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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 605

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 644/19, Beschluss v. 14.04.2020, HRRS 2020 Nr. 605


BGH 5 StR 644/19 - Beschluss vom 14. April 2020 (LG Dresden)

Erfolglose Revision des Nebenklägers.

§ 400 StPO

Entscheidungstenor

Die Revision des Nebenklägers Fu. gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 12. August 2019 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.750 € nebst Zinsen an den Nebenkläger Fu. bei Absehen von einer Entscheidung über den weitergehenden Schmerzensgeldantrag verurteilt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die ihm wegen des an ihm am 6. März 2019 begangenen sexuellen Missbrauchs entstehen, zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Die hiergegen gerichtete Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.

1. Soweit hier von Bedeutung hat das Landgericht folgende Feststellungen zum äußeren Geschehen getroffen (Taten 2.5 und 2.6):

Auf eine Einladung des Angeklagten begab sich der zu dieser Zeit 11-jährige Nebenkläger Fu. zusammen mit dem 13-jährigen Nebenkläger V. am 6. März 2019 in die nahe ihrer Schule gelegene Wohnung des Angeklagten. Nachdem der Angeklagte den Jungen zunächst seine Räumlichkeiten gezeigt hatte, erklärte er, dass er gern „FKK mache“ und fragte die Jungen, ob sie dazu bereit wären. Sodann forderte der Angeklagte den Nebenkläger V. auf, seine Hose herunterzuziehen, was dieser ablehnte. Anschließend begab sich der Angeklagte mit dem Nebenkläger Fu. ins Badezimmer und verschloss die Tür. Dort zog der Angeklagte seine Hose ein Stück herunter, holte sein Geschlechtsteil hervor, ergriff die Hand des Jungen und führte sie an sein Geschlechtsteil. Nachdem sie so einige Sekunden verharrt hatten, zog der Angeklagte die Hose wieder hoch und verließ mit dem Jungen das Badezimmer.

Vor dem Verlassen der Wohnung küsste der Angeklagte beide Jungen auf die Wange und forderte sie zur Verschwiegenheit auf, da er anderenfalls ins Gefängnis müsse.

Zu den Tatfolgen hat das Landgericht auf der Grundlage der Vernehmung des Zeugen T. Fu., des Vaters des Nebenklägers, festgestellt, dass der Nebenkläger seit einem oder eineinhalb Jahren in einer Psychotherapie - „jetzt auch wegen der Tat“ - behandelt werde. Er sei bereits zuvor wegen einer Angststörung beim Psychologen gewesen. Das Schuljahr habe er freiwillig wiederholt. Bis zur Verhaftung des Angeklagten habe sein Sohn aus Angst vor dessen Rache das Haus nicht verlassen wollen.

2. Mit der Aufklärungsrüge und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts beanstandet die Revision, das Landgericht habe die vom Nebenkläger Fu. im Adhäsionsantrag vom 19. Juli 2019 benannte Zeugin T. anhören oder ein Sachverständigengutachten einholen müssen, um die psychischen Folgen der Tat und die negativen Auswirkungen auf die Entwicklung des Nebenklägers einschätzen zu können. Dessen ungeachtet sei der Angeklagte bereits auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 3 StGB, jedenfalls wegen eines besonders schweren Falls des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 3 StGB zu verurteilen.

3. Die Revision bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos.

a) Die Rüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, ist jedenfalls unbegründet, da sich die Strafkammer auf der Grundlage der von der Revision vorgetragenen Umstände nicht zu der vermissten Beweiserhebung gedrängt sehen musste. Zu den Auswirkungen der Tat hat die Strafkammer in der Hauptverhandlung den Vater des Nebenklägers gehört. Die Begründung des Adhäsionsantrags vom 9. Juli 2019 teilt keine über die im Urteil bereits festgestellten psychischen und schulischen Auswirkungen hinausgehenden Folgen für den Nebenkläger mit.

b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Nebenklägers ergeben, § 337 StPO.

Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:

„Die Erörterung der Voraussetzungen eines schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 3 StGB war nicht veranlasst. Die Bejahung dieser Qualifikation erfordert in subjektiver Hinsicht zumindest bedingten Vorsatz bezüglich der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Geschädigten (Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 176a Rdnr. 21). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte eine derartige Gefährdung des Geschädigten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, sind nicht ersichtlich. Diese folgen insbesondere nicht aus der Tat selbst, welche nur von geringer zeitlicher Dauer und mittlerer Intensität war (UA S. 14).“

Dem schließt sich der Senat an.

c) Die auf die Nichtanwendung des § 176 Abs. 3 StGB gestützte Revision kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich bei dieser Vorschrift um einen unbenannten besonders schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern, mithin um eine Strafzumessungsregel handelt. Die Revision, mit der der Nebenkläger die Nichtanwendung einer Strafzumessungsregel rügt, ist nach § 400 StPO unzulässig (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 2 StR 173/03, NStZ-RR 2003, 306 f., zu § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF; Beschluss vom 9. Januar 2018 - 3 StR 587/17, zu § 177 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB).

4. Die Überprüfung des Urteils hat auch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 301 StPO).

Zwar hat die Strafkammer den Vollstreckungsstand der Verurteilung durch das Amtsgericht Meißen vom 8. November 2018 nicht mitgeteilt, so dass der Senat nicht prüfen kann, ob dieser Verurteilung Zäsurwirkung zukommt. Der Angeklagte ist durch das Unterlassen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB aber nicht beschwert, da sich bei Bildung von zwei Gesamtstrafen für den Angeklagten kein geringeres Gesamtstrafübel ergeben hätte. Aus diesem Grund käme bei vollstreckter Strafe auch kein Härteausgleich in Betracht.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 605

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 224

Bearbeiter: Christian Becker