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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 220

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 587/17, Beschluss v. 09.01.2018, HRRS 2018 Nr. 220


BGH 3 StR 587/17 - Beschluss vom 9. Januar 2018 (LG Kleve)

Verhältnis von Vergewaltigung und sexueller Nötigung (Regelbeispiel; Qualifikation; Schuldspruch; Urteilsformel); zulässige Begehr in der Revision des Nebenklägers.

§ 177 StGB; § 260 StPO; § 400 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei § 177 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB handelt es sich um eine Strafzumessungsregel. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil das hier in Betracht kommende Regelbeispiel eine eigene Bezeichnung („Vergewaltigung“ statt „sexuelle Nötigung“) hat. Im Verhältnis von sexueller Nötigung zu Vergewaltigung handelt es sich nämlich nicht um eine Frage des Schuldspruchs im rechtstechnischen Sinne, sondern um eine Frage der Fassung der Urteilsformel gemäß § 260 Abs. 4 S. 1 und 2 StPO, in der ausnahmsweise die Begehung eines Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall der (versuchten) sexuellen Nötigung zum Ausdruck kommen soll.

2. Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil mit seiner Revision nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Eine zulässige Begehr ist daher zwar die Anwendung eines Qualifikationstatbestandes, nicht aber die einer anderen - hinsichtlich der Mindeststrafe höheren - Strafzumessungsvorschrift.

Entscheidungstenor

Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 27. Juli 2017 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren findet wegen der gleichfalls erfolglosen Revision des Angeklagten nicht statt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zur Zahlung von 4.088,88 € an die Nebenklägerin verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Nebenklägerin. Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Mit ihrer Revision erstrebt die Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung. Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. So liegt der Fall jedoch hier, denn die Nebenklägerin begehrt nicht die Anwendung eines Qualifikationstatbestandes, sondern lediglich einer anderen - hinsichtlich der Mindeststrafe höheren - Strafzumessungsvorschrift, denn auch nach der Neufassung des § 177 StGB durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBI. I 2460 ff.) handelt es sich bei § 177 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB - nicht anders als bei § 177 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB aF - um eine Strafzumessungsregel (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 129). Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil das hier in Betracht kommende Regelbeispiel eine eigene Bezeichnung („Vergewaltigung“ statt „sexuelle Nötigung“) hat. Im Verhältnis von sexueller Nötigung zu Vergewaltigung handelt es sich nämlich nicht um eine Frage des Schuldspruchs im rechtstechnischen Sinne, sondern um eine Frage der Fassung der Urteilsformel gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO, in der ausnahmsweise die Begehung eines Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall der (versuchten) sexuellen Nötigung zum Ausdruck kommen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 2 StR 173/03, NStZ-RR 2003, 306; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 400 Rn. 3a).“

Dem stimmt der Senat zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 473 Rn. 10a).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 220

Bearbeiter: Christian Becker