HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 802
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 680/19, Beschluss v. 13.05.2020, HRRS 2020 Nr. 802
Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 2019 aufgehoben
im Strafausspruch, soweit er wegen Bestechlichkeit verurteilt worden ist,
im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten G. wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.000 Euro angeordnet wird. 3. Die Revision des Angeklagten T. wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und Vorteilsannahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen von 6.000 Euro gegen ihn angeordnet. Soweit dem Angeklagten der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen worden war, hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen Vorteilsgewährung und vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten G. hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Seine weitergehende Revision und die des Angeklagten T. sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Während der Schuldspruch auch betreffend den Angeklagten G. - unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe - keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juni 1953 - 4 StR 115/53, BGHSt 4, 293 f.; vom 3. Februar 1960 - 4 StR 437/59, BGHSt 14, 123, 125, jeweils zu § 332 StGB aF; vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 29; vom 22. März 2018 - 5 StR 566/17, BGHSt 63, 107, 110; vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, 598; MüKoStGB/Korte, 3. Aufl., § 331 Rn. 107, § 332 Rn. 11; LK/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 59; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 332 Rn. 5, 10), hat der Strafausspruch keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Bestechlichkeit verurteilt worden ist. Denn die Annahme besonders schwerer Fälle der Bestechlichkeit nach § 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB angenommen hat (soweit es teilweise § 335 Abs. 2 Nr. 2 StGB zitiert, handelt es sich um ein offensichtliches Versehen). Es hat aber bei der im Rahmen einer Gesamtabwägung vorzunehmenden Prüfung gewichtige Milderungsgründe außer Betracht gelassen, die der Annahme eines besonders schweren Falles entgegenstehen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 StR 84/10, wistra 2010, 439, 440). Es hat zum einen die Unbestraftheit des Angeklagten und die fast zehnmonatige Untersuchungshaft, die für ihn als Polizeibeamten auch angesichts der „Zurschaustellung durch die Presseberichterstattung“ eine besondere Belastung darstellte, ersichtlich nur bei der konkreten Strafbemessung zugunsten des Angeklagten verwertet. Zum anderen hat es nicht berücksichtigt, dass die vom Angeklagten weitergegebenen Informationen lediglich allgemein gehalten waren und keine konkreten polizeilichen Maßnahmen betrafen. Der Grad der Dienstpflichtverletzung ist für die Strafzumessung jedoch regelmäßig von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2001 - 5 StR 393/01; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. Rn. 1718).
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung zur Anwendung des Regelstrafrahmens des § 332 Abs. 1 StGB gelangt wäre und infolgedessen niedrigere Strafen verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung der Strafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
3. Da es sich um bloße Wertungsfehler handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können ergänzt werden, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Die gegen den Angeklagten G. angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Allerdings weist die Entscheidung keinen Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht die Einziehung des Wertes der durch die abgeurteilten Taten erlangten Erträge von 3.000 Euro nach §§ 73, 73c StGB angeordnet hat. Hingegen begegnet - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73a, 73c StGB von weiteren 3.000 Euro durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat das Landgericht seine Entscheidung auf Zahlungen des inzwischen verstorbenen Gewerbetreibenden C. gestützt, die dieser dem Angeklagten in Folge einer unter der Überschrift „Vortatgeschehen“ geschilderten Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 332 Abs. 1 StGB geleistet hat. Sind Taterträge - wie hier - aber konkreten Straftaten zuzuordnen, ist deren erweiterte Einziehung nach § 73a StGB wegen der Subsidiarität der Maßnahme gegenüber § 73 Abs. 1 StGB unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2018 - 3 StR 63/18).
2. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), da die Einziehungsentscheidung schon mangels eines Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO nicht auf § 76a Abs. 1 StGB gestützt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 5 StR 541/18). Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 802
Bearbeiter: Christian Becker