufrechterhaltung einer Einziehungsentscheidung entfallen. Im Übrigen würde die Aufrechterhaltung nach § 55 Abs. 2 StGB selbst dann nicht in Betracht kommen, wenn damals die Einziehung des Klappmessers als Tatwerkzeug gemäß § 74 Abs. 1 StGB angeordnet worden sein sollte, denn die Einziehung wäre nach § 75 Abs. 1 StGB durch Übergang des Eigentums auf den Staat mit Eintritt der Rechtskraft erledigt gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - 6 StR 459/20, juris Rn. 3). Das Landgericht hätte allenfalls klarstellen können, dass die frühere Verurteilung insoweit erledigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - 2 StR 18/16, juris Rn. 22).

Das durch die Taten 4, 6 und 8 erlangte Bargeld im Wert von 85 Euro ist als solches einzuziehen gewesen, denn die Voraussetzungen der Einziehung eines dem Wert entsprechenden Geldbetrags gemäß § 73c Satz 1 StGB haben aufgrund der Sicherstellung nicht vorgelegen.

Die Anordnung der Einziehung der „im Verfahren sichergestellten Betäubungsmittel und Imitate“ ist nicht hinreichend bestimmt. Die der Einziehung unterliegenden Gegenstände sind den Urteilsgründen jedoch im Einzelnen zu entnehmen (vgl. UA S. 23 unten), so dass der Senat die Urteilsformel wird ergänzen können (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2021 - 2 StR 442/20, juris Rn. 3). Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass lediglich die Betäubungsmittel und die als solche angebotenen Stoffe als Tatobjekte gemäß § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 Satz 1 BtMG eingezogen werden können, nicht hingegen das Lidocain (Taten 1 und 8) und die „nicht dem BtMG unterfallene Substanz“ (Tat 7).

Dem schließt sich der Senat an.

2. Die Nichterörterung der Frage, ob die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können, begründet hier keinen Rechtsfehler.

Aus § 267 Abs. 3 Satz 4 Alt. 2 StPO folgt eine solche Pflicht in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass in der Verhandlung ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre.

Vor dem Hintergrund, dass für die ersten fünf Taten unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2020 bereits auf eine unbedingte Gesamtfreiheitsstrafe erkannt worden ist und der Angeklagte die Taten nur wenige Tage bis Wochen nach der Verurteilung zu der einbezogenen Strafe beging, während er in jener Sache von der Untersuchungshaft verschont war, bedurfte es einer Erörterung dieser Frage aber auch aus materiellrechtlichen Gründen als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2016 - 4 StR 232/16); nach den Strafzumessungserwägungen und aus der Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft in dieser Sache ist zu erkennen, dass die Strafkammer die Möglichkeit der Strafaussetzung im Blick hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1954 - 3 StR 898/53, BGHSt 6, 167, 172).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 392

Bearbeiter: Christian Becker