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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 138

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 84/10, Urteil v. 24.06.2010, HRRS 2011 Nr. 138


BGH 3 StR 84/10 - Urteil vom 24. Juni 2010 (LG Duisburg)

Bestechlichkeit (Tateinheit; Tatmehrheit; Unrechtsvereinbarung); Regelbeispiel (Indizwirkung; Widerlegung; Angemessenheit; Gesamtwürdigung); Verfall (Erlangtes aus der Tat; Erlangtes für die Tat; Verletzter; Schutzzweck; Schutzgut); Wertersatzverfall; unbillige Härte.

§ 332 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 73 StGB; § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nimmt ein Amtsträger dafür, dass er Diensthandlungen vorgenommen hat oder künftig vornehme, wiederkehrend Zuwendungen entgegen, so stehen die einzelnen Tathandlungen in tatbestandlicher Handlungseinheit, wenn sie Teilleistungen betreffen, die auf einer einheitlichen, die Gewährung eines bestimmten Vorteils insgesamt umfassenden Unrechtsvereinbarung beruhen.

2. Sind die Merkmale eines Regelbeispiels erfüllt, so besteht zwar eine Vermutung dafür, dass der Fall insgesamt als besonders schwer anzusehen ist. Jedoch kann diese indizielle Bedeutung durch Umstände entkräftet werden, die für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen erscheint. Dies hat der Tatrichter im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller die Bemessung der Strafe bestimmenden Umstände zu überprüfen.

3. Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB kann nur derjenige sein, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen. Schutzgut der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 Satz 1 StGB) ist nicht das Vermögensinteresse der Anstellungskörperschaft, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes. Daher stehen mögliche Regressforderungen der Anstellungskörperschaft einem Verfall nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen, denn die Körperschaft ist nicht in diesem Sinne Verletzte der Bestechlichkeit.

4. Erhält ein Amtsträger aufgrund der mit einem Dritten getroffenen Unrechtsvereinbarung für eine den Dienstherrn schädigende Untreuehandlung eine Belohnung, so hat er diese grundsätzlich "für" die Tat zulasten des Dienstherrn und nicht "aus" ihr erlangt. Auf Erlangtes "für" die Tat bezieht sich § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB indes nicht. "Aus" der Tat zum Nachteil des Dienstherrn ist der Bestechungslohn allerdings ausnahmsweise dann erlangt, wenn er mit dem durch das pflichtwidrige Handeln entstandenen Schaden inhaltlich so verknüpft ist, dass der Vermögensnachteil des Dienstherrn und der Vermögenszuwachs beim Täter gleichsam spiegelbildlich miteinander korrespondieren. Dies kann etwa der Fall sein, wenn einem Dritten Vorteile aus dem Vermögen des Dienstherrn verschafft werden, die dessen Aufwendungen für den Bestechungslohn kompensieren oder die ganz oder teilweise dem Täter zufließen sollen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. Juli 2009

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Bestechlichkeit in 114 Fällen verurteilt wird;

b) aufgehoben im Ausspruch

aa) über die Einzelstrafe im Fall II. 2. b) aa) der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

bb) über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten durch die Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 112 Fällen der Bestechlichkeit zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und zu seinen Lasten 57.815,29 € für verfallen erklärt. Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf den Schuldspruch im Falle II. 2. b) aa) der Urteilsgründe und den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Das auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

I. Revision der Staatsanwaltschaft

1. Die Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen 112 Fällen der Bestechlichkeit hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand; zu Unrecht gelangt das Landgericht im Falle II. 2. b) aa) der Urteilsgründe zu einer einheitlichen Tat.

a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte Beamter des Bundeseisenbahnvermögens und als solcher der Deutschen Bahn AG zur Dienstleistung zugewiesen, die ihn zunächst bei der Deutschen Bahn Netz AG und ab 1. Januar 2003 bei der Deutschen Bahn Projekt-Bau GmbH als Bauüberwacher einsetzte. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die inhaltliche Prüfung der Aufmaße und Rechnungen, welche das von der Deutschen Bahn Netz AG mit Tiefbauarbeiten für den Ausbau der Fernbahnstrecke Köln - Aachen bzw. der S-Bahnstrecke Köln - Düren beauftragte Bauunternehmen vorlegte. In den Jahren 2000 bis 2003 bestätigte der Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen diese Aufmaße und Rechnungen teils ungeprüft, teils wider besseres Wissen als sachlich richtig und ermöglichte es so dem Bauunternehmen, Leistungen abzurechnen, die es nicht oder nicht in dem aufgeführten Umfang erbracht hatte. Konkret feststellen konnte das Landgericht, dass Abschlagsrechnungen vom 10. April 2000, 9. Oktober 2000 und 12. April 2001 insgesamt neun solcher unrichtiger Positionen enthielten; durch die Begleichung dieser Rechnungen entstand der Deutschen Bahn Netz AG ein Schaden von mindestens etwa 1.000.000 €. Von Überprüfungen und Beanstandungen sah der Angeklagte ab, weil ihm das Bauunternehmen dafür "Gegenleistungen" in Form von Bargeldzahlungen oder Sachzuwendungen gewährte oder weiter in Aussicht stellte. Für die Leistungen an den Angeklagten im Gesamtwert von mindestens 57.815,29 € - das Landgericht stellt im Einzelnen 114 Zuwendungen im Zeitraum von Mai 2000 bis März 2003 fest - bediente es sich einer "schwarzen Kasse", im Wesentlichen bestehend aus "Antrittsgeldern", welche es seinen Subunternehmern für den Zuschlag von Aufträgen abverlangte.

Zu drei dieser Zuwendungen (Fall II. 2. b) aa) der Urteilsgründe) hat das Landgericht festgestellt: Der Angeklagte erwarb am 21. März 2000 einen Pkw Audi A 6. Auf den Kaufpreis hatte er bei Auslieferung 54.000 DM anzuzahlen; einen weiteren Teilbetrag von 32.250 DM finanzierte er über einen Bankkredit. Als "Beitrag zur Finanzierung" übergab ihm ein Mitarbeiter des Bauunternehmens, der Zeuge S., zunächst Anfang Mai 15.000 DM in bar, die er für die geschuldete Anzahlung verwendete. Zur Rückzahlung der noch offenen Darlehensforderung erhielt der Angeklagte vom Zeugen S. dann im Januar und im Februar 2001 weitere Bargeldbeträge von 10.000 DM bzw. 12.000 DM.

b) Nimmt der Täter dafür, dass er Diensthandlungen vorgenommen hat oder künftig vornehme, wiederkehrend Zuwendungen entgegen, so stehen die einzelnen Tathandlungen dann in tatbestandlicher Handlungseinheit, wenn sie Teilleistungen betreffen, die auf einer einheitlichen, die Gewährung eines bestimmten Vorteils insgesamt umfassenden Unrechtsvereinbarung beruhen (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 331 Rn. 39 mwN). Eine Übereinkunft des Angeklagten mit den Verantwortlichen des Bauunternehmens dahin, dass dieses ihm zur Finanzierung seines Pkw-Kaufs einen vorab der Höhe nach festgelegten und in Teilbeträgen auszuzahlenden Zuschuss gewähren werde, hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Aus den Feststellungen ergibt sich vielmehr, dass jeder der Zahlungen eine eigenständige Unrechtsvereinbarung zu Grunde lag. Dies führt zu drei rechtlich selbständigen Taten.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Schon aufgrund der Einlassung des Angeklagten schließt der Senat aus, dass eine neue Hauptverhandlung zur Feststellung einer einheitlichen, alle drei Zahlungen umfassenden Unrechtsvereinbarung führen kann. Danach hat der Zeuge S. dem Angeklagten zur Finanzierung des Pkw-Kaufs zunächst 15.000 bis 20.000 DM angeboten. Auf seine - des Angeklagten - Bemerkung, dieser Betrag reiche aus, erhielt er vom Zeugen 15.000 DM. Erst einige Zeit danach stellte ihm der Zeuge zur rascheren Tilgung des Kredits noch "weiteres Geld" in Aussicht. Dazu steht nicht im Widerspruch, dass der Angeklagte nach der Aussage des Zeugen S. den Wunsch nach einem Pkw geäußert und der als Geschäftsführer des Bauunternehmens auftretende frühere Mitangeklagte K. hierauf entschieden hat, der Angeklagte bekomme einen Pkw Audi A 6, jedoch solle ihm der dafür erforderliche Geldbetrag in Raten ausbezahlt werden, um Abhängigkeit zu erzeugen. Dies belegt allein die Absicht des früheren Mitangeklagten K., der ersten Zahlung weitere folgen zu lassen.

2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 2. b) aa) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Der neue Tatrichter wird für die Annahme jeder der drei zur Finanzierung des Pkw-Kaufs geleisteten Zahlungen eine gesonderte Einzelstrafe auszusprechen haben. Insoweit besteht Anlass zu folgendem Hinweis:

Der Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 335 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 3 StGB) stünde nicht bereits entgegen, dass die Finanzierung des Pkw innerhalb der sich über nahezu vier Jahre erstreckenden Unrechtsbeziehung ein atypisches Geschehen darstellt, das sich so nicht wiederholt hat. Anders könnte dies zu beurteilen sein, soweit diese Zuwendungen das Tatgeschehen überhaupt erst eingeleitet haben und fortlaufende Zahlungen noch nicht im Raum standen. Hierzu werden ergänzende Feststellungen zu treffen sein.

3. Die für die weiteren 111 Taten ausgesprochenen Einzelstrafen haben dem gegenüber Bestand.

a) Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ein im Fall II. 2. b) aa) der Urteilsgründe aus der Annahme eines einheitlichen Geschehens etwa abgeleitetes erhöhtes Tatunrecht bei der Bemessung der durchweg milden Einzelstrafen für die weiteren Taten erschwerend berücksichtigt hat (§ 301 StPO).

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stößt es auch nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken, dass das Landgericht in den Fällen II. 2. b) bb) 7 (1) bis (62) der Urteilsgründe trotz gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten keine besonders schweren Fälle der Bestechlichkeit angenommen hat. Sind die Merkmale eines Regelbeispiels erfüllt, so besteht zwar die Vermutung dafür, dass der Fall insgesamt als besonders schwer anzusehen ist, jedoch kann diese indizielle Bedeutung durch Umstände entkräftet werden, die für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen erscheint; dies hat der Tatrichter im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller die Bemessung der Strafe bestimmenden Umstände zu überprüfen (Fischer aaO § 46 Rn. 91 mwN). Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht den dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Beurteilungsspielraum in den genannten Fällen noch nicht überschritten. Es hat die Anwendung des erhöhten Strafrahmens trotz des Seriencharakters der Taten deshalb für unangemessen erachtet, weil der Bestechungslohn jeweils nur 500 DM betrug und darüber hinaus gewichtige Strafmilderungsgründe vorliegen.

4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil schließlich auch aufzuheben, soweit das Landgericht den Wertersatzverfall angeordnet hat (§ 301 StPO).

a) Allerdings steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB vorliegend einer Verfallsanordnung nicht entgegen. Nach den Feststellungen (oben I. 1. a)) besteht kein Anspruch eines Verletzten, dessen Erfüllung dem Angeklagten den Wert des aus seinen Taten Erlangten entziehen würde.

aa) Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB kann nur derjenige sein, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen. Soweit der Angeklagte wegen Bestechlichkeit verurteilt worden ist, trifft dies weder auf das Bundeseisenbahnvermögen noch auf die Deutsche Bahn AG oder die ihrem Konzern zugehörigen Unternehmen zu. Schutzgut des § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB ist nicht das Vermögensinteresse der Anstellungskörperschaft, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes (BGHSt 30, 46, 47 f.; BGH, NStZ 1999, 560; 2000, 589, 590).

bb) Der Verfall ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Deutsche Bahn Netz AG durch die pflichtwidrigen, auch als Untreue (§ 266 Abs. 1 1. Alt. StGB) zu bewertenden Diensthandlungen einen Vermögensnachteil erlitten hat, zu dessen Ersatz der Angeklagte nach § 75 Abs. 1 BBG - auf ihn anwendbar nach § 7 Abs. 1 BundesbahnneugliederungsG, § 12 Abs. 4 Deutsche Bahn GründungsG - verpflichtet ist. Erhält der Amtsträger aufgrund der mit einem Dritten getroffenen Unrechtsvereinbarung für eine den Dienstherrn schädigende Untreuehandlung eine Belohnung, so hat er diese grundsätzlich "für" die Tat zulasten des Dienstherrn und nicht "aus" ihr erlangt; auf Erlangtes "für" die Tat bezieht sich § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht (BGHSt 30, 46, 47; BGH, NStZ 1999, 560). Dass hier nicht unmittelbar der Dienstherr geschädigt und die Deutsche Bahn AG zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist, ändert daran nichts (vgl. § 1 Nr. 25 DBAGZuständigkeitsVO).

"Aus" der Tat zum Nachteil des Dienstherrn ist der Bestechungslohn allerdings dann erlangt, wenn er mit dem durch das pflichtwidrige Handeln entstandenen Schaden inhaltlich so verknüpft ist, dass der Vermögensnachteil des Dienstherrn und der Vermögenszuwachs beim Täter gleichsam spiegelbildlich miteinander korrespondieren, etwa wenn einem Dritten Vorteile aus dem Vermögen des Dienstherrn verschafft werden, die dessen Aufwendungen für den Bestechungslohn kompensieren oder die ganz oder teilweise dem Täter zufließen sollen (vgl. BGHSt 47, 22, 31; BGHR StGB § 73 Verletzter 4, 5; BGH, NStZ 2003, 423). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor, denn das Bauunternehmen hat die dem Angeklagten zugeflossenen Bestechungsgelder nicht aus dem aufgrund der Untreuehandlungen des Angeklagten unberechtigt erhaltenen Anteilen ihres Werklohns finanziert, sondern dort aus anderen Quellen gespeisten "schwarzen Kasse" entnommen.

Darauf, dass von der Verfolgung der in Betracht kommenden Untreuehandlungen des Angeklagten gemäß § 154 StPO abgesehen worden ist, kommt es nach alledem nicht mehr an.

cc) Zwar hat ein Bundesbeamter nach § 71 Abs. 2 Satz 1 BBG i.d.F. des DNeuG vom 5. Februar 2009 (BGBl. I 160) einen Vermögensvorteil, den er in Bezug auf sein Amt angenommen hat, dem Dienstherrn herauszugeben (so schon zum früheren Rechtszustand BVerwGE 115, 389 mwN; zur Geltendmachung gegenüber zugewiesenen Beamten des Bundeseisenbahnvermögens nunmehr § 1 Nr. 25 DBAGZuständigkeitsVO). Dies führt jedoch nicht zu einer doppelten Inanspruchnahme des Beamten, wenn er den Vorteil zugleich im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat, denn nach dem Wortlaut von § 71 Abs. 2 Satz 1 BBG kann der Dienstherr die Herausgabe nur verlangen, soweit nicht im Strafverfahren der Verfall angeordnet worden ist. Danach kommt dem Verfallanspruch des Staates gegenüber dem Ablieferungsanspruch des Dienstherrn der Vorrang zu (vgl. BVerwGE aaO; OVG Münster NVwZ-RR 2003, 136); dies gilt auch dann, wenn der Verfall erst nach der Geltendmachung des Anspruchs durch den Dienstherrn angeordnet wird (Plog/Wiedow, BBG, § 71 BBG 2009 Rn. 0.2; § 70 BBG aF Rn. 3a).

dd) Dass der Angeklagte Kapitalgesellschaften des Privatrechts zur Dienstleistung zugewiesen war, führt auch nicht zu einem neben die Verfallsanordnung tretenden Anspruch auf Herausgabe des Bestechungslohns nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 667, 681 Satz 2, 687 Abs. 2 Satz 1 BGB; hierzu BGH, NJW 2001, 2476, 2477). Diese Vorschriften sind auf das Beamtenverhältnis unanwendbar (BVerwGE aaO); die Rechtsstellung eines Beamten des Bundeseisenbahnvermögens bleibt auch bei seiner Zuweisung zur Dienstleistung an die Deutsche Bahn AG gewahrt (Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG; § 12 Abs. 4 Deutsche Bahn GründungsG). Auf die Frage, ob auch der bürgerlichrechtliche Herausgabeanspruch von vornherein mit der Möglichkeit der strafrechtlichen Verfallserklärung belastet ist (vgl. BGHZ 39, 1; LAG Berlin LAG-Report 2005, 289), kommt es nicht an.

b) Indes hat die Anordnung des Wertersatzverfalls deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft hat, inwieweit sie für den Angeklagten eine unbillige Härte wäre (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). So kann der Verfall eine unbillige Härte sein, wenn der Täter auf Grund der Rechtsverfolgung eines Geschädigten voraussichtlich sein gesamtes Vermögen verlieren wird (vgl. BGH, wistra 1999, 464). Dies liegt hier nicht fern, denn der Angeklagte haftet - jedenfalls gesamtschuldnerisch mit den Verantwortlichen des Bauunternehmens - für den der Deutschen Bahn Netz AG entstandenen Schaden. Dass das Landgericht nicht hat feststellen können, ob der Deutschen Bahn Netz AG nach Einbehalt von ca. 22 Mio. DM aus der Schlussrechnung "dauerhaft ein Vermögensschaden verbleiben wird", schließt seine Inanspruchnahme nicht aus. Nennenswerte Vermögensgegenstände des Angeklagten über seinen Miteigentumsanteil an dem weitgehend abbezahlten Wohngrundstück hinaus sind nicht ersichtlich. Der neue Tatrichter wird deshalb ergänzende Feststellungen zu dessen Wert sowie zum Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme des Angeklagten zu treffen haben.

II. Revision des Angeklagten

Soweit der Angeklagte das Verfahren beanstandet, ist die Rüge nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf die Sachrüge ist die Anordnung des Verfalls aufzuheben (oben I. 4. b)); das weitergehende Rechtsmittel erweist sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 138

Externe Fundstellen: StV 2011, 16

Bearbeiter: Ulf Buermeyer